https://www.teilzeithelden.de/2020/08/06/rezension-cthulhu-allein-gegen-die-dunkelheit/
Allein gegen die Dunkelheit ist ein Abenteuer, das allein bestanden werden muss. Ein tödliches Mysterium wartet darauf, enthüllt zu werden, während fanatische Kultisten und undurchsichtige Attentäter dies verhindern wollen. Die Teilzeithelden haben die Reise angetreten und in uralten Stätten unaussprechliche Schrecken erblickt.
1985 erschien die Originalversion von Alone Against the Dark, einem Solo-Abenteuer für das Horror-Rollenspiel Cthulhu, das vor einigen Jahren überarbeitet und nun unter dem Titel Allein gegen die Dunkelheit auf Deutsch aufgelegt wurde. Die Jahreszahl macht deutlich, dass eine Überarbeitung nötig war, um den Staub abzuputzen. Viel wurde allerdings nicht verändert. Spricht dies für die Qualität des Abenteuers?
Endlose Möglichkeiten? – Der Inhalt
Allein gegen die Dunkelheit ist nicht wie die meisten anderen Solo-Abenteuer und ihnen in manchen Punkten doch sehr ähnlich. Vier vorgefertigte Charaktere liegen bei, wobei festgelegt ist, dass man in Arkham, einer fiktiven Stadt in Neuengland, mit Dr. Louis Grunewald startet. Scheitert er im Laufe des Spiels, kommt sein Freund Ernest Holt zum Einsatz, nach ihm die Reporterin Lydia Lau, danach ihr Verlobter, der Navy-Matrose Devon Wilson. Dadurch kommt eine Dynamik in den Verlauf des Abenteuers, die weiter unten beispielhaft dargestellt werden soll. Ansonsten wird die Geschichte so erzählt, wie man es aus den alten Abenteuer-Spielebüchern kennt: Du nimmst den linken Gang? Dann lies bei X weiter. Gehst Du in den rechten Gang, dann blättere zu Y.
Grunewald bekommt ein Telegramm von einem Freund, der in Athen Ärger mit dem Gesetz bekommen hat und nun um Hilfe bittet. Offenbar hat er versucht, etwas aus dem dortigen Museum zu entwenden. Grunewald fackelt nicht lange und beschließt, mit dem Schiff nach Athen zu reisen. Vorab müssen jedoch einige Vorkehrungen getroffen werden. An diesem Punkt fällt bereits die nächste Besonderheit des Abenteuers auf: Es können unterschiedliche Orte in Arkham besucht werden, an denen, je nach aktueller Uhrzeit und Datum, verschiedene Ereignisse möglich sind. Neben den Spielwerten von Dr. Grunewald muss also auch der Kalender gepflegt werden.
Arkham ist noch verhältnismäßig übersichtlich. Spätere Schauplätze wie Athen und Kairo bieten viele Optionen, bei denen die weitere Entwicklung stark vom Datum abhängt. Der Kalender beginnt am 1. September 1931 und kann bis zum 31. Dezember 1931 verwendet werden, wobei im Hintergrund Ereignisse geschehen, welche die Optionen an manchen Schauplätzen verändern.
Beispiel gefällig?
Dr. Grunewald startet in Arkham und reist über Boston und New York nach Athen, um dort seinen Freund aus dem Gefängnis zu holen. Da das Abenteuer an einem Dienstagabend startet und das Schiff erst am Samstag ablegt, ist noch etwas Zeit, um in Bibliotheken und Museen ein paar Informationen einzuholen.
Die Fahrt nach Athen dauert neun Tage, die mit Aktivitäten wie Bridge, Bord-Kino, Tennis oder Cocktails verplant werden können. Je nachdem, was ausgewählt wurde, hat man die Chance auf besondere Ereignisse. In diesem Durchlauf sorgt die Auswahl jedoch dafür, dass nichts Spektakuläres passiert, auch wenn Dr. Grunewald offenbar verfolgt wird.
In Athen stellt er schließlich fest, dass sein Freund einem alten Kult und einem besonderen Artefakt auf der Spur war, das sich nun im Museum von Kairo befindet. An dieser Stelle soll nicht zu viel von der Handlung verraten werden, aber tatsächlich schafft Dr. Grunewald es dank Würfelglück und viel Vorsicht, bereits in Kairo die Gefahr abzuwenden. Ein Großteil des Abenteuers bleibt wegen des erfolgreichen Ausgangs also unerforscht. Laut Einleitung ist dies allerdings auch ein sehr unwahrscheinliches Ergebnis.
Tun wir also so, als hätte der Doktor es nicht geschafft: Drei Tage später bricht Ernest Holt, der bereits erwähnte Freund von Grunewald, aus New York auf. Laut Kalender legt praktischerweise noch am gleichen Tag das Schiff nach Athen ab. Holt erlebt die gleiche neuntägige Reise, auch wenn dieses Mal die Freizeit anders verplant wird und deswegen schnell zu erkennen ist, dass Attentäter auf ihn lauern.
Doch es ist noch Mitte September und Holt hat in Kairo die gleichen Möglichkeiten wie vor ihm Grunewald. Grundlegende Änderungen, so ist den Beschreibungen zu entnehmen, finden erst einige Wochen später statt. Warum also nicht mit Holt ein bisschen unbekümmerter die Umgebung erkunden? Doch auch damit scheint noch nicht alles gesehen. Weitere Durchläufe müssen her, um zu erfahren, wie die Geschichte einen an die bereits in den Handouts sichtbaren Schauplätze wie Bremen oder in eine alte Pyramide führt. Einige Spielstunden später wird dies jedoch klarer.
Allein gegen die Dunkelheit in einer offenen Welt
Dieses Solo-Abenteuer erfordert von den Spieler*innen eine Menge Buchführung. Uhrzeit und Datum müssen nachgehalten werden, ebenso wie die Ausrüstung. Der Sinn vieler Schauplätze erschließt sich erst, wenn man andernorts einen Hinweis darauf erhalten hat. In der Einleitung wird sogar davor gewarnt, einen Ort ohne triftigen Grund aufzusuchen. Andererseits sollte man diese Warnung nicht zu sehr beherzigen, denn wer nicht erkundet, der verpasst auch viel. Das Abenteuer kann dadurch ins Stocken geraten.
Teilweise stößt man nur scheinbar willkürlich auf erhellende Hinweise. In Athen hängen einige Ereignisse zum Beispiel stark von der Wahl des Taxi-Fahrers ab. Trifft man im oben beschriebenen Abschnitt während der Schifffahrt aus dem Bauch heraus bestimmte Entscheidungen, tappt man lange Zeit im Dunkeln. Schlägt eine Probe zur Einschätzung des Gegenübers während eines Gesprächs fehl, verpasst man interessante Dialog-Optionen.
Diese Punkte machen Allein gegen die Dunkelheit etwas sperrig. Auch ist es nicht, wie viele zeitgenössische Solo-Abenteuer, für Einsteiger gedacht. Eine grundlegende Kenntnis des Cthulhu-Regelsystems wird vorausgesetzt. Die Fertigkeiten der vier vorgefertigten Charaktere können verbessert werden. Zwar gibt es Tipps, welche Fertigkeiten gesteigert werden sollten, aber keine Erklärungen dazu, was sie genau bewirken.
Bestimmte Fertigkeiten sind für das Bestehen des Abenteuers unabdingbar. Wer sie nicht auf dem Charakterbogen findet und es versäumt, sie zu aktivieren, findet sich irgendwann in einer ausweglosen Situation wieder. Immerhin hat man mit dem nächsten Charakter die Möglichkeit, dies auszugleichen. Außerdem gibt es einen Schnitzer bei Allein gegen die Dunkelheit: Es wurde vergessen, die (bitter nötigen) Glückspunkte bei den vorgefertigten Charakteren zu vermerken, obwohl deren Gebrauch in den einleitenden Regeln ausführlich erklärt wird. Diese können natürlich aber auch selbst ausgewürfelt werden.
Ein karges Abenteuer – Das Erscheinungsbild
Allein gegen die Dunkelheit besticht durch ein sauberes Schriftbild und eine sparsame Illustration. Wie bei vielen Solo-Abenteuern ist es nachzuvollziehen, warum auf allzu deutliche Szenen weitestgehend verzichtet wird. Wer ganz am Anfang noch unbefangen durch die Abschnitte blättert, soll schließlich nicht bereits den Endkampf erblicken.
Das Wichtigste funktioniert tadellos: Die Orientierung beim Blättern von Abschnitt zu Abschnitt klappt dank gut lesbarer Zahlen und einer sauberen Struktur ohne Probleme. Da häufig wieder zu einem Ausgangspunkt zurückgeblättert muss, hilft es zudem, dass auch die Zahlen der Abschnitte, von denen man gerade gekommen ist, vermerkt sind.
Ein verstaubtes Mysterium – Das Fazit
Im Jahr 1985 mögen die Ideen in Allein gegen die Dunkelheit noch frisch und unverbraucht gewirkt haben. Heutzutage tragen sie allein jedoch nicht mehr durch die altbackene Geschichte, bei der nur selten Spannung oder gar Horror aufkommen. Stattdessen kann das Abenteuer durch seinen verschrobenen Charme und den detailverliebten Simulationscharakter überzeugen.
35 Jahre nach Erstveröffentlichung wäre anstelle des oberflächlichen Aufpolierens eine grundlegende Überarbeitung wünschenswert gewesen. Zwar besitzt das Abenteuer noch immer eine beachtliche Spieltiefe, da viele Stationen mehrfach besuchbar sind und je nach Situation neue Möglichkeiten bieten. Die Aufbereitung ist aber sehr trocken, sachlich und bis auf einige Ausnahmen nur wenig atmosphärisch.
Allein gegen die Dunkelheit ist nichts für jene, die einen entspannten und unkomplizierten Abend mit einem Solo-Abenteuer verbringen wollen. Vielmehr werden jene angesprochen, die sich gerne über den ganzen Schreibtisch ausbreiten und in der vielschichtigen Handlung versinken möchten.
Selten gab es in einem Abenteuer dieser Art so viel zu entdecken, auch wenn die Zugänglichkeit mitunter durch die groben Spielmechanismen eingeschränkt wird. Wer diese Herausforderung annimmt, kann jedoch Schritt für Schritt mehr erfahren, was schließlich auch einen gewissen Reiz ausmacht. Allein gegen die Dunkelheit ist ein Mysterium, dass sich nicht leicht enthüllen lässt.
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