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https://www.teilzeithelden.de/2018/12/11/ersteindruck-stars-without-number-sandkastenspiele-in-einer-weit-entfernten-galaxis/
Der Weltraum. Unendliche Weiten. Dieses Regelwerk soll dazu dienen Abenteuer auf fremden Planten zu erleben, unbekannte Lebensformen und neue Zivilisation zu entdecken. Das Buch dringt dabei in Regeltiefen vor, die kaum ein Regelwerk zuvor gesehen hat. Aber lohnt es sich auch? Dieser Frage wollen wir nachgehen.
Ursprünglich erschien die erste Edition von Stars without Number 2011 bei Sine Nomine Publishing und wurde schnell ein Geheimtipp in der Nische der Sci-Fi-Rollenspiele. Sechs Jahre und einige Erweiterungen später wurde in einem enorm erfolgreichen Kickstarter die Revised Edition finanziert und verlegt. Ähnlich den anderen Publikationen des Verlags, beispielsweise Godbound oder Silent Legions, legt Autor Kevin Crawford einen Fokus darauf Sandboxkampagnen nicht nur zu ermöglichen, sondern die Spielleitung explizit in der Erstellung und Durchführung einer solchen Kampagne zu unterstützen. Mit welchem Tipps und Hilfsmitteln das ermöglicht werden soll, schauen wir uns in der Folge an.
Die Spielwelt
Der Hintergrund
Obwohl Stars without Number sich zum Ziel gesetzt hat eine möglichst breite Art von Hintergründen und Spielstilen zu unterstützen, liefert es trotzdem ein eigenes Setting mit, dass von der Spielleitung als Ausgangspunkt genutzt werden kann. In dieser Welt führte vor hunderten von Jahren ein Kataklysmus namens „Der Schrei“ zum Zusammenbruch des terranischen Mandats. In einem Moment verloren alle Telepathen aus unbekannten Gründen ihren Verstand und die entstehende metadimensionale Welle ließ den intergalaktischen Transport als auch die Kommunikation zusammenbrechen. In der folgenden Zeit, das Schweigen genannt, zerfiel nicht nur die Macht des Mandats, sondern auch ganze Zivilisationen stürzten zusammen. Der Umgang mit komplexen Technologien und das Aufrechterhalten der Gesellschaften fielen in basalere Stadien zurück.
Nun, Jahrhunderte später, hat die Menschheit erneut begonnen sich zwischen den Sternensystemen zu bewegen. Nur einige wenige Welten haben die technischen Errungenschaften der Zeit vor dem Schrei, der so genannten Prä-Technologie, bewahren können. Die meisten Welten arbeiten mit Neuentwicklungen, der Post-Technologie, die aber unzuverlässiger, weniger effektiv oder weniger mächtig sind als ihre antiken Vorgänger. Einige Welten schicken sich an ihre Nachbarn durch Diplomatie oder militärische Macht unter ihren Einfluss zu zwingen, andere haben nicht die notwendige Kenntnis oder Ressourcen sich aus einer zweiten Steinzeit zu befreien. Der Sektor steht also an einer historischen Wasserscheide. Welche Fraktion wird aufsteigen, welche fallen, wer erhebt sich aus dem Staub der Geschichte und wer wird endgültig vergessen?
Die Spieler im Sandkasten
Artwork von Stars Without Number
Man kann es dem vorangegangenen Absatz schon entnehmen. Die SpielerInnen starten – zumindest wenn das Ausgangssetting benutzt wird – in eine Welt voller Möglichkeiten. Die Welt ist noch nicht an einem Punkt angekommen, dass sich eine Fraktion gegen die andere durchgesetzt hätte und die Machtverhältnisse sind im Fluss. Es bedarf also herausragenden Individuen, die bereit sind, das Schicksal der Menschheit zu beeinflussen und zu den Helden oder Schurken ihrer Zeit zu werden. Oder um es mit den Worten des Berliner Historikers Leopold von Ranke zu sagen „In großen Entscheidungen ist es notwendig, dass mächtige Männer eine Unternehmung zu ihrer persönlichen Angelegenheit machen.“ Heute würde man das sicherlich inklusiver und mit weniger heiligem Ernst formulieren, als es Ranke Ende des 19. Jahrhunderts tat, aber der Aussage wohnt der gleiche Geist inne, der auch die Idee der Sandbox belebt: Eine große Entscheidung zu einer persönlichen Sache machen.
Aus diesem Grund kommt das Setting auch nahezu ohne vorgegebene Fraktionen, Konflikte, Storylines etc. aus. Es ist vielmehr wie ein großer Baukasten zu verstehen, aus dem man etwas Eigenes zusammenstellen kann. Das ist natürlich mehr Arbeit als ein vorgefertigtes Abenteuer in einem existierenden Setting zu nehmen und die SpielerInnen durch eine Plot-Achterbahn zu jagen, aber wenn es funktioniert, kann es eine sehr belohnende Erfahrung sein. Damit die Erstellung des Hintergrunds aber nicht in zu viel Arbeit ausartet, nimmt Stars without Numbers die potenzielle Spielleitung von Anfang an an die Hand. In den folgenden Absätzen betrachten wir deshalb die grundlegenden Design-Prinzipien des Spiels und beleuchten, wie das Spiel die Spielleitung Schritt für Schritt hindurchleitet.
Die Regeln
Bedingt durch die enorm erfolgreiche Kickstarter-Kampagne, die immer neue Kapitel als Stretchgoal freigeschaltet hat, ist das Buch sehr umfangreich geworden. Es gibt Regeln für naheliegende Dinge in einem Science-Fiction-Rollenspiel wie beispielsweise Raumkampf oder Sektorenerschaffung. Dann gibt es Regeln für Dinge, die für bestimmte Szenarien sinnvoll sein können, wie psionische Kräfte oder künstliche Intelligenzen. Und schließlich gibt es auch noch Regeln für Weltraum-Magie oder intelligente Nanitenschwärme als Hülle für die selbstbewusste Essenz antiker AIs. Damit die Rezension nicht in Detailanalyse ausartet, beschränkt sich die genauere Betrachtung hier auf die Regeln zur Setting- und Charaktererschaffung.
Settingerstellung
Artwork von Stars Without Number
Dieser Teil des Regelwerks ist eines der Kernstücke und auch der, an dem man die Designphilosophie des Spiels am besten sieht. Legt man zu Grunde, dass Stars without Number vor allem eine Hilfestellung zum Spielen in einer Science-Fiction-Sandbox sein will, dann ist die Sektorenerstellung das Herz des Spiels. Hier wird die Spielleitung Schritt für Schritt durch einen Prozess geleitet, an dessen Ende eine Hexkarte eines Sternensystems mitsamt verschiedenen Planetensystemen unterschiedlicher Entwicklungsstufen, Raumschiffhäfen, aktiven und inaktiven Raumstationen, Asteroidenminen, Fraktionen und Handelswegen steht. Im Prinzip also alle beweglichen Teile, die man in einem solchen Setting erwarten oder brauchen kann.
Doch ehe das alles steht, ist es ein langer Weg und am Anfang steht ein großes übergreifendes Werkzeug, das so alt ist wie das Hobby selbst: Die Zufallstabelle. Es gibt für beinahe alles in diesem Generierungsschritt Zufallstabellen. Dabei ist es nicht zwingend notwendig sie immer und für alles zu benutzen, aber sie helfen bei der Erstellung eines eigenen Systems ungemein, wenn man nicht von vornherein mit einem sehr detaillierten und festen Bild an die Sache herangeht. Wem generell die Idee eines zufällig generierten Systems nicht gefällt, der wird sicherlich mit diesem Spiel nicht glücklich werden. Wer bereit ist dieser Herangehensweise grundsätzlich eine Chance zu geben, der bekommt hier ein Paradebeispiel geliefert, bei dem sich viele andere Spiele unter dem Banner der Sandboxspiele eine gehörige Scheibe abschneiden können. Es würde zu weit gehen jede einzelne der Tabellen zu besprechen, aber vielleicht kann ein einfaches Beispiel verdeutlichen, wie die Sektorenerschaffung funktioniert.
Nachdem man die Anzahl der Planeten festgelegt und ihre Position auf einem Hexfeld beliebiger Größe angeordnet hat, geht es darum den Planeten so genannte tags zuzuordnen. Tags sind hier zu verstehen als kurze Schlagworte, die die leitenden Charakteristika des Planeten umschreiben. Um einen Planeten mit tags auszustatten, wirft man zweimal einen 1W100 und schaut unter den entsprechenden Einträgen nach. So hat man dann beispielsweise einen Gefängnisplaneten, dessen Terraforming nie beendet wurde. Oder aber eine paradiesische Gartenwelt, die eine Zivilisation beherbergt, die dabei ist zum Hegemon des Systems aufzusteigen. Damit allein ist es aber noch nicht getan. Jeder tag hat eine ausführlichere Beschreibung komplett mit möglichen Feinden, Verbündeten, Komplikationen, Orten und Dingen, die es zu entdecken gibt. Dabei sind die Beschreibungen zwar kurz, aber immer atmosphärisch und evokativ, so dass es leicht fällt direkt die Grundlinien eines Spielabends zu erkennen, während man auf die tags schaut.
Nachdem man also nun tags ausgewählt oder erwürfelt hat, bestimmt man auf gleiche Wirf-auf-Tabelle-Weise weitere Kennzahlen des Planeten (Bevölkerung, Atmosphäre, technische Entwicklung) und zusätzliche interessante Dinge des Systems wie Raumstationen oder orbitale Ruinen. Für die Statistiker noch interessant: Bei den letzten Tabellen wird mit 2W6 statt einem W100 gewürfelt, so dass die spielerisch sinnvolleren Optionen, wie atembare Luft und zumindest rudimentäre Bevölkerung, stochastisch bevorzugt werden. Danach können noch Fraktionen erstellt werden, die im Metahintergrund agieren und die Welt so zum Leben erwecken. Natürlich können SpielerInnen mit der Zeit einer dieser Fraktionen beitreten, sie übernehmen oder zu eigenen Fraktionen aufsteigen. Für all dieses bietet das Buch Regeln und lässt so einen ambitionierten Leiter nicht im sprichwörtlichen Regen stehen. All das kann aber auch später kommen, denn die ersten Abenteuer brauchen nicht zwingend eine Myriade agierenden Hintergrundfraktionen, sondern diese können nach und nach eingeführt werden. Wichtiger ist es, dass man die erstellte Welt zum Spielen nutzt. Darum wenden wir uns nun den möglichen Abenteuern zu.
Abenteuererstellung und Spielphilosophie
Artwork von Stars Without Number
Nachdem der Sektor in seinen Grundgerüsten steht, bleibt natürlich noch die Frage offen, wie viele Details man hinzufügen will und was genau man denn in diesem Spielkasten tun will. Hier zeigt sich, dass Stars without Number trotz seiner Detailfülle diesen Aspekt nicht aus den Augen gelassen hat. Die grundlegende Philosophie zu diesen beiden Fragen wird bereits zu Beginn der Sektorenerschaffung explizit aufgeschrieben und lässt sich auf zwei grundlegende Fragen zuspitzen: „Habe ich Spaß?“ und „Brauche ich das für die nächste Sitzung?“ Im Idealfall sollten beide Fragen mit „Ja“ beantwortet werden. Sollte die Antwort bedingt durch die Detailuntiefen „Nein“ lauten, sollte man aufhören. Im Zweifel rät das Spiel einem dazu, die fehlenden Details von den SpielerInnen ausgestalten zu lassen, um ihre Verbindung mit der Welt einerseits und ihr Engagement am Spieltisch andererseits zu stärken. Beides enorm wichtige Dinge, wenn eine Sandboxkampagne gut laufen soll. Der Fokus auf den Spieltisch und die konkreten Bedürfnisse des Spielabends werden jederzeit höchste Priorität gewidmet, was auch gar nicht oft genug erwähnt werden kann. Denn ansonsten findet sich die Spielleitung schnell mit einer bis ins Detail ausgearbeiteten transhumanistischen Zivilisation körperloser, unsterblicher Intellekte wieder, die ihre Grenzen mit einer quantenkommunikativ gesteuerten Armada semibewusster AI-Kriegsschiffe verteidigen, was die SpielerInnen beschließen mit Ignoranz zu lösen. Statt sich also wie Captain Kirk mit Bauernschläue und Todesverachtung einer überlegenen Zivilisation von Energiemonstern zu stellen, drehen sie ihre Nostromo um und verschwinden so schnell sie können, um sich und ihre mühsam zusammengeklaubten Besitztümer in Sicherheit zu bringen. Will man als Spielleitung nun die Entscheidung der Charaktere nicht entwerten, indem man sie per Traktorstrahl in den Konflikt hineinzwingt, muss man die ganze Arbeit zur Seite schieben und aus dem Handgelenk eine neue Geschichte improvisieren.
Damit das möglichst leicht machbar ist, gibt einem das Kapitel zur Abenteuererstellung einige gute Hilfsmittel an die Hand, damit der Frust über die schnöde ignorierten Mary-Sue-Übermenschen nicht zum Abbruch der gesamten Kampagne führt.
Kurzum folgt man auch hier wieder dem Prinzip der Spielleitung einen Baukasten für eigene Abenteuer zu liefern. Die Spielleitung wird angehalten sich über die Motivation seiner Gruppe klar zu werden, um so das bestmögliche Abenteuer für diese spezifische Gruppe zu erstellen. Dabei geht die Abenteueranleitung nach bekannten Mustern vor, die aber in einer sehr verständlichen und klaren Sprache formuliert sind. Such dir die Themen des Abenteuers aus, schreib eine grobe Outline an Szenen, füge beliebige Anzahl an Details und Handouts hinzu, mach dir klar welche Motivation deine Gruppe haben könnte deinem Storyköder zu folgen, dann noch einmal aufpolieren und auf die Spielerschaft loslassen. Damit die eigenen kreativen Prozesse starten können, kommt erneut die Zufallstabelle zum Einsatz. Den Abschluss bildet eine Übersicht von 100 möglichen Abenteuerideen, wenn man denn so gar nicht weiß, wo man anfangen soll.
Charaktererschaffung
Artwork von Stars Without Number
Die Sektoren stehen, mögliche Abenteueraufhänger sind auch etabliert und man hat sich gemeinsam mit der Gruppe überlegt, was man denn spielen will. Nun müssen natürlich noch Charaktere her. Stars without Number steht hier sicher in der OSR-Tradition des Rollenspiels. Das bedeutet, dass unter der Motorhaube grundlegend eine einfache D&D-Version arbeitet mit all den typischen Eigenheiten dieser Spiele. Es gibt sechs grundlegende Attribute, denen entsprechende Fähigkeiten zugeordnet sind. Je höher der Attributswert, desto höher der Bonus, den man auf einen Wurf bekommt. Man bekommt entweder eine feste Anzahl an Punkten, die man auf Attribute und Fertigkeiten verteilen kann oder man kann sie zufällig erwürfeln. Von diesen Werten leiten sich Werte wie Rüstungsklasse oder Rettungswürfe ab.
Alle Charaktere basieren dann auf einer Kombination von Hintergrund, Klasse und Fokus. Der Hintergrund steht dabei für die biografische oder soziale Herkunft wie zum Beispiel Adel, Klerus, Fabrikarbeiter etc. Die Klasse legt fest, was der Charakter hauptsächlich macht und worauf er sich im Spiel konzentrieren will. Der Krieger kämpft, der Experte hat ein besonderes Spezialgebiet, der Psioniker hat übersinnliche Kräfte und der Abenteurer konnte sich nicht so recht entscheiden und möchte sich alle Optionen offenhalten. Schließlich nimmt man noch Foki, die den bisher relativ generischen Charakteren spezifische Ausformungen geben. Der Krieger kann also entweder Soldat, Offizier, Assassine oder Ritter einer technologisch wenig entwickelten Welt sein.
Man muss dazu sagen, dass Stars without Number – wie alle OSR-Spiele – deutlich in der tödlichen Ecke angesiedelt ist. Ein einzelner Blasterschuss kann auch erfahrene Charaktere auf der Stelle töten. Wem das nicht gefällt, der kann natürlich die Alternativregeln für heroische Charaktere benutzen, die mit höheren Lebenspunkten, Rettungswürfen etc. einhergehen.
Ansonsten ist zu der Charaktererschaffung wenig zu sagen. Das System ist simpel und leicht verständlich, bietet aber auch Möglichkeiten zu Optimierung und Numbercrunching. Es wirkt intuitiv, wenn auch wenig innovativ.
Erscheinungsbild
Das Buch erscheint – wie bei DriveThruRPG üblich – in mehreren Druckoptionen. Alle Aussagen basieren auf der farbigen Premiumversion, wie sie im Rahmen des Kickstarters ausgeliefert wurde. Optisch ist das Buch solide gemacht. Das durchgängig zweispaltige Schriftbild ist angenehm zu lesen und dezente farbige Balken am Rand lassen einen beim Durchblättern nicht nur immer wissen, wann ein neues Kapitel beginnt, sondern bilden eine schöne optische Kapitelklammer. Ferner wird jedes Kapitel durch eine großes einseitiges Artwork eingeleitet und zwischendurch sind immer wieder künstlerische Auflockerungen eingestreut. Das erfüllt alles seinen Zweck, entfacht aber auch keinen Begeisterungssturm. Die Artworks sind durchgehend von solider Qualität ohne allerdings dabei besonders hervorzustechen. Das Papier ist matt und angenehm dick, so dass es auch haptisch nichts zu bemängeln gibt. Der einzige kleine Wermutstropfen ist, dass der Buchblock deutlich kleiner ist als das ihn umgebene Hardcover. Da der Pappeinband somit an drei Seiten deutlich „übersteht“ bekommt er deutlich schneller Knicke und die Ecken sehen schnell bestoßen aus. Insgesamt aber ein handwerklich gutes Produkt, dessen Fokus aber klar auf der guten Benutzbarkeit und nicht schönem Aussehen liegt.
Bonus/Downloadcontent
Zum Zeitpunkt dieses Ersteindrucks gibt es keinen offiziellen Bonuscontent. Allerdings hat man auf der Webseite des Projekts Sectors without Number die Möglichkeit eine Web-Version der Sektorenerschaffung zu nutzen. Außerdem wird auf DriveThruRPG eine kostenlose Variante des Spiels vertrieben, die einige Sonderregelkapitel und Artworks weniger enthält, aber einen hervorragenden Startpunkt abgibt.
Fazit
Die Ein-Mann-Schreibarmee Kevin Crawford hat mit der Revised Edition von Stars without Number ein beeindruckendes Werk vorgelegt. Auf den etwas mehr als 300 Seiten findet sich ein wahres Füllhorn an Ideen, Anleitungen und Regeln für nahezu jeden Aspekt von Science-Fiction-Rollenspielen im Generellen und den Sandbox-Spielstil im Speziellen. Wer schon immer einmal sein eigenes Universum erschaffen und dann seine SpielerInnen darauf loslassen wollte, der hat mit diesem Buch quasi eine Pflichtlektüre vor sich.
Optisch ist das Ganze sicher keine Schönheit, aber der Text an sich ist so dicht, dass manches Regelsystem mit dem dreifachen Seitenumfang nicht an die inhaltliche Tiefe herankommt. Alle Regel-Subsysteme wie Fraktionenhandlungen oder Raumkampf sind intuitiv und folgen dem klaren Designanspruch möglichst schnell und flüssig am Spieltisch umsetzbar zu sein und wenn möglich alle SpielerInnen einbinden zu können. Eine vorbildliche Herangehensweise, an der sich andere Simulationen ein Beispiel nehmen können.
Natürlich muss man dazu sagen, dass die schiere Fülle an Optionen einen mitunter fast erschlägt und eventuell einschüchternd wirken kann, aber die Beschäftigung lohnt sich für jeden, der Spaß an Science-Fiction Kampagnen hat. Mit knapp zwanzig US-Dollar für die PDF und 60 US-Dollar für die günstigste Druckversion gehört Stars without Number sicherlich nicht zu den günstigen Vertretern seiner Art, aber die kostenlose Variante bietet einem die Möglichkeit legal und gefahrlos in die Kernelemente des Spiels reinzuschnuppern, ehe man die Investition tätigt. Auch das verdient, wie das gesamte Buch, viel Lob und Anerkennung. Insgesamt ein uneingeschränkt empfehlenswertes Produkt. Chapeau, Herr Crawford.
Der Ersteindruck basiert auf der Lektüre des Buches und der Erschaffung eines kompletten Sektors mit Hilfe der entsprechenden Regeln.
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https://www.teilzeithelden.de/2019/01/06/rezension-vampire-the-requiem-2nd-ed-guide-to-the-night-oder-was-machen-vampire-im-weltraum/
Wie verhalten sich Vampire eigentlich, wenn sie sich statt in der Stadt in der Post-Apokalypse wiederfinden? Was zeichnet eine Stadt aus, in der Clan der Daeva fest das Ruder in der Hand hält? Und was bewegt die Raubtiere der Nacht zur Zusammenarbeit?
Nachdem lange Zeit für die zweite Edition von Vampire: The Requiem (kurz: Requiem) kaum neues Material herauskam, hat sich das in den letzten beiden Jahren geändert. Die neueste Ergänzung ist der Guide to the Night. Dieses Werk verspricht im Klappentext einiges: Es will Tipps für SpielerInnen geben, neue Settings bieten und dabei helfen, seine Kampagne in verschiedensten Aspekten auszugestalten sowie Regelerweiterungen liefern. Es gilt also zu schauen, ob es all diese Versprechen einhalten kann, und wie sich diese Elemente in einem Buch zusammenfügen.
In dieser Rezension wird vorausgesetzt, dass die gängigen englischen Begriffe zu Requiem bekannt sind. Zur Bewertung lag ausschließlich die PDF-Version vor.
Inhalt
Den Anfang macht eine recht ausführliche Einleitung. Hier wird nicht nur beschrieben, was den Leser in diesem Werk erwartet, sondern auch, was es eigentlich heißt, einen Vampir in Requiem zu spielen. Es wird noch einmal vorgestellt, was die Themen hinter den fünf Clans und den fünf Covenants sind. Das wird jeweils mit kurzen, prägnanten Fragen ausgedrückt, wie „Daeva — Do you want others to fall into your arms, even knowing it might kill them?“ Das ist nett und gibt jeweils einen guten Ersteindruck zur Orientierung. Für Weiteres kann man auf das Grundregelwerk zurückgreifen.
Anschließend gibt es eine Reihe Tipps, was man alles bedenken sollte, wenn man einen Vampir als Charakter entwirft, und sich darüber Gedanken macht, wie man ihn spielt. Insgesamt sind alle Tipps nützlich und sinnvoll. Man wird nicht mit zu konkreten Details gegängelt, gleichzeitig wird deutlich an die Kernaspekte erinnert, die Requiem ausmachen: Du warst einmal ein Mensch, jetzt bist du ein Raubtier.
Insgesamt weiß die Einleitung sehr gut zu gefallen, auch wenn dieser an SpielerInnen gerichtete Teil in einem Werk, das hauptsächlich SpielleiterInnen-Ressourcen enthält, fehl am Platz wirkt.
Neue Settings - Was macht der Vampir im Weltraum?
Das zweite Kapitel bietet neue Varianten, die Spielwelt anders zu gestalten, als in der gängigen Urban Fantasy-Version. Jedes Setting hat im Kapitel ungefähr drei Seiten Platz, dementsprechend vage sind sie gehalten. Trotzdem gibt es solche, die ihren Platz besser nutzen als andere.
Ascendency
Den Anfang macht Ascendency, eine Mischung aus Cyberpunk und transhumanistischer Dystopie. Die Welt ist mehr oder weniger eine riesige Stadt und die Menschheit hat kybernetische Implantate entwickelt, zudem eine Möglichkeit, den Geist in Maschinen zu versetzen. Eine neue Klasse Unsterblicher ist dadurch entstanden und konkurriert mit den Vampiren um die Macht. Leider wirkt das Konzept nicht wirklich überzeugend, denn das einzige Thema, das es einzigartig macht, ist, dass Vampire von der technologischen Entwicklung überrollt zu werden scheinen. Aber das führt dann auch schon weit weg vom Grundgedanken des Spiels.
Crown Games
In Crown Games sind die Vampire Teil eines königlichen Hofs Europas und mischen sich in das Ringen um die Macht ein. Das Ganze spielt in einem alternativen Europa, in dem alle Monarchien nach dem 1. Weltkrieg noch an der Macht sind. Eigentlich braucht es dieses Setting aber nicht wirklich, denn immerhin ist das Streben nach Macht eines der grundlegenden Themen in vielen Kampagnen. Und wie die Königshäuser und die Welt beschrieben sind, wirkt leider unfreiwillig albern.
The End of the World
The End of the World ist ein post-apokalyptisches Setting. Die Menschheit hat sich durch ein versehentlich freigelassenes Supervirus fast selbst ausgelöscht. Nun müssen nicht nur sie um ihr Überleben kämpfen, sondern auch die Vampire, die plötzlich viel weniger Beute haben. Auch wenn dieses Setting wie alle nur in groben Strichen gezeichnet ist, hat es viele wichtige Hinweise darauf, was man beachten sollte, wenn man ein Setting spielt, in dem die vampirische Gesellschaft mit der menschlichen zusammengebrochen ist.
Night Without End
Night Without End ist wahrscheinlich das schrägste der Settings: Vampire haben, unter die Menschen gemischt, den Weltraum kolonisiert und, weil sie bestens an die Bedingungen angepasst sind, offen die Kontrolle über die interstellare menschliche Expansion übernommen. Die Ideen sind durchaus interessant und wirken, als hätten sie Potential für eine (zugegebenermaßen sehr spezielle) Requiem-Kampagne.
Rain Falls
Rain Falls spielt in einer Alternativwelt, in der Kennedy nicht getötet wurde, aber seine unfähige Regierung Amerika völlig desillusioniert hat und alle Ideale verloren gegangen sind. Der Aufhänger für dieses Noir-Setting klingt seltsam und ist es auch. Vor allem könnte jedes der Themen, die hierdurch gefördert werden sollen, auch problemlos in einer normalen Kampagne untergebracht werden.
War Drums
War Drums ist ein kurzes historisches Szenario. Es setzt 1596 an und spielt in Korea, das gerade erst eine verheerende japanische Invasion hinter sich hat, die es nur mit chinesischer Hilfe abwenden konnte. In diesem verwüsteten Land streiten die Charaktere um die politischen Geschicke und darum einen neuen Krieg zu verhindern – oder das Gegenteil zu bewirken! Insgesamt eine spannende Idee. Die historischen Umstände müsste man natürlich weiter recherchieren, aber man erhält hier schon einmal einen guten Eindruck, wie die bekannten Clans und Covenants in einer anderen Kultur zu einer anderen Zeit aussehen würden.
Insgesamt bleibt bei diesem Kapitel der Eindruck zurück, dass es sich bei vielen der geschilderten Szenarios nur um grobe Ideen handelt. Oft scheinen die Autoren vorher nicht wirklich reflektiert zu haben, ob sie die Leute wirklich interessieren könnten, gerade in dieser Kürze also überhaupt lohnend sind. Es sind ein paar nette Anregungen dabei, aber die Hälfte der Settings wäre ausreichend gewesen, zumal so mehr Platz für anderes geblieben wäre.
Kampagnen mit speziellem Fokus
Das dritte Kapitel widmet sich der Planung von Kampagnen, wenn man besondere Elemente aus Requiem in den Vordergrund rücken möchte. Den Anfang machen die Clans. Wie sehen Städte und die Gesellschaft der Nacht aus, wenn einer der Clans eindeutig die Oberhand hat? Die fünf Beschreibungen, jede knapp eine Seite, sind aufgebaut nach dem Schema: Allgemeiner Eindruck, prägnante Orte, Sterbliche in der Stadt. Das geht von Territorien der Daeva, die voller Möglichkeiten zu Ausschweifungen sind, zu denen der Ventrue, die Aristokratie und Kapitalismus in harter Weise vereinen. Hier sind nette Ideen dabei, allerdings wirkt auch vieles sehr klischeebeladen.
Auf die Clans folgen Beschreibungen dazu, wie einzelne Covenants über ein Gebiet herrschen, doch leider sind sie viel zu kurz, um nützlich zu sein. Denn was nutzt es zu wissen, dass Invictus-Domänen nach einem strengen und ausgeklügelten System funktionieren, wenn man nicht erfährt, wie dieses aussieht? Und leider stecken hinter fast allen Covenants entweder Systeme oder Lehren, die sie einzigartig machen, die hier aber zu kurz kommen. Wer sich ganz einer Covenant widmen will, der wird um die entsprechenden Quellenbücher aus der ersten Edition von Requiem nicht herumkommen.
„Zu knapp, um wirklich gewinnbringend zu sein“ ist leider auch ein Urteil, dass man über den Rest der Tipps und Hinweise fällen kann. Die folgenden, allgemeineren Tipps zur Kampagnenplanung, wie kurze Hinweise und Fragen zur Erstellung von NSC, zu Setting und Atmosphäre, außerdem dazu, wie man Menschen, Ghoule und andere übernatürliche Wesen verwendet, sind an sich brauchbar, aber letztlich doch meistens oberflächlich. Positiv hervorzuheben ist allerdings das wichtige Thema Touchstones, das hier dankenswerterweise etwas mehr Aufmerksamkeit erfährt, als im Grundregelwerk.
Den Abschluss bilden einige Beispiele, wie Städte und Charaktere aussehen könnten, vor allem unter dem Zusammenspiel von Clans und Covenants. Es sind wirklich gut gemachte und inspirierende Konzepte dabei, die letztlich den am interessantesten zu lesenden Teil des Kapitels bilden.
Gemeinsam statt einsam – Wie bekomme ich Vampire zum Zusammenarbeiten?
Im vierten Kapitel wird SpielleiterInnen etwas an die Hand gegeben, das gerade für Vampire wichtig zu wissen ist: Wie bringe ich die SC dazu zusammenzuarbeiten? Hierfür gibt es das Konzept der Coterie, einer Gruppe Vampire, die aus einem bestimmten Grund zusammenarbeitet und zu einem gewissen Maß Vertrauen zueinander hat oder zumindest abhängig voneinander ist. Damit die Charaktere so eine Coterie formen können, werden Hinweise, Ideen und Techniken geboten. Manches erinnert davon an Konzepte zur Charaktererschaffung aus anderen Systemen, z.B. FATE, wirkt aber durchaus auch für Requiem funktional. Auch ein paar Story-Hooks und Ideen, wie Coteries aus NSC gewinnbringend genutzt werden können, finden sich an dieser Stelle.
Ein zweites, neues Gruppenkonzept wird anschließend vorgestellt, die Colony, das einen allerdings etwas verwirrt zurücklässt. Das liegt hauptsächlich daran, dass es nur sehr schwammige Aussagen dazu gibt, was eine Colony überhaupt ist. Letztlich läuft es darauf hinaus, dass eine Gruppe Vampire zu einer Einheit wird, die sehr aneinander gebunden ist. Das hat Vorteile – z.B. können sie nicht mehr blutsgebunden werden – aber auch Nachteile: beeinflusst beispielsweise jemand einen Vampir der Colony mit einer Discipline, dann wirkt diese auf alle Mitglieder der Colony. Dadurch, dass man aber trotzdem nicht richtig erfährt, was man da vor sich hat, bleibt die Anwendbarkeit beschränkt. Schade, vergebenes Potential!
Trotzdem hat dieses Kapitel wahrscheinlich den größten konkreten Nutzen für SpielleiterInnen. Denn den Vampir ein Stück weit vom Konzept des einsamen Jägers und machthungrigen Egoisten wegzubringen, macht das Gruppenspiel (und vor allem auch das Leiten) wesentlich angenehmer. Das beste Kapitel in Guide to the Night.
Alles zusammen nutzen
Das vierte Kapitel beginnt klar im Sinne von „Wie leite ich Vampire: The Requiem und wo fange ich an?“ Es versucht außerdem nahezubringen, wie man die in Guide to the Night vorgestellten Elemente modular nutzen kann. Zusätzlich gibt es Abschnitte, die kleinere Regelanpassungen vorschlagen oder darlegen, wie der Spielleiter Themen und Stimmung der Runde auch spielmechanisch anwenden kann, z.B. bei der Vergabe von Beats oder der Regenerierung von Willpower.
Zur Demonstration gibt es an Abschluss drei Beispielkampagnen, die viel des Besprochenen aufgreifen und zusammenführen, darunter die neuen Settings End of the World, Crown Games und Rain Falls. Trotz dieser Zusammenführung ist die Struktur des Kapitels recht konfus geraten. Gerade dass im Folgenden noch einmal neue Aspekte hinzugefügt werden, wirkt dem ursprünglichen Gedanken irgendwie entgegen.
Neue und ergänzende Regeln
Das fünfte und abschließende Kapitel enthält neue Regeln und Erweiterungen zum Portfolio der Merits und Ähnlichem in Requiem. Am hervorstechendsten ist klar die neu eingeführte Lingua Bellum. Diese ist ein System zur Abhandlung sozialer Konflikte. Sie soll dann zur Anwendung kommen, wenn es darum geht, den Gegner zu demütigen und vor Publikum niederzudebattieren.
Um es aber gleich zu sagen: Lingua Bellum liest sich kompliziert und ist es auch. Da gibt es eigene abgeleitete Werte, Manöver, ein Publikum, welches je nach Zusammensetzung unterschiedliche Auswirkungen hat, neue Conditions, die man erhalten kann, und mehr. Ich glaube zwar, dass diese Regeln funktionieren können, aber jeder der das tut, sollte sich bewusst sein, dass er sich ein komplett neues Subsystem aufbürdet, das wahrscheinlich ähnlich viel Zeit in Anspruch nimmt wie ein Kampf.
Es folgenden eine ganze Reihe von Merits, von denen viele Settings aus Kapitel 2 zugeordnet sind, aber eigentlich auch problemlos in andere übernommen werden können. Bei manchen ist allerdings fraglich, wie gewinnbringend sie sind. Letztlich packen diese nur Hintergrundelemente in Regeln. Das ist nicht sehr bereichernd und sehr viel Metaebene. Viele der Merits beziehen sich außerdem auf die Regeln für Lingua Bellum. Für letztere gibt es eine ganze Kategorie Merits namens Rhetorical Styles, die die Streitkultur der Covenants repräsentieren. Wer diese Regel aber nicht nutzen will, der kann aus diesem Abschnitt nur wenig Gewinn ziehen.
Auch ein paar neue Devotions sind enthalten. Wieder sind viele für die Settings gedacht und diesmal auch deutlich spezifischer auf diese abgestimmt. Leider wirken manche davon eher so, als könnten sie auch Merits sein, weil sie nur bedingt mit den dazugehörigen Disciplines zusammenhängen. Viel Interessantes ist leider insgesamt nicht dabei, genau wie bei den abschließenden Sonderregeln für die vorgestellten Settings. Die erfüllen ihren Zweck und werden den Spielfluss kaum stören, aber es fühlt sich bei manchen an, als hätte irgendwie eine Regel abgedruckt werden müssen, ob es etwas bringt oder nicht.
Erscheinungsbild
Optisch ist Guide to the Night überzeugend. Er folgt dem grundsätzlichen Design der Requiem-Publikationen mit einem verwischten Rand in der Farbe dunklen Blutes. Das ist nach wie vor sehr schick und passend zum Spiel. Der Text ist zweispaltig, gut zu lesen und wird regelmäßig durch Unterüberschriften, Textkästen oder Illustrationen aufgelockert. Letztere sind von guter Qualität, aber nicht immer aussagekräftig. Das gesamte PDF lädt die Seiten schön zügig.
Eine Druckversion lag zwar nicht vor, aus Erfahrungswerten mit anderen Publikationen lässt sich jedoch sagen, dass es sich in der Regel lohnt, bei DriveThruRPG in den Premiumdruck zu investieren, da die Qualität wesentlich besser ist.
Bonus/Downloadcontent
Keiner.
Fazit
Welchen Eindruck lässt Guide to the Night zurück? Zunächst einmal, dass dieses Werk versucht, vieles zu bieten, aber am Ende weder Fleisch noch Fisch ist. Es fängt mit einer Einführung für SpielerInnen an, obwohl sich der Rest eindeutig an SpielleiterInnen richtet. Dann kommen Settings, die nicht viel mehr als Skizzen sind, mal mehr, mal weniger gelungen, dafür aber dennoch recht viel Platz einnehmen. Generell wirkt es an mancher Stelle, als wolle man Requiem in Genres pressen, zu denen es nicht passt (auch wenn ausgerechnet Night Without End sehr spannend klingt).
Guide to the Night ist kein SpielerInnen- und auch kein Settingbuch. Ist es denn ein Handbuch für SpielleiterInnen? Jein. Es enthält zwar viele Tipps und Ratschläge, aber oft nur oberflächlich. Hier hätte sich Platz, den man mit den ersten beiden Kapiteln hätte einsparen können, bezahlt gemacht. Außerdem stört die Struktur, die manchmal inkonsequent Ratschläge und Neuerungen mischt. Die Neuerungen selbst sind im Großen und Ganzen wenig bereichernd für ein Spiel, das schon sehr viele diverse Elemente vereint. Gerade Lingua Bellum ist ein ziemlicher Regelbrocken.
An Fehlern sind mir nur Kleinigkeiten aufgefallen. Zum Beispiel steht da mal eine Quellenangabe, aber das Zitat hat sich in ein rotes Feld darunter verschoben, oder das Setting Ascendency heißt an späterer Stelle Bleeding Edge.
Wer braucht letztlich Guide to the Night? Erfahrene SpielleiterInnen werden meiner Einschätzung nach wenig Nutzen daraus ziehen können, während unerfahrene vielleicht überfordert sind. Letztlich ist kein Teil ein Totalausfall, aber sie alle sind eigentlich immer zu knapp, sieht man von den Abschnitten zu den Coteries ab. Es ist ein Ergänzungsband, der viel bieten will, aber wenig davon einlösen kann.
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https://www.teilzeithelden.de/2018/12/04/ersteindruck-knights-legends-a-dark-fantasy-tabletop-rpg-felix-arts/
Knights & Legends bezeichnet sich als Dark Fantasy Tabletop RPG und führt zwei bis fünf SpielerInnen in die mittelalterliche Welt Ezora, in der Menschen, Orks, Zwerge und Elfen leben. Das Spiel ist auf Sessions mit ein bis zwei Stunden Spieldauer ausgelegt. Kann das funktionieren und Tiefgang bieten?
Knights & Legends bringt seine eigene Spielewelt Ezora mit, in der kurze Einzelabenteuer oder auch eine fortlaufende Kampagne gespielt werden können. Im Titelzusatz bezeichnet sich Knights & Legends als Dark Fantasy Rollenspiel, sollte folglich also tendenziell dem Horror zugetan sein und den Schwerpunkt auf Unheimliches sowie Düsteres legen. Hier ist bezüglich des Settings und spielbaren Figuren jedoch nichts feststellbar, daher ist der Titelzusatz irreführend.
Den Anfang macht eine schlichte, aber funktionale Kapitelübersicht, die um einen kleinen Absatz über das benötigte Spielmaterial ergänzt ist. Als Nächstes werden in einer knappen Einführung die Welt und das Spiel vorgestellt. Ein wichtiger Hinweis kommt leider nicht hier, sondern ohne besondere Hervorhebung erst auf Seite 30: „The game was designed for one or two hour sessions, depending on the complexity of the adventure crafted by the GM.“
Regelmäßige RollenspielerInnen werden wissen, dass ein Rollenspiel im Handumdrehen abendfüllend werden kann. Knights & Legends möchte eine Kurzversion hiervon bieten, was aber eine prominente Platzierung dieser Tatsache erfordert, um die Ausrichtung deutlich zu machen.
Die Spielwelt
Die Welt Ezora wird zunächst mit einer kleinen Karte abgebildet und zeigt die zwei großen Kontinente der Welt, Etheros und Thundra. Die Welt wird abgeschlossen dargestellt, was bedeutet, dass die Kontinente keine offenen Enden besitzen, sondern vollständig abgebildet sind. Ein Maßstab ist jedoch nicht vorgegeben, daher kann nach eigenem Ermessen skaliert werden. Als „gridded map“ wird die Weltkarte im Querformat auf einer eigenen Seite dargestellt, um die betitelten Regionen schnell auffindbar zu machen. Die Örtlichkeiten werden tabellarisch aufgelistet und haben neben den Kartenkoordinaten (z. B. B-3 für Pyro Peak) auch eine kurze Charakterisierung des Ortes (z. B. für Pyro Peak: “A treacherous mountain full of loose rocks. Legends say a dragon rests here“). Jede Region wird auf einer eigenen Seite im Detail vorgestellt, was angenehm übersichtlich ist. Unter den Regionen befinden sich auch die Herkunftsländer der spielbaren Rassen.
Auf Etheros liegt im Norden Lindfell, eine vorwiegend bergige Landschaft mit trockenem Klima und. Es ist die Heimat der Zwerge. Vancroft befindet sich zentral auf dem Kontinent und hat ein feuchtes, fruchtbares Klima. Das Königreich der Menschen befindet sich hier. Die im Süden liegende kleine Provinz Kenjiwah hat tropisches Klima und wird von einem meisterhaften Schmied verwaltet, dessen Werke weltweit bekannt sind.
Auf Thundra befindet sich im Südwesten das subtropische Loriwhyn mit einer gut gemischten Bevölkerung aller Rassen. Im Norden des zweiten Kontinents liegt die Heimat der Orks, sie wird Khimesh genannt. Man sagt, dass die überwiegend aus Wüste und Kargland bestehende Region wohl nur für die Orks ein adäquater Lebensraum sein kann. Elmora ist die größte Nation auf Ezora und liegt im Osten. Die tropische, feuchte Region ist die Heimat der Elfen.
Neben wenigen Eckdaten und Kartenkoordinaten findet sich zu jeder Region eine kurze Abhandlung über die Geschichte, um eine grobe Vorstellung von den Verhältnissen in diesem Teil der Welt zu haben. Den Abschluss der Weltbeschreibung bildet ein leeres Formular im Design der bisherigen Ortsbeschreibungen, um eigene Örtlichkeiten zu erschaffen.
Insgesamt ist die Weltbeschreibung dürftig. Eine Entstehungsgeschichte fehlt, es werden nur die Landstriche vorgestellt, keine detaillierten Örtlichkeiten wie Städte oder Dörfer. Ein Überblick über die aktuellen Verhältnisse der Reiche bzw. Völker untereinander fehlt, ebenso das Wissen darum, wie der Kontakt zueinander ist. Gefahren und Bedrohungen für Land und Leute werden nicht genannt. Die Karte gibt Ideen, wie sich das Land hinsichtlich Wäldern und Bergen unterscheidet, bleibt aber ansonsten unspezifisch. Mit diesen Angaben lassen sich inhaltlich eher oberflächliche Abenteuer bauen. Für mehr Tiefgang bzw. Komplexität bedarf es deutlich mehr Vorbereitungszeit als die in der Einleitung angegebenen fünfzehn Minuten, da noch grundsätzliche Dinge am Setting in Eigenleistung ergänzt werden müssen.
Charaktererschaffung
Es folgt die Rassen- und Klassenvorstellung, die für die spätere Charaktererschaffung notwendig ist. Jede Rasse wird auf einer einzelnen Seite zusammen mit einer bildlichen Darstellung vorgestellt. Neben der Beschreibung der Rasse erfährt man die Verwundbarkeiten durch Elemente, Zauberei und physische Gewalteinwirkung. Dazu kommen die Basiswerte, bei denen zwischen männlich und weiblich unterschieden wird. Jeweils gleich auf der nächsten Seite kommen die wählbaren Klassen für die eben vorgestellte Rasse.
Alle Rassen können aus fünf unterschiedlichen Klassen wählen, z. B. Krieger bei Mensch, Mönch bei Zwerg, Schamane bei Ork und Assassine bei Elf. Neben einer knappen Beschreibung der einzelnen Klasse finden sich an dieser Stelle die Attributspunkte für die Charaktererschaffung sowie der Klassenbonus im Spiel.
Nach den Rassen und Klassen folgt eine Seite mit der Überschrift „Super Abilities“, die sich in Spells und Abilities aufteilt. Das Layout dieser Seite ist leider schlecht. Die Spells bzw. Abilities sind ohne Sortierung (zum Beispiel alphabetisch). Bezeichnung, Erklärung und Kosten bzw. Dauer sind nicht in einer Tabelle strukturiert, zudem ist alles gefettet. Die Seite ist nicht angenehm zu lesen, außerdem ist die Platzierung dieses Inhalts an dieser Stelle ungünstig, da keine Darlegung über die Verwendung erfolgt.
Die Charaktererschaffung rückt näher: In einem „Character Sheet Tutorial“ erfährt man, was in welchem Bereich des Charakterbogens eingetragen wird. An dieser Stelle wird ausführlich erläutert und erklärt, und mit einem beispielhaft ausgefüllten Charakterbogen abgeschlossen. Dieser Teil ist insgesamt gut verständlich und nachvollziehbar.
Die Regeln
In einem „Combat System Tutorial“ wird auf das Kampfsystem eingegangen. Es beginnt mit einer Erklärung der einzelnen Attribute und deren Bedeutung (was auch bei der Charaktererschaffung dargelegt werden könnte) und dem knappen Hinweis, dass bei Knights & Legends einfach gehaltene Formeln der Kern des Kampfsystems seien.
Exemplarisch wird ein Dire Wolf einer Heldenfigur gegenübergestellt und der Kampf abgebildet. Ein Waffenangriff bedeutet beispielsweise einen Wurf mit einem W20, hinzuaddiert wird die eigene Stärke, abgezogen wird die Stärke des Zieles und die Differenz ist der erlittene Schaden.
Zauberangriffe erfolgen mit demselben Schema, verwenden aber Weisheit für den Angriff, und abgezogen wird der Spirit-Wert des Zieles. Es bleiben Unklarheiten: Wann wird das Formular Basic Combat verwendet, wann das Formular Super Combos? Darf eine physische und magische Attacke ausgeführt werden, oder nur eines von beidem? Die Super Abilities haben klangvolle Namen wie „Assassin’s Strike“, „Dance of the Moon“ oder „Dragon Spin“, aber in der Anwendung bedeutet es lediglich, dass gemäß dem angegebenen Cooldown (in Runden) Würfel „absteigend“ gewürfelt werden: beispielsweise für eine Fähigkeit mit Cooldown von drei Runden W20, W12 und W10. Weitere Erklärungen erfolgen nicht, auch keine Hinweise auf sonstige Handlungsmöglichkeiten im Kampf.
Nach dem Kampfsystem wird im „Adventure System Tutorial“ erklärt, wie man ein eigenes Abenteuer generiert. Nach einer kurzen Einführung geht es darum, eine Dungeon Map oder Area Map zu gestalten. Es werden Abkürzungen vorgeschlagen, die dabei verwendet werden können
(zum Beispiel TD für Trap Door, WS für Wall Switch oder BF für Boss Fight). Diesen Teil schließt ein gestaltetes und verwendbares Adventure Sheet ab. Zu jedem Adventure Sheet gehört das Adventure Script, in dem die Geschichte um diesen Ort des Abenteuers eingetragen werden soll. Direkt darunter befindet sich Raum für ein Event Journal, um Geschehnisse zu protokollieren. Diese Methode wirkt heutzutage eher altbacken und scheint früheren Rollenspielzeiten zu entstammen.
Jeder Held, jede Heldin benötigt gute Ausrüstung. Auf einer Seite mit dem Titel „Armory“ findet sich eine Liste mit Waffen und Rüstungen. Im Gegensatz zu den Super Abilities wurde hier eine Tabelle gestaltet. Sortierung in irgendeiner Form liegt nicht vor. Für jeden Gegenstand wird ein Preis aufgeführt, dessen Währung mit K$, gemäß Character Sheet als „kese“ bezeichnet, dargestellt wird.
Die einzelnen Gegenstände werden zwar kurz und prägnant beschrieben, wie sich jedoch der Erwerb auf die Werte der Spielfigur auswirkt, fehlt bzw. liegt nicht vor. Unter der Rubrik „Inventory“ wird eher exotischer Abenteurerbedarf wie „Elixir of the Gods“, „Fiery Dragon’s Brew“ oder „Icaru’s Draught“ aufgeführt. Hier wird allerdings bei der Beschreibung die spieltechnische Auswirkung aufgeführt.
Den Abschluss bildet eine Auflistung von möglichen Gegnern. In einer Tabelle werden Gegner wie Minotaur, Wraith oder Necromancer aufgelistet. Ihre Affinität wird angeführt und es gibt eine knappe Beschreibung. Hier steht bei manchen das Wort Boss in Klammern und hochgestellt dabei.
Abschließend kommt nun eine Zusammenfassung des bisherigen Inhalts. An dieser Stelle sind für Gegner ein Wertebereich für alle Eigenschaften angegeben (z. B. Health 10-150), um die zuvor genannten Gegner mit Zahlen auszustatten. Weiterhin finden sich ein Character Sheet, eine Seite für Notes, ein Aventure Sheet mit Adventure Script und Event Journal am Ende, einmal jede Seite mit grauem Hintergrund, dann nochmals printer friendly mit weißem Hintergrund.
Erfahrungsstufen, Abenteuerpunktvergabe und Regeln für das Verbessern der Spielfigur liegen nicht vor. Werte für Fertigkeiten bzw. Attribute wie Wahrnehmung, Charisma oder Athletik sind nicht vorhanden. Würfeln und Proben beschränken sich folglich nur auf den Kampf, alles Weitere muss bei Interesse erzählerisch gelöst werden. Die gewünschten kurzen Spielsitzungen können zwar mit dem System durchgeführt werden, Tiefgang bieten sie jedoch ohne erhebliche Eigenleistung nicht.
Add-ons
Der Zusatzbereich wird mit einem stimmungsvollen Bild einer Bestienmeisterin und ihren Wölfen eröffnet. Mit der Erweiterung werden Support Classes wie Musician oder Beastmaster eingeführt, die wie Multiclassing bei Dungeons & Dragons zu verstehen ist. Erklärt werden deren Besonderheiten und Eintragungen im Charakterbogen. Ebenfalls im Add-on enthalten sind drei spielbereite Abenteuer und ein Vordruck, um die Werte von Gegnern eintragen zu können.
Erscheinungsbild
Für diesen Ersteindruck lag die PDF-Ausgabe vor. Das Werk ist im US-Letter-Format, vollfarbig und hat sechzig Seiten. Auf dem Cover ist eine Frau in Plattenrüstung abgebildet, die ihren Helm an der Seite trägt. Neben dem Titel stehen die Hinweise „Core Book“ und „2nd Edition“. Es gibt eine Kapitelübersicht zu Beginn, ein Stichwortverzeichnis liegt nicht vor. Der Text ist durchwegs gefettet und abschnittsweise kursiv formatiert. Die Schriftgröße des Fließtextes ist eher klein, die Überschriften wirken hierzu unverhältnismäßig groß. Das gesamte Textlayout wirkt eher schlicht, ist aber überwiegend gut lesbar und erfüllt somit seinen Zweck. Die enthaltenen Illustrationen sind durchwegs sehr hochwertig und wirken professionell.
Beim Ausdruck der PDF-Datei wurden auch nach mehreren Versuchen etliche Seiten nicht ausgedruckt. Da jedoch nicht feststellbar ist, ob es sich um einen Fehler in der PDF-Datei oder meinem System handelt, fließt das nicht in die Bewertung ein, soll aber nicht unerwähnt bleiben.
Bonus/Downloadcontent
Auf der Homepage von Knights & Legends werden alle zusätzlich erhältlichen Produkte wie Shadow Lords und Lost Relics vorgestellt. Auf YouTube gibt es einen Knights & Legends-Kanal mit Vorstellungs- und Trailervideos.
Fazit
Knights & Legends bezeichnet sich als Dark Fantasy RPG, aber sowohl Setting als auch spielbare Figuren bieten weder Horror, noch Unheimliches oder Düsteres. Daher ist der Titelzusatz irreführend, High Fantasy wäre richtig gewesen. Das Spiel ist auf kurze Sessions von ein bis zwei Stunden ausgelegt und die zu spielenden Szenarios sind vorwiegend Dungeon Crawler, die auf einer DIN-A4-Seite einfach und schnell entworfen werden können.
Der Hinweis auf die bewusst kurz angelegten Spielsessions hätte früher und prominenter platziert werden müssen, da bei Rollenspielen normalerweise abendfüllende Inhalte üblich sind. Die Spielwelt Ezora wird zwar mit einer Karte und Regionen vorgestellt, bleibt aber insgesamt dürftig und oberflächlich. Die Charaktererschaffung ist dank dem Character Sheet Tutorial gut nachvollziehbar und schnell durchgeführt.
Das Kampfsystem ist schnell und direkt, aber auch anspruchslos. Zudem scheint es einziger Kern des Spieles zu sein, da Werte für Attribute bzw. Fähigkeiten nicht vorliegen und folglich nicht geprüft werden können. Ebenso gibt es keine Erfahrungsstufen, Abenteuerpunktvergabe und Regeln für das Verbessern der Spielfigur. Für Ausrüstung und Inventar gibt es eine kleine Auswahl, wobei Waffen und Rüstungen die Spielwerte der Charaktere nicht verändern.
Das Textlayout wirkt sehr einfach und scheint einem Schreibprogramm direkt ohne weitere Gestaltung entnommen zu sein. Die Illustrationen sind vollfarbig, professionell und durchwegs gelungen.
Was Knights & Legends insgesamt bietet, ist sehr spärlich. Insbesondere die fehlerhafte Betitelung als Dark Fantasy RPG und die fehlende Möglichkeit der Spielfigurverbesserung, weder durch Erfahrungsstufen, noch durch Ausrüstung, fallen negativ auf. Gerade letzteres wäre für einen Dungeon Crawler, der Knights & Legends sein will, unerlässlich. Wer storyintensive Abenteuer auch außerhalb Kampfsituationen mit Knights & Legends erleben will, muss viel Eigenarbeit hineinstecken.
Dieser Ersteindruck basiert auf dem Erstellen eines Charakters und testen des Würfelsystems. Ein Spieltest ist nicht geplant.
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Creator Reply: |
Hello Roger, thank you for taking your time to provide potential buyers with a detailed and transparent review of the core book! You have my sincere thanks. I strongly encourage you to run a session with the supplemental materials available. The core book was designed with the idea of giving the players the very basics of the game without the overwhelming factor. Your review immensely contributes to the K&L universe and it gives me some fresh ideas to work on along with the coming of the new expansion and campaign book.
Thank you for taking your time to write such an in depth review! |
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https://www.teilzeithelden.de/2018/11/07/rezension-uprising-vive-la-resistance/
Vive la Résistance! Wird es eurem Team gelingen, vor den Gendarmen der Regierung zu entkommen, die Ketten der Augmented Reality zu sprengen und Paris Nouveau in die Freiheit zu führen? Und werdet Ihr den Verräter in eurer Mitte rechtzeitig enttarnen?
Bei Uprising geht es darum, Angehörige einer bewaffneten Widerstandsgruppe gegen ein unterdrückendes System in der näheren Zukunft zu spielen. Das Ganze basiert auf dem Fate-Regelwerk. Uprising tritt mit dem Anspruch auf, ein schnelles Spiel zu sein, und setzt sich zum Ziel, in nur einer Sitzung die Fate-typische Weltenerschaffung, die Charaktererschaffung sowie ca. zwei Missionen abzuhandeln, was durch einen Praxistest bestätigt wurde. Dabei ist das Ziel, die Regierung zu besiegen, dermaßen präsent, dass dieses Kampagnenziel tatsächlich das Spiel beendet. Man soll Uprising quasi durchspielen können. Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Misstrauen der SCs untereinander, weil jeder über ein Geheimnis verfügt, das den anderen SCs das Leben schwer macht, wobei tatsächlich einer der SCs auch ein Maulwurf der Regierung sein kann.
Die Spielwelt
Nach einem nicht näher definierten Atomkrieg mussten die Überlebenden sich inmitten radioaktiver Verseuchung und zerstörter Infrastruktur neu organisieren, was dann in Form von abgeschotteten Stadtstaaten geschah, u.a. Paris Nouveau, wo die Handlung spielt.
Paris Nouveau wurde auf den Ruinen des in der Seine versinkenden Paris gegründet, wobei das alte Paris als la Cave unterhalb der neuen Stadt als Ruinenstadt und Rückzugsort der Résistance liegt. Darüber auf Pfeilern errichtet liegt la Bas, was im Wesentlichen ein riesiger Beton-Klotz ist, der mit den Wohneinheiten der Einwohner vollgestopft ist. Darüber erhebt sich L’Aerie, ein dem Eiffelturm nachempfundener Wolkenkratzer, der der Oberschicht als Wohnort dient; dessen Spitze wird L’Apogée genannt, wo die High Society sowie die Regierung untergebracht sind.
Vive la Résistance!
Die Gesellschaft ist in drei Schichten unterteilt: An der Spitze steht La Societé, die Oberschicht, die auf Kosten der anderen Schichten ein Leben in Luxus führt, der z.T. mit Augmented oder Virtual Reality (AR bzw. VR) aufgewertet wird. Les Élites, die Spitze der Societé, hat aber nicht einmal das nötig.
Darunter als breite Masse leben Les Citoyens, die gewöhnlichen Bürger. Ab dem 11. Geburtstag bekommen sie ein neural casing installiert, dass ihr Leben mittels Augmented Reality mit angenehmeren Oberflächen für alle Sinne überzieht, was bitter nötig, da die Wände in La Bas blanker Beton sind, die Nahrung aus den Ausscheidungen der Einwohner gewonnenes Artificial Proteine Extract (APE) ist, die Kleidung ziemlich abgerissen ist und dank Wasserrationierung die Körperhygiene der Insassen in La Bas sicherlich überblendet werden muss. Das neural casing als Implantat ist allerdings für einen Citoyen unbezahlbar, weswegen er einen Konzern als Sponsor benötigt, für den er letztlich 80 Stunden pro Woche arbeiten muss, um seine Schulden zu tilgen zu versuchen, was aber unmöglich ist. Nach spätestens dreißig Jahren gibt das neural casing ohnehin seinen Geist auf, und der betreffende Citoyen stirbt und wird zu APE verarbeitet. Letztlich sind Les Citoyens wie Strafgefangene in einem stereotypen US-Gefängnis, nur dass durch die AR es meistens nicht so aussieht. Je weiter man aber von L’Apogée entfernt ist, desto schlechter ist die Übertragung, so dass in den unteren Ebenen von La Bas das APE wieder so schmeckt, wie es das eigentlich tut.
Darunter stehen Les Exilés, Leute ohne neural casing, sei es, weil sie außerhalb von Paris Nouveau geboren wurden, oder sei es, weil ihnen zur Strafe das neural casing zerstört wurde. Diese sind nun völlig der Willkür der Gendarmerie ausgeliefert und müssen, nur um zu überleben, die Tätigkeiten verrichten, für die sich selbst Les Citoyens zu fein sind, vergleichbar mit den SIN-losen bei Shadowrun.
Dagegen wehrt sich La Résistance, eine bewaffnete Widerstandsgruppe, die die Regierung niederwerfen, die Betäubung, Überwachung und Ausbeutung der Massen durch das neural casing beenden und das Terraforming-Programm wiederaufleben lassen will bzw. verkünden will, dass man außerhalb von Paris Nouveau wieder leben kann.
Dabei wird sehr auf Ambivalenz geachtet: Bei mehreren Missionen im Buch stellt man fest, dass La Résistance zweifelhafte Mittel einsetzt, die Konzerne z.T. Gutes tun etc., so dass die anfängliche Schwarz-Weiß-Malerei deutliche Schattierungen erhält: Kämpfen wir wirklich auf der richtigen Seite?
Insgesamt präsentiert sich das Setting aber als Mischung aus Shadowrun, Paranoia und Matrix. Während zu Beginn die Fronten klar zu sein scheinen, stellt sich die Sachlage von Mission zu Mission immer ambivalenter dar, so dass die Charaktere immer öfter vor einem Dilemma stehen.
Die Regeln
Die Regeln von Uprising sind grundsätzlich Fate Core. Über die Sinnhaftigkeit oder Funktionalität der Fate-Regeln an sich kann es bei der Rezension eines konkreten Fate-Settings nicht gehen. Diese Regeln vorausgesetzt, gehe ich nun auf die wesentlichen Abweichungen ein:
Die Regeln wurden deutlich entschlackt, bei einem Fate-Spiel ist das schon einmal eine Ansage. Es gibt nur vier means genannte Fertigkeiten: Fight, Manipulate, Maneuver und Observe. Verglichen mit den Methoden aus TurboFate sind die means – wie der Praxistest gezeigt hat - deutlich griffiger, ein Schlag ins Gesicht erfordert eine Probe auf Fight, sich am Gegner vorbeizuschlängeln eine Probe auf Maneuver. Aber wie die TurboFate-Methoden kann man je nach Beschreibung auch andere means benutzen: Will man sich durch die Reihe der Gegner hindurchrempeln, würde man auf Fight würfeln, ein Schuss mit dem Scharfschützengewehr vom Hausdach an der Oberseite von La Bas würde ggf. auch über Observe abgehandelt werden. Allerdings gibt es Boni wie zusätzliche Schübe, wenn man suited means verwendet, also z.B. Fight, um Schaden zu verursachen. Aber griffiger und damit schneller als die Methoden von TurboFate ist es sicherlich.
Der Schaden wird nicht wie bei Fate Core über Stress und Konsequenzen abgehandelt, sondern direkt über Zustände, wie sie das Fate-Handbuch kennt; je nachdem, welches Template man bei der Charaktererschaffung (s.u.) benutzt, sind dies durchaus andere Zustände. Dadurch muss man nicht lange überlegen, welche Konsequenz nun ein Treffer hat.
Neben den bei Fate üblichen Fate-Punkten gibt es noch sogenannten Blowback. Bestimmte in der Mission genannte Situationen und Aktionen der Spielercharaktere geben dem Spielleiter Blowback, z.B. wenn die SCs nicht heimlich vorgehen, sondern den LKW in die Luft sprengen. Blowback-Punkte können vom SL eingesetzt werden, um ganz konkrete, vorher in der Mission definierte Effekte oder Ereignisse zu erzeugen wie z.B. einen weiteren Trupp Gendarmen die Szenerie betreten lassen oder einen SC mit dem Marked-to-death-Zustand tatsächlich sterben zu lassen. Blowback-Punkte sind also zweckgebundene Fate-Punkte. Stattdessen hätte man aus den Aktionen der Charaktere aber auch Situationsaspekte herleiten können, die man über die normalen Fate-Punkte gegen die SCs reizt. Andererseits ist hier viel klarer geregelt, wofür Blowback verwendet werden kann. Der Fluss der Blowback-Punkte erfordert weniger Entscheidungen und beschleunigt so das Spiel, weil sie automatisch generiert werden. Im Praxistest benötigte ich als SL oft keine Fate-Punkte, um den Testspielern das Leben schwer zu machen, da ich einen regelmäßigen Strom von Blowback-Punkten zur Verfügung hatte. Gerade an einem müden Freitagabend empfand ich das als sehr entlastend.
Charaktererschaffung
Charaktere werden eigentlich wie bei Fate üblich erschaffen, allerdings ist die Charaktererschaffung deutlich gelenkt durch die 3x3 Templates, für die man sich entscheidet: Für jede der drei Gesellschaftsschichten existieren drei Templates, aus denen man wählen kann. Bei jedem Template hat man die Wahl zwischen drei verschiedenen Verteilungen der Punkte für die means, so dass man eine zur Rolle passende stimmige Verteilung beschleunigt erhält. Jedes Template definiert durch einen individuellen Satz an Fragen die Aspekte, die den Charakter ausmachen: Wer einen Soldier spielt, erhält durch den Template andere Verteilungsmuster für seine means, andere Fragen zu seinen Aspekten, andere Zustände für Verwundungen im Kampf und andere optionale Stunts, als wenn er einen Hacker spielt. Ein Stunt ist verpflichtend durch die Gesellschaftsschicht, ansonsten hat man eine begrenzte Auswahl je nach Template. Dadurch, dass es durch die Templates so vordefiniert ist, beschleunigt sich die Charaktererschaffung, weil viele Überlegungen bereits vorweg genommen wurden: Wer einen Blueblood spielt, kann und muss sich nicht überlegen, ob er Fight auf 3 setzt. Das spart Zeit, passt zur Rolle, negiert aber ungewöhnliche Kombinationen. Die Charaktere bleiben so etwas stereotyp. Im Praxistest kam selbst der Spieler, der sich mit Entscheidungen notorisch schwer tut, zügig zu einem Ergebnis.
Ein wichtiger Punkt sind die Geheimnisse, die jeder Charakter hat. Dazu wählen die Spieler gemeinsam Geheimnis-Karten aus, der Spielleiter mischt noch eine oder bei großen Gruppen mehrere Spion-Karten darunter. Nun zieht jeder Spieler reihum zwei Karten, behält eine und steckt die andere zurück. So hat jeder Charakter ein schmutziges Geheimnis, und alle wissen, dass einer der Charaktere ein Maulwurf der Regierung sein könnte. Indem die Karten zugelost werden, ist auch sichergestellt, dass in einander sehr vertrauten Runden die Identität des Spions ein Geheimnis bleibt. Ansonsten wüsste ich in meiner Stammrunde schon durch die Personen am Spieltisch genau, welcher Mitspieler bei einer völlig freien Wahl sich die Rolle des Verräters ausgesucht hätte. Nun ist es ein Geheimnis, jeder verdächtigt jeden.
Die Charakterentwicklung ist untypisch für Fate: Wer bestimmte Aktionen in einer Mission durchführt, erhält sogenannte Advancement-Points. Diese kann er während der Mission gegen Fate-Punkte eintauschen oder nach der Mission für eine Steigerung eines means sowie einen neuen Stunt einsetzen. Was Advancement-Points bringt, wird durch die Mission vom SL im Vorfeld bestimmt und ist durch das Template sowie das Geheimnis festgelegt. Im Praxistest empfanden es die Spieler als hilfreich, ihrer Rolle entsprechend zu handeln, weil sie für dafür unmittelbar und transparent belohnt werden.
Als weitere „Charaktere“ werden La Résistance und die Regierung gemeinsam geschaffen, die mit jeweils zwei Aspekten und Stunts versehen werden. Je nachdem, wie die Missionen laufen, erhalten auch La Résistance und die Regierung Advancement-Points, die die Möglichkeiten der beiden Organisationen verbessern. Der letzte Stunt im Entwicklungsdiagramm der jeweiligen Organisation leitet die Endgame Mission ein, mit deren Abschluss meistens das Spiel auf die eine oder andere Weise beendet ist: Hat die Résistance gewonnen oder wurde sie von der Regierung zerschlagen?
Weiterer Inhalt
Neben einigen vorgefertigten NSCs ist eine beachtliche Sammlung von 17 Missionen als Vorlage für eigene Missionen enthalten. Sie veranschaulichen sehr praktisch, wie die Fate-untypischen Elemente wie Advancement für SCs, Résistance und Regierung sowie Blowback in das Spiel eingebaut werden können. Was sich im Regeltext noch sehr abstrakt las, wurde mir nach der vierten Mission völlig klar. Die 17 sehr an Shadowrun erinnernden Missionen sind angenehm vielfältig: Neben Überfall- und Sabotage-Missionen gibt es Spionageabwehr, die Suche nach Verbündeten, das Kapern des AR-Signals und anderes. Von der Menge her sollten sie ausreichen, um eine der beiden Endgame Missions zu erreichen, auch wenn gegen Ende eigene Missionen die Entwicklung glaubwürdiger machen würde. Vom Ablauf her wirken die Missionen manchmal, vor allem die späteren, etwas vage, was aber Fate-typisch ist und durch sachgerechten Einsatz der Aspekte und Zonen aufgefangen wird. Letztlich ist die Kampagne sinnvoll aufgebaut und geeignet, im sogenannten Kurzen Spiel die Kampagne zu einem Ende zu führen. Für das Lange Spiel reicht die Menge der vorgefertigten Missionen aber nicht aus. Besonders passend finde ich auch einen bestimmten Serienbösewicht der Kampagne, der zur Not geklont wiederkehrt, gleich, wie oft er getötet wird.
Eine Beispielrebellion wird in den Regelbeispielen und erzählenden Texten vor Augen geführt, die auch den Umweg über die Suche nach dem Maulwurf im Team zeigt. Den dort genannten Figuren kann man als NSCs in den Missionen begegnen und findet diese Figuren auch in den Innenillustrationen wieder.
Erscheinungsbild
Das vollfarbige PDF ist v.a. in schwarz, weiß, grau und rot gehalten. Graphiken und Bilder sind etwas spärlich gehalten und beschränken sich auf Charakterbilder diverser NSCs sowie zweiseitige Szenenbilder zu den Kapitelanfängen. Dafür sind die Bilder aber auch hochwertig. Die Schrift ist leserlich, durch farbige Hervorhebungen gut gegliedert. Auch als Buch mit 308 Seiten in annähernd DIN C5 dürfte es handlich genug für den Transport sein. Insgesamt ein solides Buch, das aber nicht wegen des Designs gekauft werden dürfte.
Fazit
Uprising stellt den Widerstandskampf der kleinen Résistance gegen das Unterdrückungsregime im futuristischen Paris Nouveau dar. Durch ein klar definiertes Ende – Sieg oder Niederlage der Résistance – ist der Rahmen überschaubar. Durch eine sehr gelenkte Charaktererschaffung kann man sehr schnell das Spiel beginnen, da die Wahlmöglichkeiten bei der Charaktererschaffung auf das Spielziel hin fokussiert und begrenzt wurden, was allerdings auf Kosten der Individualität geht.
Wenn man einen Widerstandskampf gegen einen totalitären Überwachungsstaat voller Intrigen, persönlicher Ziele und der Angst vor einem Verräter spielen will, den man in sicherlich zehn Sitzungen zu einem klar definierten Ende führen kann, ist man bei Uprising goldrichtig. Schneller Start, klares Ziel und die Regulierung gegenseitigen Misstrauens sind die Stärken dieses Spiels.
Zu etwas anderem ist Uprising aber nicht zu gebrauchen, da alle enthaltenen Mechaniken darauf abzielen. Uprising ist ein hochspezialisiertes Spiel nach Fate-Regeln, dass die eine Sache, die es können will, sehr gut kann, alles andere aber nahezu gar nicht oder nur mit viel Eigenleistung, wobei Regelneuerungen wie Advancement-Points und Blowback auch für eigene Fate-Spiele einen Blick wert sind.
Der größte Haken aber ist meiner Meinung nach, dass sich nach einmaligen Durchspielen der Kampagne der Zweck des Spiels in dieser Spielrunde erübrigt hat: Es ist ein Spiel, das für exakt eine einzige Kampagne ausgelegt ist.
Der Ersteindruck basiert auf der Lektüre des PDFs sowie einem Praxistest in Form eines One Shots.
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https://www.teilzeithelden.de/2018/09/18/rezension-dsa-larp-regelwerk-vom-spieltisch-auf-die-spielwiese/
Von langer Hand geplant und von Crowdfunding unterstützt, präsentieren Ulisses Spiele, Orkenspalter TV und Zauberfeder das Ergebnis eines ambitionierten Projekts: Ein umfassendes Regelwerk für DSA-LARP. Da stellt sich die Frage: Wenn eines der regellastigsten Spiele auf ein Hobby trifft, das immer mehr von Regeln abrückt – kann das gut gehen?
DSA ist in Deutschland wohl mit das bekannteste Pen&Paper-Spiel, und für manchen Streiter Aventuriens, der bald nicht mehr genug davon hat, nur am heimischen Küchentisch ein Held zu sein, winkt die Welt des LARP als nächster Schritt.
Doch DSA ist für sein detailliertes Regelwerk bekannt, auch wenn die neuste Edition vielfach versucht zu vereinfachen und zu raffen. Wie kann das also auf LARP übertragen werden, wo nicht – wie sonst am Spieltisch – das Spiel für einige Minuten unterbrochen werden kann, bis eine bestimmte Regel oder ein Detail nachgeschlagen wurde?
Wie schafft man es, den 'Geist', das Spielgefühl von DSA, auch über den Hintergrund einzelner Charaktere hinaus ins LARP zu projizieren, sodass man das Gefühl bekommt, wirklich DSA 'live' zu erleben? Wie gut ist den Machern das selbstgesteckte Ziel gelungen, die „Balance zwischen den Bedürfnissen des Live-Rollenspiels und der Treue zur Tischrollenspiel-Vorlage zu finden“ (S. 7)?
Aufbau
Nach den Vorworten von Karsten Dombrowski (Zauberfeder) und Nico Mendrek (Orkenspalter TV) zum Projekt folgen grundsätzliche Infos zu LARP – dies ist insofern sinnvoll, da wie erwähnt der Weg ins LARP häufig über P&P und damit auch über DSA führen kann. Allerdings gerät gerade der Anfang dieser Einleitung eher zu einer nostalgischen Rückschau für diejenigen, die längst wissen, was LARP eigentlich ist, und weniger zu einer informativen Kurzzusammenfassung. Dies mag jedoch der durchaus berechtigten Einstellung geschuldet sein, dass es auf die Frage – „Was ist LARP?“ – sowieso keine eindeutige Antwort geben kann.
Die eigentlichen Regeln in diesem Regelwerk machen interessanterweise gerade einmal ein Drittel des Gesamtumfangs aus. Wer DSA und seine Regellastigkeit kennt, den mag diese Gewichtung überraschen. Interessant ist ebenso, dass das Spielprinzip DKWDDK (Du kannst, was du darstellen kannst) als 'alternatives Konzept' nicht nur vorgestellt, sondern als eigenes Kapitel ausführlich behandelt und nicht unter- sondern nebengeordnet wird.
Dass dieses Kompendium mehr als ein typisches LARP-Regelwerk sein möchte, merkt man am letzten Teil: Spieltipps, Orgatipps, Anekdoten und Beispielplots erinnern eher an Kampagnenbände eines P&P-Regelwerks, als an die gängigen Regelwerke wie DragonSyS.
Vielleicht wäre es sinnig gewesen, diese vier Teile im Inhaltsverzeichnis auch optisch klarer abzusetzen, anstatt sie alle auf derselben Ebene darzustellen. Etwa: Vorbemerkungen – Regeln – Tipps&Tricks – In medias res (Anekdoten und Plots). Durch die mangelnde Übersichtlichkeit des Inhaltsverzeichnisses stellen sich manche Erkenntnisse zur Gliederung erst bei dem Durchlesen ein und machen ein gezieltes 'Querlesen' schwer.
Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne ... : Die Einleitung
Die Übersicht „Was ist LARP?“ ist stimmig geschrieben und gut gegliedert, auch wenn die oben genannte Tendenz zur Rückschau auf die Anfänge des LARP nur denen wirklich Mehrwert bringt, die diese Zeiten erlebt haben. Die folgenden ausführlichen Unterkapitel machen diesen Umstand allerdings durchaus wett.
Schön und sinnvoll ist der Fokus darauf, dass LARP ein gemeinsames Spiel ist, bei dem nicht nur ein Held im Vordergrund steht – diesen Hinweis würde man sich in manch anderen LARP-Regelwerken wünschen. Sicherlich ist er im DSA-Regelwerk begründet, denn im DSA ist Teamwork von Anfang an gefragt. One-Man-Shows fallen noch schneller störend ins Gewicht, wenn der Rest der Truppe bald Däumchen drehend am Spieltisch sitzt.
Abgeschlossen wird die Einführung mit der Frage, warum es ein abgeschlossenes Setting des DSA-LARP geben sollte und es nicht reicht, einfach Charaktere mit diesem Hintergrund zu spielen. Die Antwort: Nur mit dem gemeinsamen, festgelegten Hintergrund in dem Pantheon, Rangfolge und Feindbilder von allen, IT wie OT, gekannt werden, gelingt es, jene dichte Atmosphäre zu schaffen, die das DSA-Feeling kreieren soll. Eine plausible Erklärung, die umso gespannter auf die folgende Umsetzung macht.
Das anschließende Glossar bietet in bester P&P-Manier einen wertvollen Überblick nicht nur über die gängigen LARP-Termini, sondern auch über die zentralen Unterschiede zwischen Spieltisch und Spielwiese, die bei einem so stark ausgearbeiteten System mit solch umfassender Geschichte richtig und wichtig sind.
Heldengenerierung
Auch im Kapitel zur Heldenerschaffung merkt man das feine Gespür, mit dem die Autoren die zentralen Knackpunkte des Übertragens eines so bekannten P&P-Konzepts ansprechen. Es mag den wenigsten Spielern zuerst bewusst sein, was sie anrichten könnten, wenn sie sich zu stark an die in Spieltisch-Kampagnen erlebten Ereignisse oder gespielten Konzepte halten. Indem die Probleme klar und mit Beispielen beim Namen genannt werden, die dem kundigen DSA-Spieler sofort einleuchten, werden subtil und ohne erhobenen Zeigefinger bereits gefährliche Klippen umschifft.
Ebenso greift die den Ausführungen folgende Checkliste Gefahrenpotential auf, welches zu 'schlechtem' oder unbefriedigendem Gemeinschaftsspiel allein durch die Charakterwahl führen könnte.
Herz und Nieren: Das Regelwerk
Punktesystem
Untypisch und unerwartet für den DSA-Liebhaber, der vielleicht im Geiste schon den Bleistift spitzte, eröffnet das Regelwerk mit der Maxime, dass es „keine Generierungspunkte, keine Vor- und Nachteile und keine Sonderfertigkeiten“ (S. 33) geben wird, die Grundsteine der DSA-Charaktergenerierung fallen also weg. Ebenfalls wird wieder, sehr mit Fokus auf schönes gemeinsames Spiel als oberstem Ziel, darauf hingewiesen, dass das Spiel immer Vorrang vor Regeln zu haben hat.
Das bekannte Punktesystem wird auf LARP-übliche Zahlengrößen heruntergebrochen: Anstatt 25-30 Lebenspunkte besitzt ein Charakter zu Beginn seiner Spielkarriere beispielsweise maximal 5.
Was das Herz jedes aufrechten DSA-Jüngers jedoch höher schlagen lassen wird: Es darf nach einem festen System gesteigert werden und für bestandene Abenteuer/Cons gibt es zusätzliche Abenteuerpunkte und zwar der Einfachheit halber einen Punkt pro Con-Tag.
Durchaus selbstkritisch und sich der Schwierigkeit des Unterfangens bewusst, werden zwischen den einzelnen Regelblöcken Begründungen eingeschoben, weshalb welcher Weg gewählt wurde. Der potentielle Spieler oder Spielleiter sieht sich somit nicht mit einem 'von oben' aufdoktrinierten Regelwerk konfrontiert, sondern eher pädagogisch in einen Denkprozess einbezogen. Er wird eingeladen, ihn nachzuvollziehen und für sich anzunehmen.
Besonders angebracht ist das bei den neu eingeführten 'Talentpunkten', die die auch am Spieltisch immer beliebter werdenden Schicksalspunkte repräsentieren: Punkte, die ein Charakter sich mit Abenteuerpunkten erwerben kann, um im Zweifel ein günstiges Schicksal auf seiner Seite zu haben bei einem riskantem oder schwierigem Unterfangen.
Kampf
Das Kapitel über Kampfhandlungen wird wieder von allgemeinen Hinweisen, auch zu LARP-Waffen, begleitet. Was viele andere Regelwerke bereits als gegeben voraussetzen oder in den immer gleichen Orga-Ansprachen wiederkäuen, wird hier kompakt und auf den Punkt präsentiert.
Meist ist es im DSA der Kampf, der eine Würfel-, Rechen- und Nachschlageorgie auslöst und am schnellsten aus dem Spiel herausführt.
Daher werden die Schadensregeln radikal vereinfacht und weit weniger differenziert auf einzelne Waffengattungen ausgelegt, was im Endeffekt der bereits im LARP etablierten Praxis entspricht (1 Schadenspunkt für einhändige Waffen, 2 Schadenspunkte für zweihändige Waffen, sowie direkter Schaden durch Pfeile und Bolzen). Aus der Sicht eines erfahreneren Larpers mögen einige dieser Regeln und Anmerkungen überflüssig wirken, da es für einen Larper, der die Opferregel kennt, klar ist, dass seine Lebenspunkte nicht ins Negative fallen. Wer aber rein vom ausgefeilten DSA Punktespiel herkommt, für den müssen viele 'logische' Konsequenzen erst noch von seiner Warte aus nachvollzogen werden. Auch hier schaffen es die Autoren immer wieder, gekonnt den Blickwinkel des reinen DSA-Rollenspielers einzunehmen und mit ihm zusammen den Schritt Richtung 'echtem' Kampf zu gehen.
Talente und ihr Spielpotenzial
Dies wäre nicht ein auf DSA basierendes Regelwerk, wenn es nicht ein paar Tabellen mit Talenten und ihren Auswirkungen oder ihrer Nutzbarkeit geben würde. Die Talente werden jedoch praxisnah beschrieben und in Spieltipps eingebunden, die das am Ende des Regelwerks folgende Kapitel in manchen Dingen vorausnehmen. Allerdings: Manche Dinge können einfach nicht oft genug gesagt werden! Es wird wieder sehr offenbar, dass es den Machern in erster Linie um die Gestaltung gemeinsamer Szenen geht und darum, wie das Talent eines einzelnen einen Plot oder eine Szene fördern kann und nicht nur ihn selbst gut dastehen lässt.
Die harten Geschütze – Magie und karmales Wirken
Wie ganz richtig angemerkt wird, sind Magie und Mirakel oft des DSA-Spielers liebstes Kind, da sie die umfassendsten Effekte versprechen – aber gleichzeitig die größte Herausforderung des Larpers. Denn was am Spieltisch mit einem gesprochenen Wort und einem guten Würfelwurf problemlos dargestellt werden kann, muss auf der Spielwiese erst einmal im wahrsten Sinne vor den Augen aller bestehen. Nichts ist weniger fördernd für die Immersion als zwei Magier, die sich im Endeffekt nur die Zaubernamen plus Zauberstufe gegenseitig entgegenbrüllen, man aber nichts von den Effekten der Zauber sieht.
Daher ist bei der umfangreichen Liste an DSA-Zaubern angebracht, genau hinzusehen und die Zauber auf ihre Darstellbarkeit zu überprüfen. Die eigentliche Liste der Zauber und Gebete wird, um das Regelwerk nicht unnötig aufzublähen, in ein Zauber- und Gebetebuch verschoben, welches allerdings der Redaktion nicht vorlag und daher nicht in die Bewertung mit einfließen kann. Somit handelt es sich bei diesen Kapiteln eher um eine Darlegung, welche Überlegungen in die Auswahl der Sprüche magischer und karmaler Art eingeflossen sind, verbunden mit den Vorstellungen der Autoren, wie 'gutes' Magier- und Geweihtenspiel funktionieren kann.
Aus Fehlern will gelernt sein – Tipps und Anekdoten
Die bereits immer wieder eingestreuten Tipps zu gutem, gemeinschaftsförderndem Spiel finden hier ihre ausführliche Behandlung. Die Überschrift des Kapitels über Spieltipps verrät es bereits, dass sich hier nicht nur Einsteiger angesprochen fühlen sollen, sondern sich auch für 'alte Hasen' etwas findet. Die Bandbreite der Tipps reicht, die Struktur der vorherigen Teile aufnehmend, von der Charakterwahl über die Ausrüstung bis hin zum authentischen Spiel. Wem der fünfseitige Fließtext zu lang ist, der kann sich die abschließenden Checklisten, sowohl für Spieler als auch Spielleitungen, ansehen.
Allein die Spielleitungs-Checkliste würde sich an der Pinnwand einiger Orgas sehr gut machen, da sie in nur fünf Punkten all diese Don'ts abhandelt, die immer noch gefühlt auf jeder zweiten Con für Missmut sorgen – darunter Klischee-Plots und das Star-Syndrom von NSCs und/oder SL als NSCs. Aber auch die kompakte 10-Punkte-Liste für Spieler-Don'ts würde sich gut als Anhang zu jeder Con-Einladung machen.
Man merkt in beinahe jedem Satz, dass hier nicht ein Spielekonzern spricht, sondern erfahrene und oftmals auch leidgeprüfte Larper, die dennoch nicht den moralischen Zeigefinger heben im Sinne eines „wir wollen hier das und das nicht, denn wir sind besser.“ Es ist eher ein gemeinschaftlicher Aufruf zum gemeinsamen Lernen aus immer wieder gemachten Fehlern.
Die Unterteilung der mannigfaltigen Tipps in „(Nicht nur) Für Einsteiger“ und „Für Fortgeschrittene“ mag auf den ersten Blick elitär wirken, ist aber durchaus sinnvoll, da es gerade für Einsteiger meist erst einmal gilt, die groben Schnitzer zu vermeiden, so dass auf diesem Fundament mit der wachsenden Erfahrung das 'Feintuning' erfolgen kann.
In dieselbe Kerbe des gemeinsamen Lernens schlagen dann auch die gesammelten LARP-Anekdoten. Als Bonusziel des Crowdfundings erst im Nachhinein verwirklicht, werden Ereignisse aus 15 Jahren LARP unkommentiert aneinandergereiht. Sie laden ein zum nostalgischen Rückbesinnen und zum Schmunzeln, zementieren aber subtil und ohne ihren Unterhaltungscharakter zu verlieren, exemplarisch die Spieltipps der vorangegangenen Kapitel. Nirgends wird eindeutig gesagt: „An der Episode XY sieht man, woher Spieltipp Nr. Z kommt“ – die Verknüpfung kann durch den Leser erfolgen, wird aber nicht forciert.
Somit präsentieren sich die Autoren als Mitglieder einer Gemeinschaft, die vielleicht ein paar Jahre mehr Erfahrung vorzuweisen haben, sich aber nicht über diese Gemeinschaft erheben. Das macht dieses Kompendium zu einer sehr angenehmen Lektüre von Larpern für Larper.
In medias res – Drei Plots zum Nachspielen und der Charakterbogen
Den vierten Themenblock bilden drei ausgearbeitete Plotszenarien, die wieder starken Realitätsbezug haben. Nicht nur, dass sie in dieser Form bereits gespielt wurden, der Praxistest schlägt sich in wertvollen Tipps, einer Phaseneinteilung und sogar einem Worst-Case-Szenario nieder, welches einen Ausweg bietet, sollte der Plot wirklich vollkommen von den Spielern gesprengt oder gar nicht angenommen werden.
Zum Charakterbogen kann gesagt werden, dass der Spagat zwischen DSA-Typik und Vermeidung unnötiger Komplizierung für LARP weitestgehend gelungen ist. Der Bogen lehnt sich an die Aufteilung eines DSA-Charakterblattes an, ist aber weit kompakter. Ein DIN-A4-Blatt reicht aus, um alles wichtige darzustellen und zusätzlich zum gewohnten Blanko-Bogen zum Kopieren wartet dieser Abschnitt mit drei Beispielbögen auf, die nicht nur als Erklärung, sondern auch als Inspiration dienen können.
Erscheinungsbild
Wie nicht anders zu erwarten, lehnt sich das Layout sehr an die bekannte DSA-Optik an. Fließtext wechselt sich ab mit Infokästchen und Listen. Stimmig wird die Verklammerung von P&P und LARP auch dadurch, dass statt der üblichen gezeichneten Bilder echte Fotos aus Cons und Kampagnen benutzt werden. Auch die typische Heldencollage zu Beginn des Bandes besteht nicht aus Zeichnungen sondern aus Charakterfotos.
Ein schönes Detail ist auch die Aventurien-Karte, die aus den Namen derer besteht, die an diesem Projekt mitgewirkt haben – sei es als Crowdfunder oder als direkte Mitarbeiter. Die Botschaft, die dadurch gesendet wird ist klar: Ihr alle seid, wir alle sind Aventurien.
Fazit
Dieses Regelwerk ist nicht nur für DSA-Spieler, die einmal in die Welt des LARP treten wollen, interessant, sondern ein übersichtliches und mit viel Fingerspitzengefühl ausgearbeitetes LARP-Kompendium, welches über reine Regelauflistung weit hinaus geht.
Auch wenn vielleicht nicht jeder gesteigerten Wert darauf legt, über 200 Seiten durchzusehen, hat man doch auch als langjähriger Larper immer wieder Aha-Erlebnisse oder freut sich über schöne Zusammenfassungen komplizierter Themen. Gerade die Kapitel „Von Fehlern, Logikbrüchen und Besserwissern“ und „Wider das Plot-Bunkern“ zaubern dann doch manches Mal ein wissendes Lächeln aufs Gesicht.
Ich zumindest bleibe nach der Lektüre mit dem leisen Gefühl zurück: Hätte ich damals, als ich genau jenen Schritt vom jahrelangen DSA-Spiel in die große bunte Welt des LARP wagte, mich zuvor mit diesem Kompendium einmal hinsetzen können, wäre ich vielleicht um so manches Fettnäpfchen herumgesegelt und hätte viel früher jene Magie des gemeinsamen Zusammenspiels erlebt, die heute LARP für mich so unverzichtbar macht.
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https://www.teilzeithelden.de/2018/10/08/ersteindruck-conan-the-pirate-modiphius-salzwasser-rum-und-beute/
Seit Bêlit, die Königin der Schwarzen Küste, im Grundregelwerk zu Conan – Adventures in an Age Undreamed Of auftauchte, musste man sich fragen, wie es wohl wäre, wie Conan als Pirat die Küsten Hyborias unsicher zu machen. Mit dem Quellenband Conan the Pirate ist das nun möglich. Mast- und Schotbruch!
Conan war Usurpator, Abenteurer und Eroberer. Er bereiste Hyboria zu Fuß, auf Ponys oder allerlei Gefährten, und er suchte nach Schätzen, Zauberern oder Ruhm. Ein gar nicht unbeträchtlicher Teil seiner Reisen findet auf dem Wasser statt, wenn er als Freibeuter, Bukanier oder Pirat unterwegs war. Diesem Teil der hyborischen Welt widmet sich Conan the Pirate.
Ein kleiner Hinweis sei diesem Artikel vorangestellt: Die grundsätzlichen Mechaniken des 2W20-Systems von Modiphius und insbesondere der Conan-Variante werden ausführlich im Artikel Conan – Adventures in an Age Undreamed Of besprochen und deshalb hier nicht noch einmal ausgeführt.
Inhalt
Neun Kapitel sollen das Grundspiel um das Piratenthema ergänzen. Dabei werden die Optionen zur Charaktererstellung erweitert, Gebiete genauer beleuchtet und neue Gefahren beschrieben. Gänzlich neu ist die Einführung des Schiffskampfes.
Charaktererstellungsregeln für Piratencharaktere
Legt man sich auf einen Piratencharakter fest, steht zuvorderst die Frage im Raum, wie die Rollenspielgruppe zusammenkommt. Der Quellenband schlägt vor, eine gemeinsame Crew zu bilden, die auf ihrem Schiff unterwegs ist. Dabei werden die Konzepte einer gleichrangigen Spielerschaft von Matrosen, einer Gruppe von Befehlshabern und einer Kapitän-Besatzung-Beziehung vorgeschlagen.
Acht Regionen werden detailliert vorgestellt und stehen als Herkunftsgebiete zur Verfügung. Wie in vorigen Erscheinungen der Conan-Reihe kann man diese durch die Seitenangaben gut und schnell finden, in der PDF sind sie sogar verlinkt und somit durch einen Klick zu erreichen. Anstatt eine Landratte aus Punt zu sein, stammt der Charakter dann zum Beispiel aus Zingara oder von der Schwarzen Küste, samt dazugehöriger Talente und Sprachen. Natürlich waren vorher schon Charaktere möglich, die dieser Region entstammten. Auch im Grundregelwerk werden Zingara und Stygien, in dem die Schwarze Küste liegt, beschrieben und sind auswählbar. In Conan the Pirate zoomt man heran an die Welt, sucht seine Herkunft, im positiven Sinne, kleinschrittiger aus. Statt eines ganzen Landstriches beschränkt man sich auf eine Region mit dem Thema der Piraterie.
Kasten, Lebensläufe, Archetypen
Stimmungsvolle Illustrationen bereichern den Quellenband durchgängig.
Fünf neue Kasten für Seefahrer, darunter Klassiker wie Fischer oder Korsar, ergänzen die Charaktererstellung auch in diesem Schritt. Besonders wichtig sind die Talente, die sich aus den Kasten ergeben. Schiffbauer können zum Beispiel besonders gut Wasserfahrzeuge reparieren oder jene mit dem Talent „Salt for Blood“ fühlen sich so wohl im Wasser, dass alle Schwimmproben um eine Schwierigkeitsstufe erleichtert sind. Hinzu kommen themengerechte Variationen für die „Ancient Bloodline“.
Jedem Charakter einer jeden Kaste seine Hintergrundgeschichte: Man könnte einen Charakter spielen, der einst Schiffbruch erlitt oder dessen Familie eine bittere Feindschaft mit einer anderen Fischerfamilie führt. Vielleicht wurde er auch von Freibeutern entführt und großgezogen, nie wissend, woher er stammt?
Es wird deutlich hervorgehoben, dass die vier neuen Archetypen in Conan the Pirate nicht als Beschränkung, sondern als Erweiterung zu den bereits vorhandenen oder noch kommenden Archetypen anderer Regelwerke zu sehen sind. Eventuell sind minimale Anpassungen nötig, doch das steht den SpielerInnen und SpielleiterInnen frei, so die Autoren. Vorgestellt werden ein Galeerensklave, eine Matrosin, ein Handelskapitän und eine Schmugglerin.
Vier Archetypen werden vorgestellt: Galeerensklave, Matrosin, Handelskapitän und Schmugglerin.
Die neuen Archetypen sollen als Erweiterung zu den Archetypen anderer Regelwerke gesehen werden.
Die (Piraten-)Natur und die Erziehung des Charakters sind ebenfalls aufgestockt. Neben blutdürstig und gierig kann man auch gnadenlos oder verwegen sein. Es gibt jene, die an einen Eid gebunden sind und solche, die Großes geleistet haben und eine verantwortungsvolle Position auf einem Schiff innehatten. Die Varianz ist groß, zumindest innerhalb der Grenzen einer rauen Piratenwelt.
Der Charakterhintergrund wird durch die Kriegsgeschichte weiter ausgearbeitet. Jemand, der eine mysteriöse Meereskreatur sah, erhält andere Vorteile, als einer, der Schiffbruch erlitt und es überlebte oder gar fälschlicherweise für einen berühmten Piraten gehalten wurde und fast an seiner statt das Urteil über sich ergehen lassen musste.
Detaillierte Individualisierung des Charakters
Einige neue Talente werden vorgestellt, passend zur Kampfart von Deckratten und deren alltäglichen Herausforderungen, darunter „Fighting Dirty“ und „Boarding Action“. Der Piratencode, eine neue Sprache, fand ebenfalls seinen Weg ins Regelwerk.
Den Abschluss bilden Beispielnamen und eine Liste mit Spitznamen, eine Übersicht über das Aussehen der Bevölkerung gewisser Herkunftsorte und ein kleiner Passus über Piratenkleidung. Wenn man möchte, darf man sich auch ein besonderes Merkmal aussuchen, wie ein paar fehlende Zähne oder die typische Narbe im Gesicht. Ein paar wenige neue Waffen und Rüstungen sowie besondere Ausrüstung, wie den Enterhaken oder das Fernglas, runden das Erstellungskapitel ab.
Fast alle Aspekte der Charaktererstellung sind, wie für das Conan-System von Modiphius üblich, auch auswürfelbar.
Geografisches Lexikon
Karte der Stadt Messantia.
Das Piratendasein findet auf dem Wasser und an den Küsten statt. Diese Gebiete werden in einem geografischen Lexikon (Gazetteer) genauer ausgeführt und damit die Informationen aus dem Grundregelwerk spezifiziert. Es geht um den Glauben an Mitra und Politik, die Künste und Städte, aber auch Einwohner und Seestreitkräfte. Stadt- und Gebietskarten sind in einer großen Anzahl vorhanden und man kann sich einen sehr guten Überblick über die relevanten Regionen machen. Leider ist das Binnenmeer Vilayet, das in den Büchern über Conans Seeabenteuer eine gewichtige Rolle spielt, kaum beschrieben. Dies soll im später erscheinenden Quellenband Conan the Wanderer ausführlich erfolgen.
Ereignisse
Verschiedene Ereignisse erschweren das Leben auf See, wenn man denn lange genug lebt, sie zu erleben. Im Quellenband werden diese in drei Kategorien eingeteilt und mehr oder weniger lose beschrieben:
Mortal Events sind Ereignisse, die durch andere Menschen entstehen. Das kann dann der Krieg zwischen Piraten sein oder Kämpfe gegen die stygischen Seestreitkräfte.
Natural Events umfassen die Naturgewalten, wie Taifune, Meeresstrudel und Seeungeheuer.
Preternatural Events sind mystische Ereignisse aus den Albträumen der alten Deckschrubber, denen man besser nicht begegnet.
Außerdem werden, den Menschen fortwährend zusetzende, Probleme beschrieben. Eines dieser Probleme ist die Pest, die in Städten mit schlechter hygienischer Versorgung leicht ausbrechen kann.
Magie und Mystik
Auch Magie hat Einfluß auf das Abenteuer.
Mit den neuen Zaubern kann ein Magieanwender die Wellen nutzen, um sein Boot voranzutreiben oder die Zukunft aus ihnen lesen. Manche sollen sogar die Geister von Gefangenen an ihre Seite gerufen haben. Auch hier ist der Umfang recht gering, aber Magie ist ja in der Welt von Conan nicht allzu häufig.
Da Piraten grundsätzlich abergläubisch sind, liest man auch von Geisterschiffen wie der Virago. Eine mystische Begegnung mit einem dieser Schiffe verspricht Spannung und Probleme. Ein Orakelspruch könnte helfen, doch gibt es viele falsche Orakel. Nur wenige Seeleute wissen von dem Orakel auf den Barachan Inseln.
Gegner und Begegnungen
Der Kampf ist ein wichtiger Bestandteil eines Rollenspiels und wenn man schon Pirat ist, müssen auch Piratengegner her. Neben Plünderern und anderen Piraten sind in diesem Kapitel auch Marinesoldaten und deren Befehlshaber aufgeführt. Auch Anpassungen an die verschiedenen Gebiete kann man hier finden. So tragen die Matrosen aus Kush Speere und Turmschilde anstelle der sonst üblichen Kurzschwerter und kleineren Schilde.
Begegnung mit einem Hai.
Auch Meereslebewesen können einem Seemann gefährlich werden. Delfine, Haie, gigantische Krabben oder sogar Wale wollen einem ans Leder. Letztere erhalten die neue Eigenschaft „immens“, die ihrer Größe geschuldet ist und auch bei anderen Lebewesen auftauchen kann. Immense Kreaturen sind wesentlich schwieriger zu töten und für Schiffe besonders gefährlich.
Neben den fast schon langweilig normalen Freibeutern und Meeresbewohnern kann man natürlich auch auf gigantische Kraken, Seeschlangen oder berühmte Piratenkapitäne oder andere berüchtigte Schurken treffen. Ganz besonders freut man sich über die Tigress, das berühmte Schiff aus Conans Geschichten. Bêlit selbst ist bereits im Grundregelwerk beschrieben, nun folgen ihr Schiff und die Schwarzen Korsaren.
Der Weg des Piraten
Zwar wirken Piraten oft rüpelhaft und ablehnend gegenüber Fremden, doch halten sie innerhalb ihrer Reihen viel von Kameradschaft und Treue. Der Weg des Piraten ist vielfältig, so stellt der Quellenband eine Liste der gängigen Bezeichnungen zur Verfügung, in der man den Unterschied von Bukanier und Freibeuter, Korsar und Privateer kennenlernt. Es geht um Handelsrouten und Beute, das Wetter und Dinge, die man tut, oder was einem passieren kann, wenn es gerade niemanden zum Ausrauben und Abstechen gibt.
Kämpfen auf einem Schiff wird ebenfalls thematisiert, denn eine Axt schwingt sich doch anders, wenn die Planken unter einem schwanken. Der Flair einer Schiffsreise kann durch die Informationen dieses Kapitels enorm bereichert werden.
Schiffskämpfe
Verschiedene Schiffstypen werden vorgestellt.
Die Schiffe Hyborias sind keine mit Kanonen beladenen Galeonen oder Fregatten, sondern eher kleinere Schiffe ohne starke Bewaffnung. Ein Kampf besteht eher aus Verfolgung und Flucht, solange, bis der Verfolger aufgibt, oder der Verfolgte eingeholt und mit Enterhaken gebunden ist. Dann folgt ein Kampf auf zwei schwimmenden Plattformen zwischen den Matrosen.
Es wird mit den Grundlagen begonnen: Segelschiffe müssen gegen den Wind kreuzen, Galeeren können durch ihre Ruder den Bug gerade in den Wind halten. Die Größe eines Schiffes beeinflusst Distanzen und Reichweiten.
Im Kampf erhält das Schiff einen Zug, in dem für jede Schlüsselrolle eine Aktion getätigt werden darf. Jede dieser Schlüsselrollen hat eine andere Funktion und damit andere Handlungsmöglichkeiten. Der Kommandeur gibt Befehle, während der Ausguck Ziele festlegt und die Matrosen entern oder mit Bögen schießen. So versuchen sich die Mannschaften gegenseitig auszubooten.
Da größere Schiffe mehr Crewmitglieder haben, sind die Besatzungen dieser im Vorteil. Schaden kann sowohl auf die Matrosen direkt als auch gegen die Schiffe gerichtet werden. Für Schiffsschaden bieten sich Ballisten oder andere Artilleriewaffen an, die auf Schiffen installiert werden können, aber teuer und selten sind.
Eine Auswahl an Wassergefährten rundet das Kapitel ab. Von Flößen über Kanus bis zu Koggen und Galeeren gibt es eine gute Auswahl an Schiffen. Allen sind Werte, Kosten und Häufigkeit zugeordnet.
Weitere Inhalte:
Ein kurzes Kapitel widmet sich der Reise Conans, seinem Werdegang als Pirat und stellt ihn samt Charakterbogen in dieser Zeit dar.
Es gibt einen Charakterbogen für Schiffe, der für den neu eingeführten Schiffskampf relevant ist.
Ein Beispielcharakter von einem Backer des Kickstarters wird vorgestellt, dieser ist als NSC oder SC nutzbar.
Erscheinungsbild
Ganz im Stile der vorherigen Erscheinungen ist auch die Piratenerweiterung sehr gut illustriert und gestaltet. Der Inhalt wird anschaulich und übersichtlich präsentiert und ist angenehm zu lesen. Besondere Informationen, wie der Piratencode oder Zauberei zur See, erhalten eigene Kästen und die Regionskarten und -zeichnungen sind auch für den Spieltisch nützlich. Die unterschiedlichen Zeichner und damit auch die zahlreichen Stile der Werke Conans unterstützen den Flair des Quellenbandes. Die 127 Seiten Inhalt werden von einem gut sortierten Index und dem Charakterbogen für Schiffe abgerundet.
Fazit
Conans Reise auf wackligen Kähnen und stolzen Schiffen ist umfangreich. Der Quellenband Conan the Pirate fügt der Reihe umfangreiche Informationen zur diesem Aspekt Hyborias hinzu. Neben der erweiterten Charaktererstellung mit vielen interessanten Aspekten ergänzt Modiphius auch die Weltbeschreibung. Küstengebiete und Meeresregionen werden detailliert dargestellt, leider ist das Binnenmeer Vilayet erst in Conan the Adventurer ausgeführt.
Segeln mit und gegen den Wind - bereichernde authentische Informationen für Landratten.
Man erfährt etwas über die Gefahren der See und potentielle Widersacher, die einem begegnen könnten. Ein wenig Magie und Mystik wird ebenfalls themenorientiert eingebracht. Für Seemannsgarn spinnende Piraten hätte dieser Teil des Quellenbandes aber durchaus etwas umfangreicher ausfallen können. Zwei Zauber, Kulte und namhafte Geisterschiffe, sowie ein Orakel sind etwas dünn.
Piratenorganisationen und das Piratenleben allgemein sind gut beschrieben und machen Lust auf einen Beutezug, auf Seefahrt und Rum. Das Element des Schiffskampfes, das grundlegend an die Mechanik aus Star Trek Adventures erinnert, eröffnet neue Möglichkeiten. In ein paar kurzen Tests wirkten die Regeln stimmig.
Informationen über den Piraten Conan, inklusive Charakterbogen, und ein Beispielcharakter sowie Index und Schiffsbogen vervollständigen das Ensemble.
Für knapp 15 Dollar erhält man eine ganze Menge Informationen, Material und Ideen. Dazu einen wirklich schön gestalteten Quellenband mit zahlreichen Illustrationen, Regionskarten und Tabellen. Bei diesem Preis und unter den oben genannten Punkten ist dieses Machwerk sogar für Landratten zu empfehlen.
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https://www.teilzeithelden.de/2018/10/20/ersteindruck-von-uexkuells-grauen-tobias-deissler-gruselabenteuer-mit-variation/
Eine Einladung auf ein abgelegenes Schloss in Lettland im Winter 1901. Ein verschrobenes Adelsgeschlecht mit wissenschaftlichen Ambitionen, das den Dorfbewohnern verhasst ist. Was sich zunächst anliest wie ein klassischer Horrorplot hat hier mehr als drei mögliche und ziemlich ungewöhnliche Auflösungen.
Die Einleitung zu Von Uexkülls Grauen könnte Spielern wie der Beginn einer klassischen Vampirgeschichte anmuten. Nach einer mühsamen Anreise mit Schiff und Zug ins ferne Lettland bringt eine Kutsche die Charaktere durch finstersten baltischen Forst zu einem Schloss, dessen Bewohner ganz eindeutig von der einfachen Bevölkerung nicht geliebt werden: Mit Mistgabeln und Gewehren stehen die Einheimischen am Wegesrand und werfen den Neuankömmlingen hasserfüllte Blicke zu. Doch um Vampire geht es in diesem Gruselabenteuer nicht – stattdessen strickt sich der Plot um rachsüchtige Geister, neugierige Aliens und einen Unfall mit schrecklichen Folgen.
Handlung
Winter 1901: Der deutsch-baltische Adlige August Peter von Uexküll lädt die Charaktere zur Präsentation seines neuesten Experiments auf seinen abgelegenen Familiensitz in Lettland ein. Der studierte Ingenieur hat seit einiger Zeit mit Funkwellen experimentiert. Er glaubt nun, eine Möglichkeit gefunden zu haben, tatsächlich Nachrichten über den Äther zu senden, ja, gar mit Außerirdischen Kontakt aufgenommen zu haben! Um diesem wissenschaftlichen Durchbruch
Zwei der Personen aus dem Abenteuer
beizuwohnen, haben von Uexküll und seine Frau Freunde, alte Weggefährten und potenzielle Geschäftspartner, Vertreter der preußischen und russischen Akademien der Wissenschaften und sogar eine Wissenschaftsjournalistin eingeladen. Diese wollen sie für mehrere Tage standesgemäß bewirten. Was die Gäste auf dem Schloss erwartet, ist jedoch alles andere als ein Luxusurlaub, denn seit ein Laborassistent von Uexkülls dort ums Leben kam, ist die Dorfbevölkerung dem Freiherrn feindlich gesinnt. Auch andere, weit mysteriösere Gefahren scheinen dort zu lauern: Hat von Uexküll etwa tatsächlich Außerirdische auf sein Schloss aufmerksam gemacht? Haben seine Töchter versehentlich die ruhelosen Geister blutrünstiger Wikingerschamanen beschworen?
Die Beantwortung dieser Fragen liegt hier tatsächlich beim Spielleiter: Autor Tobias Deißler hat drei verschiedene Antagonistengruppen für das Abenteuer entworfen, die in jeder beliebigen Kombination vorkommen können. Da sind einerseits die Dorfbewohner, die den arroganten Schlossherrn für den Tod seines Assistenten – eines einheimischen Jungen – verantwortlich machen und seine Experimente mit Misstrauen und Aberglauben betrachten. Wenn sie keine Erklärung bekommen, formieren sie sich zu einem Mob mit Fackeln und Mistgabeln. Dann gibt es die rachsüchtigen Geister. Schon August Peter von Uexkülls Vater hatte sich vor Jahren mit okkulten Schriften und alten Zauberbüchern beschäftigt. Nun haben seine jungen Töchter beim Spielen eines davon entdeckt und die düstere Vergangenheit des Schlosses geweckt: Vor Jahrhunderten haben hier die Ritter des Deutschen Ordens heidnische Priester brutal niedergemetzelt – und deren Geister werden nun blutige Rache nehmen, sollten sie nicht rechtzeitig gebannt werden. Schließlich gibt es auch noch die Außerirdischen, kleine graue Männchen, die eigentlich nichts Böses wollen, sondern nur ein paar Experimente an Menschen und Tieren machen. Dass das die Erdlinge ziemlich erschrecken wird – besonders wenn sie entführt und als Versuchskaninchen missbraucht werden –, sollte klar sein. Man kann zwar mit den Aliens kommunizieren, aber nur über Funkwellen. Wirkliches Interesse haben sie daran aber eigentlich nicht.
Jede dieser Antagonistengruppen funktioniert im Plot dieses Abenteuers als alleiniger Gegner. Es ist jedoch auch möglich, zwei oder alle drei davon zu kombinieren. Der Autor hat den Einstieg und den Hintergrund des Abenteuers zwar detailreich ausgestaltet, jedoch den Spielverlauf deutlich frei gelassen. Motive und Kampffähigkeiten der jeweiligen Gegner sind beschrieben und ein grober Handlungsfaden vorgegeben. Die Details obliegen jedoch den Spielenden – Spielleitung ebenso wie Spielern. Das gibt kreativen Geistern die Möglichkeit, die Handlung ganz nach Geschmack auszugestalten. Einige Ideen für zusätzliche Verwicklungen sind auch im Text enthalten. Es kommt auf den Spielleiter und die Gruppe an, ob das Abenteuer eher geradlinig oder verschachtelt wird. Klar ist nur eins: Wenn die Spielercharaktere nicht handeln, endet es in einer Tragödie. Jede der drei Gegnerfraktionen kann mit Hilfe der im Haus vorhandenen Hinweise besiegt oder besänftigt werden. Es ist dabei durchaus vorgesehen, dass die Spielercharaktere auch echtes Rollenspiel betreiben. Ohne mit ein paar Leuten zu reden und etwas Empathie für sie aufzubringen, wird man etwa den Plot, in dem die Dorfbewohner die Gegenspieler sind, nicht lösen.
Zusätzlich zu den Hintergrundinformationen für den Spielleiter enthält das Abenteuer auch acht vorgefertigte Spielercharaktere, die den Spielern zur Wahl stehen. Die Charaktere sind stimmig, haben interessante Hintergrundgeschichten und können „vom Blatt weg“ gespielt werden, was besonders dann praktisch ist, wenn die Geschichte als One-Shot auf einer Convention oder unter anderen zeitsensitiven Umständen gespielt werden soll. Es ist allerdings auch möglich, eigene Charaktere zu erstellen, solange sie in den Plot passen, sprich: Solange sie zu der Sorte Menschen gehören, die August Peter von Uexküll zur Vorstellung seiner Experimente einladen würde.
Regeln
Das Abenteuer basiert auf den Regeln von Fhtagn (Deutsche Lovecraft Gesellschaft – Open Game License), kann aber mit jedem beliebigen prozentbasierten System, etwa Call of Cthulhu, gespielt werden. Der Autor verweist nur kurz auf das Regelwerk, den größten Teil des Abenteuerbandes nimmt die Beschreibung des Hintergrunds ein. Daher könnte man den Plot sicherlich recht einfach auf viele andere Regelwerke anwenden, wenn man die Fähigkeiten der Spieler- und Nichtspielercharaktere, die hier mit Prozentwerten angegeben sind, an diese anpasst. Generell ist das Abenteuer eher narrativ gehalten, daher sind langwierige Regelerklärungen überflüssig.
Schreibstil
Der Einstieg des Abenteuers könnte atmosphärischer nicht sein: Winter in Lettland zu zaristischen Zeiten, ein Schloss mit düsterer Vergangenheit in einem ebenso düsteren Wald. Deißlers Schreibstil lässt diesen Eindruck wie von selbst entstehen, auch ohne sich in langatmigen Details zu ergehen. Szenen- und Ortsbeschreibungen sind meist knapp und klar gehalten. Die vorgeschlagenen SC sowie NSC werden nicht nur mit Werten und Funktionen vorgestellt, der Autor gibt auch zu jedem eine teils recht humorvolle Charakterisierung ihrer Persönlichkeiten.
Erscheinungsbild
Das eigentliche Abenteuer ohne Deckseiten und Lizenzerklärung nimmt 23 Seiten des Dokuments ein, die letzten zwei davon enthalten die vorgeschlagenen Spielercharaktere. Generell ist das Layout übersichtlich und die Schriftgröße angenehm (ein Ausdruck in A5-Format ist immer noch gut lesbar). Ein Minuspunkt ist das Fehlen eines Inhaltsverzeichnisses, der aber aufgrund der Kürze des Abenteuers kaum ins Gewicht fällt. Neben einigen fotografischen Illustrationen ist das Dokument mit Plänen des Uexküll-Anwesens, der Zimmeraufteilung im Haupthaus und Geheimgängen von und zu der Zauberwerkstatt, in der die Geister beschworen wurden, ausgestattet. All diese Informationen sind mehr oder weniger unverzichtbar, je nachdem, welche Plot-Variante gespielt wird. Es stellt sich allerdings die Frage, warum die Pläne nach Süden, nicht nach Norden ausgerichtet sind. Dies macht die nebenstehende Beschreibung etwas schwerer zu verstehen als es wünschenswert wäre. Ansonsten kommt das Layout mit angenehm wenig Schnickschnack aus: Die wenigen Kästen mit Zusatzinformation befinden sich am unteren Seitenrand und stören nicht weiter im Lesefluss. Die knappe, informationsgeladene Schreibweise legt nahe, das Dokument als Spielleiter nicht aus der Hand zu geben, damit für Spieler nicht versehentlich eine Überraschung verdorben wird.
Fazit
Von Uexkülls Grauen ist ein Gruselabenteuer mit einer ganz eigenen Note. Ein klassischer Einstieg bietet dem Spielleiter dennoch die Möglichkeit, den Plot in ganz unerwartete Richtungen zu lenken. Während der Geister-Plot noch ein relativ geradliniges Gruselabenteuer bietet, sind schon die Außerirdischen ungewöhnliche Gegner. Auch gibt es die Möglichkeit, das Abenteuer ohne jegliche übernatürliche oder sonst wie phantastische Beteiligung auskommen zu lassen: Wenn die Dorfbewohner die Antagonisten sind und es letztlich nur darum geht, dass ein arroganter Adliger sich herzlos gegenüber seinen Untertanen verhalten hat. Für viele Spieler sicherlich eine neue Erfahrung! Der knappe, gut zu lesende Schreibstil und das interessante historische Setting bieten einen schönen Rahmen für ein klassisches Gruselabenteuer. Der dreigeteilte und kombinierbare Plot allerdings macht Von Uexkülls Grauen erst zu einem besonderen Erlebnis. Mit wechselnden Spielern ist es auch möglich, mehrere davon auszuprobieren. Klarer Fall: Hier stimmt das Preis-Leistungs-Verhältnis!
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https://www.teilzeithelden.de/2018/10/19/spieltest-masks-a-new-generation-die-freak-fource/
Konfrontiert mit den Herausforderungen des Heranwachsens hat sich so mancher vielleicht gewünscht, seine Probleme einfach mit Superkräften zu beseitigen. Masks: A New Generation greift diese Idee auf und lässt die Spieler in die Rolle von Teeny-Helden schlüpfen. Hat das Spiel das Potential zur Ballkönigin oder ist es bloß ein Mauerblümchen?
Wenn man das Klischee des nerdigen Rollenspielers durchexerziert, sind die Teenager-Jahre eine besonders düstere Epoche im Leben der hypothetischen Person. Die Pubertät, ein sich verändernder Körper, Schule, Hormone und mangelnder sozialer Anschluss, all das sind die archetypischen Probleme, denen Heranwachsende sich stellen müssen.
Wenn man den Faden des Klischees weiterspinnt, erwächst im Geist des pubertierenden Vorzeige-Nerds irgendwann der Wunsch, all diesen Problemen in bester Superhelden-Manier zu begegnen. Was bedeuten schließlich Hausaufgaben für jemanden, der fliegen kann und Verbrecher mit seinem Eisatem lahmlegt?
Ob die Klischees zutreffen, sollten wohl alle Leser und Leserinnen mit sich selbst ausmachen. Die Idee von Teeny-Superhelden bleibt jedoch. Teen Titans, Young Justice, Runaways und Young Avengers, all diese Heldenteams haben einen festen Platz im Kosmos von Marvel bzw. DC und haben zum Teil sogar schon den Sprung in andere Medien geschafft.
Masks: A New Generation lässt sich als Rollenspiel von diesen Comics und Serien inspirieren und versucht, die typischen Probleme Heranwachsender mit der Superheldenthematik zu verbinden. Wir haben ein Team aus vier jungen Helden erstellt und sie in einem ersten Spieltest auf die Mission geschickt, die Stadt zu retten.
Die Spielwelt & Regeln
Halycon City, die Stadt, in der die Abenteuer der jungen Helden stattfinden, wird bewusst nicht allzu detailliert beschrieben. Festgelegt ist eigentlich nur, dass die Stadt größer als alle anderen Metropolen der Welt ist und dass sie bereits drei Generationen von Helden hat kommen und gehen sehen. Für die Bewohner sind maskierte Rächer und Schurken also relativ normal geworden.
Die Spielercharaktere sind Teil einer vierten Generation von Helden, die gerade die Bühne betritt. Sie sehen sich mit den verschiedensten Erwartungen konfrontiert und müssen ihren Platz in Halycon City finden. Dabei ist vom Spiel angedacht, dass das Team der jungen Superhelden zu Beginn weder geliebt noch gehasst oder gar verfolgt wird.
Masks ist ein Spiel, das das Label Powered by the Apocalypse trägt. Wie andere Systeme seiner Art nutzt es einen Probenmechanismus, bei dem zwei sechsseitige Würfel geworfen werden und ein Modifikator verrechnet wird. Alle Ergebnisse von 10 oder höher sind ein voller Erfolg, 7-9 bedeuten einen Erfolg mit gleichzeitiger Komplikation und alle Würfe, die sechs oder weniger ergeben, erlauben dem Spielleiter, eine meist üble Konsequenz ins Spiel zu bringen. Sollte so niedrig gewürfelt werden, erhält der Spieler zum Ausgleich aber auch Erfahrung außerhalb der Reihe.
Charaktererschaffung
Was Masks besonders macht, ist die Mechanik der Labels. Der Modifikator für die Würfe der Spielercharaktere ergibt sich aus fünf Werten, die sich im Bereich von -2 bis +3 bewegen. Im Gegensatz zu typischen Attributen handelt es sich aber nicht um tatsächliche Eigenschaften, sondern um Arten, wie der Charakter sich selbst wahrnimmt. Er kann sich als gefährlich, überlegen, gewöhnlich, heldenhaft oder freakig betrachten.
Die Werte sind nicht fix, sondern verändern sich im Laufe des Spiels immer wieder. Wird dem Helden etwa von einem Erwachsenen vorgehalten, dass er bei weitem nicht so klug ist, wie er vielleicht denkt, sondern lediglich ein normaler Teeny, dann sinkt sein Wert in Superior, während Mundane ansteigt. Alle Werte haben dabei gute und schlechte Seiten.
Die Charaktererschaffung erfolgt mithilfe von Archetypen, sogenannten Playbooks, von denen das Regelwerk zehn verschiedene enthält. Der Kern dieser Charaktervorlagen sind weniger Werte und Kräfte, sondern die Geschichten und Themen, die der Charakter in eine Kampagne einbringt. Wenn man die Möglichkeiten der Playbooks, den Charakter weiterzuentwickeln, betrachtet, wird schnell klar, dass Masks zwar Oneshots möglich macht, aber sein volles Potential erst in einer längeren Kampagne zeigt.
Spielbericht
Nachdem das Regelwerk gelesen und die Playbooks und einige Referenzbögen gedruckt waren, stand einem Test des Systems nichts mehr im Weg und vier Superhelden erblickten das Licht der Welt. Im gemeinsamen Gespräch wurde das Team der Freak Fource aus der Taufe gehoben. Da die einzelnen Playbooks auch Fragen über die Beziehungen zu anderen Teammitgliedern und die Entstehungsgeschichte des Teams enthalten, wird in Masks neben den Charakteren auch immer die Gruppe selbst erschaffen.
Diese vier Superhelden bilden die Freak Fource:
Inferno
Eve Sanders beherrscht die vier Elemente und kann extrem mächtige Effekte mit Hilfe von Erde, Wasser, Luft und Feuer erzeugen. Dummerweise hat die junge Asiatin Schwierigkeiten, ihre Fähigkeiten zu kontrollieren. Auf dem Playbook The Nova basierend, produziert sie schnell Kollateralschäden.
Loa
Niemand weiß, wie Loa wirklich heißt. Der dunkelhäutige Teenager ist von einer Aura der Geheimnisse umgeben. Er ist in der Lage, Erinnerungen zu manipulieren, psychische Konstrukte zu erzeugen und die Lebenskraft anderer zu absorbieren. Als The Doomed ist Loa dazu verdammt, früher oder später den Tod durch seine Nemesis, die Voodoo-Gottheit Baron Samedi, zu erleiden. Je näher er diesem dunklen Schicksal kommt, desto größer werden seine Fähigkeiten.
Kit
Fremdartig und wunderschön erscheint Areel Kriasztor‘llg, eine Außerirdische mit der Fähigkeit zu fliegen und ihre Gestalt auf irrwitzige Arten und Weisen zu verändern. Sie ist mit ihrem Raumschiff notgelandet und hat die Erde sehr zum Missfallen ihres eigenen Volkes zu ihrer neuen Heimat erkoren. Kits zugrunde liegendes Playbook ist The Outsider.
Sonic Seducer
Stephen Styles ist ein ewiger Rebell und Klassenclown. Er kontrolliert Emotionen und kann die Kräfte anderer Helden und Schurken negieren. Als The Delinquent ist er prädestiniert dafür, sich in moralischen Grauzonen zu bewegen und ständig seine Grenzen auszuloten. Obwohl er eine sarkastische Fassade aufrechterhält, liegt ihm das Team insgeheim am Herzen.
Das Team ist eher zufällig entstanden, als Kit, verfolgt von einem bösartigen Weltraum-Monster in Halycon City notlandete. Die jungen Superhelden vereinten spontan ihre Kräfte und besiegten das Ungeheuer. Im Verlauf des Kampfes wurde eine große Brücke zerstört und die Teens hielten einen erwachsenen Helden davon ab, einzugreifen.
Als die Medien im Nachgang von den Freak Four oder der Freak Force sprachen, entschlossen sich die vier ungewöhnlichen Superhelden kurzerhand, die beiden Namen zu Freak Fource zu verschmelzen und in Zukunft zusammenzuarbeiten.
Die Geschichte
Und hier beginnt unser Abenteuer: Die vier Heroen überraschen eines Nachts Blue Blaster, einen ehemaligen Helden, der mittlerweile als Söldner tätig ist, bei einem Einbruch in die Anlage der geheimnisvollen Future Tech Corporation. Nach einem kurzen Kampf ist der Schurke vertrieben.
Im Nachgang findet Kit mit Hilfe von außerirdischer Computertechnologie heraus, dass die Future Tech lediglich einen Deckmantel für die Stalwarts darstellt, eine Gruppierung mystischer Helden, die mächtige Relikte bewachen. Blue Blaster scheint hinter dem Blutkodex her gewesen zu sein, einem Buch voller böser Zauber. Loa sieht in einer Vision, dass kein Geringerer als Baron Samedi, sein Fluch und Erzfeind seine Finger nach dem Kodex ausstreckt.
Die Freak Fource entscheidet also, das Buch präventiv zu entwenden. Der Diebstahl gelingt, allerdings werden im Verlauf Schutzzeichen verwischt, die es dem Librarian, seines Zeichens Zauberer und unwissender Diener Baron Samedis, erlauben, sich an den Standort des Buches zu teleportieren.
Von der Macht des mystischen Bösewichts verunsichert und vom alarmierten Sicherheitspersonal umzingelt, fliehen die jungen Superhelden in Kits Schiff, das praktischerweise zwischen den Dimensionen reisen kann. Inferno und der Sonic Seducer decken den Rückzug, doch zu früh gefreut: Mühelos verfolgt der Librarian das Team durch die verschiedenen Realitätsebenen.
Loa entscheidet sich für einen anderen Ansatz und beginnt ein psychisches Duell mit dem Widersacher. Im Verlauf dieser mentalen Schlacht gelingt es ihm, dem Schurken klarzumachen, dass er lediglich eine Figur im Spiel der Voodoo-Gottheit gewesen ist. Der alte Mann wird von Reue und Scham überwältigt und lässt von den Helden ab.
Das Abenteuer endet mit dem Blutkodex, der seinen Platz in einem Regal in Loas Refugium findet. Die jungen Superhelden waren erfolgreich, aber am Horizont scheinen sich dunkle Wolken zusammenzubrauen...
Spielbarkeit aus Spielleitersicht
Wer als Spielleiter keine Probleme damit hat, ausgiebig zu improvisieren, wird viel Spaß mit Masks haben. Wie viele pbta-Systeme setzt das Spiel auf den Grundsatz: Spiele, um herauszufinden, was passiert. Um ein Abenteuer zu leiten, ist vorab nur minimale Arbeit vonnöten. Es reicht völlig, einen Schurken mit sehr überschaubaren Werten zu generieren und eventuell einen Spielercharakter mit einem sogenannten Hook zu versehen.
Die Idee hinter diesem Spielleiterwerkzeug besteht darin, dem Charakter zwei der fünf Label zuzuordnen und im Abenteuer jedes Label durch einen NSC repräsentieren zu lassen. Der Nichtspielercharakter wird versuchen, den Helden in Richtung des jeweiligen Labels zu beeinflussen. Dadurch wird die Charakterentwicklung in ein simples, aber wirkungsvolles Gerüst verbaut.
Im Spiel selbst folgt der Spielleiter vor allem dem Weg, den die Würfel vorgeben. Niedrige Würfe bedeuten mehr Konsequenzen, also stärkere Eingriffe des Spielleiters. Wie bereits angesprochen, sollte man hier Spaß an der Improvisation haben. Wer auf minutiös vorbereitete Plots Wert legt, sollte die Finger von Maske und Cape lassen.
Wer neu hinter dem Spielleiterschirm ist, könnte sich an dieser Stelle eventuell überfordert fühlen. Das Regelwerk bietet jedoch ein ausgiebiges Kapitel, in dem das Leiten des Spiels behandelt wird, sowie ein eigenes Kapitel, in dem der Umgang mit den einzelnen Playbooks im Detail beschrieben wird. Ausreichende Hilfestellungen sind also vorhanden, vor allem, da Masks vorsieht, immer wieder Fragen an die Spieler zu stellen und ihre Antworten als Inspiration zu nutzen.
Was das Leiten von Masks zusätzlich angenehm gestaltet, ist die Tatsache, dass bei Nutzung der per Download verfügbaren Übersichtsblätter schon in der ersten Sitzung faktisch nicht mehr im Buch geblättert werden muss, um Regelfragen zu klären. Die wichtigen Spielzüge sind für Spieler und Spielleiter jederzeit direkt zugänglich.
Spielbarkeit aus Spielersicht
Um den Eindruck meiner Spieler nach ihrem ersten Abenteuer in Halycon City einzufangen, hat Miguel, der Spieler von Loa einige Worte zu Masks geschrieben, die ich an dieser Stelle paraphrasiert wiedergeben möchte:
Die Spielwelt von Masks ist sehr interessant, da Superhelden in ihr so etwas Alltägliches darstellen. Die Charaktere sind zwar besonders, aber eben Teil einer großen Gruppe von Individuen mit Kräften, an die sich die einfachen Leute einfach gewöhnt haben.
Die Charaktererschaffung geht schnell von der Hand und verlangt vom Spieler, sich mit der Persönlichkeit des Charakters auseinanderzusetzen. Die Playbooks unterstützen diesen Prozess angenehm und stehen niemals im Weg, sondern lassen genug Raum für eigene Entscheidungen. Besonders positiv aufgefallen sind die Beziehungen der Charaktere, die während der Generierung bereits festgelegt werden.
Das Regelsystem ist angenehm simpel und leichtgängig. Der Probenmechanismus mit zwei sechsseitigen Würfeln ist direkt verinnerlicht. Die Mechanik der variablen Labels anstelle klassischer, statischer Attribute ist sehr innovativ und passt hervorragend in die Thematik.
Es bleibt zu hoffen, dass es nicht bei einem Abenteuer bleibt.
Bonus/Downloadcontent
Auf der Homepage des Verlags werden nicht nur die bereits erwähnten, sehr nützlichen Übersichtsblätter, sondern auch die kompletten Playbooks des Spiels kostenfrei zum Download angeboten. Hier können sich alle interessierten Leserinnen und Leser bereits einen Eindruck des stimmungsvollen Artworks im Comicstil machen.
Fazit
Masks: A New Generation ist nicht nur ein Rollenspiel über Superhelden in jungen Jahren. Es behandelt auch ganz normale Probleme, Abenteuer und Wunder des Heranwachsens. Wer seine Teenagerjahre nicht völlig verdrängt hat, wird sich selbst irgendwo in den archetypischen Playbooks wiederfinden. Die Charaktere definieren sich weniger durch ihre, zugegeben mitunter spektakulären, Kräfte, sondern durch ihre Probleme und potentiellen Geschichten.
In der Tradition von Apocalypse World setzt das Spiel auf einen schlanken Regelkern und minimale Vorbereitung von Seiten des Spielleiters. Improvisation bestimmt das Geschehen am Spieltisch. Im Geiste der Veränderungen, die typischerweise mit der Pubertät einhergehen, sind auch die Eigenschaften der jungen Helden ständig im Fluss. Die wichtigen Spielwerte verändern sich im Verlauf des Spiels immer wieder.
Unsere Gruppe hat mit der Charaktererschaffung und einem ersten Abenteuer in der Welt von Masks großen Spaß gehabt. Wir wollen versuchen, es nicht bloß bei einem einmaligen Abenteuer zu belassen, denn das System macht Lust auf mehr. Und erst in einer ausgewachsenen Kampagne lässt sich die Entwicklung der Charaktere zu reifen Erwachsenen wirklich erleben.
Wer Superhelden mag und sein Herz für die Wirrungen des Teeny-Dramas erwärmen kann, darf bei Masks bedenkenlos zuschlagen. Das Spiel weiß, was es will und setzt diese Idee konsequent und sehr gelungen um. Wer hingegen dem hohen Grad der Improvisation nichts abgewinnen kann und Teens in Capes albern findet, der muss sich anderweitig umsehen.
Alle anderen sollten so bald wie möglich ein Team gründen und den Schurken zeigen, wo der Hammer hängt. Halycon Citys Helden brauchen schließlich Nachwuchs!
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Die Zahl der Fate-Kampagnensettings wächst beständig und deckt die verschiedensten Genres ab. Warum also nicht mal richtig düsteren Cyberpunk mit einer gehörigen Prise Weltuntergang? Ein italienisches Rollenspiel kommt dieser Idee nach und stützt sich dafür auf eine starke, japanische Vorlage.
Das Genre Cyberpunk hat seit seiner Entstehung in den 1980ern schon viele Facetten und Spielarten dazubekommen. Auch die japanische Manga- und Animekultur hat verschiedenste Beiträge dazu geleistet. Eine dieser auch hierzulande etwas bekannteren, dystopischen Zukunftsvisionen ist Blame!, ein Manga aus der Feder von Tsutomu Nihei.
Diese beklemmende, düstere Mischung aus Cyberpunk und Endzeit, angefüllt mit künstlichen Wesen, durchgedrehten KIs, klaustrophobischen, riesigen Gebäudestrukturen und einer Menschheit vor dem Untergang, diente als Vorlage für das italienische Spielestudio Black Box Games.
Die Spielwelt
Die Welt von Evolution Pulse vermittelt an allen Ecken und Enden den Stil seines großen Vorbildes, stellt den Hintergrund jedoch auf eigene Füße.
Im Jahre 2917 findet man in einer unterirdischen, von einer unbekannten Zivilisation erbauten, Anlage in der Antarktis eine kleine Kiste, die als Black Box bezeichnet wird. Nach einigen Jahren öffnen Wissenschaftler das Artefakt eher aus Zufall und ändern damit das Schicksal der Menschheit für immer. Die Realität beginnt sich auf der subatomaren Teilchenebene zu ändern und versinkt im Chaos. Wie zu spät erkannt wird, hielt die Black Box wohl das Gefüge der menschlichen Realität zusammen. Nun sind es die Herzschläge jedes einzelnen Menschen, welche die Ordnung der Welt beeinflussen und bestimmen.
In Folge der ständigen Änderungen, entstehen kleine Mengen an negativer Materie. Erreicht diese eine kritische Masse entsteht ein Hekath. Diese Wesen, welche die unterschiedlichsten, alptraumhaften Formen annehmen können, verschlingen weitere Materie, um so noch mehr negative Materie zu erzeugen.
Manche Exemplare entwickeln sich weiter und erlangen ein richtiges Bewusstsein. Diese γ-Hekath sind die größten Antagonisten der Menschheit. Denn sie jagen und töten die Menschen nicht wie die einfacheren Formen, sondern machen sie zu Sklaven, um die Produktion der Antimaterie aufrechtzuerhalten und immer mehr ihrer eigenen Artgenossen zu erzeugen.
Innerhalb kürzester Zeit sieht sich die Menschheit einer Invasion dieser Wesen gegenüber.
Das einzige, was sich zwischen die Invasoren und die Menschen stellt, sind drei KIs: Nirvana, Eden und Olympus. Diese errichten so genannte Safezones und versuchen dort die Menschen so gut es geht zu beschützen. Zu diesem Zweck werden die Exekutors erschaffen. Jedoch geht jede KI hier ihren eigenen Weg.
Nirvana erschafft die Proxies. Dies sind Klone der eigentlichen Einwohner ihrer Safezone, mit Zugang zu einem weltweiten Computernetzwerk, aus dem sämtliches Wissen der Menschheit, und im Notfall sogar physische Waffen, heruntergeladen werden können.
Die durch Eden geschaffenen Hyonoses sind der in eine physische Form heruntergeladene Wille eines Menschen. Dies macht ihre Körper zwar unanfälliger gegen Schaden, ihr Bewusstsein ist jedoch ein eher fragiles Gebilde.
Hydrahs schließlich sind von der KI Olympus zu Cyborgs umgebaute Menschen. Durch diesen Prozess haben sie zwar ihre Fähigkeit verloren, die Realität zu ändern, können sich aber jederzeit mit Hilfe der sie umgebenden Technik modifizieren und reparieren. Eine in den Augen der KIs ungewisse Rolle spielen die Obscura. Dies sind Menschen, deren DNS zu großen Teilen durch Hekathzellen korrumpiert wurden. Nicht nur sind sie dadurch in der Lage, ihren Körper zu verändern. Sie spüren die Präsenz der Hekath und werden von den einfacheren Wesen ignoriert.
Diese vier, doch sehr unterschiedlichen Arten von Exekutors durchstreifen nun also im Jahr 3124 die Erde. Und diese hat sich bereits schon vor den katastrophalen Ereignissen maßgeblich verändert. Gigantische Megastädte haben sich fast auf dem gesamten Planeten ausgebreitet, die nun, durch den Lauf der Jahrzehnte und die Änderungen der Realität, eine urbane Wildnis darstellen. Immer wieder finden sich Siedlungen von so genannten LostHs. Menschen, die außerhalb der Safezones leben. Diese zu Beschützen und, sofern ihre DNS nicht zu stark korrumpiert ist, in die Sicherheit der KI-Städte zu bringen ist eine der hauptsächlichen Aufgaben der Exekutors.
Insgesamt ist der Hintergrund manchmal etwas wirr und vor allem doch sehr abgefahren. Eigentlich wäre so etwas durchaus anzukreiden. In diesem Fall trifft es jedoch schlicht den Nerv der Vorlage und schafft Freiräume die mit den eigenen Geschichten gefüllt und erklärt werden können.
Die Regeln
Evolution Pulse verwendet die Regeln für Turbo Fate und Fate Core ohne nennenswerte Änderungen. Die Kenntnis der jeweiligen Regeln wird vorausgesetzt und die grundlegenden Konzepte werden auch nicht ausgeführt. Man benötigt also zwingend die beiden zu Grunde liegenden Regelwerke.
An mehreren Stellen wird deutlich auf ein fundamentales Konzept von Fate hingewiesen. Nämlich die gemeinsame Ausgestaltung der Spielwelt und die Rolle der Charaktere darin. Hierfür wurden sieben Fragen entworfen, die sowohl individuell, als auch gemeinsam als Gruppe, beantwortet werden. In anderen Spielen zählt so etwas als schmückendes Beiwerk, in einem Fate-Regelwerk ist es allerdings klarer Teil der Regeln.
Generell geht das Buch sehr gewissenhaft auf jeden Regelbestandteil ein, setzt einen gewissen Rahmen dafür und erläutert gleichzeitig, wie man diesen Rahmen verändern kann. Dies reicht von Fate-Standards, wie Stunts, bis hin zu der durchaus abgedrehten Fähigkeit jedes Charakters, die Realität um sich zu verändern. Gerade diese Fähigkeit treibt die Flexibilität des Systems auf die Spitze, gibt jedoch auch direkt Mechaniken an die Hand, die allzu großes Schindluder damit eindämmen. Denn jede Änderung der Realität macht die allgegenwärtigen Hekath stärker.
Charaktererschaffung
Hier nimmt das Buch die größte Änderung an den sonst üblichen Fate-Regeln vor. Statt sich frei einen Charakter zusammenzubauen, wählt man einen von vier Archetypen. Diese sind die bereits erwähnten vier Arten von Exekutors. Der Archetyp bestimmt die sechs Methoden des Charakters und übernimmt damit eine Mechanik die man aus Turbo Fate kennt. In Evolution Pulse darf man dann eine +4, zweimal +3 und dreimal +2 auf die Methoden vergeben. Wer Turbo Fate kennt, kann hier schon sehen, dass mit härteren Bandagen als sonst gearbeitet wird. Insgesamt gibt es einen Pool von 21 verschiedenen Methoden wodurch sich die Archetypen durchaus unterscheiden. Für jede einzelne dieser Methoden werden Beispiele für eine der in Fate vier möglichen Aktionen gegeben.
Die Anzahl an Aspekten und Stunts des eigenen Charakters entsprechen den Fate-Core-Regeln. Das Buch bietet für jeden Archetyp eine Reihe von denkbaren Aspekten an und eine ansehnliche Liste an passenden, vorgefertigten Stunts. Gerade Fate unerfahrenen SpielerInnen wird damit der Einstieg deutlich erleichtert und bietet dennoch genug Abwechslung, sollten zwei Personen den gleichen Archetypen wählen.
Spielbarkeit aus Spielleitersicht
Wer mit dem geistigen Vorbild des Settings vertraut ist und Fate schon kennt, sollte tatsächlich keine Probleme haben eine spannende Geschichte für Evolution Pulse zu entwerfen. Wer jedoch Setting oder Regeln noch nicht kennt, bekommt durchaus Hilfestellungen und Wegweiser geboten. Sowohl die Hekath, als auch andere Gefahren werden beispielhaft aufgezeigt und geben Impulse für eigene Ideen und Geschichten. Es ergeht die klare Aussage, dass die noch offenen Fragen zum Hintergrund durch die Gruppe selbst beantwortet werden können und sollen. So viel Freiheit dies auch gewährt, läuft Evolution Pulse dadurch Gefahr, sich schnell abzuspielen. Die Versuchung ist nämlich doch sehr groß, gleich mit dem ersten Abenteuer oder der ersten Kampagne seine eigene Erklärung des Hintergrunds an die Spielerinnen und Spieler zu bringen.
Da sich Hintergrund und Regeln beständig abwechseln, kann es manchmal etwas schwierig sein auf Anhieb bestimmte Dinge zu finden. Durch den Fate innewohnenden Fokus auf die erzählerische Seite der Geschichte, kommt man jedoch nur selten in die Verlegenheit wirklich etwas in den Regeln nachschlagen zu müssen.
Spielbarkeit aus Spielersicht
Auch hier gilt, wer Fate schon kennt, findet sich ohne Mühe zurecht. Aspekte und Stunts funktionieren wie gewohnt. Die Archetypen und die damit verbundenen Methoden könnten sich für eingefleischte Fans vielleicht nach einer Einschränkung anfühlen, geben dem System jedoch eine individuelle Note und tragen auch einen Teil des Hintergrunds. Trotz der kleinen Auswahl an Archetypen, lassen sich dank der Aspekte, Methoden und Stunts durchaus sehr individuelle Alter Egos erschaffen. Sogar eine Gruppe aus gleichen Archetypen sollte so realisierbar sein.
Selbst für Fate, das ja doch eher für die großen Geschichten gedacht ist als für die kleinteilige Realitätssimulation, fühlen sich die Charaktere mächtig an und treffen so genau den Nerv des Settings. In einer so lebensfeindlichen, dem Untergang nahen Welt braucht es solche Übermenschlichkeit.
Erscheinungsbild
Die 186 Seiten sind eine wahre Freude. Das Layout ist übersichtlich gestaltet und ermöglicht einen angenehmen Lesefluss. Weiterhin macht es sehr deutlich, dass sich künstlerische Ausgestaltung und Lesbarkeit nicht ausschließen müssen. Jede einzelne Seite ist auf irgendeine Art und Weise künstlerisch gestaltet und erzeugt so bereits beim Lesen eine gewisse Immersion. Kleinere Schwächen in der Übersetzung ins Englische trüben hier die Freude kaum.
Und spätestens beim eigentlichen Artwork ist nicht mehr zu verleugnen, dass Evolution Pulse zu großen Teilen eine Hommage an Tsutomu Nihei und sein Schaffen ist. Daniel Comerci, der Zeichner von Black Box Games, trifft den Stil der Mangas auf das i-Tüpfelchen genau.
Das PDF ist vorbildlich aufbereitet und verfügt von sich aus über eine gut eingeteilte Lesezeichenstruktur, die eine schnelle Navigation ermöglicht. Hier könnten sich größere Verlagshäuser der Szene durchaus einmal ein Beispiel nehmen.
Bonus/Downloadcontent
Evolution Pulse kommt von Haus aus mit einem zusätzlichen Anhang, der einem ermöglicht, statt durch einen Exekutor mit einer Gruppe von drei normalen Menschen am Tisch vertreten zu sein. Ein interessanter Ansatz, der jedoch zurecht als Zusatz, nicht als Standard, im Regelwerk ist.
Weiterhin gibt es ein kostenloses Preview, um sich vorab selbst ein Bild machen zu können.
Fazit
Evolution Pulse kann man sich aus zwei unterschiedlichen Richtungen nähern. Entweder man ist Fate-SpielerIn und stets auf der Suche nach neuen Kampagnensettings oder man liest gerne die Mangas von Tsutomu Nihei, allen voran Blame!.
Auf der Regelseite werden keine gigantischen Änderungen an den grundsätzlichen Mechaniken von Fate vorgenommen. Die spielbaren Charaktere in vier verschiedene Archetypen einzuteilen, dürfte gerade Neulingen im System eine willkommene Hilfe sein. Der Kniff, auf eine Fertigkeitenliste zu verzichten und stattdessen jeden Archetyp mit einem eigenen Satz von Methoden, wie sie in Turbo Fate verwendet werden, auszustatten, hält die Charaktererschaffung schnell und schlank. Dennoch bleiben genug Möglichkeiten, einen eigenen Charakter zu erschaffen, der sich von denen der MitspielerInnen unterscheidet.
Die restlichen Regeln werden alle in Bezug auf das Setting beleuchtet und mit hilfreichen Vorschlägen und Ideen versehen. Auch in Fate unerfahrene SpielleiterInnen erhalten damit sinnvolle Unterstützung.
Hat man noch nie einen der erwähnten Mangas gelesen, oder den vor kurzem auf Netflix erschienen Film gesehen, stellt der Hintergrund vielleicht den einzigen Stolperstein dar. In manchmal etwas verwirrender Weise wird ein düsteres, dystopisches Zukunftsbild gezeichnet. Wer die Vorlagen zumindest ein wenig kennt, findet sich schnell zurecht. Alle anderen müssen sich in dieser Menagerie an Materie verschlingenden Monstern, Cyborgs, KIs und Klonen erst ein wenig orientieren, bis der Funke vollkommen überspringen kann.
Wer also beide Richtungen kennt, sollte auf jeden Fall zugreifen.
Kommt man nur aus einer der Richtungen, sollte man auf jeden Fall einen genauen Blick auf Evolution Pulse werfen.
https://www.teilzeithelden.de/2018/10/02/rezension-evolution-pulse-dreamlord-press/
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Die Box Werkzeuge des HeXXenmeisters will Spielleitern von HeXXen 1733 ein üppiges Paket an die Hand geben – mit Abenteuern, Hintergrund, Markern, Würfeln, Sichtschirm und mehr. Wir schauen, wie lohnend die einzelnen Komponenten sind und ob sie eine gute Ergänzung zum Buch der Regeln darstellen.
Jenes Buch, welches das Grundregelwerk des jungen deutschen Systems darstellt, musste in unserer Rezension einige Kritik einstecken. Trotz herausragender Gestaltung und einigen interessanten Ansätzen missfiel uns neben einzelnen Punkten wie explizit fehlenden Regeln bzw. Optionen vor allem der marginal ausgestaltete Hintergrund. Dieser fühlte sich mehr wie ein grober Teaser an und war ohne aufwendigere Eigenleistungen des Spielleiters nicht nutzbar. Zudem fanden sich hier keine Abenteuer oder zumindest konkrete -ideen, ebenso fanden wir die Anzahl an vorgestellten Gegnern recht gering.
Inhalt
Die Werkzeuge des HeXXenmeisters wollen uns hier einiges von dem bieten, was im Grundregelwerk fehlt – neben Abenteuern, Monstern und Hintergrund unter anderem auch die speziellen Würfel, welche zwar allesamt sechsseitig sind, jedoch unterschiedliche Symbole auf den Seiten besitzen. Klingt erstmal ziemlich gut, und mit den enthaltenen Zusätzen wie SL-Schirm, Marker und Hintergrundmusik (!) scheint die Box auch äußerst üppig ausgestattet zu sein.
Werkzeuge des HeXXenmeisters
Das namensgebende A4-Heft ergänzt das Buch der Regeln um Inhalte, welche vor allem für Spielleiter (genannt HeXXenmeister) nützlich sind. Autor Mirko Bader räumte in einem Interview selbst ein, dass hier Inhalte vorliegen, die „eigentlich“ ins Grundregelwerk gehört hätten, aus Platzgründen jedoch in diese Box ausgelagert wurden.
Nach Inhaltsverzeichnis und Übersicht über die Box-Inhalte widmet sich das Heft zunächst dem Thema „Die barocke HeXXen-Welt“. Auf 14 Seiten finden sich Hintergrund und hilfreiche Informationen zum Zeitalter – wobei letzteres überwiegt. Zwar finden sich in den Beschreibungen auch HeXXen-spezifische Besonderheiten, viele Informationen sind jedoch ebenso in der realen Welt vorzufinden. Beispielsweise werden typische Militäreinheiten der Zeit kurz vorgestellt und das Leben in Städten und auf dem Land beschrieben. Ergänzungen wie die „Sorbonniere“ als spezielle Militäreinheit machen sich dabei jedoch gut. Auch in anderen Themenbereichen wie Politik oder Wissenschaften findet man einige Abweichungen zur realen Historie. Insgesamt ein gutes Kapitel, welches kurz und prägnant eine Übersicht über das Leben im Jahr 1733 gibt und dem HeXXenmeister so hilft, die Welt passend und glaubwürdig darzustellen. Trotz einzelner Überschneidungen mit dem Buch der Regeln ergänzt es dieses gut, obgleich das Wissen recht oberflächlich bleibt. Nähere Infos oder Beschreibungen zu relevanten Organisationen beispielsweise gibt es weiterhin nicht – und gerade solche potenziellen Auftraggeber hätten sich in ausreichender Ausgestaltung als Hilfe für den Spielleiter für diese Box angeboten. Im beiliegenden Abenteuerband wird jedoch zumindest das Thema Seelenlicht und seine Gewinnung etwas vertieft.
Als zweites Kapitel werden auf sieben Seiten insgesamt vier Abenteuerideen vorgestellt. Tatsächlich handelt es sich um vollständige Abenteuer, deren Details lediglich nicht ausgearbeitet wurden. Man findet jedoch eine klare Strukturierung und Beschreibung (Hintergrund, Auftakt, Entwicklung, Finale) sowie die spezifischen Gegnerprofile – insgesamt sechs. Die Abenteuer sind dabei ziemlich abwechslungsreich und machen trotz ihrer Kürze Lust, sie zu spielen. Hexen, Alchemie, Geister, schwarze Magie etc. – das Spektrum ist vielfältig, und sogar eine deutliche Referenz an eine klassische Horrorgeschichte ist enthalten.
Als drittes und letztes Kapitel widmet man sich auf acht Seiten „Bestien in vielfältigen Formen“. Dabei wird zuerst das Balancing behandelt, und wie man mit bestimmten Problemen wie fehlenden Spezialisten oder geringem Schadensausstoß umgeht. Eher etwas für neue, unerfahrene Spielleiter – für diese aber sicher nützlich. Hiernach folgt ein Abschnitt über das Abändern von Gegnern, um diese abwechslungsreicher zu gestalten oder derart zu verändern, dass man ganz eigene Varianten erschafft. Hierzu gibt es Faustregeln, um schnell Ergebnisse zu erzielen. Zuletzt finden sich auch Beispiele für variierte Gegner – insgesamt zehn „neue“ Bandengegner-Profile, welche schönerweise sogar mit einer kurzen Beschreibung versehen wurden. Die Kritik am Grundregelwerk, dass lediglich 21 Gegner zu finden sind, wird hiermit obsolet.
Insgesamt ein zwar dünnes, aber dennoch überaus nützliches Heft, welches das Buch der Regeln sehr gut ergänzt und durchaus eine Empfehlung darstellt.
Abenteuerband
Das zweite Heft präsentiert uns nun ebenfalls vier Abenteuer, hier jedoch vollständig ausgearbeitet, so dass dieses Werk auf ganze 64 Seiten kommt. Alle vier Diese sind allesamt sind allesamt
einzeln spielbar und auf Jäger des ersten Levels ausgelegt, können jedoch auch zu einer kleinen Kampagne verbunden werden. Hier müsste dann unter Umständen etwas an den Gegnern und ihren Werten geschraubt werden.
Die Abenteuer sind – rein nach dem Leseeindruck, ohne sie gespielt zu haben – durchaus spannend und abwechslungsreich. Eine Beschreibung verbittet sich natürlich, aber soviel sei gesagt: Neben Gesindel und Schurken spielt auch Seelenlicht eine Rolle (hier bekommt man nun auch mehr Hintergrund, beispielsweise die Beschreibung einer Seelenlichtfalle), moralische Entscheidungen sind zu fällen, Krankheiten kommen vor und natürlich auch Hexenwerk. Keines der Abenteuer ist dabei zu sehr auf Kämpfe fokussiert – im Gegenteil, das Herausfinden der Hintergründe, die überhaupt erst zu den Abenteuern führten, macht einen wesentlichen Bestandteil aus und ist quasi unerlässlich. Zudem lassen sich einige Kämpfe auch umgehen.
Inhaltlich fügen sich alle Abenteuer gut in das Setting ein, wobei insbesondere das letzte Abenteuer das Potenzial hat, eine wirklich gelungene Schauergeschichte zu erzählen. Was die drei davor keinesfalls schmälern soll – diese beinhalten natürlich auch gewisse Elemente dieser Art, sind jedoch eher als dreckig-düster zu bezeichnen denn als klassisch gruselig.
Als weiterer Pluspunkt sei angemerkt, dass die Abenteuer sich ziemlich universell in nahezu jeder von Menschen besiedelten Region spielen lassen. Dazu kommt, dass jedes Abenteuer optionale Zusätze enthält, um es zu erweitern oder zu verlängern. Eine schöne Option, was auch den Wiederspielwert erhöhen kann. Zudem werden mit den Abenteuern, die allesamt ziemlich unterschiedlich sind, auch genügend Ansätze geboten, um die vorhandenen Thematiken aufzugreifen und daran anzuknüpfen.
Entsprechend kann man den Abenteuerband nur als wirklich gelungen bezeichnen. Und die Verweise bzw. Andeutungen zum Thema Königreich der Dornen (sprich: dem Thema der gleichnamigen Kampagnenbox) sind dezent genug, um jene Box nicht zu erzwingen – aber die Geschichten sanft miteinander zu verknüpfen und so das Gefühl einer in sich geschlossenen, verbundenen Welt zu vermitteln.
HeXXenmeisterschirm
Der beiliegende Sichtschirm im Format A5 ist inhaltlich identisch mit dem separat erhältlichen. Wobei jener (zum Kostenpunkt von 24,95 EUR) im Format A4 daherkommt, komplett farbig und auf stabilem Karton gedruckt ist. Der Schirm der Box ist dagegen nicht nur kleiner, sondern auch lediglich schwarz-weiß im Innenteil und auf Pappe gedruckt – aber dennoch zufriedenstellend stabil. Seinen Zweck dürfte er daher ebenso gut erfüllen wie das große Äquivalent, welches daher eher nur etwas für Komplettsammler oder für Spielleiter ist, die unbedingt A4 möchten.
Der Schirm selbst zeigt außen das Systemlogo, eine Schloss-Abbildung und Raben – in der typischen Gestaltung der Produktlinie, so dass sich der Schirm hier gut einfügt und optisch äußerst stimmig wirkt.
Im Innenteil findet sich auf jeder Seite ein eigenes Thema:
Kampf: Neben der Waffentabelle inkl. zugehörigem Attribut, AP-Kosten, Grundschaden und Besonderheiten finden sich auch die AP-Kosten diverser Aktionen, eine Übersicht zur Ini 0-Phase und stichpunktartige Beschreibungen zu Angriffsproben, Ausweichen, Blocken und Parieren.
Zustände: Hier finden sich alle 15 im Grundregelwerk beschriebenen Zustände mit Angabe des gekoppelten Einflusses (wie z. B. innerer Schaden), dem Nebeneffekt, wie die Reduzierung in Ini 0 durchgeführt wird, und, soweit vorhanden, Besonderheiten.
NSC-Führen: Beinhaltet neben Übersicht über die Verhaltensweisen bzw. Strategien von Gegnern auch eine Übersicht von Schadenszusätzen.
NSC erschaffen: Hierunter fallen Tabellen mit stichpunktartigen Beschreibungen und Berufen sowie beispielhafte Namen, sortiert nach Sprache.
Insgesamt machen die Inhalte des Schirms einen soliden Eindruck, auch wenn einige Inhalte recht schnell bekannt sind (beispielsweise AP-Kosten von Aktionen, die Waffentabelle oder die Strategien von NSC-Gegnern). Eine Übersicht über besondere Schadensformen und beispielhafte Boni/Malus für diverse Situationen wäre da vielleicht nützlicher und wünschenswert gewesen. Trotzdem sind einige gute Zusammenfassungen enthalten und auch die Namens-Übersicht kann für spontane NSC-Gespräche nützlich sein.
Würfel
Die insgesamt 18 Würfel im Stoffbeutel entsprechen dem eigenständigen HeXXenwürfel-Set, welches für sich alleine 19,95 EUR kostet. Enthalten sind insgesamt 10 HeXXenwürfel, 5 Januswürfel und je ein Segnungs-, Blut- und Elixierwürfel.
Die W6 sind allesamt äußerst ansehnlich gestaltet – mit spezifischen gravierten Symbolen und einem absichtlich sehr alten und abgenutzten Aussehen. Gerade zu Beginn muss dadurch jedoch zunächst genauer hingeschaut werden, um die Symbole korrekt zu erkennen – dies gibt sich jedoch sehr schnell. Mit ihrem eigenen, ansehnlichen Stil machen die Würfel auf jeden Fall einen guten Eindruck und bereichern die Spielrunde. Allerdings wird man sich schnell überlegen, ob man ein weiteres Set kaufen möchte – denn gerade HeXXenwürfel werden schnell mehr benötigt. Zwar
Die enthaltenen Würfel samt Beutel
kann man immer einzelne Würfel nachwerfen – aber alle auf einmal werfen zu können, wäre eben doch schöner. In unserer Testgruppe gelangen die Jäger auf Level 4 inzwischen in den Bereich, wo die Würfel nur noch knapp reichen – die Anführergegner der Kampagnenbox Königreich der Dornen schaffen es schon häufig darüber hinaus und werfen 12 oder 13 HeXXenwürfel. Ein paar mehr dieser Würfel hätten sich daher eigentlich angeboten – schließlich scheinen derartig große Würfelpools ja keine Ausnahme zu sein. Davon abgesehen sind die Würfel selbst in Gestaltung und Qualität hervorragend und daher eine Empfehlung und echte Aufwertung der Box.
Soundtrack „Reise in den Zauberwald“
Auf einer völlig unbedruckten CD findet sich ein einzelnes, gut 40 Minuten langes Stück, welches laut Heft den Titel „Reise durch den Zauberwald“ trägt. Wie auch der separat erhältliche Soundtrack HeXXenklänge wurde das lange Stück von Ralf Kurtsiefer komponiert, der bereits für einige andere Rollenspielsysteme Musik beisteuerte.
Das vorliegende Stück ist dabei als dezente Hintergrundmusik gedacht, die man einfach (ggf. auf Repeat) laufen lässt. Das Stück ist recht ruhig und passt durch das auffällig präsente Vogelzwitschern gut zum gewählten Thema. Zugleich vermittelt es trotz der Ruhe eine angespannte, mysteriöse und etwas unheimliche Atmosphäre – sehr gut. Für den angedachten Verwendungszweck einer Überlandreise sollte es entsprechend gut geeignet sein. Durch diverse Elemente wie zeitweilige Gewitter ist es auch nicht zu monoton, obgleich solche Effekte natürlich unter Umständen als eher unpassend empfunden werden könnten. Dennoch eine nette, wenn auch nicht unbedingte notwendige Ergänzung. Wer gerne passende Hintergrundmusik in seinen Runden nutzt, wird hiermit sicherlich etwas anfangen können – insbesondere in Kombination mit der separaten HeXXenklänge-CD.
Marker
Einige der enthaltenen Marker
Auf insgesamt drei A4-Bögen finden sich diverse Pappmarker. Durchaus eine gute Idee, immerhin setzt das System auf eine gewisse Visualisierung am Tisch, auch wenn diese nicht zwingend nötig ist. Entsprechend finden wir Marker für Ideen, Coups, Segnungen und diverse Zustände ebenso wie Plättchen für die Jäger-Archetypen und diverse Monster. Praktischerweise wurden zur Unterscheidung zwischen Banden- und Anführergegner unterschiedliche Größen gewählt, und diverse Bandengegner finden sich gleich mehrfach als Plättchen wieder, versehen mit Nummern zur Unterscheidung. Durchaus gut durchdacht!
Auch die Marker für Zustände, Ideen und Coups sind sinnvoll – immerhin können sich diese gleich mehrfach pro Kampf verändern, was durch Auslegen oder Weglegen von Markern einfach schneller geht als durch Vermerke auf dem Charakterbogen. So sind die Marker durchaus nützlich und stellen einen Box-Inhalt dar, der sicher mehr oder weniger umfangreich genutzt werden dürfte.
Sonstiges
Als wäre die Box noch nicht üppig genug bestückt, finden wir noch einige weitere Extras. Begonnen mit Zip-Beuteln für die Marker, was leider bei Spielen mit vielen Pappmarkern noch immer nicht üblich ist. Umso schöner, wenn ein Verlag mitdenkt und so etwas gleich mitliefert, auch wenn es nur Kleinkram ist. Ebenfalls in diese Kategorie fallen die insgesamt zehn Plastikfüße, die wohl vor allem zur Nutzung mit den separat erhältlichen Karten mit Monstern, Regeln, Ausrüstung gedacht sind – alternativ machen sich bestimmt auch eigene Notizen oder Bilder auf Pappe oder ähnlichem gut damit.
Unnützer ist dagegen die doppelseitig bedruckte, hochglänzende A2-Tischmatte. Diese soll dazu dienen, die Plättchen der Charaktere und Gegner darauf auszulegen – als ob dies auf dem Tisch selbst nicht gehen würde. Zumal im System genaue Positionierungen keine Bedeutung haben und lediglich relevant ist, wer mit wem im Nahkampf ist. Da sich die Box aber sicherlich niemand deswegen zulegt, schmälert dies die Qualität der Box selbst nicht.
Besser gefällt uns dagegen die doppelseitige Karte von Europa – es handelt sich dabei um die beiden Karten, welche sich so auch im Buch der Regeln finden. Ein größeres Format als das vorliegende A3, welches wir im Buch ebenso finden, wäre jedoch ein besserer Mehrwert gewesen.
Zuletzt finden wir vier NSC-Referenzbögen, welche Platz bieten für die Werte und Kräfte von zwei Anführer- und drei Bandengegnern. Eine durchaus gute Idee – allerdings sind lediglich drei Bandengegner doch recht wenig, wenn man sich deren Anzahl in den Abenteuern ansieht.
Erscheinungsbild
Wie auch das Buch der Regeln sind auch die Inhalte der Box überaus ansprechend gestaltet und illustriert. Auch sind die Texte gut zu lesen und gut lektoriert. In der B-Note muss man jedoch klare Abzüge geben: Die Marker sind lediglich auf einfacher Pappe gedruckt statt auf soliden Brettspielkartons wie beispielsweise bei Splittermond. Zudem sind die Umschläge der beiden Hefte auf dem gleichen Papier gedruckt wie deren Inhalt – ein stabileres Cover aus Pappe wäre hier angemessener gewesen. So aber neigen die Umschläge schnell zum Knicken, zumal sie absolut exakt in den Karton passen und vielleicht einen Millimeter Spielraum haben, was das Entnehmen etwas fummelig macht – und so umso eher zum Knicken führt.
So kann der überaus hochwertige Eindruck des Grundregelwerks hier nicht bestätigt werden, obgleich Gestaltung und andere Komponenten wie die Würfel durchaus hochwertig sind.
Bonus/Downloadcontent
Es sind keine spezifischen Bonus- oder Downloadextras vorhanden.
Fazit
Für 49,95 EUR ist die Box nicht gerade günstig, allerdings auch ordentlich gefüllt, so dass der Preis als absolut fair angesehen werden darf. Die diversen Marker bestehen zwar nur aus einfacher Pappe, erfüllen aber ihren Zweck und sind nützlich, während die Würfel absolut ansehnlich und hochwertig sind, auch wenn es eigentlich ein paar mehr sein sollten. Der Sichtschirm ist solide und ausreichend, so dass eigentlich kein Bedarf für das größere Modell bestehen sollte – allerdings hätten wir einzelne Inhalte anderen vorgezogen. Die Abenteuer machen alle einen guten und interessanten Eindruck, zudem lassen sie sich miteinander verknüpfen. Auch die Abenteuerideen im zweiten Heft sind spannend. Außerdem findet sich mehr Hintergrund insbesondere zur Darstellung bzw. zum Verständnis des Zeitalters und nicht zuletzt auch Regeln zur Variation von Gegnern. Auf diese Weise wird zumindest ein Teil unserer Kritikpunkte am Grundregelwerk relativiert.
Tiefergehende Hintergründe zur Welt, den im Buch der Regeln genannten Ereignissen oder vorgestellten Organisationen finden wir jedoch hier leider auch nicht. Dennoch ist die Box eine absolute Empfehlung, da sie das Regelwerk sehr gut ergänzt und mit Markern, Würfeln und Sichtschirm einiges mitbringt, was sich empfiehlt – wenn auch nichts davon zwingend nötig ist. Dank der Abenteuer kann man auch schnell losspielen, und nicht zuletzt durch Extras wie den 40-minütigen Soundtrack stimmt auch das Preis-/Leistungsverhältnis. Insgesamt eine Box mit viel gutem Inhalt, geschmälert durch kleinere Mankos.
https://www.teilzeithelden.de/2018/10/04/rezension-werkzeuge-des-hexxenmeisters-die-spielleiterbox-fuer-hexxen-1733/
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Istanbul im Zweiten Weltkrieg: Eine neutrale Stadt, die von Spionen aller Seiten als sichere Zuflucht genutzt wird. Während die Alliierten im Rest Europas versuchen, Hitlers Armeen Einhalt zu gebieten, wird in der Stadt am Bosporus ein ganz anderer Kampf ausgefochten. Ein Kampf, der so alt ist, wie die Stadt selbst.
Mit Code of Honour legt Modiphius den dritten Teil der Zero Point-Kampagne für Achtung! Cthulhu vor. Nachdem mit Three Kings und Heroes of the Sea schon vor einiger Zeit die ersten Bände erschienen sind, wurde es langsam Zeit, dass die Kampagne fortgeschrieben wird. Die ersten beiden Bände der Kampagne legten den Fokus auf vergleichsweise pulpige Action in begrenzten Szenarien. Der dritte Band geht da nun einen ganz anderen Weg, Ob der deutlich offenere Ansatz von Code of Honour unserer Meinung nach geglückt ist und ob es sich lohnt, eine Gruppe von alliierten Spionen nach Istanbul zu schicken, könnt ihr in der Folge lesen.
Inhalt
Der generelle Aufbau und Eindruck
Zunächst einmal fällt direkt auf, dass Code of Honour ein echter Brocken geworden ist. Der Band ist mit knapp 90 Seiten eindeutig der umfangreichste der bisherigen Kampagnenbände. Die insgesamt sechs Kapitel sind randvoll mit Informationen für den Spielleiter, um ein möglichst dichtes Bild von Istanbul zeichnen zu können.
In seinem Aufbau geht der Band recht klassisch vor und führt den potenziellen Spielleiter vom Groben zu immer kleineren Einheiten. Das erste Kapitel ist eine Einleitung, die eine kurze und knackige Übersicht über den Band und seinen Aufbau liefert. Der Leser erfährt hier, worum es in dem Band geht, die Hintergründe des cthuloiden Istanbul und was das Ziel der großen Fraktionen ist. Zwar hat man zu diesem Zeitpunkt nur eine sehr grobe Vorstellung von den einzelnen Parteien, aber die Einleitung macht Lust auf mehr und erfüllt damit voll und ganz ihren Zweck.
Das Kartenmaterial ist ausführlich beschrieben und sorgfältig illustriert
Weiter geht es mit einem sehr ausführlichen Quellenteil zur Stadt Istanbul. Von der Geschichte der Stadt, der türkischen Währung, über Verkehr, Sprache, Mode und für die Kampagne bedeutsame Orte, wird hier ein großes und lebendiges Bild der Metropole gezeichnet. Der positive Eindruck wird durch schön illustrierte Karten und Risszeichnungen verstärkt, die das Kapitel optisch immer wieder auflockern. Allerdings verliert der Band durch die gebotene Detailfülle auch etwas von dem Tempo, das er im ersten Kapitel aufgebaut hat. Ferner wird bei einigen Ortsbeschreibungen vorausgesetzt, dass man bestimmte Informationen aus den späteren Kapiteln bereits kennt. Wer den Band zur Vorbereitung einmal von vorn nach hinten durchlesen will, sollte sich darauf gefasst machen, öfters blättern zu müssen. Andererseits finden sich fast immer Querverweise auf die entsprechenden Seiten in den späteren Kapiteln, so dass man nie das Gefühl bekommt, sich im Text zu verlieren.
Der dritte Teil widmet sich dann den verschiedenen Fraktionen und ihren wichtigsten Vertretern. Aufgrund seines besonderen Status als neutrale Stadt an einem strategisch wichtigen Punkt, tummeln sich Agenten aller Kriegsparteien in Istanbul und versuchen, die Geheimnisse der Gegenseite in Erfahrung zu bringen. Dabei gibt es bestimmte Orte in der Stadt, die eher bei den Achsenmächten und wieder andere, die eher bei den Alliierten beliebt sind. Das wiederum ist der Gegenseite natürlich bekannt, so dass diese Orte eventuell gezielt von Agenten besucht werden, was wiederum zu einer Erhöhung der Wachsamkeit auf der anderen Seite führt usw. usf. Viele der Hotels und Bars der Stadt sind zu Recht als wahre Schlangengruben bekannt, in denen man sich am besten nur mit höchster Vorsicht bewegt. Ein insgesamt sehr detailliertes und atmosphärisch stimmiges Bild. Allerdings gilt auch hier die gleiche Einschränkung wie zuvor, bei vielen Beschreibungen wird vorausgesetzt, dass man den Inhalt späterer Kapitel bereits kennt, was im Zweifel zu einigem Blättern führen wird.
Das vierte Kapitel schließlich stellt ein System vor, mit dem man das Spionagehandwerk im Spiel darstellen kann. Beschreibungen zu toten Briefkästen, Verfolgungen, Observationen und dem Handeln von Gerüchten sind die Kernelemente dieses Teils. Neben einigen Zufallstabellen, die der SL helfen, spontane Begegnungen mit Wert zu versehen, werden auch die okkulten Hintergründe und ihre Geheimnisse hier näher erläutert. Sehr gelungen ist eine Mechanik, die darstellt, wie wahrscheinlich es ist, dass eine Figur etwas über die Rolle einer anderen weiß. Dabei bekommt jede Figur der Geschichte - NSC ebenso wie SC - Werte als Ziel, Spion, Okkultist und Mythos. Eine Figur mit den Werten Ziel 70%, Spion 20%, Okkultist 5% und Mythos 5% ist also sehr wahrscheinlich als Person von Interesse im Spionagegeflecht bekannt, deutlich weniger Quellen werden darum wissen, dass die Person selbst aktiv als Spion arbeitet und noch weniger werden die okkulten und mythosmagischen Interessen der Figur erahnen. Dieser simple Mechanismus ist sicherlich dazu geeignet, eine Menge Tiefe in das Spiel zu bringen, aber auch dazu, den Verwaltungsaufwand der SL zu erhöhen.
Im vorletzten Kapitel erfahren wir dann endlich genau, welche Ereignisse des Geheimen Kriegs sich in Istanbul abspielen. Das Kapitel nennt sich Plotepisoden und liefert genau das. Einzelne Episoden, die sich aus verschiedenen Einzelszenen zusammensetzen und sich über den Zeitraum von circa einem halben Jahr erstrecken. Wer noch vorhat, die Kampagne zu spielen, der sollte den folgenden Kasten überspringen, da er massive Spoiler enthält.
Den Abschluss des Bandes bildet schließlich eine Galerie von vorgefertigten Charakteren, die von den Spielern übernommen werden können.
Plot Episoden vs. Sandbox
Das besondere an Code of Honour - im Vergleich zu anderen Achtung! Cthulhu-Abenteuern - ist zweifellos die detailliert ausgearbeitete Stadt Istanbul. Die Fraktionen, NSC und Orte allein bieten dem Spielleiter eine enorme Anzahl an möglichen Einstiegspunkten in eine Spionage-Geschichte im Zweiten Weltkrieg. Die Konflikte zwischen der Achse und den Alliierten, die sich hier ungewohnt zivilisiert geben müssen, erscheinen in einem ganz neuen Licht. Argwöhnisch vom türkischen Geheimdienst und der Polizei beobachtet, will es sich keine der großen Kriegsparteien mit den Türken verscherzen, damit sie nicht auf der einen oder anderen Seite in den Krieg eintreten. Statt Panzern und Artillerie kommen hier also geflüsterte Gerüchte, doppelte Spiele und vielleicht Gift und lange Messer in der Nacht zum Einsatz.
Unterstützt wird die Stimmung von passenden historischen Episoden und Anekdoten. Beispielsweise wird das Attentat auf den deutschen Botschafter und ehemaligen Reichskanzler Franz von Papen eingegangen, das für kurze Zeit wirkte, als könne es zu einer bedeutenden Veränderung der Lage führen. An anderer Stelle wird der damals aktuelle Schlager Boo, boo, baby! I’m a spy vorgestellt, der angeblich von Pianisten gespielt wurde, wenn sich bekannte oder vermeintliche Agenten in Hotelbars sehen ließen. Mit diesen und anderen Episoden baut die Autorin ein atmosphärisch dichtes Panorama Istanbuls in den Jahren 1941/1942 auf.
An sich handelt es sich dabei um einen tollen Ansatz, der allerdings von den Plotepisoden nicht wirklich mitgetragen wird. Die Hauptgeschichte des Bandes verläuft leider relativ stringent und größtenteils entkoppelt vom Rest des Hintergrunds. Natürlich spielen die verschiedenen Kriegsfraktionen eine gewisse Rolle, aber mit Ausnahme der Briten – der Fraktion der Spieler – bleiben die historischen Größen im Hauptplot nahezu vollkommen blass. Die Okkultisten der Nazis bilden die Hauptantagonisten und zwei spezifische städtische Fraktionen in Istanbul komplettieren die Gruppe derer, die die Geschichte antreiben. Japaner, Russen, Amerikaner, Italiener oder andere Nationen sind nicht mehr als Staffage.
Hier wurde eine große Chance vertan, da es Code of Honour nicht gelingt, die bekannten Bahnen des Genres zu verlassen und eine echte Spionage-Sandbox zu entwerfen. So wie sich der Band präsentiert, gibt es einen seltsamen Riss zwischen den Plotepisoden und dem Rest des Bandes. Es scheint fast, als seien hier zwei völlig unterschiedliche Ansätze zu einem Amalgam geworden, das leider nicht mehr ist als die Summe seiner Teile.
Code of Honour als Teil der Zero Point-Kampagne
Wie auch schon die ersten beiden Teile Three Kings und Heroes of the Sea ist auch Code of Honour ein ziemlich selbstständiges Abenteuer. Zwar handelt es sich nominell um den dritten Teil der Zero Point-Kampagne, aber Verbindungen zu den ersten Teilen der Reihe sind rar gesät.
Vorwissen ist vier Jahre nach dem Erscheinen des letzten Teils der Kampagne nicht zwingend notwendig.
Kenntnis der vorherigen Abenteuer ist dementsprechend nicht essentiell für das Verständnis dieses Teils. Alles andere wäre auch eine echte Überraschung, da zwischen dem Erscheinen des zweiten und dritten Teils satte vier Jahren liegen. In der Zwischenzeit sind mit Shadows of Atlantis und Assault on the Mountains of Madness zwei volle Kampagnen erschienen, während Zero Point auch mit dem dritten Teil noch nicht abgeschlossen ist. Laut Modiphius wird es noch einen vierten, bisher namenlosen Teil geben, der die Reihe abschließen soll.
Sollte sich ein Spielleiter aber entschließen, die drei erschienen Abenteuer spielen zu wollen, so werden ihm immer wieder kleine Hin- und Verweise an die Hand gegeben, die einen guten Startpunkt für die Verknüpfung geben. Allerdings muss für eine tiefe Verzahnung einiges an Arbeit seitens des Spielleiters erbracht werden.
Erscheinungsbild
Am Erscheinungsbild des Bandes gibt es nichts zu meckern. Die knapp 90 Seiten sind in Vollfarbe gehalten und durchgehend illustriert. Der Stil der Illustrationen geht den gleiche Weg wie bisherige Publikationen der Reihe, was bedeutet, dass ein eher comichafter Ton dominiert, der allerdings sehr schön die düstere Atmosphäre des Bandes einfängt. Ob man einen solchen Stil in einem historischen Setting mag oder nicht, steht natürlich auf einem anderen Blatt Papier. Handwerklich aber ist dem Band aber nichts vorzuwerfen, denn auch die anderen Elemente wie Bodenpläne, Karten etc. sind durchweg von hoher Qualität und haben einen echten Nutzen am Spieltisch. Da die Rezension auf der PDF basiert, kann an dieser Stelle leider keine Aussage zu Druck- und Papierqualität gemacht werden.
Bonus/Downloadcontent
Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Rezension gab es keinen Bonuscontent zu Code of Honour.
Fazit
Mit Code of Honour legt Modiphius nach einer vierjährigen Unterbrechung den dritten und vorletzten Teil der Zero Point-Kampagne vor. Die Spionagegeschichte im Istanbul der Jahre 1941 und 1942 überzeugt mit einer enormen Detailtiefe, die das Setting vor dem geistigen Auge zum Leben erweckt.
Das umfangreiche Hintergrundmaterial wird von den konkreten Plots leider nur unzureichend genutzt.
Der eigentliche Plot, bei dem es um eine schattenhafte Auseinandersetzung zweier uralter Mythosfraktionen und ihrer menschlichen Anhänger dreht, nutzt diese intensive Vorbereitung leider nur sehr bedingt. Zwar ist die Geschichte an sich ebenfalls spannend geschrieben und funktioniert sicherlich gut als klassischer Cthulhu-Plot, aber leider auch nicht mehr. Da man sich aber, um zu den Plotepisoden zu kommen, durch so viel letztlich ungenutztes Material gelesen hat, fällt das verschenkte Potential leider sehr stark ins Auge.
Damit bleibt der Band letztlich schwer zu bewerten. Die vorgestellten Sonderregeln für Spionagespiel und der Hintergrund an sich, sind für jeden am Genre interessierten Spielleiter eine wahre Fundgrube und ihr Geld mehr als wert. Die Plotepisoden hingegen entwerfen eine relativ stringente Geschichte, die für sich allein genommen durchaus Reiz hat. Leider aber passen die beiden Teile nie wirklich zusammen. Dem Sandboxer fehlen modular und frei verteilbare Szenen, an denen er seine eigene Geschichte aufhängen kann, während für den Plotjäger zu viel Zeit zwischen den einzelnen Schlüsselszenen verstreichen muss, ehe sich die Geschichte entfaltet. Insgesamt ist das Endprodukt damit weder Fleisch noch Fisch und wird weder Liebhaber des einen wie auch des anderen Stils vollständig zufrieden stellen.
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https://www.teilzeithelden.de/2018/09/17/rezension-dsa-der-rote-schlaechter-ein-soeldner-im-einzelspielermodus/
Fällt deine Rollenspielrunde mal wieder aus? Dann versuch es doch mit einem Solo-Abenteuer! Der Rote Schlächter nach den Regeln von Das Schwarze Auge lässt dich einen Söldner im kriegsgeschundenen Tobrien übernehmen. Ob sich der Ausflug lohnt, erfährst Du in unserer Rezension.
Solo-Abenteuer für Das Schwarze Auge gibt es schon so lange, wie das System selbst existiert. Darunter aus heutiger Sicht unsinnige Hefte wie Borbarads Fluch, aber auch Klassiker wie Das Lied der Elfen und Firuns Land. Vorbild waren dabei klassische Abenteuer-Spielbücher wie Der Hexenmeister vom flammenden Berg, die sich in den Achtzigern und Neunzigern immenser Beliebtheit erfreuten. Der damalige Entschluss, so etwas auch für Das Schwarze Auge umzusetzen, lag deswegen nahe.
Nachdem in den Neunzigern mehrere Solo-Abenteuer erschienen waren, die den Spieler nach Aventurien entführten, gab es zu Beginn dieses Jahrhunderts eine dämmrige Flaute. Immerhin, mit Wald der Gräber und Im Rücken des Königs, erschienen zum Start der vierten Regeledition von Das Schwarze Auge zwei einsteigerfreundliche und solide Solo-Abenteuer, die Lust auf mehr machten. Letzteres erschien 2003 und wurde von Sebastian Thurau geschrieben, der in der Folge allerdings Gruppen-Abenteuer wie Echsenjäger, Esche und Kork und In Noionas Armen
Eine neue Generation von Solo-Abenteuern
2008 erschien erneut ein Solo-Abenteuer aus seiner Feder. Nach einer fünfjährigen Durststrecke gab Die Schwarze Eiche neue Impulse für die Produktsparte. Checkpunkte in Form von anzukreuzenden Buchstaben, ein dynamischer Zeitverlauf und viele Entscheidungsmöglichkeiten machten das Abenteuer zu einer unterhaltsamen Reise und verliehen ihm gleichzeitig einen hohen Wiederspielbarkeitswert. Thurau ist seitdem der Mann für die Solo-Abenteuer, verfasste zwei Nachfolger zu Die Schwarze Eiche sowie Der Vampir von Havena und die Die Verschwörung der Magier für die fünfte Regeledition von Das Schwarze Auge.
Mit Der Rote Schlächter erscheint nun ein weiteres Solo-Abenteuer aus Sebastian Thuraus' Feder. Dieses Mal spielt man einen vorgefertigten Kämpfer, der sich als Söldner durch das Herzogtum Tobrien schlägt, das nach Jahrzehnten des Krieges im Chaos versinkt. Und damit sind wir auch schon beim Inhalt und der eigentlichen Rezension angelangt.
Worum geht es in Der Rote Schlächter?
So fühlt sich also
das Sterben an.
Der Rote Schlächter beginnt mit dem Sterben des Spielercharakters. Der Leser erhält hier einen atmosphärischen Einblick in die Gedanken eines Sterbenden, der durch die direkte Ansprache umso intensiver wirkt. Mit dem nächsten Abschnitt springt die Handlung dann zurück in die vorhergegangene Schlacht, in welcher die Spielfigur so schwer verletzt wurde. Dies geschieht jedoch ohne einen Hinweis. Der Sprung vom sterbenden zum lebendigen Söldner passiert unvermittelt und plötzlich mit Beginn des nächsten Abschnitts, was erst einmal irritiert.
Dieser Kniff kommt übrigens häufiger im Abenteuer vor. Jedes Mal springt die Handlung ohne einleitende Erklärung, sodass leicht das Gefühl entsteht, man habe aus Versehen zum falschen Abschnitt geblättert. So gibt es an einer Stelle die Entscheidungsmöglichkeit, welchen Weg man zur Flucht aus einer brenzligen Situation wählen möchte. Hat man einen Weg gewählt und blättert zum entsprechenden Abschnitt, beginnt dieser auf einmal mit der Beschreibung einer ganzen anderen Situation: Der Spielercharakter liegt auf seiner Pritsche und blickt frustriert an die Decke. Erst einige Sätze später folgt die Erklärung, dass die Flucht geglückt und seitdem einige Zeit vergangen ist. Diese Brüche sind in einem Solo-Abenteuer eher verwirrend und wären mit wenigen zusätzlichen Worten nicht ganz so irritierend.
Verzeihung, auch ich habe mir an dieser Stelle einen kurzen Sprung in der Handlung erlaubt. Wir waren ja beim sterbenden Söldner: Nach der Beschreibung seiner letzten Gedanken darf man die Schlacht nachspielen, in der er so schwer verwundet wurde. Diese führt unweigerlich immer zu dem Ergebnis, dass der Spielercharakter sterbend zu Boden geht, egal wie man sich entscheidet. Da dies aber nur der Anfang von Der Rote Schlächter ist und die Schlacht eher als Tutorial zu verstehen ist, kann man diese Sackgasse durchaus verschmerzen.
Viele Möglichkeiten – oder nicht?
Allein, das zieht sich leider durch das gesamte Solo-Abenteuer. Wenige Entscheidungen haben nachhaltige Auswirkungen. Teilweise wird dem Spieler Entscheidungsfreiheit vorgegaukelt, wo gar keine vorhanden ist. Das beste Beispiel: Der Spielercharakter erwacht ohne Gedächtnis und wird erst einmal von zwei mysteriösen Frauen in einer Waldhütte aufgepäppelt. Danach beginnt er die Suche nach seiner Identität und kommt bald an eine Stelle, an der er zwischen drei Reiserichtungen wählen kann. Dabei ist es jedoch völlig egal, wofür der Spieler sich entscheidet. Wer den Blick hinter den Schleier ertragen kann, öffnet den Spoilerkasten:
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Unabhängig davon, ob man sich für den Wald, die Hügel oder die Felder entscheidet, passiert ständig das gleiche: Der Spielercharakter trifft auf zwei Männer, die sich entweder als Köhler, Hirten oder Bauern vorstellen. Mit ihnen hat man dann sogar mehrere Interaktionsmöglichkeiten, die aber alle dazu führen, dass man von hinten niedergeschlagen wird und danach in einer Zelle aufwacht. Spielt man Der Rote Schlächter nur einmal, entsteht der Eindruck, hier sehr viele Möglichkeiten zu haben, um die Handlung zu beeinflussen und unterschiedliche Ergebnisse zu erreichen. Nach drei Durchgängen, die sich der Autor dieser Zeilen für den Test genehmigt hat, wird die Augenwischerei jedoch sichtbar.
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An einigen Stellen sind die Auswirkungen der eigenen Handlungen jedoch spürbar. Ironischerweise ist in diesem Punkt die Auseinandersetzung mit einem Wolf am besten gelungen, die für die eigentliche Erzählung gar nicht so wichtig ist. Hier sind Verlauf und Ausgang der Begegnung stark von den vorherigen Taten und den Entscheidungen im Kampf abhängig. Ein anderes gutes Beispiel ist ein Übungskampf, dessen Ausgang im späteren Verlauf noch einmal wichtig werden kann. Solche Momente sind aber leider sehr spärlich gesät.
Im letzten Viertel nimmt die Handlung von Der Rote Schlächter aber schließlich noch einmal Fahrt auf. Einige Interaktionen beeinflussen tatsächlich spürbar das Finale, in dem es jedoch stets dazu kommt, dass sich der Spieler zwischen zwei Pfaden entscheiden muss. Welcher Weg hier eingeschlagen wird, hat zwar auf das Ende der eigentlichen Abenteuerhandlung großen Einfluss, der Ausklang bleibt jedoch immer gleich. Der Spielercharakter begibt sich auf die weitere Suche nach seiner Identität und kann vom Spieler für Gruppenabenteuer übernommen werden.
Zum Erscheinungsbild
Hier gibt es nichts zu bemängeln, aber auch keine Besonderheiten anzumerken. Das Artwork ist solide und die Illustrationsmotive sind gut gewählt. Gerade in wichtigen Situationen sorgen sie dafür, dass die Fantasie den nötigen Stups bekommt. Auch der Aufbau ist übersichtlich und man verliert nur selten die Orientierung zwischen den insgesamt 222 Textabschnitten. Für den Test lag das Abenteuer übrigens als PDF-Version vor. Zwar ist Der Rote Schlächter auch als digitale Version spielbar, die Softcover-Ausgabe ist aber wahrscheinlich komfortabler.
Fazit
Kampfsonderfertigkeit – Beidhändiger Kampf.
Der Rote Schlächter ist unterm Strich ein solides Solo-Abenteuer, mit dem man ohne Probleme zwei bis drei unterhaltsame Stunden zubringen kann. Die Wiederspielbarkeit wird jedoch dadurch eingeschränkt, dass die Handlung sehr linear verläuft und im Wesentlichen auf ein einziges Ende zusteuert. Dies ist für Solo-Abenteuer natürlich nicht untypisch. Dennoch hätte dem Abenteuer unter dem Aspekt der Wiederspielbarkeit ein bisschen mehr Freiraum gutgetan.
Charmant ist, wie mit dem Gedächtnisverlust des Spielercharakters umgegangen wird. So entdeckt er erst nach und nach einige Kampfsonderfertigkeiten wieder. Kämpfe stehen in Der Rote Schlächter übrigens nicht so sehr im Vordergrund, wie man es bei einem Solo-Abenteuer mit kriegerischem Spielercharakter vermuten würde. Beziehungsweise lassen sich diese an einigen Stellen auch durch den Einsatz von Talenten beenden oder umgehen.
Trotz aller Kritik hat Der Rote Schlächter aber natürlich auch Stärken. Die erzählte Geschichte ist spannend und beinhaltet einige interessante Nebencharaktere. Die letzte Entscheidung im Finale des Solo-Abenteuers fiel zumindest dem Autor dieser Rezension nicht leicht, was vor allem am guten Aufbau der Handlung lag. Unter diesem Gesichtspunkt ist Der Rote Schlächter sicher eine Empfehlung wert. Innovationen oder eine hohe Wiederspielbarkeit sollte man aber nicht erwarten.
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https://www.teilzeithelden.de/2018/09/12/angespielt-schellstarter-wrath-glory-ulisses-north-america-purge-the-heretics/
Nachdem bekannt wurde, dass Fantasy Flight Games nicht länger die Lizenz für Warhammer 40.000-Rollenspiele hält, war das Ende des beliebten Dark Heresy eingeläutet. Ein bisschen mussten Fans um die Zukunft bangen, bis Ulisses North America im Sommer 2017 einen Nachfolger ankündigte: Wrath & Glory. Wir haben den Quickstarter ausprobiert.
Warhammer erlebt derzeit, so könnte man sagen, einen zweiten Frühling. Mit Age of Sigmar wurde ein neues Zeitalter für Fantasy-Liebhaber eingeführt, das nach einem holprigen Start nun viele Fans hat. Die achte Edition der Warhammer 40.000-Regeln verkauft sich ebenfalls gut, und mit Shadespire, Kill Team und Adeptus Titanicus sind eine ganze Reihe Nebenlinien auf dem Markt. Darüber hinaus gibt es zahlreiche digitale Spiele und Sammelkartenspiele.
Höchste Zeit also, auch die Rollenspieler mit neuem Futter versorgen. Passend zum Reigen der vielen Neuerscheinungen hat Ulisses North America, der US-Ableger von Ulisses Spiele, mit Wrath & Glory ein brandneues System für Warhammer 40.000 vorgelegt.
Die Spielwelt
Wir schreiben das 41. Jahrtausend, und zwischen den Sternen gibt es nur eines: Krieg. Seit tausenden Jahren sitzt der Imperator der Menschen langsam verwesend in seinem goldenen Thron und herrscht über Millionen von Welten und Billionen von Lebewesen. Es ist eine Zeit, in der das Versprechen von Fortschritt und Wohlstand längst im grausamen Gemetzel unzähliger Kriege und dem Lachen blutlechzender Götter untergegangen ist. Das Universum ist ein großer und böser Ort, an dem dich niemand vermissen wird.
Mit ähnlichen Einleitungsworten führt der günstige Quickstarter die Spielenden in die Welt von Warhammer 40.000 ein. Wer in der Welt bereits zu Hause ist, kennt diese Worte nur zu gut. Wer sich neu auf die unzähligen Schlachtfelder wagt, bekommt gleich den ersten Eindruck: Das Leben Einzelner ist nicht viel Wert, und das Universum ist ein schrecklicher Ort geworden. Gegen das Imperium der Menschheit wirkt das Imperium aus Star Wars geradezu wie ein humanistischer Verein.
Die Bedrohungen dieser Zukunft sind vielfältig. Anhänger der Chaos-Götter, die das Imperium in seiner jetzigen Form vernichten wollen und dabei wenig rücksichtsvoll vorgehen, verfeindete Alien-Rassen und zahlreiche, oft blutige, Intrigen, sind ständige Gefahren. Das Imperium begegnet diesen mit mannigfaltigen Institutionen, wie einem gigantischen Verwaltungs- und Militärapparat, den legendären Space Marines und der gefürchteten Inquisition. Im Quickstarter werden die Grundzüge der Welt und die wichtigsten Akteure kurz umrissen, damit man auch als Einsteiger einen groben Überblick bekommt.
Der Quickstarter beinhaltet zudem sechs vorgefertigte Charaktere, die verschiedener nicht sein könnten. Neben einer Agentin der Inquisition findet man eine imperiale Gardistin, eine imperiale Kommissarin (eine Art Polit-Offizier), einen Space Marine der White Scars, eine Sororitas-Schwester (eine Art weiblicher Paladin) und einen imperialen Priester.
Diese formen gemeinsam eine sogenannte Warband (Kriegsbande). Was diese Individuen zusammengebracht hat und warum sie abseits ihrer eigentlichen Einheiten unterwegs sind, bleibt dabei dem Spielleiter überlassen. Schwammig wird nur darauf verweisen, dass die Kriegsbande, derzeit einen Freihändler unterstützt. Der Einfachheit halber bietet sich an, aus so einem gemischten Haufen eine Inquisitions-Zelle zu machen, ähnlich wie in Dark Heresy.
Im vollständigen Regelwerk wird in dieser Hinsicht maximale Flexibilität erlaubt. Man kann sowohl eine Gruppe Inquisitions-Agenten spielen, als auch einen Trupp Space Marines, polizeiliche Ermittler oder einen Kommando-Trupp. Sogar eine Einheit Eldar (Weltraum-Elfen) oder Orks zu spielen ist möglich.
Der Zusammensetzung der Gruppe sind fast keine Grenzen gesetzt, so dass man je nach persönlicher Vorliebe spielen kann: Eher kampflastig, eher ermittelnd oder eine gute Mischung aus beidem, oder vielleicht sogar die Abenteuer von Freihändlern? Kaum ein System dürfte so viele Freiheiten bereits mit dem Grundregelwerk einräumen. Bereits im Schnellstarter zeichnet sich aber ab, dass es ähnlich wie in Dark Heresy, nicht sehr sinnvoll sein dürfte eine gemischte Truppe aus normalen Menschen und einem Space Marine zu formen. Nicht nur seine Werte, sondern auch der Status des Space Marines, verschrieben die Balance der Gruppe stark.
Erfreulich ist übrigens, dass die fertigen Charaktere bereits untereinander verknüpft sind und man als Spielerin und Spieler weiß, wie die Charaktere zueinander stehen. Darüber hinaus gibt es ein kurzes kampflastiges Abenteuer, das aber auch die Regeln abseits der Kämpfe gut verdeutlicht und der Spielergruppe etwas ermittlerisches Geschick abverlangt.
In drei Akten arbeiten sich die Spielenden durch ein Krankenhaus, in dem etwas nicht mit rechten Dingen zugeht, und bietet so einen guten Eindruck über die Spielidee hinter Wrath & Glory: klassische Detektivarbeit garniert mit regelmäßigen bewaffneten Auseinandersetzungen.
Die Regeln
Die Regeln sind eine Mischung aus altbekannten und ein paar wirklich netten Ideen. Proben würfelt man stets mit einem Pool von W6, üblicherweise benötigt man drei Erfolge. Die Würfelergebnisse Vier, Fünf und Sechs stellen Erfolge dar, wobei Letzteres als zwei Erfolge zählt. Würfelt man zwei oder mehr Sechsen und hat zudem mehr Erfolge als benötigt, kann man einen Sechser-Wurf „verschieben“. Damit kann man entweder im Kampf Bonusschaden machen oder bekommt einen Vorteil in Nicht-Kampfhandlungen. Beispiel: Markus braucht drei Erfolge und würfelt eine Vier, eine Fünf und zwei Sechsen und hat somit sechs Erfolge. Bereits mit den ersten drei Würfeln hat jedoch er genug Erfolge erzielt. Er kann nun die zweite Sechs in einen Vorteil verwandeln.
Die Proben können natürlich modifiziert werden, um die Schwierigkeit der Aufgabe zu reflektieren. Wrath & Glory rechnet hier immer in Zweierschritten, von einer Erleichterung von -2 bis zu einer Erschwernis von +8.
Die Proben würfelt man dabei auf passende Fertigkeiten, und ein kombinierter Wert aus Fertigkeitswert und Attributwert ergibt den Würfelpool. Dazu kommen noch Charaktereigenschaften (Traits), die zum Beispiel etwas über den Wohlstand, die körperliche und geistige Widerstandskraft oder den Einfluss des Charakters aussagen. Diese Werte werden in entsprechenden Situationen herangezogen und entscheiden zum Beispiel darüber, ob ein Charakter im Kampf Schaden erleidet und wie stark.
Friss mein Kettenschwert, Häretiker! – Die Kampfregeln
Warhammer ist von harten und brutalen Kampfregeln geprägt. Auch Wrath & Glory versucht diesem Aspekt gerecht zu werden. Relevant für den Kampf sind dabei zwei Fertigkeiten, nämlich Weapon Skill (Nahkampf) und Ballistic Skill (Fernkampf), der Defence-Wert, der Schadenswert der Waffe, sowie der Shock-Wert und die Anzahl von Wunden.
Allgemein
Die Initiative liegt immer bei den Spielern, es sei denn sie geraten in einen Hinterhalt und entdecken diesen nicht rechtzeitig. Spannend: Zu Beginn jeder Kampfrunde entscheiden die Spieler über die Reihenfolge, in der sie drankommen. Das gibt Kämpfen eine interessante Dynamik. Beginnend mit dem ersten Spieler wechseln sich dann Spieler und NSC ab. Ist in einer Situation unklar, wer beginnt, wird ein W6 geworfen, und die beteiligten Charaktere handeln in der Reihenfolge der Würfelergebnisse.
Jeder Spieler hat mehrere Aktionsmöglichkeiten pro Kampfrunde. Eine Bewegungsaktion (bestehend aus einer einfachen Bewegung und entweder Rennen oder Sprinten) und eine Kampfaktion, bis zu zwei einfache Aktionen sowie eine unbegrenzte Anzahl von freien Aktionen. Letztere dürfen auch genutzt werden, wenn ein anderer Spieler dran ist. Dazu zählt zum Beispiel ein Soak-Wurf, um eine Verwundung zu reduzieren. Einfache Aktionen sind etwa das Ziehen von Waffen oder Drücken von Schaltern.
Darüber hinaus kann man eine zusätzliche Aktion pro Runde durchführen, die dann um +2 erschwert ist. Dabei darf keinesfalls eine Aktion doppelt ausgeführt werden. Es ist also möglich, in einer Kampfrunde in Deckung zu rennen, dabei das Magazin zu wechseln und zu schießen.
Angriff
Beginnt man einen Kampf, würfelt man im Nah- oder Fernkampf gegen den Verteidigungswert des Gegners. Hat dieser zum Beispiel einen Wert von 5, benötigt der Charakter auch fünf Erfolge. Dabei ist es möglich, einen Gegner umzurennen, dem eigenen Hieb mehr Wucht zu verpassen oder sogar, für einen kumulierten +2 Malus je Gegner, mehrere Gegner gleichzeitig anzugreifen.
Außerdem sind gezielte Schüsse für eine erschwerte Probe möglich, die dann bis zu 3 Bonuswürfel auf den Schadenswert geben.
Kommt man übrigens zu dicht an einen Feind, kann man diesem nur noch im Nahkampf beikommen oder versuchen, mit einer Pistole zu agieren, wobei man aber auf Nahkampf würfeln muss. Charaktere können sich mit einer Bewegung von einem Gegner lösen, der dafür aber sofort einen Angriff würfeln darf.
Schock und Schaden
Ist die Angriffsprobe erfolgreich, geht es an das Auswürfeln das Schadens. Jede Waffe hat einen bestimmten Schadenswert, der mit einem oder mehreren W6 noch erhöht werden kann. Ist dieser Schadenswert gleich dem Widerstandswert des Charakters, entsteht zwar keine ernste Verletzung aber ein Schock, der mit einem W3 ausgewürfelt wird. Die ausgewürfelte Zahl zieht der getroffene Spieler nun vom eigenen Schockwert ab. Sinkt dieser auf 0 oder darunter, ist der Charakter erschöpft und nicht mehr zu komplizierten Handlungen fähig. Er kann sich nur noch einfach bewegen, einfache Aktionen ausführen oder sich aus einem Kampf zurückziehen.
Liegt der Schadenswert über dem Widerstandswert, erhält der Charakter pro Schaden über dem Widerstandswert eine Wunde. Fällt der Wundwert auf 0, ist der Charakter zu schwer verletzt für weitere Kämpfe und bricht zusammen. Erhält er auf diese Weise mit einem Schadenswurf die doppelt so viel Schaden, wie sein Start-Wundwert beträgt, stirbt der Charakter sofort. Dies gilt auch, falls ein Gegner einem bereits niedergeschlagenen Gegner weiteren Schaden zufügt.
Ist ein Charakter schwer verwundet, muss er in jeder Kampfrunde eine Defiance-Probe mit einem W6 absolvieren. Bei einem Erfolg stabilisiert sich sein Zustand, schlägt die Probe dreimal fehl, stirbt der Charakter ebenfalls. Alternativ können schwer verletzte Charaktere auch durch andere Charaktere mit der Fähigkeit Medicae stabilisiert werden.
Wrath & Glory & Ruin
Aus vielen Systemen bekannt sind sogenannte Fate-Punkte, die zum Beispiel erlauben, einen misslungenen Wurf zu wiederholen. Wrath & Glory führt gleich drei solche Mechanismen ein, die unterschiedlich gesammelt werden können und auch unterschiedliche Auswirkungen haben.
Jeder Spieler hat zu Beginn der Spielsitzung zwei Wrath-Punkte. Für schöne Rollenspielszenen kann die Spielleiterin oder der Spielleiter Charaktere mit zusätzlichen Punkten belohnen. Außerdem dürfen alle Spielenden zu Beginn einer Spielsitzung auf ein Missionsziel würfeln. Diese Ziele geben einem zum Beispiel vor, eine Situation statt mit Gewalt mit Raffinesse zu lösen oder einen bestimmten Satz zu sagen. Eine schöne Idee, die Rollenspiel belohnen soll. Wrath-Punkte kann man ausgeben, um misslungene Proben nochmals zu würfeln, im Kampf den Schockwert zu regenieren oder ein kleines erzählerisches Element einer Spielszene zu verändern bzw. zu ergänzen. Wrath-Punkte werden nicht in die nächste Spielsitzung übertragen, und jeder startet wieder mit zwei.
Glory-Punkte hingegen sind ein Pool der Spielergruppe. Dieser hat mindestens eine Grenze von 6 und maximal eine Grenze von Spielerzahl +2. Glory-Punkte erhält man entweder, wenn man eine 6 bei einer Probe übrighat oder man mit dem Wrath-Würfel eine 6 würfelt.
Diese Punkte kann man für Bonuswürfel bei Proben nutzen, für Bonusschaden oder um die Initiative zu beeinflussen.
Mit Ruin-Punkten erhält auch die Spielleiterin oder der Spielleiter eigene Fate-Punkte. Wann immer ein Corruption- oder Fear-Test nicht bestanden wird, oder sie oder er selbst eine 6 auf seinem Wrath-Würfel würfelt, erhält die Spielleiterin oder der Spielleiter einen Ruin-Punkt. Diesen kann sie oder er für verschiedene Vorteile zu seinen Gunsten ausgeben, ähnlich wie die Spieler.
Erscheinungsbild
Ernteten erste Entwürfe noch harsche Kritik, weil der Stil zu freundlich und sauber sei, sind die finalen Illustrationen durchweg gelungen und geben die Spielwelt gut wieder. Einzig der Space Marine scheint bei seinem Training auf den „Leg-Day“ verzichtet zu haben.
Das Layout ist übersichtlich und professionell, und man findet sich im Regelwerk und in den Charakteren schnell zurecht.
Fazit
Wrath & Glory versucht nicht einfach, alte Warhammer 40.000-Rollenspiele zu kopieren, sondern etwas Neues zu sein. Die Möglichkeiten, an Abenteuer heranzugehen, sind dabei entsprechend umfangreich, und der Quickstarter vermittelt einen guten Eindruck. Die Regeln sind simpel, lediglich in Kämpfen könnten die zwei Schadenswerte etwas Geschwindigkeit kosten. In der Praxis ging dies nach ein paar Kämpfen aber flott von der Hand und simuliert sehr schön die Erschöpfung, die in Kämpfen auftritt. Mit Wrath, Glory und Ruin wurden zudem sehr interessante Abwandlungen der beliebten Fate-Punkte geschaffen, die die Willkür und Grausamkeit des Universums auch in den Regeln widerspiegeln. Schön ist daran auch, dass die Regeln selbst zu mehr Rollenspiel einladen. Ob jedoch die Mischung aus einfachen Menschen, göttlichen Space Marines und Aliens innerhalb einer Gruppe sinnvoll ist oder massiv das Balancing beeinflusst, muss ein umfangreicher Spieltest der vollständigen Regeln zeigen. Klar muss Spielenden auch sein: Hier gibt es keine romantisierte Guten und die Welt ist menschenverachtend. Das ist also nicht für jeden etwas, zumindest ganz sicher nicht, für eher zartbesaitete Gemüter. Wer sich aber auf diese beiden Punkte einlassen wird, lernt eine Welt kennen, die in ihrer Vielfalt und Komplexität, kaum zu überbieten ist. Selbst nach Jahren des Spielens, wird man immer wieder neue Geheimnisse lüften und interessanten Seiten der Welt entdecken.
Der Spieltest hat jedenfalls Lust auf mehr gemacht. Das englische Regelwerk ist inzwischen analog und digital samt Kampagnenband erschienen. Ulisses hat bereits angekündigt, noch im Herbst/Winter 2018 eine deutsche Übersetzung zu veröffentlichen.
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https://www.teilzeithelden.de/?p=49954
Wieder einmal liegt das Schicksal Aventuriens in den Händen wackerer Helden. In Bündnis der Wacht müssen sie Entscheidungen von großer Tragweite treffen. Doch bietet das Abenteuer auch genug Handlungsfreiraum, um sich in epischer Breite zu entfalten? Erfahrt es in unserer Rezension.
Bündnis der Wacht ist der zweite Teil der Donnerwacht-Kampagne von Rafael Knop für Das Schwarze Auge. Nach der sechsteiligen und ereignisreichen Theaterritter-Kampagne ist dieses Mal bereits mit dem zweiten Band Schluss. Die Helden werden in dieser Kampagne aber auch nicht das Angesicht Aventuriens verändern, sondern eher bedrohliche Umwälzungen von der nichtsahnenden Menschheit fernhalten. Denn da das Bündnis der Wacht in den dünn besiedelten Bergen am Rande des Orklands zur Gefahr zu werden droht, warten zwar Ehre, aber nur wenig Ruhm auf die Abenteurer.
Zum Inhalt von Bündnis der Wacht
Im Vorgänger von Bündnis der Wacht wurde ein uraltes Bündnis neu geschmiedet. Einige oder alle der Helden und eine Handvoll Nichtspielercharaktere wurden erwählt, Teil dieses Bündnisses zu sein. Diese Personen, Bündnisträger genannt, können nun einen mächtigen Verbündeten herbeirufen, was bisher aber nicht geschah. Denn dummerweise verfolgen nicht alle Bündnisträger die gleichen Ziele. Neben den Helden gehört dazu unter anderem noch eine umtriebige Schwarzmagierin, die zudem Opfer einer Intrige wird. Aber bevor zu viel der Handlung verraten wird, banne ich diese lieber für die nächsten 5.000 Jahre – zusammen mit einer frustrierten Hochelfe – in einen wasserdichten Spoilerkasten.
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Die Handlung von Bündnis der Wacht knüpft an den ersten Teil der Kampagne an, wenn auch nicht völlig nahtlos. Wer eine kurze Auffrischung braucht, schaut dazu am besten in die Rezension zu Zeichen der Macht. Einige Wochen oder Monate sind vergangen, seit die Helden Mitglieder jener Gruppe wurden, die dank eines uralten hochelfischen Zaubers den Riesen Gorwindor rufen kann. Neben ihnen gehören noch die durch einen Fluch zur Harpyie verwandelte Hochelfe Casseira, die Schwarzmagierin Ariana Melethaniem, sowie die beiden Elfen Visalyar Wassertänzer und Silgurian Nebelträumer zum Bündnis.
Der orkische Schamane Aschepelz wäre auch gerne dabei gewesen, um mit dem Riesen die Lande der Menschen zu verheeren, wurde dabei aber von den Helden gestoppt. Glücklicherweise, denn bei näherer Betrachtung scheint dieses Bündnis nur dazu zu dienen, den Riesen Gorwindor unter seine Kontrolle zu bringen. Was den Hochelfen zu Beginn des Bündnisses noch wie eine gute Möglichkeit erschien, die Orks auf Distanz zu halten, könnte nun aber zur Falle werden, wenn ein Schamane der Schwarzpelze die Macht über Gorwindor erlangt.
Zwischen den Abenteuern hat Aschepelz auch einiges getan, um dieses Ziel zu erreichen. Mit dem Versprechen, ihr machtvolles Wissen zu verschaffen, hat er die Schwarzmagierin und Bündnisträgerin Ariana zu seiner Verbündeten gemacht. Eine gefährliche Partnerschaft, bei der beide Parteien stets denken, sie wären der anderen eine Nase voraus, bedroht also die Lande der Menschen.
Ariana versucht zunächst den Riesen auf eigene Faust und ohne die anderen Bündnisträger zu rufen. Casseira, die als eine Art Wächterin des Bündnisses fungiert, ahnt die Pläne der Magierin und ruft ihrerseits die anderen Bündnisträger zu sich, damit diese Ariana stoppen. Das klappt schließlich auch, trotz der orkischen Leibgarde der Magierin, ist aber erst der Beginn des Abenteuers.
Das zweite Kapitel von Bündnis der Wacht ist relativ offen angelegt. Die Spieler können entscheiden, ob sie zunächst die Suche nach Ariana aufnehmen, den Hinweis auf den Einfluss von Orks verfolgen oder selbst versuchen, Kontakt zum Riesen Gorwindor aufzunehmen. Dem Autor ist es zugute zu halten, dass er viele Möglichkeiten bedenkt und dem Spielleiter dabei hilft, die Übersicht über mögliche Entwicklungen zu bewahren. Insgesamt stehen drei grob ausgearbeitete Enden für dieses Kapitel zur Verfügung, die allerdings nur kosmetischen Einfluss auf das Finale haben.
Das Finale wird vom Autor bereits im Vorfeld zutreffend mit „fulminant“ und „furios“ beschrieben. Der Endkampf in zwei Sätzen: Der Schamane Aschepelz erweckt die Mumien dreier Riesen, um Gorwindor und die Helden davon abzuhalten zu Ariana zu gelangen. Diese steht inzwischen unter magischer Kontrolle und soll das Ritual des Bündnisrufs vollenden. Ja, das muss man erst einmal sacken lassen.
Es stellt sich die Frage, was ein Ork-Schamane, der drei Riesen-Mumien erheben kann, noch mit einem lebendigen Exemplar will, aber wahrscheinlich ist der einfach stabiler und wohlriechender. Egal – das Finale ist tatsächlich sehr fulminant und furios, dadurch aber vermutlich auch Geschmackssache.
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Spoilerfrei sei noch gesagt, dass Bündnis der Wacht dieses Mal nicht direkt in der Donnermark zwischen Thasch und Finsterkamm spielt, sondern in den, ins Orkland hineinragenden, Gebirgen namens Blutzinnen und Ogerzähnen stattfindet. Ein Ausflug in die Stadt zur Recherche ist dieses Mal nicht vorgesehen, sondern es werden vor allem die Fähigkeiten der Kämpfer und Wildnischaraktere benötigt. Magier können in unterstützender Funktion glänzen, Gesellschaftscharaktere sollten sicherheitshalber noch ein paar Punkte in ihre Kampffähigkeiten stecken.
Erscheinungsbild
Für Bündnis der Wacht könnte ich fast das wiederholen, was ich bereits für Zeichen der Macht geschrieben habe. Die Stärke liegt in der sauberen Struktur dieses relativ komplexen Abenteuers. Dafür haben sich jedoch einige etwas hölzern wirkende Illustrationen eingeschlichen, die aber durch schön dargestellte Szenen und charakteristische Porträts ausgeglichen werden. Die Schwarzmagierin Ariana kommt allerdings sehr oft in den Illustrationen vor, wodurch sie von einer Rolle im Hintergrund mehr in den Vordergrund rückt und für den Leser fast schon wie die Protagonistin des Abenteuers wirkt.
Fazit
Bündnis der Wacht ist ein solides Abenteuer vor epischem Hintergrund. Der Spielleiter muss sowohl den Überblick über die verschachtelte Handlung bewahren, als auch die schicksalsträchtige Stimmung transportieren. Bei beiden Aufgaben wird er durch die Gestaltung des Abenteuers unterstützt. Dennoch ist Bündnis der Wacht, wie auch sein Vorgänger, nichts für gänzlich unerfahrene Rollenspieler. Ohnehin ist es unabdingbar, dass Zeichen der Macht vorab mit der gleichen Heldengruppe gespielt wurde.
Autor Rafael Knop hat viele mögliche Entwicklungen der Handlung bedacht, was sich vor allem im offenen zweiten Kapitel des Bandes niederschlägt. Leider hat diese Handlungsfreiheit nur wenige spürbare Auswirkungen auf das Finale im dritten Kapitel von Bündnis der Wacht. Dieses ist dann auch einer der Schwachpunkte des Abenteuers, der für Punktabzüge sorgt. Viele der Geschehnisse sind sicherlich Geschmackssache, aber wer einen unvergesslichen Endkampf zu schätzen weiß, wird ihn hier finden können. In diesem Punkt spinnt das Abenteuer konsequent die Dramaturgie des ersten Teils weiter und entlädt sich in einem epischen Finale.
Was, zumindest beim Lesen des Abenteuers, etwas unpassend wirkte, sind die Nichtspielercharaktere, die zum Finale auf einmal in den Vordergrund rücken. Zwar haben sie auch vorab schon ihre Szenen, gewinnen gegen Ende aber noch einmal an Gewicht und könnten den Spielercharakteren leicht die Schau stehlen.
Dennoch können die Helden zeigen, was in ihnen steckt. Das Schicksal Aventuriens, oder zumindest einer großen Region, wird dieses Mal nicht in brennenden Palästen entschieden, sondern mitten in der Wildnis. Wer dabei sein möchte und nichts gegen hochelfische Magie und orkische Intrigen hat, kann ohne Bedenken bei Bündnis der Wacht zugreifen.
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https://www.teilzeithelden.de/2018/09/01/rezension-dsa-wege-der-vereinigungen-dein-aventurier-das-unbekannte-wesen/
Kaum eine Publikation für Das Schwarze Auge hat in jüngerer Zeit derart hohe Wellen geschlagen wie Wege der Vereinigungen. Ist die Spielhilfe zur Sexualität in Aventurien ein gleichermaßen erotischer wie nützlicher Band für den Spieltisch? Oder blanker Sexismus? Lest mehr dazu in unserer Rezension.
Seinen Anfang nahm Wege der Vereinigungen als Aprilscherz. Wie jedes Jahr zum 1. April geisterten auch 2012 nicht ganz ernst gemeinte Meldungen durch die Welt – so auch rund um Das Schwarze Auge (DSA). Die Helden-Software zum Erstellen von Spielfiguren sollte bald auch über Konsolen verfügbar sein, beim DSA-Portal Nandurion kam es zu einem unblutigen Putsch in der Redaktion und Ulisses Spiele kündigte, nicht ganz ohne Selbstironie, einen Nachfolger zur Handels- und Wirtschaftsspielhilfe Handelsherr und Kiepenkerl an, einer aufgrund vermeintlicher Nutzlosigkeit wenig geschätzten Publikation der damaligen Zeit.
Ebenfalls bei Nandurion fand sich ein Interview mit Axel Spor, dem aus regelmäßigen falschen Anschreiben geborenen Alter Ego des DSA-Redakteurs Alex Spohr. In diesem Interview wurde mit Verweis auf die Website des Verlags ein Produkt namens Wege der Vereinigung erwähnt, eine Spielhilfe zur „aventurischen Sexualität und Erotik“, wie es in der Ankündigung hieß, die sich ebenso im Aventurischen Boten Nr. 152 finden ließ.
Der Ursprung von Wege der Vereinigungen
Eingebettet in die Meldung wurde auch das Rahja-Vademecum angekündigt, das im folgenden Sommer tatsächlich erschien und auf der RatCon in Unna mit passend gestalteten Kondomen verkauft wurde. Das Feedback war positiv, und der Verlag wird spätestens zu diesem Zeitpunkt gemerkt haben, dass etwas an dem Thema dran war. Immer wieder wurde nach Wege der Vereinigung gefragt und 2016 wurde als vorläufige Antwort schließlich mit dem mittelprächtigen Rahjasutra ein Ingame-Bande veröffentlicht.
Diese Ergänzung zum Rahja-Vademecum sollte die aventurische Version des irdischen Kamasutras sein, die man praktischerweise auch am Spieltisch verfügbar haben sollte. Der spielerische Mehrwert tendierte also gegen Null, denn wer braucht am Spieltisch schon auf die Schnelle eine Beschreibung verschiedener Sexstellungen? Viel eher diente der Band der kurzzeitigen allgemeinen Erheiterung und sorgte schon damals für ein Aufrechnen davon, wie viele Männer und wie viele Frauen nackt zu sehen waren.
Einer der Hauptkritikpunkte war jedoch der Fokus auf die Tulamidenlande und die damit verstrichene Gelegenheit, die Sexualität in allen aventurischen Kulturen unter die Lupe zu nehmen. „Wie viele spannende Konzepte hätten sich da geboten“, bemängelte Vibart damals bei Nandurion. „Von den geschlechtsunabhängigen Elfen über die sehr reduzierten Zwerge, […] von den Heckenlabyrinthen des Horasiats hinein in die Weidener Scheune“, ergänzte er bedauernd. Erfüllt Wege der Vereinigungen nun endlich die Erwartungen? Dazu müssen wir, nach überlanger Einleitung, einen Blick in den Band werfen.
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Gemessen an dem, was 2012 im Scherz angekündigt wurde, ist alles Zugesagte enthalten: „Hier finden Sie sowohl Würfeltabellen als auch praktische Hinweise, wie Sie Liebe und Romantik am Spieltisch darstellen können“, hieß es damals in der Ankündigung. Tabellen finden sich vor allem am Ende des Bandes, die Tipps zur Ausgestaltung am Spieltisch finden sich am Anfang auf neun Seiten.
Eineinhalb Seiten davon widmen sich dem Thema „Gleichberechtigung in Aventurien“. Ja, in Aventurien herrscht – bis auf wenige Ausnahmen – die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau. Die Autoren regen deswegen an, bewusst mit Klischees zu brechen und weisen anhand anschaulicher Beispiele darauf hin, dass Aventurien, was die Gleichberechtigung der Geschlechter angeht, im Gegensatz zur Realität „eine Utopie“ sei.
Auch ansonsten sind die textlichen Inhalte weit davon entfernt, sexistisch zu sein. Auf gut 60 Seiten widmen sich die Autoren der aventurischen Sexualität in allen Kulturkreisen und damit auch ihren Schattenseiten, wie sexuellem Missbrauch, Ausbeutung von Prostituierten und Menschenhandel. Dass Al’Anfaner ihre Sklaven nicht nur zum Baumwollpflücken erwerben und nicht jeder Lustknabe mit seinen Kunden die beste Zeit seines Lebens hat, dürfte klar sein. Dass auch diese Aspekte in Wege der Vereinigungen beschrieben werden müssen, liegt in der Natur des Rollenspiels. Denn Befreiung von Unterdrückten ist wahrscheinlich einer der stärksten Abenteueraufhänger – wird aber erschreckend selten im Buch vorgeschlagen.
Aventurien – eine sexuelle Utopie
Kurzum: Wer sich eine kompakte Übersicht der Sexualität in Aventurien wirklich aufrichtig gewünscht hat, wird in Wege der Vereinigungen fündig und – um dem Fazit in diesem Punkt vorzugreifen – kann sich diesen Teil des Bandes ohne Probleme zu Gemüte führen. Einige Abstriche muss er dafür aber in Kauf nehmen. Welche das sind? Naja, der ganze Rest des Buches.
Wege der Vereinigungen hätte wunderbar als Band mit reinen Hintergrundinformationen funktioniert, wird aber durch die Regelerweiterungen der Lächerlichkeit preisgegeben. Jedwede Ernsthaftigkeit, die im ersten Kapitel durchaus zu finden war, wird zum Beispiel durch die Präsentation eines neuen Stabzaubers beiseite gefegt, mit dem ein Magier seinen Zauberstab in einen Vibrator verwandeln kann. Ebenso sind Passagen zur regeltechnischen Abhandlung von „Samenspielen“ oder „Mammalverkehr“ enthalten, die jegliche erotische Stimmung in einem Paragrafenwirrwarr ersticken und dadurch nur lächerlich wirken.
Solche Regeln und auch Zufallstabellen, in denen man die Größe der Geschlechtsteile seiner Spielfigur und die Üppigkeit ihrer Schambehaarung auswürfeln kann, bringen dem Band zu Recht den Vorwurf ein, ein schnell ausgenudelter Altherrenwitz zu sein – wobei es in Aventurien natürlich auch, wie weiter oben beschrieben, Altfrauenwitz heißen könnte. Hier jetzt alle Beispiele aufzuzählen würde den Rahmen sprengen.
Wege der Vereinigungen kann sich auch nicht unter dem Deckmantel der Satire verstecken und dadurch Narrenfreiheit beanspruchen. Satire ist es, wenn zum Beispiel in der Sendung Switch Reloaded anhand exemplarischer und zugespitzter Dialoge eine TV-Sendung veralbert wird. Satire wäre es nicht, wenn man jene TV-Sendung bierernst und bis ins letzte Detail nachdreht.
Berechtigte Kritik?
Bei dieser Gelegenheit möchte ich einen kleinen Exkurs zur bisherigen Diskussion um Wege der Vereinigungen wagen. Dem Band war im Vorfeld vorgeworfen worden, unterschwellig Rassismus und Sexismus zu goutieren, beziehungsweise nicht zu erkennen. Zumindest für den Textteil kann dies nicht in dieser drastischen Zuspitzung geschlussfolgert werden.
Mike Krzywik-Groß fand in diesem Zusammenhang besonders den Bonus auf die Länge des Geschlechtsteils entlarvend, den Waldmenschen, also Charaktere mit dunkler Hautfarbe, erhalten. Ebenso wurde in einem Artikel auf Tor Online darauf hingewiesen, dass ausgerechnet die Sexualität der Waldmenschen unter der Überschrift „Paarungsriten“ präsentiert wird. Ein berechtigter Kritikpunkt, da die Überschrift an ethnologische Schriften der vergangenen beiden Jahrhunderte erinnert. Allerdings ist der Text zu den Waldmenschen durchaus bemüht, Klischees zu brechen und inneraventurische Vorurteile zu widerlegen.
An gleicher Stelle wurde kritisiert, dass bei der Illustration einer Orgie ausgerechnet eine dunkelhäutige Frau im Bastrock die Getränke serviert. Dies als unterschwelligen Rassismus zu identifizieren, hakt leider daran, dass in Aventurien ja tatsächlich ein vordergründiger Rassismus existiert. Dunkelhäutige Sklaven sind in Al’Anfa und anderen südaventurischen Orten schlicht vorhanden.
Natürlich ist es ein gerechtfertigter Kritikpunkt, wenn Krzywik-Groß – der danach seine Zusammenarbeit mit Ulisses Spiele beendete – bemängelt, dass der oben genannte Bonus, trotz seines Hinweises, nicht entfernt wurde. Dies muss aber nicht auf rassistisches Gedankengut verweisen. Die Stellungnahme von Ulisses Spiele zu diesem Vorwurf offenbart nämlich keine sexistische oder gar rassistische Grundhaltung, sondern in erster Linie einen mangelhaften Umgang mit Kritik – der sich in der Stellungnahme selbst fortsetzt, wie Michael Masberg in seinem Beitrag zu diesem Thema herausgearbeitet hat.
Ich bin kein Sexist, aber …
Kommen wir wieder zurück zur Rezension. Zusammenfassend lässt sich im Textteil kein eindeutiger Sexismus oder gar Rassismus erkennen. Ganz im Gegenteil haben sich die Autoren sichtbar bemüht, mit gängigen Klischees zu brechen und noch einmal deutlich die umfassende Gleichberechtigung der Geschlechter zu betonen. Dass zum Beispiel Homophobie als Nachteil wählbar ist, kann eigentlich nicht als sexistische Taktlosigkeit aufgefasst werden, wenn auch alle anderen Abgründe des menschlichen Charakters als Nachteile wählbar sind.
Der Großteil der Kritik am Band machte den Sexismus in Wege der Vereinigungen dementsprechend auch nicht anhand des Textes fest, sondern sah ihn vor allem in den Illustrationen, die im Folgenden behandelt werden sollen.
Erscheinungsbild
Bereits im Rahjasutra zählte Vibart für seine Rezension bei Nandurion die Anzahl dargestellter Männer und Frauen im Band. Für Wege der Vereinigungen machten sich Judith Vogt und Henning Mützlitz bei Tor Online sogar die Mühe, die Anzahl sichtbarer männlicher und weiblicher Nippel gegeneinander aufzurechnen. Knapp gesagt: Es gibt mehr nackte Frauen als nackte Männer zu sehen. Mehr homosexuelle Frauenpaare als homosexuelle Männerpaare. Deutlich mehr weibliche Brüste als männliche Geschlechtsorgane – und ja, das ist durchaus ein Problem.
In der Einleitung dieses Artikels wurde bereits ein Ausflug in die Vergangenheit unternommen. Im Jahr 2012, kurz nach dem ersten Aprilscherz zu Wege der Vereinigung, erschien Wege des Entdeckers, eine Spielhilfe für Abenteuer und Expeditionen in der Wildnis. Im Zentrum des Titelbildes stand eine Frau, deren Oberweite nicht mehr nur als üppig zu bezeichnen war, sondern sämtlichen Regeln der Physik widersprach. Bereits damals kam es in der Folge zu einer Diskussion über die klischeehafte Darstellung von Frauen in Das Schwarze Auge. Der Verlag gelobte Besserung, ebenso als ein Jahr später der Roman Schwarze Segel erschien, der eine barbusige Frau auf dem Titelbild hatte. Wieder kam es zur Diskussion und wieder versprach Ulisses Spiele, so etwas in Zukunft sorgfältiger zu handhaben.
Machen wir es kurz: Bei Wege der Vereinigungen ist dies nicht gelungen. Hier jetzt ein speziell für Das Schwarze Auge geltendes Problem festzustellen, würde den Sexismus in unserer Gesellschaft aber herunterspielen. Egal, in welcher zeitgenössischen Produktion Sexualität eine größere Rolle spielt, sind stets mehr nackte Frauen als nackte Männer zu sehen. Wege der Vereinigungen bringt sich paradoxerweise gerade dadurch in die Bredouille, dass es in den Illustrationen seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht wird.
Erotik und Romantik – geht das nur mit nackter Haut?
Die im Buch erwähnte stattliche Rittersfrau, die um einen schöngeistigen Höfling buhlt, indem sie für ihn ein Turnier bestreitet, wäre in diesem Zusammenhang ein weitaus aussagekräftigeres Motiv gewesen als nackte Haut und turtelnde Pärchen. Dass irgendwo im Band einmal exemplarisch eine Elfe, eine menschliche Frau und eine Zwergin – ganz im Biologiebuch-Stil – nackt dargestellt werden, eine entsprechende männliche Gruppe aber fehlt, macht schon deutlich, dass bei den Illustrationen ein Ungleichgewicht herrscht. Ob die IllustratorInnen Anweisungen der Autoren folgten oder selbst für diese Auswahl sorgten, sei dahingestellt. Wer letztlich der Verlockung erlegen ist, möglichst viele nackte Frauen und ein paar nackte Männer – alle übrigens stets gut gebaut – abzubilden, ist letztlich egal. In ihrer Gesamtheit bilden die Illustrationen somit völlig zurecht die offene Flanke von Wege der Vereinigungen, an der sich die Kritiker ausgiebig abarbeiten können.
Hardcore-Pornographie wird man in Wege der Vereinigungen übrigens nicht finden. Mal abgesehen von der geschlechtlichen Gewichtung sind die Illustrationen weitestgehend gut gelungen und geschmackvoll. Dass sie, wie in Teilen der Kritik suggeriert, begehrte Masturbationsvorlagen für ewig-pubertäre Rollenspiel-Nerds sein sollen, ist zu bezweifeln. Das Internet bietet in dieser Hinsicht genug erregendere Alternativen – auch mit Elfenohren.
Fazit
Wer bis hierhin alles gelesen hat, wird schon bemerkt haben, dass dies keine gewöhnliche Rezension ist. Die Kritik an Wege der Vereinigungen hat aber ein derartiges Ausmaß angenommen, dass es notwendig geworden ist, sich bei der Besprechung dieses Bandes zu den Sexismus- und Rassismusvorwürfen zu äußern. Da sie, zumindest in Teilen, durchaus berechtigt sind, würde eine Rezension, die sie nicht näher untersucht, dem Thema letztlich nicht gerecht werden und sich selbst dem Vorwurf aussetzen, diese Kritikpunkte auszublenden.
Der Hintergrundteil ist tatsächlich eine solide Spielhilfe zur aventurischen Sexualität geworden. Wer so etwas seit sechs Jahren gefordert hat, wird also durchaus fündig werden, muss sich dafür aber mit den beschriebenen Mängeln herumschlagen. Denn der zotige Humor, der vor allem im Regelteil stattfindet, neutralisiert jegliche Ambitionen des Bandes, langfristige Spielbarkeit und ernsthafte Hintergrundinformationen zu liefern, wenngleich er seine Zielgruppe sicher erheitern wird.
Unterm Strich macht es sich Wege der Vereinigungen selbst zu schwer, was aber vermutlich auch den Entstehungsumständen des Bandes zu verschulden ist. Eine kleine Spielhilfe zum Sexualleben in Aventurien und dazu ein paar stimmige Illustrationen – es hätte genügt. Doch wenn sich nach sechs Jahren schwelenden Hypes abzeichnet, dass manche Spieler mehr wollen und dafür auch tief in die Tasche greifen werden, dann will ein Verlag natürlich auch liefern. Dass darunter dann wahrscheinlich der restliche Verlagsplan leidet, ist ein ganz eigenes Thema, das leider den Rahmen dieser Rezension sprengen würde.
Ein Projekt dieser Größe, das sich selber aber nicht ganz ernst nimmt, wenngleich es ein ernstes Thema behandelt, kann nur scheitern und in Fettnäpfchen treten. Es darf sich niemand wundern, wenn am Ende tatsächlich nur jene mit der Spielhilfe zufrieden sind, die sich über die schlüpfrigen Inhalte aufrichtig freuen und Spaß daran haben, ihren nächsten Ingame-Geschlechtsakt anhand ausführlicher Regelpassagen detailliert nachspielen zu können.
Wer Spaß daran hat, einen Engasaler Sexualmagier zu spielen, der mit seinem Vibro-Zauberstab kichernde Elfen durchs Unterholz jagt, wer seine Heldengruppe schon einmal von einem Tentakeldämon ordentlich durchnehmen lassen wollte, wer einmal auf einer Orgie, unterstützt und begleitet durch ein Dutzend Sonderregeln, Durchhaltevermögen beweisen wollte – der wird mit Wege der Vereinigungen den Spaß seines Lebens haben. Wer aber lediglich eine Spielhilfe zur aventurischen Sexualität haben wollte, wird vielleicht einmal kurz lachen, dann aber verwundert den Kopf schütteln und sich fragen, ob es das wirklich gebraucht hätte.
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