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https://www.teilzeithelden.de/2020/03/16/rezension-perlentaucher-vor-rlyeh-das-beste-aus-20-jahren-cthulhu/
Das Beste aus 20 Jahren Cthulhu bei Pegasus Spiele? In einer großen Abstimmung durften die Spieler und Spielerinnen ihre Favoriten unter den zahlreichen Szenarien auswählen, die beim Verlag erschienen sind. Das Ergebnis ist Perlentaucher von R’lyeh. Die Teilzeithelden sind mit abgetaucht, um einen Blick auf die Sammlung zu werfen.
1999 begann Pegasus Spiele mit der Veröffentlichung von Produkten für das Horror-Rollenspiel Cthulhu. Wie viele seither in dem Verlag erschienen sind, wissen vermutlich nur die Großen Alten selbst. Gut, so unzählbar sind sie dann doch nicht, denn Redakteur Heiko Gill verkündet im Vorwort, dass es rund 340 sind. 34 davon schafften es in eine finale Auswertung, aus denen wiederum eine Top 10 ermittelt wurde. Die sechs besten aus dieser Liste finden sich nun in der Anthologie Perlentaucher vor R’lyeh.
Der Sänger von Dhol
Dieses Szenario erschien erstmals in der ersten Ausgabe von Cthuloide Welten im Jahr 2002. Es führt die SpielerInnen im Jahr 1920 auf die norddeutsche Insel Pellworm. Autor Florian Hardt schafft es, die politisch prekären Umstände der jungen Weimarer Republik kurz und nützlich aufzubereiten. Die eigentliche Handlung dreht sich aber natürlich nicht um politische Zwistigkeiten, sondern um ein altes Geheimnis der Insel, dem die SpielerInnen auf die Schliche kommen müssen.
Dazu schlüpfen sie in die Rollen einer auf Pellworm ansässigen Familie, die selbst Teil eines Mysteriums sind, das an dieser Stelle aber nicht entschleiert werden soll. Dies aber vorab:
Bei den Spielfiguren handelt es sich größtenteils um erwachsene Mitglieder der Familie, ein achtjähriges Mädchen ist aber auch dabei, was eine besondere Herausforderung darstellen mag. Damit die SpielerInnen zudem nicht frühzeitig hinter etwaige Geheimnisse der anderen kommen, empfiehlt der Autor, die Kommunikation am Spieltisch streng In-Game zu halten.
Durch die vorgefertigten Spielfiguren und das offen gestaltete Investigativ-Szenario, das aber mit der Insel Pellworm über einen abgeschlossenen Schauplatz verfügt und zudem einer klaren Handlung folgt, eignet sich „Der Sänger von Dhol“ auch für unerfahrene SpielerInnen. Die Spielleitung hingegen muss bei einer Menge an Hintergrundinformationen die Übersicht behalten und gut vorbereitet sein. Ist dies gegeben, entfaltet sich ein atmosphärisch dichtes Szenario, das vor allem durch den persönlichen Bezug der Spielfiguren zum Schauplatz und zur Handlung an Intensivität gewinnt.
Kinder des Käfers
Howards Skizze des Riesenkäfers.
Dieses klassische Investigativ-Szenario stammt von Frank Heller und erschien erstmals in dem gleichnamigen Band von 2003. Alles, was man von einem Cthulhu-Szenario erwartet, ist darin enthalten. Die Spielfiguren folgen im Jahr 1927 der Einladung einer gemeinsamen Bekannten und müssen an der US-amerikanischen Ostküste eine vermisste Person aufspüren. Dabei stoßen sie aber auf einen fremdartigen Schrecken, der sich schnell zu einer tödlichen Bedrohung entwickelt.
Dem übersichtlichen Aufbau des Szenarios stehen lange Hintergrundtexte gegenüber. Die Spielleitung muss also einiges an Lektüre investieren, um die Geschichte angemessen aufbereiten zu können. Dies lohnt sich jedoch, denn anders als bei anderen Szenarien, in denen die SpielerInnen am Ende oft mit vielen Fragezeichen zurückblieben, bietet „Kinder des Käfers“ viele Möglichkeiten, den Schleier zumindest ein Stück weit zu lüften – allerdings auf Kosten ihrer geistigen Gesundheit.
Trotz des verbraucht erscheinenden Neuengland-Settings gelingt es dem Autor, einen ungewöhnlichen Schrecken, der sogar am sterilen Spieltisch für Ekel sorgen kann, gut in Szene zu setzen. Stimmige Handouts und interessante Nichtspielercharaktere runden das Szenario ab.
Der lachende Mann
Im Haus.
„Der lachende Mann“ stammt aus der Anthologie Festival Obscure, die 2005 erschien. Unter anderem inspiriert durch Victor Hugos gleichnamigen Roman und andere literarische Motive, widmet sich dieses Szenario einem alten Geheimnis, das sich um einen Jahrmarkt in der deutschen Provinz dreht.
In der Auseinandersetzung mit einem undurchsichtigen Gegenspieler entfaltet sich ein Wahnsinn, dessen Hintergründe nichts für zartbesaitete Gemüter sind. Trotz des relativ offen gewählten Schauplatzes der Kleinstadt, in welcher der Jahrmarkt stattfindet, schafft Autor Ingo Ahrens es, die Atmosphäre eines beklemmenden Kammerspiels anzudeuten. Diese Stimmung an den Spieltisch zu übertragen, mag eine größere Herausforderung darstellen, kann mit etwas Vorarbeit aber zu einer unvergesslichen Spielrunde führen.
In Scherben
Oskar Praider – Ruhe in Frieden.
Dieses Szenario von Christoph Maser führt die SpielerInnen in das Jahr 1923, konkret in die Tage um den Hitlerputsch im November. Wie auch bei „Der Sänger von Dhol“ gelingt es, die politischen Umstände, auch wenn sie letztlich nur am Rande relevant für „In Scherben“ sind, gekonnt einzuflechten. Vor dem Hintergrund politischer Instabilität entfaltet sich die Ausweglosigkeit des schleichenden Wahnsinns, den das Szenario thematisiert, noch eindrücklicher.
Der Autor schlägt vor, dieses Szenario komplett ohne Würfel zu spielen. Dennoch finden sich zu den vorgefertigten Charakteren Spielwerte, wichtiger sind aber die Informationen dazu, wie sie mit der Handlung verbunden sind. Trotz dieser Vorgaben werden die SpielerInnen angehalten, das Alltagsleben ihrer Spielfiguren selbst auszugestalten.
Als Ziehkinder eines verstorbenen Industriellen entdecken die Charaktere einige verdächtige Vorkommnisse, deren Lösung sie immer tiefer in eine bedrohliche Situation führt. Im Kontext mit der intensiven Geschichte, die sich zunehmend mit den Spielfiguren verknüpft, wirkt das Szenario vielleicht etwas zu verwinkelt. Mit einer ordentlichen Vorbereitung dürfte sich gerade dadurch aber eine beklemmende Atmosphäre einstellen.
Pinselstriche
Die Jurymitglieder.
In diesem Szenario, das im New York der 1920er spielt, schlüpfen die SpielerInnen in die Rollen der Jurymitglieder eines Kunstwettbewerbs. Als sich jedoch die Reihen der Jury durch mysteriöse Todesfälle lichten, beginnt ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen den Spielfiguren und einem zunächst unbekannten Gegenspieler.
„Pinselstriche“ ist ein übersichtliches Investigativ-Szenario, in dem die Ermittlungen die Aufmerksamkeit der örtlichen Mafia und eines knallharten Cops wecken. Dies kann schnell zu einem Strudel aus Gewalt und zunehmendem Wahnsinn führen, was „Pinselstriche“ zum potenziell actionreichsten Szenario in Perlentaucher vor R’lyeh macht.
Die Autoren Alexander Dotor und Peter Schott geben der Spielleitung alles an die Hand, um ein intensives Abenteuer in den Straßen von New York zu inszenieren, bei dem der kosmische Schrecken lange genug unentdeckt bleibt, um am Ende umso erschütternder zuzuschlagen.
Die Mutter allen Eiters
Die Mülldeponie von Arkham.
Dieses klassisch aufgebaute Szenario spielt an bekannten Orten aus H.P. Lovecrafts Geschichten. In der fiktiven Stadt Arkham kommt es zu einem Mord, der die Spielfiguren indirekt betrifft und sie somit auf die Spur des Verbrechens führt. Dahinter steht natürlich ein größerer Zusammenhang, dessen Aufdeckung sie tief in den Mythos führt. Der Einstieg wirkt auf dem Papier zwar etwas konstruiert, kann mit der entsprechenden Vorbereitung aber stimmig umgesetzt werden.
Auseinandersetzungen mit Kultisten und anderen Menschen, die dem kosmischen Schrecken ignorant gegenüberstehen, sorgen für eine typisch beklemmende Atmosphäre. Dass ganz bewusst die Option eines Scheiterns im Szenario vermerkt ist, spricht für die Härte und Gnadenlosigkeit dieser Geschichte. Unterm Strich ist „Die Mutter allen Eiters“ ein gutes Cthulhu-Szenario, das all das beinhaltet, was sich unbefangene SpielerInnen unter einem Ausflug in die Welt des Mythos vorstellen dürften.
Erscheinungsbild
Das Aussehen der Anthologie führt die LeserInnen ein Stück weit zurück in vergangene Editionen. Während sich heutzutage vermehrt Illustrationen in den Cthulhu-Bänden finden, sind es in den älteren Abenteuern stilvolle schwarzweiße Fotografien gewesen. In dieser Hinsicht ist es gelungen, dass trotz der vielfältigen Zusammenstellung der Szenarien ein einheitlicher Look beibehalten wurde. Die Handouts wurden überarbeitet, sodass zum Beispiel detailliertere und farbige Karten zur Verfügung stehen. Ein klares Schriftbild hilft bei der Lesbarkeit, die teils sehr lang geratenen Absätze, vor allem in den Hintergrundinformationen zu den Szenarien, sind ihr aber eher abträglich. Zur Verarbeitung des Bandes kann nichts gesagt werden, da zum Schreibzeitpunkt nur die PDF vorlag.
Fazit
Das Beste aus 20 Jahren Cthulhu wurde versprochen, und genau das wurde auch geliefert. Die sechs enthaltenen Szenarien sind nicht nur ihr Geld wert, sondern auch die Zeit, die für die Lektüre eingeplant werden muss. Denn ein winziger Wermutstropfen ist es, dass man einigen der Szenarien das Alter deutlich anmerkt. Ausufernde Hintergrundinformationen, die das Lesen zwar vergnüglich machen, am Spieltisch aber nur indirekte Relevanz haben, sind heutzutage eher kompakten Übersichten gewichen, die Handlungen offener geworden.
Dennoch ist Perlentaucher vor R’lyeh eine der besten Anthologien aus dem Hause Pegasus Spiele geworden und vereint sechs einzigartige Szenarien in sich. Auf ihre jeweils eigene Weise zeichnen sie sich durch interessante Geschichten aus, die eine sehr gute Übersicht geben, was der Cthulhu-Mythos am Spieltisch hergibt. Die hochwertige Aufmachung rundet diesen Band ab, der mehrere Stunden Spielspaß – und ungeahnten Schrecken – beinhaltet. Wer bisher die Wenigsten der enthaltenen Szenarien besitzt, kann bedenkenlos zugreifen. Wer sie alle bereits in der Originalversion hat, kann tatsächlich verzichten, da sich die Überarbeitung in Grenzen hält. Schaden kann eine Neuanschaffung aber nicht.
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https://www.teilzeithelden.de/2020/03/04/rezension-earthdawn-4e-questoren-diener-der-passionen/
In der Welt von Earthdawn verkörpern die geheimnisvollen Passionen Ideale wie Kunst, Wachstum, Freiheit oder Heldenmut. Nun liegt erstmals ein Quellenband vor, der diese Wesenheiten in ihrer ganzen Vielseitigkeit betrachtet und dabei ausführliche Regeln für ihre Anhänger, die Questoren, bietet.
Die Passionen sind ein geheimnisvoller Aspekt der Welt von Earthdawn, der dieses Rollenspiel bereits seit seiner ersten Auflage begleitet. Das Spielerhandbuch der aktuellen vierten Edition beschränkt sich allerdings nur auf eine grobe Beschreibung dieser Wesenheiten, ihrer Ideale und ihrer Kräfte, und im Spielleiterhandbuch finden sie gar keine Erwähnung. Stattdessen werden diese mit dem Band Questoren ausgiebig beleuchtet und in die bereits komplexen Regeln von Earthdawn
Inhalt
Götter und ihre Priesterschaft sind ein übliches Element im Fantasy-Rollenspiel, von dem sich Earthdawn allerdings in einigen entscheidenden Punkten unterscheidet. So sind die Passionen keine Wesenheiten, die an der Schöpfung der Welt Anteil hatten, sondern sind Manifestationen von großen Idealen. Auch gibt es keine formale Priesterweihe oder organisierte Religionen – wer sich einer Passion verbunden fühlt, kann sich frei für ein Leben als Questor entscheiden, um deren Ideale in Barsaive zu verbreiten. Dabei bleibt ein Charakter auch weiterhin ein Adept seiner alten Disziplin, und wechselt nicht etwa wie in anderen Fantasy-Rollenspielen seine Klasse. Gerade dieser Vielschichtigkeit der Passionen und ihrer Anhänger widmet der Band Questoren viel Platz, und so nehmen die Beschreibungen dieses Hintergrunds auch zwei Drittel des Buches ein.
Nun war die Welt und ihre dichte Verflechtung mit den Regeln schon immer die große Stärke von Earthdawn und kommt auch in diesem Quellenband voll zur Geltung. So sind alle Hintergrundinformationen aus der Sicht der Spielwelt beschrieben und stellen die Ungreifbarkeit der Passionen heraus. Schon die anfängliche Diskussion über ihr Wesen schafft mehr Fragen, als sie beantwortet. So hat bisher kein Gelehrter Barsaives wirklich ermitteln können, ob die Passionen aus den Emotionen der Namensgeber entsprungen sind, oder doch ältere Wesenheiten sind, die erst zu diesem leidenschaftlichen Handeln inspirieren. Auch sind die Passionen in der im Quellenband besprochenen Form einzig ein Phänomen der Provinz Barsaive, andere Reiche des theranischen Imperiums kennen ähnliche, aber von ihrer Art gänzlich andere Wesenheiten, und die Theraner selbst lehnen sie in ihrer Abgeklärtheit gänzlich ab. So bleiben die Passionen weiterhin ein großes Mysterium, das jeder Spielleiter seinen Bedürfnissen anpassen kann.
Im Anschluss wird besonders viel Raum der Beschreibung einer jeden Passion gegeben. Diese sind allerdings keine sachlichen Faktensammlungen, sondern wie so oft bei Earthdawn Gesprächsmitschriften und persönliche Erinnerungen, die die individuelle Sicht eines einzelnen Questors wiedergeben. Hier läuft der Quellenband zu seiner vollen Stärke auf, denn gängige Klischees werden gekonnt umgangen. Stattdessen wird jede Passion von einem Blickwinkel aus betrachtet, die dem Leser die vielseitigen Möglichkeiten zum Dienst an diesen Wesenheiten darlegt.
Einer der Höhepunkte in meinen Augen ist beispielsweise der Auszug aus dem Handelsbuch von Alisar, einer berühmten Questorin des Chorollis, Passion von Reichtum, Handel und Neid. Statt einfach nur einen erfolgreichen Pfeffersack zu beschreiben, der schnöden Mammon hortet, liest man, wie die Händlerin von dem kleinen Ort Averns Querung jegliche Einkünfte direkt wieder investiert. Nicht nur spannt sie so ein gewaltiges Handelsnetz, in dem zahlreiche Kaufleute in ihrer Schuld stehen, nebenbei verbreitet sie auch die Ideale ihrer Passion über ganz Barsaive.
Auch das Streitgespräch zwischen zwei Questoren des Upandal, Passion von Bauen, Konstruktion und Planung, hat es mir sehr angetan. So wird ein ehemaliger Schüler von seiner Handwerksmeisterin dafür gescholten und verachtet, dass er sich der Fertigung von Belagerungsmaschinen gewidmet hat; also Dingen, die zerstören statt zu erschaffen. In seinen erzürnten Widerworten erklingt aber, wie auch darin das Wesen Upandals offenbar wird: Seine Maschinen retten die Leben von Soldaten, die ansonsten für Wochen unter harten Bedingungen einen verlustreichen Angriff nach dem anderen führen müssten.
Besonders aufschlussreich auch für Earthdawn-Veteranen sind allerdings die Essays über die drei verrückten Passionen Dis, Raggok und Vestrial. Ältere Quellenbücher gingen nie wirklich ins Detail, wie sich deren Wahnsinn äußert und warum ein Namensgeber sich ihnen hingeben sollte. So lobpreist ein Questor des Dis, wie das Fehlen von Emotion und Leidenschaft, wie es die Passion von Bürokratie und Sklaverei befördert, den Dämonen nicht nur die Nahrung nimmt, sondern den Namensgebern auch hilft, sich in das Schicksal einer grausamen Welt zu fügen. Eine verurteilte Mörderin kam durch die Einflüsterungen Raggoks, Passion der Untoten, zu der Erkenntnis, dass Töten oder Getötet werden in der Natur der Welt liegt und man auch den engsten Kameraden nicht vertrauen kann. Zuletzt ergab sich ein Trollmädchen den Lehren Vestrials, Passion von Manipulation und Täuschung, um den Häuptling ihres Clans zu demütigen, der ihren Vater beleidigt hatte. Im gleichen Zug erniedrigt sie aber auch ihre Eltern, um ihnen ihre Schwäche aufzuzeigen, dass sie selbst zu solcher Rache nicht in der Lage waren.
Sämtliche Texte aus Sicht der Spielwelt sind eine wahre Fundgrube sowohl für Spieler als auch den Spielleiter. Das Mysterium der Passionen wird nicht wirklich aufgelöst, sondern in seiner Vielschichtigkeit vertieft. Die dabei offenbarten Facetten geben dem Leser zahlreiche Anregungen, sich eigene Questoren auszudenken, die den Passionen Barsaives auf ihre ganz eigene Weise dienen.
Damit verbleibt ein Drittel des Quellenbandes für die Regeln, die bei Earthdawn auch in der vierten Edition recht komplex bleiben. Wie schon in der vorigen, nur auf Englisch verfügbaren dritten Edition erhalten Questoren Weihekräfte, die regeltechnisch wie die Talente der Disziplinen beschrieben sind. Gewährte jede Passion zuvor nur drei Basiskräfte, so stehen ihren Dienern nun je rund ein Dutzend zur Verfügung, die sich zwischen einigen Questoren auch überschneiden. Der eigene Einsatz für die Ideale einer Passion wird weiterhin durch Weihepunkte abgebildet, die man durch entsprechende Taten erlangen kann. Für jeden Questor sind passende Beispiele von unbedeutenden bis hin zu fanatischen Akten und auch Questen aufgeführt.
Mit dem Quellenband werden diese Regeln noch um diverse Elemente erweitert, die Questoren nun vollständig abbilden wie die Adepten mit ihren Disziplinen. So erwerben Questoren durch ihre Weihetaten einen Rang, der unabhängig von dem des Adepten von Kreis 1 bis 12 reichen kann und in die Stufen Jünger, Anhänger und Vorbild aufgeteilt ist. Wo in der dritten Edition die Weihekräfte noch pauschal mit dem Gesamtrang als Questor anstiegen, sind neue Kräfte nun mit dem Anstieg des Weiherangs für zunehmende Kosten an Legendenpunkten zu erwerben.
Gänzlich neu ist die Möglichkeit, Weihepunkte ähnlich dem Karma aus den Grundregeln zu verwenden. Sie können für Zusatzwürfel für Proben ausgegeben werden, allerdings sind diese Würfel auch für andere Charaktere einsetzbar und steigen abhängig vom Rang des Questors bis auf einen w8 an. Gerade diese Möglichkeit zur selbstlosen Unterstützung anderer im Namen der eigenen Passion empfinde ich als sehr stimmungsvoll und zweckmäßig.
Nicht unerwähnt bleiben soll aber auch, dass ein Charakter als reiner Questor erschaffen werden kann, ohne wie in Earthdawn üblich auch Adept zu sein. Von dieser Option aber rät der Quellenband in einem separaten Textkasten ab, solange nicht Spieler und Spielleiter mit den Mechanismen von Earthdawn ausreichend vertraut sind.
Insgesamt macht es natürlich Sinn, die Questoren so vollständig auf das gleiche Regelgerüst wie Adepten zu heben; damit steigt die Verwaltungsarbeit für einen Charakter allerdings merklich an. Denn wie schon eingangs erläutert ist die Berufung als Questor ein Zusatz, ein Charakter bleibt weiterhin bei seiner alten Disziplin und gewinnt über Legendenpunkte Ränge in dieser hinzu. So stimmungs- und reizvoll die Berufung gerade durch die ausgezeichneten Beschreibungen aus dem ersten Teil des Quellenbandes ist, so mag der Mehraufwand auf der Regelseite vielleicht so manchen Spieler davon abschrecken, diese zusätzliche Bürde auf sich zu nehmen.
Erscheinungsbild
Trotz des eigentlich überschaubaren Umfangs von 96 Seiten spendiert Ulisses Spiele der Druckversion von Questoren ein schickes Hardcover. Wie schon bei den anderen Publikationen der vierten Edition von Earthdawn ist das Innenleben in schwarz-weißem zweispaltigen Satz gehalten. Die Illustrationen gehen in Ordnung, sind aber merklich nicht spezifisch für diesen Band hergestellt worden. So passen beispielsweise die drei Zeichnungen, auf denen ein Steinmetz nach und nach eine Büste fertigt, gut zur Abhandlung über die Passion Upandal, haben aber nichts zu tun mit dem oben erwähnten Streitgespräch zwischen zweien seiner Questoren. Ein ordentlicher Index, insbesondere hilfreich zum Auffinden der verschiedenen Weihekräfte aus dem Regelteil, rundet das Gesamtbild ab.
Die PDF-Fassung ist mit der Druckfassung identisch, zusätzlich sind noch Lesezeichen vorhanden, um direkt bestimmte Kapitel und Abschnitte aufrufen zu können.
Fazit
Questoren erweitert die Welt von Earthdawn durch vielschichtige Betrachtungen der Passionen und ihrer Anhänger. Durch das geschickte Umgehen von Klischees werden Blickwinkel offenbart, die sowohl für Spieler als auch Spielleiter eine wahre Fundgrube sind. Nicht zuletzt die Schilderung der Denkweise der verrückten Passionen und ihrer Questoren verschafft Einblicke, mit denen frühere Editionen von Earthdawn so nicht aufwarten konnten.
Die dazugehörigen Spielregeln fügen sich nahtlos in die Grundmechanismen für Adepten ein und erweitern die Kräfte, die die Passionen den eigenen Charakteren gewähren können. Dadurch wird das bereits sehr komplexe System von Earthdawn aber auch um sehr viele kleinteilige Elemente ergänzt, die im Auge zu behalten vielleicht nicht die Sache eines jeden Spielers ist.
Der fantastische Hintergrundteil jedoch lässt solche Bedenken schnell schwinden. Wer bisher erwogen hat, den Passionen und ihren Dienern eine größere Rolle in der eigenen Spielrunde zu verschaffen, der kommt an Questoren nicht vorbei.
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https://www.teilzeithelden.de/2020/02/27/rezension-vampire-v5-camarilla-schoene-neue-welt-der-dunkelheit/
Die Strippenzieher kainitischer und sterblicher Politik. Der unsterbliche Hof der Nacht. Ewiger Garant für Sicherheit und Stabilität. So oder so ähnlich würde sich die Camarilla wahrscheinlich selbst beschreiben. Aber wie steht es wirklich um die größte Sekte der Vampirgesellschaft in der Gegenwart?
Die fünfte Edition von Vampire: The Masquerade ist nun schon seit einiger Zeit erschienen, aber es hat bis zum Ende des letzten Jahres gedauert, bis die gedruckten Versionen der Ergänzungsbücher Camarilla und Anarch verfügbar waren. Zurückgezogene Veröffentlichungen, Kontroversen um einzelne Kapitel des Camarilla-Bandes, unglückliche Kommunikation, ein Austausch des kreativen Teils des Verlags, Vertriebswechsel und andere Skandale haben die Reihe erschüttert und für erhebliche Verzögerungen gesorgt. Die V5 schien unter keinem guten Stern zu stehen.
Aber 2020 sieht es schon wieder anders aus. Die beiden Ergänzungsbücher sind erschienen, mit Fall of London, Chicago by Night und Cult of the Bloodgods sind drei weitere Bände angekündigt, und das Computerrollenspiel Bloodlines 2 soll noch dieses Jahr erscheinen. Trotz aller Kontroversen und Kritik – ob berechtigt oder nicht – scheint es mit der Marke Vampire Grund genug, sich noch einmal inhaltlich mit der neuen Edition auseinander zu setzen.
Inhalt
Nach dem Grundregelwerk ist Camarilla – zusammen mit Anarch – die erste Veröffentlichung für die fünfte Edition von Vampire: The Masquerade und bietet einen Einblick in die weitreichenden Änderungen der Hintergrundwelt seit dem Anfang der 2000er. Inhaltlich schließt Camarilla nicht nahtlos an die vorherige 20-Jahre-Jubiläumsedition (kurz: V20) an, sondern setzt starke eigene Akzente. Die inhaltliche Verbindung von V20 und V5 ist am ehesten in Becketts Tagebuch des Jihad zu finden, in dem einige der großen Änderungen im Kanon bereits angedeutet wurden. Genau wie dieses Buch ist auch Camarilla eine große Ansammlung von In-time-Texten, die nicht gerade von den zuverlässigsten oder objektivsten Erzählern widergegeben werden. Das ganze Buch ist damit eine Art Puzzle, das sich erst Stück für Stück zusammensetzt und dem Leser so die Sicht der Camarilla auf sich selbst aus verschiedenen Perspektiven offenbart. Als klassisches Nachschlagewerk ist der Band nur eingeschränkt zu gebrauchen, aber als Transporteur von Stimmung und Atmosphäre macht er einen hervorragenden Job.
Ein Wort der Warnung: In der Folge werden zentrale Punkte des neuen Hintergrunds besprochen. Wer diese erst im Spiel erleben will, der sollte am besten direkt zum Punkt „Erscheinungsbild“ springen. Alle anderen können sich auf einen wilden Ritt durch den neuen Metaplot einstellen.
Eine neue Zeit des Feuers
Um einen Schnitt zwischen den Editionen zu setzen, geht man am besten in die frühen 2000er. In diesen Jahren wird den Blutsaugern in der Welt der Dunkelheit offensichtlich, dass sich grundlegende Dinge geändert haben. 2004 penetrierte die NSA das Nosferatu-SchreckNET und hatte damit Zugriff auf alle Daten, die die Verborgenen dort gebunkert hatten. Zwar gelang es noch, das SchreckNET offline zu nehmen, aber der Schaden war angerichtet. Zum ersten Mal schienen sterbliche Behörden die Bedrohung zu erkennen und ernst zu nehmen. Im Verborgenen bildete sich eine transnationale Allianz aus Geheimdiensten, der Leopolds-Gesellschaft und den vorher randständigen Organisationen wie Project Twilight. Im Vergleich ließ diese Bedrohung die Jäger wie einen schwächlichen Schulhofschläger aussehen. Die Second Inquisition war geboren, auch wenn sie sich initial nicht groß bemerkbar machte.
Der wahre Paukenschlag kam dann im Jahr 2008. Paramilitärische Eingreiftruppen und fanatische Leopoldsbrüder stürmten das zentrale Gildenhaus von Clan Tremere in Wien, vernichteten den inneren Zirkel und ließen vom Herz eines der mächtigsten Clans der Camarilla nur eine rauchende Ruine zurück. Seitdem ist das Gebiet als Ort eines Terroranschlags abgesperrt, und niemand außer den Agenten der Second Inquisition hat Zutritt zu den Überresten des Hohen Gildenhauses. Die Pyramide war gebrochen.
Die Schockwellen dieser Entwicklung waren in der gesamten Camarilla zu spüren, und auch die selbstsichersten Ahnen merkten, dass sich hier eine Gefahr entwickelte, die man nicht ignorieren durfte und die sich nur unzureichend mit den klassischen Mitteln kainitischen Einflusses zurückdrängen ließ.
Die Welt war gefährlich geworden für die Kainskinder, aber die Zeit der Katastrophen war noch nicht vorbei. Der nächste Doppelschlag kam im Jahr 2012. Auf dem Konklave von Prag wollte die Camarilla die Reihen schließen und ein Zeichen der Stärke zeigen. Leider kam es anders. Mit einem sprichwörtlichen Knalleffekt töteten die Brujah den Abgesandten der Ventrue. Im folgenden Chaos verließen die Clans der Brujah und Gangrel offiziell die Camarilla und schlossen sich den Anarchen an. An die Stelle eines Aktes der Einigkeit trat also das Ende der Camarilla, wie man sie bis dahin kannte. Dass dieses Jahr auch das Ende der Domäne London und den Tod von hunderten Kainskindern dort sah, geriet dabei fast zur Nebensache.
Als wäre das alles nicht genug, begannen die Ältesten der Camarilla auch noch einen mysteriösen Ruf zu spüren. „The Beckoning“ rief die verbliebenen Ahnen aus ihren Domänen fort in den Nahen Osten. Dort toben die Gehenna-Kriege zwischen dem, was von Sabbat übriggeblieben ist, und den aus aller Welt herbeiströmenden Alten, die vom Ruf des Blutes gezogen werden. Ahnen, die sich dem Ruf widersetzen, neigen dazu, sich in ihren persönlichen Zuflüchten zu verbarrikadieren, und man hört nichts Gutes über ihren Geisteszustand. So oder so tat sich allerorten plötzlich ein riesiges Machtvakuum auf, und die alten Wege der Camarilla funktionierten nicht mehr.
Die Situation jetzt
Es ist eine Zeit des Umbruchs, eine Zeit, in der alte Allianzen gebrochen und neue Bünde geschmiedet werden. Uralte Feindschaften treten in den Hintergrund, während sich frische Konfliktlinien bilden. Die Welt der Vampire ist in hellem Aufruhr. Aber ganz so schnell gibt sich das Ancien Regime nicht geschlagen. Die Camarilla ist angeschlagen, aber sie ist noch lange nicht tot. Stattdessen hat sie beschlossen, sich weiter in den Schatten zurückzuziehen und den Sabbat, die Anarchen und freien Clans die Hauptlast der Angriffe der Second Inquisition tragen zu lassen. Domänen, die durch die Angriffe fallen, können hinterher immer noch wieder neu in Beschlag genommen werden. Wenn es sich dabei um ehemalige Sabbat-Festungen wie Mexiko City handelt, umso besser. Die Camarilla versteht sich nicht mehr als die rechtmäßige Vertretung aller Vampire, und sie besteht auch nicht mehr auf der Gültigkeit all ihrer Gesetze, Traditionen und Verordnungen. Allerdings sieht sie es auch nicht mehr als ihre Pflicht an, jenen zu helfen, die sich ihr nicht freiwillig anschließen. Diese neue Camarilla ist weniger eine kainitische UN als vielmehr eine Vampirvariante der Illuminaten. Sei für uns und wir helfen dir, sei gegen uns und du stehst allein.
Mit diesem Rückzug in die Schatten gehen auch drastische Einschränkungen für die Mitglieder der Camarilla einher. In Zeiten von Massenüberwachung, Wärmesensoren und Vorratsdatenspeicherung ist die Kommunikation zwischen den Domänen und sogar innerhalb der Domänen schwer geworden. Burnerphones, konspirative Treffen und Codes erleben eine Renaissance innerhalb einer belagerten Camarilla. Die Maskerade soll ein zweites Mal das Überleben der Kainskinder im Angesicht menschlicher Vernichtung garantieren.
Doch nicht nur nach außen wandelt sich die Camarilla. Auch im Inneren sind Dinge in Bewegung geraten. Mit dem Wegfall der Führungsschicht der Ahnen ist der Weg nach oben für ambitionierte Ancillae und Neugeborene plötzlich so frei wie seit Jahrhunderten nicht mehr. Die erstarrten Strukturen sind mit einem Mal aufgebrochen und mit ihnen auch die Dogmen, die zu der Erstarrung geführt haben. Warum sollte man die Dünnblütigen nicht als Waffe gegen die Second Inquisition einsetzen? Müssen wir weiter Fehden mit Clans ausfechten, deren Ursprünge wir nicht einmal kennen? Den Assamiten geht es schlecht? Warum strecken wir nicht unsere Hand aus und laden die Banu Haquim ein, unserem exklusiven Club beizutreten? Es geht schließlich um das Überleben, da muss man manchmal die Vergangenheit Vergangenheit sein lassen.
Für die Ahnen mag es eine furchtbare Zeit sein, aber für ambitionierte, junge Vampire ist es ein wahres Wildwest-Zeitalter, in dem mit hohen Einsätzen um noch höhere Gewinne gespielt wird. Auch wenn man jeden Tag von einer Einsatzgruppe brasilianischer Söldner geweckt und ins Sonnenlicht gezerrt werden kann. Aber was wäre der Gewinn schon wert, ohne das nötige bisschen Adrenalin, dass untoten Körpern lange vergessene Thrills bietet?
Was bedeutet das am Spieltisch?
Die neue Welt der Dunkelheit ist – besonders für Spieler, deren Chroniken in europäischen Städten spielen – wesentlich gefährlicher und unberechenbarer geworden. Aber auch für junge Spielercharaktere ist es möglich, sich in kurzer Zeit an die Spitze der sozialen Leiter zu kämpfen. Für Spielrunden, die den offenen Sandboxansatz bevorzugen, bietet diese Version von Vampire von Haus aus deutlich bessere Startbedingungen.
Der klar offenere Hintergrund lädt dazu ein, seine Spieler in das Zentrum großer Veränderungen zu stellen, ohne sich bewusst gegen einen ganzen Berg von Publikationen zu stellen. Auch Neugeborene können sich in der Politik der Unsterblichen plötzlich deutlich freier und mit mehr Auswirkungen bewegen.
Die Kehrseite der Medaille ist allerdings, dass Gruppen, die eine traditionelle Chronik bevorzugen, oder Spieler, die selbst gerne einen alten und mächtigen Vampir darstellen möchten, von dieser Edition vollkommen im Stich gelassen werden. Weder bekommen sie das Handwerkszeug (Disziplinen jenseits der fünften Stufe, z.B.) noch erzählerische Handreichungen. Gruppen, die sich nach einer solchen Art Spiel sehen, sind bei der V20 eindeutig besser aufgehoben.
Insgesamt betont die V5 eher die paranoiden und geheimnistuerischen Aspekte des Vampirdaseins. Aus den Jägern sind in dieser Version eher Gejagte geworden. Die Second Inquisition ist den „Blankbodies“ auf der Spur, die Leopoldsgesellschaft erhebt sich aus ihrem Schattendasein, und die ehemaligen Patrone, Ahnen und Erzeuger sind nicht mehr da, um einen in Schwierigkeiten gekommenen Neugeborenen zu retten. Die Welt der Dunkelheit ist buchstäblich ein düsterer und gefährlicherer Ort für die Kinder Kains geworden.
Der Regelteil
Vernachlässigbar ist das beste Wort, um den Anteil neuer spielmechanischer Neuerungen in diesem Band zu beschreiben. Der Fokus liegt eindeutig auf dem Fluff und nicht der harten Mechanik. Dennoch lassen sich einige Neuerungen am Ende des Bandes finden. Diese Ergänzungen zum Grundregelwerk lassen sich in drei Kategorien einteilen. Loresheets, ein neuer Clan und Regeln für die Auseinandersetzungen zwischen Institutionen.
Die Loresheets sind Erweiterungen der klassischen Hintergründe, die ein Spieler bei der Charaktererschaffung kaufen oder im Laufe des Spiels erhalten kann. Nur statt „Ressourcen“, „Einfluss“ oder „Gefolgsleute“ gibt es hier quasi Wissen über bestimmte vampirische Hintergründe, zum Beispiel bei „Pure Ventrue Lineage“, oder Gefälligkeiten bei bedeutenden NSC, zum Beispiel „Victoria Ash“, zu erwerben. Das ist zwar eine nette Ergänzung, aber auch kein Quantensprung.
Anders wiederum sieht es bei dem neuen spielbaren Clan aus. Die „Banu Haquim“ werden in diesem Band zum ersten Mal vorgestellt. Dieser „neue“ Clan ist jener Teil der Assamiten, der sich in einem clansinternen religiösen Schisma von der Hauptlinie abgespalten hat und Zuflucht in der Camarilla sucht. Regeltechnisch beschränken sich die Neuerungen hier allerdings auf zwei Rituale, die ihre Clansdisziplin „Blood Sorcery“ erweitern und den Banu Haquim Zugang zu spezifischen Assassinen-Techniken geben. Die ehemalige Clansdisziplin „Quietus“ ist hingegen vollständig gestrichen, ebenso wie die spezifische Form der Assamiten-Hexerei „Dur-An-Ki“, welche durch das allgemeinere „Blood Sorcery“ mitsamt seinen Erweiterungen dieses Bandes ersetzt wurde. Für langjährige Fans der Assamiten ist das trotzdem sicherlich nicht zufriedenstellend, auch wenn mit „Celerity“ und „Obfuscation“ die anderen klassischen Disziplinen erhalten geblieben sind.
Die Verregelung von Auseinandersetzungen zwischen Institutionen schließlich wirkt wie ein halb durchdachter Nachsatz. Das auf einer Doppelseite erläuterte System ist sehr rudimentär und oberflächlich und wird sicherlich nur in wenigen Runden in dieser Form zum Einsatz kommen. Das haben andere Sandboxsystene wie beispielsweise Stars without Number in der Vergangenheit deutlich besser hinbekommen. Was sehr schade ist, da ein solches System in ausgereifter Form sicherlich eine Bereicherung für ein meta-lastiges Spiel wie Vampire wäre. In seiner jetzigen Form muss es aber leider als vertane Chance angesehen werden.
Erscheinungsbild
Optisch lehnt sich Camarilla sehr deutlich an das Grundregelwerk der fünften Edition an. Das bedeutet, dass man vom Layout und Stil einen deutlichen Bruch zu früheren Editionen vollzogen hat. Der neue künstlerische Stil mit seiner Mischung aus Fotos, Grafiken und Konzeptzeichnungen ist sicherlich einzigartig in der Spielreihe, aber auch nicht jedermanns Geschmack. Insgesamt wirkt Camarilla deutlich moderner als es noch die V20 tat, die stilistisch stark in der Tradition der 90er und frühen 2000er Jahre, der Hochzeit von Vampire, verhaftet war. Ob man das nun gut oder schlecht findet, muss jeder selbst entscheiden.
Ärgerlich ist hingegen, dass auch einige Layout-Macken des Grundregelwerks übernommen wurden. So wirken beispielsweise der häufige Wechsel zwischen, ein-, zwei- und dreispaltigen Textseiten, schwarzem und weißen Hintergrund, sowie der beständig wechselnde künstlerische Stil sehr unruhig und machen den Band zwar optisch abwechslungsreich, aber auch anstrengend zu lesen.
An Binde- und Druckqualität gibt es hingegen in der physischen Variante nichts zu bemängeln. Das Papier hat eine angenehme Haptik und Dicke, und auch die Bindung wirkt solide. Warum textlastige Bände immer noch in Hochglanz gedruckt werden, wird sich mir so schnell nicht erschließen. Die Spiegelungen halten sich aber im Rahmen und stören den insgesamt guten Gesamteindruck nicht. Auch der Preis ist mit 19.99 USD für das PDF oder 39,95 EUR für das gedruckte Buch im normalen Rahmen.
Fazit
Der Band wirft ein Schlaglicht auf den Zustand der größten kainitischen Sekte in der Gegenwart. Durch eine Reihe von In-time-Texten aus verschiedenen Perspektiven bekommt der Leser einen Eindruck von den massiven Veränderungen, die die Camarilla seit Beginn des neuen Jahrtausends erschüttert haben. Die fünfte Edition von Vampire: The Masquerade setzt hier ihren radikalen Umbaukurs, der sich schon im Grundregelwerk abzeichnete, konsequent fort. Während der Sabbat immer mehr zu einem Kreuzzug gegen die Vorsintflutlichen im Nahen Osten zieht, ist den Kainskindern Europas und Nordamerikas mit der Second Inquisiton ein neuer Feind erwachsen, der die Grundfesten der Sekte erschüttert. Während die Ahnen verschwinden, transformiert sich die Camarilla immer deutlicher zu jenem schattenhaften Elitenclub, der sie in den Augen der Anarchen schon immer war.
Spieltechnisch liegt der Fokus deutlich auf jungen und ambitionierten Vampiren, die sich in diesen chaotischen Nächten einen Namen machen wollen und nicht mehr von der erdrückenden Macht des Status Quo niedergehalten werden. So stark der Fluffteil des Bandes geraten ist, so schwach ist der tatsächliche Regelteil bzw. der Nutzen des Bandes als konkrete Ressource am Spieltisch. Hier wurde eine Chance vertan, dem System mehr regeltechnische Tiefe zu verleihen. Insgesamt aber ist Camarilla – für das, was es sein will – ein gelungener Band, der die Besonderheiten der fünften Edition von Vampire: The Masquerade weiter schärft und herausarbeitet. Wem allerdings schon die Neuerungen des Grundregelwerks nicht gefallen haben, der wird auch von diesem Band nicht konvertiert werden können.
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https://www.teilzeithelden.de/2020/02/05/rezension-dsa5-aventurisches-goetterwirken-ii-schau-schau-schamanen/
Die Welt Aventurien ist bekannt für ihren Glauben an die „Zwölfgötter“, doch auch abseits dieser Mehrheit haben sich diverse Glaubensrichtungen entwickelt. Menschliche Stammeskulturen werden von Schamanen in Glaubensfragen beraten, klerikale Orden verehren diverse Halbgötter. Doch was bietet Aventurisches Götterwirken II für den Spieltisch? Unser Redakteur Torben kennt die Antwort.
Du kannst den Regenbogen nicht haben, wenn es nicht irgendwo regnet.
(Schamanische Weisheit der Pueblo-Indianer)
„Welch‘ ein ketzerisches Werk!“, würden wohl die Praioten in Gareth sagen, wenn sie einen Blick in den neusten Regelerweiterungsband werfen könnten. Schamanen und Stammeskulte werden dort nicht anders dargestellt als die ehrenhaften Zwölfgötter. „Blasphemie“, höre ich sie bereits über den Zwölfgötterplatz schreien. Nur gut, dass es sich nicht um ein Ingame-Werk handelt.
Inhalt
Neben den bereits erwähnten Schamanen der menschlichen Stammeskulturen und den zugehörigen „Götzen“ bietet der Regelerweiterungsband Aventurisches Götterwirken II aber auch Einblicke in verschiedene halbgöttliche Kulte und diverse Orden, wie etwa den Marbo-Kult, die Bruderschaft der Levthansjünger oder die tulamidischen Hadjinim. Regelergänzungen zu Aventurisches Götterwirken (wir berichteten) sowie Regelerweiterung (unter anderem zu Liturgien, Sonderfertigkeiten, Talismanen) runden den Band ab.
Kapitel 1 – Traditionen
Ganze zehn Traditionen beleuchtet das neue Regelergänzungswerk aus der Bücherschmiede Ulisses Spiele. Dabei stehen dieses Mal nicht die „Zwölfgötter“ im Fokus, sondern die Halbgötter und der Schamanismus Aventuriens. Während Marbo, Levthan und Angrosch noch zu den bekannteren zählen, erhalten nun auch die eher unbekannten Götter bzw. die Schamanen der Fjarninger, Gjalskerländer, Trollzacker und Ferkina ihren verdienten Auftritt.
Rôschtula und Rascha – Götter der Trollzacker.
Aber auch die Stammesschamanen der Nivesen und Waldmenschen haben ihren Weg in das umfangreiche Werk gefunden. Einzig der Glaube der Rur-und-Gror-Kirche wirkt seltsam fehl am Platz, sind seine Anhänger doch bis dato vom klerikalen Wirken ausgeschlossen.
Dem Aufbau der Artikel aus dem Vorgängerband ist man treu geblieben, doch fehlt für Neueinsteiger häufig der Hintergrund zu den Glaubensrichtungen. Neben dem üblichen stichwortartigen Überblick sind zwar der Moralkodex sowie die Aspekte, Bräuche und klerikalen Artefakte der Kirche kurz beschrieben, aber eine stimmungsvolle Beschreibung der Kirche und des Glaubens, wie er in den Vademecums zu finden ist, fehlt leider. Nähere Informationen zu den Vademecums findet ihr unter anderem auch auf unserer Webseite, zum Beispiel zum Zwölfgötter-, Phex-, Travia-, Peraine-, Tsa-, Boron– oder Kor-Glaube.
Besonders hervorstechend sind die diversen Knochenkeulen als schamanische Ritualinstrumente. Während die wundervollen Illustrationen die Eigenheiten der unterschiedlichen Stämme wiederspiegeln, sind die damit verbundenen Sonderfertigkeiten eher einfallslos ähnlich oder gar gedoppelt. Die Texte der Sonderfertigkeiten „Knochenbrechende Keule“, „Freundschaft des Tieres“, „Tierische Kraft“ und „Keulenwurf“ hätte man für die entsprechenden Keulen zusammenfassen und somit eine Menge Platz sparen können.
Kapitel 2 – Erweiterte Liturgieregeln
Levthan – Halbgott der Begierde und Zügellosigkeit.
Das zweite Kapitel liefert neben altbekannten Regeln wie Prägungen oder Liturgiestilen auch neuere Regeln zur Herbeirufung, zu Talismanen und Träumen.
Auch in diesem Kapitel stechen die Illustrationen heraus, da besonderen Wert auf die Abbildung diverser Talismane gelegt wurde. Dass der Fokus dieses Kapitelparts auf den Talismanen der Zwölfgötter liegt, ist umso erstaunlicher, da man eher mit den Talismanen des Schamanismus und der beschrieben Halbgötter rechnet. Diese werden aber vollständig vernachlässigt, oder die entsprechenden Kulte besitzen eventuell einfach keine Talismane. Das wissen wohl nur die Götter.
Die Kirchenprägungen hingegen sollen universell auch für Kulte gelten, wenngleich schon der Name „Kirchenprägung“ eher zu den zwöfgöttlichen Kirchen passt.
Die Informationen und Regeln zu Träumen und Herbeirufungen sind sehr übersichtlich gestaltet und verweisen beide auf das Regelergänzungswerk Aventurische Magie II. Querverweise, die sicherlich gut gemeint sind, aber lediglich erneut die Aufsplittung diverser Regeln auf mehrere Regelbände verdeutlichen – eine Regelwerk-Verkaufspolitik, unter der seit DSA5 vor allem „reisende Spielleiter“ leiden.
Kapitel 3 – Sonderfertigkeiten
Bei den erläuterten Sonderfertigkeiten des Werkes handelt es sich ausschließlich um Regelergänzungen zu den Regeln aus den vorangegangenen Publikationen. Somit wird an dieser Stelle auch ausschließlich auf Sonderfertigkeiten eingegangen, die im direkten Zusammenhang mit den vorgestellten halbgöttlichen oder schamanischen Traditionen stehen.
Besonders interessant für das Ausgestalten eines Heldencharakters dürften hierbei die verschiedenen „Strömungen“ sein, denen ein Schamane oder Priester folgen kann. Den Schamanen steht beispielsweise offen, ob sie eher „Geisterführer“, „Medizinleute“ oder „Tierpriester“ sind.
Kapitel 4 – Liturgien
Marbo – Halbgöttin des Seelenfriedens und der Vergänglichkeit.
Neben dem Anhang nimmt das Kapitel um die Liturgien den größten Platz in diesem Band ein. Fast 100 neue Liturgien aller Göttergeweihten werden detailliert erklärt und mit allen wichtigen Werten vorgestellt.
Besonders auffällig ist dabei allerdings, dass sich nicht nur Beschreibungstexte immer wieder fast eins zu eins doppeln und viele Liturgien und Zeremonien vereinheitlicht werden könnten, sondern vor allem die immense Annäherung an die Zaubersprüche aus den Magiebänden.
Ersteres wird vor allem an Liturgien wie „Luchsgestalt“ und „Hundegestalt“ deutlich oder bei beschwörenden/herbeirufenden Liturgien wie „Wolfsruf“ und „Schlangenruf“ oder „Diener der Wolken“ und „Diener der Wellen“.
Hier hätte es vermutlich gereicht, auf eine Liturgie zu reduzieren und gegebenenfalls Alternativen aufzuzählen. Dies hätte nicht nur Platz gespart, sondern auch verhindert, dass die Texte eintönig und einfallslos wirken.
Während bereits die Regeln für die Gewinnung von karmaler und astraler Energie angeglichen wurden, so wird mit zunehmender Menge an Liturgien und Zeremonien auch die Unterscheidung von karmalem Wirken der Geweihten und astralem Wirken der Magier schwieriger, und die Mächte scheinen immer mehr zu verschwimmen. Schon in Vorgängerbänden war aufgefallen, dass Heilungszauber und Heilungsliturgien auch regeltechnisch fast identisch waren, nun sind auch Beschwörungsformeln davon betroffen. Diese Vereinheitlichung hat sicherlich den Vorteil, dass Neueinsteiger schneller sowohl das Magie- als auch das Liturgiesystem bergreifen. Für mich stellt dies aber eine zum Nachteil gereichende Vermischung dar, welche die individuelle Entwicklung von Glaube und Magie bedenklich stört. Wer sich für Magie und Religion in DSA interessiert, dem sei an dieser Stelle auch die wissenschaftliche Abhandlung von Gordon Nies empfohlen.
Kapitel 5 – Professionen
Raschtula – wilder Kriegsgott der Ferkinas.
Auf je einer Seite werden auch in diesem Band diverse Professionen vorgestellt. Mit hübschen Abbildungen, Wertekästen und den wichtigsten Informationen zu Tracht und Ausrüstung werden über 30 spielbare Professionen vorgestellt. Dabei wurde darauf geachtet, ein gutes Mischungsverhältnis sowohl aus Vertretern der halbgöttlichen Kulte als auch der schamanischen Stammeskulturen zu präsentieren. Der Zwölfgötterglaube ist beispielsweise mit Badilakaner (Traviagläubige), Bannstrahler (Praiosgläubige) oder Ardariten (Rondragläubige) ebenso vertreten wie die diversen Schamanen der Stammeskulturen. Ob Schochzula (Trollzacker) mit Bären-Oberschenkelknochenkeule, blutbeschmierter Nuranshâr (Ferkina) oder eisbärreitende Skuldrar (Fjarninger) – für jeden Geschmack und Spielstil ist etwas dabei.
Auffallend ist zudem, dass nicht alle beschrieben Ordensausrichtungen auch Liturgien aufweisen. Im Gegensatz zur Traditionsbeschreibung im ersten Kapitel, wo die Rur-und-Gror-Kirche deshalb heraussticht, passen ihre Priester hier in die Reihe der weltlichen Orden gut hinein. Therbuniten (Perainekirche), Sonnenlegionäre (Praioskirche) oder Mada Basari (phexgläubiger Händlerorden) beispielsweise, haben zwar Geweihte der entsprechenden Gottheiten in ihren Reihen, aber auch hier sind diese eher die Ausnahme.
Kapitel 6 – Archetypen
Kamaluq – Jagdgott der Waldmenschen.
Ergänzend zu den Professionen befinden sich auch in diesem Regelwerk wieder acht Archetypen, die einen schnellen Einstieg ins Spiel gewährleisten sollen. So kann man sich ohne eine detaillierte Heldenerschaffung mit einem Mohaschamanen, einer horasischen Ardaritin, einem Rur-und-Gror-Priester, einem tulamidischen Al’Drakorhim-Kämpfer, einer Nivesenschamanin, einer bornischen Marbidin, einem Garether Sonnenlegionär oder einer Phexgeweihten aus dem Orden der Mada Basari sofort ins Abenteuer stürzen.
Wie bereits in früheren Werken mit Archetypen sind auch dieses Mal die Geschichten der einzelnen Personen miteinander verwoben und bilden gemeinsam die Geschichte um „Jarud’Scharbars Erwachen“. Neben geschickt eingewobenen Informationen zu den Charakteren kann der Leser somit auch dem Geheimnis einer spannenden Kurzgeschichte auf den Grund gehen.
Anhang
Wer sich über den Umfang der Publikation gewundert hat, der muss spätestens im Anhang feststellen, dass dieser nicht wie gewohnt nur ein paar einzelne Seiten umfasst, sondern mit mehr als 60 Seiten auch mehr als ein Viertel des Platzes im Werk einnimmt.
Abgestimmt auf die beschriebenen Professionen und Archetypen findet man hier alle wissenswerten Regeln zu neuen Kampffertigkeiten, Ausrüstungen, Kulturen und Zuständen.
Auf zwölf Seiten erhält der eifrige Leser hier zudem eine umfassende Beschreibung des Vampirismus als Ergänzung und Unterstützung des Marbo-Glaubens. Dem schließen sich etliche Seiten zum Thema Wesensregeln an, inklusive einer Wertebeschreibung von mehr als 25 Kreaturen, welche mittels Liturgie beschworen/herbeigerufen werden können.
Eine wirklich außerordentliche Ergänzung zu den bereits beschriebenen tulamidischen Orden in den Kapiteln „Professionen“ und „Archetypen“ haben sich die Autoren für den Abschluss der Publikation ausgedacht. Auf sage und schreibe 18 Seiten beschreiben sie ausführlich drei Orden der Hadjinim (Kriegerorden) bis ins Detail. Nicht nur für Spieler, sondern auch für Spielleiter bieten diese Seiten hervorragendes Material für den Spieltisch. So sind auch Meisterinformationen zu den einzelnen Orden nebst spielbaren Szenarioideen vorhanden.
Erscheinungsbild
Neben dem eher düster wirkenden Coverbild von Annika Maar sind insbesondere die Innenillustrationen von Nadine Schäkel hervorzuheben, welche erneut auf wundervolle Weise die Götterwelt zum Leben erwecken. Aber auch sonst ist das Layout des Werkes gelungen und bringt neben vielen neuen und einigen alten Illustrationen auch eine gute Lesbarkeit und Übersichtlichkeit mit sich. Wichtige Textstellen wurden wie immer hervorgehoben, Symboliken und Fußnoten helfen bei der Orientierung und geben nützliche Hinweise.
Bonus/Downloadcontent
Es ist kein Bonus- oder Downloadcontent vorhanden.
Fazit
Der Regelerweiterungsband Aventurisches Götterwirken II bietet eine Menge neuer Ansätze zum Spielen von halbgöttlichen Geweihten, Stammesschamanen und Ordensmitgliedern. Neben den umfangreichen Beschreibungen, Werten und Regeln sind es insbesondere die Illustrationen, welche dem Band ein einzigartiges Flair verleihen. Wenn man von den immer mehr angeglichenen Magie- und Glaubenskonzepten absieht und die vielen Doppelungen bei Beschreibungstexten ignorieren kann, ist dieses Werk eine tolle Ergänzung für jeden Spieltisch. Was den beschriebenen Glaubenstraditionen wie beispielsweise Marbo-Glaube oder Gjalskerschamanismus an Hintergrund fehlt, machen die umfangreichen Seiten des Anhangs mit ihren detaillierten Beschreibungen zu den tulamidischen Hadjinim-Kriegerorden oder dem „klerikalen“ Vampirismus wieder wett. Mit den Worten eines Phexgeweihten der Mada Basari: „Das muss ich haben!“
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https://www.teilzeithelden.de/2020/02/04/ersteindruck-cyberpunk-red-jumpstart-kit-r-talsorian-games/
Cyberpunk-Fans weltweit erwarten sehnlich das Release von Cyberpunk 2077. Der Rollenspiel-Shooter schreibt die Geschichte des Rollenspiel-Klassikers Cyberpunk 2020 fort, spielt allerdings satte 57 Jahre später. Mit Cyberpunk Red schlägt R. Talsorian die Brücke zwischen dem alten Cyberpunk-Lore und dem kommenden Videospiel und versucht sich zugleich an einem neuen, zeitgemäßen Cyberpunk-Regelwerk.
Mit Cyberpunk Red unternimmt R. Talsorian Games den Versuch, dem 90er-Jahre-System neues Leben einzuhauchen und zugleich sein Lore weiterzuentwickeln – denn immerhin klafft zwischen Cyberpunk 2020, dessen Metaplot im Jahr 2022 endete, und Cyberpunk 2077 eine Story-Lücke von rund 55 Jahren. Cyberpunk RED, dessen Handlung im Jahr 2045 angesiedelt ist, füllt diese Lücke zumindest teilweise und knüpft dabei unmittelbar da an, wo Cyberpunk 2020 endete. Die Spin-Offs CyberGeneration und Cyberpunk V3.0 bleiben alternative Settings ohne Einfluss auf den Kanon.
Die Spielwelt
Das Jahr 2045: Der Vierte Konzernkrieg ist vorbei. Ein Vierteljahrhundert, nachdem die Megakonzerne Arasaka und Militech in Firestorm, der Abschlusskampagne zu Cyberpunk 2020, den Globus verwüstet haben, kehrt die Welt immer noch die Scherben zusammen.
Cyberpunk trifft Postapokalypse
Auf 28 Seiten beschreibt das Worldbook des Jumpstart Kits in groben Zügen die Spielwelt und Cyberpunks alternative Geschichtsschreibung von 1990 bis 2045. Die Entwicklungen seit dem Konzernkrieg stehen dabei im Mittelpunkt. Auch der Name der Nachkriegs-Ära, der „Time of the Red“, und sogar der Titel Cyberpunk Red führt sich darauf zurück: Eine taktische Atombombe hat 2022 die Innenstadt der ikonischen Cyberpunk-Modellmetropole Night City (vergleichbar etwa mit Seattle im Shadowrun-Universum) dem Erdboden gleichgemacht. Die dabei in die Atmosphäre geschleuderten Partikel sorgen noch 2045 für intensiv rote Sonnenauf- und Untergänge.
Night City ist 2045 übrigens weitgehend wiederaufgebaut, hat mit der Stadt von damals aber nur noch entfernte Ähnlichkeit. Diese Metamorphose ist symptomatisch für die gesamte Welt von Cyberpunk Red, das beim klassischen Cyberpunk-Setting einen Gang herunterschaltet und stattdessen eine ordentliche Portion Wildwest-Flair und Postapokalypse untermischt.
Infolge des Konzernkriegs steht die globalisierte Welt am Abgrund. Internationale Warenströme sind versiegt und das weltumspannende NET wurde von einem Supervirus nahezu vollständig und irreparabel zerstört. Die Megakonzerne sind entweder untergegangen oder haben sich in etliche national operierende „Corpos“ aufgespalten – ohne quasi-staatliche Privilegien, Privatarmeen und uneinnehmbare Firmen-Festungen. Auch viele Staaten sind kollabiert, darunter die USA, deren mehr oder weniger heil gebliebene Überreste an der Ostküste, nun faktisch eine Militärdiktatur, die Kontrolle über den gesetzlosen „wilden Westen“ weitgehend verloren haben.
Power to the Punks
Die Intention dahinter ist deutlich und wurde von Mike Pondsmith so auch formuliert: Cyberpunk Red soll klarere Verhältnisse und einen übersichtlicheren Rahmen schaffen. Dabei soll es eine Spielwelt bieten, die mehr Fokus auf lokale Ereignisse und Akteure legt und mehr Freiräume für die eigentlichen Stars des Systems schafft: Die „Edgerunner“ und Cyberpunks, Söldner und Revolverhelden, Nomaden, Rockerboys und Guerilla-Reporter, kurzum die ikonischen Rebellentypen des Cyberpunk-Genres. Die „Time of the Red“ schafft für diese Untergrund-Antihelden deutlich mehr Freiheiten, mehr Spielräume, mehr jagen und weniger gejagt werden.
Dem Durchschnitts-Bürger geht es angesichts des allgemeinen Zerfalls sogar besser als in den 20er-Jahren, dank im Dachgarten gezogenem Gemüse, geklauten Solarkollektoren und irgendwo geplündertem Vorkriegs-Tech. Moderne Kommunikationsgeräte, Waffen, Munition, Cybertech und Fahrzeuge gibt es aber nach wie vor – auf der Straße oder dem Schwarzmarkt, denn reguläre Geschäfte kennt die „Time of the Red“ praktisch nicht mehr.
Wie genau die Spielwelt den Spagat zwischen Untergang und Fortschritt schafft, bleibt unkonkret. Die USA und die restliche Welt werden jeweils nur auf etwas mehr als einer Seite in groben Zügen beschrieben, dazu kommen noch ein paar Seiten Weltgeschichte und ein wenig Fluff, der das Alltagsleben im Jahr 2045 grob umreißt. Vermutlich wird man, um die „Time of the Red“ wirklich verstehen zu können, auf das Grundregelwerk warten müssen.
Die Regeln
Wie an mehreren Stellen in den Büchern betont wird, ist das Jumpstart Kit gewissermaßen eine Demo für das kommende Grundregelwerk, vereinfacht und gekürzt, um leichter in das System einsteigen zu können. Allerdings entsteht beim Lesen schnell die Frage, wie hilfreich das Jumpstart Kit für den Einstieg ins eigentliche Cyberpunk Red sein wird, denn an einigen Stellen erwecken Formulierungen den Eindruck, dass bestimmte Regeln womöglich im Grundregelwerk anders funktionieren werden. Es wird aber nicht wirklich transparent gemacht, welche Regeln das sind und wie weitreichend die möglichen Abweichungen sind.
Das Interlock-System
Cyberpunk Red verwendet, wie schon Cyberpunk 2020 und auch das The Witcher TRPG, das Interlock-System, das allerdings grundlegend überarbeitet, angepasst und gestrafft wurde. Charaktere basieren auf neun Attributen und einer Reihe von Skills, jeweils mit einem Wert zwischen 0 und 10. Bei Proben werden Attribut und zugehöriger Skill summiert, ein W10 addiert und die Summe mit einem festgelegten Zielwert verglichen. In Konfliktsituationen wird stattdessen direkt vergleichend gewürfelt, der höhere Wurf setzt sich durch.
Das Jumpstart Kit listet insgesamt 22 Skills auf, das Grundregelwerk wird aber deutlich mehr Skills enthalten. Alle Charaktere erhalten bei der Erschaffung Gratis-Ränge in verschiedenen Skills, beispielsweise in „Wahrnehmung“, „Allgemeinbildung“, „Athletik“ und „Waffenloser Kampf“. Für das Jumpstart Kit spielt das aber eigentlich keine Rolle, denn es gibt keine Regeln zur Charaktererschaffung.
Charakterklassen
Cyberpunk Red behält das Klassensystem von Cyberpunk 2020 bei und umfasst neun Charakterklassen, von denen aber nur sechs im Jumpstart Kit spielbar sind: Rockerboy (Musiker und andere Entertainer), Solo (Söldner, Profikiller und andere Kämpfer), Tech (Mechaniker, Bastler und Mediziner), Nomad (Profi-Fahrer und Straßenkrieger à la Mad Max), Fixer (Info-Broker, Hehler und Schmuggler) und Netrunner (Hacker). Im Grundregelwerk wird jede Klasse einen exklusiven Spezial-Skill haben, diese kommen im Jumpstart Kit aber nicht zum Einsatz – mit Ausnahme des Netrunners, dessen Klassenskill ihm das Hacken überhaupt erst ermöglicht.
Zu jeder Charakterklasse enthält das Jumpstart Kit einen fertig ausgearbeiteten Archetypen. Skills, Ausrüstung und Cyberware stehen fest, Einfluss nehmen kann der Spieler auf die Attribute und auf die Persönlichkeit und Vita seines Charakters. Jeder Charakterbogen kommt mit sechs unterschiedlichen Attributs-Blöcken, der Spieler kann sich einen Block aussuchen oder auswürfeln.
Charakterbogen
Der vorgefertigte Charakterbogen des Solo-Archetypen mit verschiedenen Attributs-Blöcken und freien Feldern für den Charakterhintergrund.
Mit dem „Lifepath“-Modul kann sich der Spieler außerdem eine Persönlichkeit und eine Lebensgeschichte für seinen Charakter entweder aussuchen oder erwürfeln. Spieltechnische Auswirkungen hat das Modul nicht.
Die Kampfregeln
Für Kämpfe verwendet Cyberpunk Red eine weiterentwickelte und deutlich abgespeckte Version des Kampfsystems von Cyberpunk 2020. Vor allem die Regeln zu Automatikfeuer wurden stark vereinfacht und entschärft – pro Angriff treffen in Cyberpunk Red maximal eine Handvoll Kugeln das Ziel. Angriffe laufen ab wie alle anderen Skill-Proben auch der Zielwert von der verwendeten Waffe und der Entfernung zum Ziel ab. Nur Charaktere mit sehr hohem Reflex-Attribut können im Fernkampf aktiv ausweichen, dann wird aus dem Angriffswurf eine vergleichende Probe. Im Nahkampf wird grundsätzlich vergleichend gewürfelt.
CyborgEs gibt zwei Trefferzonen: Kopf und Körper. Kopftreffer sind schwieriger, richten aber mehr Schaden an. Beide Trefferzonen können individuell gepanzert werden. Die Panzerung zählt als passiver Bonus und wird vom erlittenen Waffenschaden abgezogen. Überzähliger Schaden reduziert dann die Lebenspunkte des Charakters. Charaktere, deren Lebenspunkte auf 0 sinken, sterben früher oder später, wenn sie keine Erste Hilfe erhalten.
Die Waffen werden in Klassen eingeteilt, die sich in Schaden, Reichweite und dem Feuermodus unterscheiden. Waffen selbst bleiben abstrakte Platzhalter; spezifische Modelle mit Bild oder Beschreibung stehen nicht zur Wahl.
Cyberware
Die vorgefertigten Charaktere (und auch verschiedene NSC) verfügen jeweils über eine Handvoll Cyberware-Implantate, die jeweils bestimmte spieltechnische Boni liefern oder als Waffe eingesetzt werden können. Zu jedem Implantat gibt es eine knappe Beschreibung.
Diese Implantate sind festgelegt: Sich weiter vercybern zu lassen ist im Einsteiger-Regelwerk keine Option.
Netrunning
Das weltweite NET ist in der „Time of the Red“ ebenso Geschichte wie der Cyberspace, in dem man gedankenschnell und körperlos herumfliegen konnte. Öffentliche Netzwerke sind beschränkt auf regionale Informationsplattformen auf dem technischen Niveau des heutigen Internets. Das „echte“ NET, in das sich Netrunner mental einstöpseln können, existiert nur noch in Form lokaler Netzwerke.
Wortwörtlich einstöpseln muss sich aber niemand mehr, denn das neue NET ist eine kabellose Augmented-Reality-Umgebung, die der Netrunner durch eine Datenbrille sieht. Eine WiFi-Welt analog zu Shadowrun, in der sich nahezu alles hacken lässt, ist das kabellose NET aber nicht; Hacking bleibt auf Systeme wie Firmennetzwerke beschränkt. Zugangspunkte zu solchen Systemen haben in der Regel eine Reichweite von lediglich sechs Metern. Für die Netrunner heißt das: Keine Hacks mehr vom heimischen Sofa aus, sondern raus an die Front.
Hacken funktioniert nach dem „Fahrstuhl“-System: Computersysteme staffeln sich in übereinander liegende Level, die der Netrunner der Reihe nach von oben nach unten erkundet. Auf jedem Level können dann Dateien und der Zugriff auf Sicherheitssysteme und Ähnliches liegen, aber auch Passwortsperren oder „Black ICE“ (aggressive und potentiell tödliche Verteidigungsprogramme).
Abenteuer
Das Jumpstart Kit enthält ein längeres, viereinhalbseitiges Abenteuerszenario sowie als Zugabe drei kürzere Szenarien auf jeweils etwa einer Seite zuzüglich Fluff-Text, die der SL als Grundlage für weitere Abenteuer verwenden kann. R. Talsorian verspricht vorgefertigte Abenteuer, die sich „out of the box“ spielen lassen. Falls man darunter Abenteuer versteht, die so umfassend ausgearbeitet und durchstrukturiert sind, dass sie ohne nennenswerte Vorbereitung und zusätzliche Ausgestaltung spielbar sind, dann ist das eindeutig nicht der Fall. Fehlende Details und Hintergrundinformationen fordern dem Spielleiter viel Improvisationstalent und/oder gründliche Vorarbeit ab – das genaue Gegenteil von „out of the box“. Dass der eigentliche Plot auf Schienen läuft und oft Handlungen der Spieler voraussetzt oder gleich vorwegnimmt, macht es für einen unerfahrenen Spielleiter nicht leichter.
Eins haben die Szenarien im Jumpstart Kit alle gemein: Es sind Schießbuden. Eigentlich in jedem Fall läuft nach kurzer, linearer Einleitung die Lösung auf einen oder mehrere Kämpfe hinaus. Andere Optionen werden oft gar nicht erst erwähnt oder sogar durch das festgeschriebene Verhalten der NSC aktiv ausgeschlossen. Unter diesem Licht betrachtet ist es dann auch nicht verwunderlich, dass ausnahmslos alle vorgefertigten Charaktere vom Rockerboy bis zum Tech schwer bewaffnet und von Kopf bis Fuß solide gepanzert sind.
Erscheinungsbild
Umfang
Eine Anmerkung vorweg: Die Druckversion des Cyberpunk Red Jumpstart Kit präsentiert sich als Box mit Softcover-Heften, Broschüren und losen Blättern. In der digitalen Version sind die einzelnen Dokumente stattdessen jeweils als separate PDFs enthalten. Da wir für diese Rezension nur die digitale Version vorliegen hatten, können wir zur Qualität der gedruckten Produkte keine Aussagen treffen.
Das Jumpstart Kit umfasst zwei Bücher: Das Worldbook liefert auf 53 Seiten einen Überblick über die Hintergrundwelt von Cyberpunk Red, die Geschichte, ein Profil der Stadt Night City sowie Tipps zum Spielleiten. Außerdem sind hier das Start-Abenteuer und die weiteren Szenarien enthalten. Das 45-Seitige Rulebook enthält die Spielregeln inklusive Kampf- und Netrunning-System sowie einige weitere Erklärungen zur Cyberpunk-Spielwelt. Hinzu kommen die sechs vorgefertigten Charaktere, jeweils mit einer Seite Fluff-Text und Bild und einer Seite Charakterbogen, ein doppelseitiges Handout mit Regel-Kurzübersicht für Spieler und ein vierseitiges Heft für den SL mit Regelübersicht und anderen hilfreichen Tabellen. Alle Dokumente kommen in DIN A4; lediglich das Kartenpaket, mit dem das das Paket abgerundet wird, kommt im A3-Format und enthält vier Bodenpläne: eine generische Straßenecke, ein Stück staubiger Highway, eine Bar und ein Bürogebäude.
Layout
Das gesamte Jumpstart Kit präsentiert sich in Farbe. Das Layout ist klar und nüchtern, aber wenig aufregend. Rot und weiß dominieren das Seitenbild mit hin und wieder eingestreuten Info-Kästen, Zitaten (von denen so einige dem Cyberpunk 2020-Grundregelwerk entnommen sind) oder Illustrationen. Nennenswerte Layout-Schnitzer sind nicht aufgefallen, wohl aber einige Wort-Doppelungen oder Tippfehler.
Die Bebilderung wirkt durch die Bank solide, die Bildqualität ist gut. Die Illustrationen stammen von verschiedenen Künstlern mit ganz unterschiedlichen Stilen, die gezeigten Motive erinnern an Vorlagen von Ghost in the Shell über Elysium und Blade Runner bis hin zu Mad Max.
Sowohl Worldbook als auch Rulebook haben ein Inhaltsverzeichnis, aber keinen Index. Die Regel-Tabellen der Übersichts-Handouts enthalten keine Seitenverweise zum Regelbuch, was dem schnellen Nachschlagen am Spieltisch sicher gutgetan hätte.
Bonus/Downloadcontent
Kürzlich ist auf R. Talsorians Homepage das Download-Kurzabenteuer Red Chrome Cargo für das Jumpstart Kit erschienen. Außerdem gibt es auf der Homepage die Developer‘s Logs mit Einblicken in die Entwicklung von Cyberpunk und den Q&A-Podcast Listen Up!, in dem Mike und Cody Pondsmith unter anderem über Fragen zu Cyberpunk Red diskutieren.
Fazit
Das Cyberpunk Red Jumpstart Kit ist eine kostenpflichtige Demo – nicht mehr, nicht weniger. Es liefert in aller Kürze einen Einblick in die Spielregeln, die das kommende Grundregelwerk enthalten wird, macht aber keinen Hehl daraus, dass der Großteil eben erst mit diesem Buch erscheinen wird. Das reduzierte Interlock-System ist unkompliziert und dürfte auch für absolute Einsteiger leicht zu erlernen sein. Der Überblick über die Spielwelt hingegen fällt ziemlich grob aus, gerade bei Einsteigern ohne Cyberpunk-Vorerfahrung dürften viele Fragen offen bleiben.
Die im Worldbook enthaltenen Abenteuer-Szenarien machen einen durchaus spielbaren Eindruck, sind aber sehr auf Kampf zugespitzt und nur rudimentär ausgearbeitet – Einsteigerrunden dürften hier schnell überfordert sein. Die enthaltenen Regeln ermöglichen durchaus, auch eigene Szenarien zu spielen, das Regelwerk schränkt die Möglichkeiten aber deutlich ein. Eine längere Kampagne abwechslungsreich zu gestalten dürfte deshalb schwierig werden, auch mangels Ausbau- und Entwicklungsmöglichkeiten für die Charaktere.
Für die ersten Schritte und eine grobe Orientierung in der neuen „Time of the Red“ und der nächsten Edition des Cyberpunk-Rollenspiels ist das Jumpstart Kit aber allemal geeignet und es macht neugierig auf das kommende Grundregelwerk. Ein Spielwert über einige Spielabende hinaus ist aber eher nicht in Sicht, zumal die Box mit dem Erscheinen des Grundregelwerks weitgehend obsolet werden dürfte. Den Preis von knapp 30 US-Dollar erscheint daran gemessen ziemlich hoch. Bei der PDF-Version, die es auf unabsehbare Zeit für knapp 10 US-Dollar gibt, stimmt das Preis-Leistungs-Verhältnis schon eher.
Die Endwertung fällt deshalb alles in allem durchwachsen aus. Das Cyberpunk Red Jumpstart Kit ist vor allem ein Produkt für alte Cyberpunk-Fans, die wissen wollen, wie die Geschichte weitergeht, und für alle, die sich mental schon mal auf Cyberpunk 2077 einstimmen und mehr über R. Talsorians Cyberpunk-Welt erfahren wollen. Für Einsteiger, die einfach neugierig auf das Cyberpunk-Genre insgesamt sind, ist das Jumpstart Kit definitiv eine Option, aber nicht unbedingt der Geheimtipp des Jahres.
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https://www.teilzeithelden.de/2020/01/21/rezension-dsa-der-klang-des-feyraasal-durch-wind-und-traum/
Nachdem die Helden dem Ruf der Bahalyr gefolgt sind, lauschen sie nun dem Klang des Feyraasal. Das zweite Abenteuer der Sternenträger-Kampagne führt die Gruppe auf eine wahrhaft fantastische Reise in den hohen Norden. Die Teilzeithelden haben sich unter das Reisegefährt geklammert und sind mit dabei.
Der Klang des Feyraasal ist das zweite Abenteuer der Sternenträger-Kampagne. Diese beschäftigt sich mit länger nicht mehr beachteten Elementen des Metaplots rund um die Hinterlassenschaften der aventurischen Hochelfen, deren Reiche vor Jahrtausenden untergingen. Langjährige Spieler von Das Schwarze Auge denken in diesem Zusammenhang nicht ohne Grund an die Phileasson-Kampagne, die in diesen Tagen von Bernhard Hennen und Robert Corvus prosaisch aufgearbeitet wird.
Die Sternenträger-Kampagne geht weiter
Direkt im Anschluss an Der Ruf der Bahalyr beginnt Der Klang des Feyraasal. Im Abenteuer wird leider auf eine grobe Zusammenfassung der Ereignisse des ersten Teils verzichtet. Ebenso wird bei der Einordnung des einzelnen Abenteuers in die Gesamthandlung der Kampagne auf den ersten Teil verwiesen. Das ist völlig legitim und nachvollziehbar, erschwert aber ein Stück weit den Zugang. Da im ersten Teil die zentralen Elemente der Kampagne vorgestellt wurden, hätte zumindest ein Absatz nicht geschadet, inwiefern und mit welcher Gewichtung diese Punkte für das aktuelle Abenteuer relevant sind.
An dieser Stelle sei kurz zusammengefasst, dass die Helden im ersten Abenteuer einem magischen Ruf folgten, der sie zum hochelfischen Zauberschiff Bahalyr brachte. Es ist vermutlich kein Spoiler mehr, dass es sich dabei um das auf dem Umschlag des Abenteuers abgebildete fliegende Schiff handelt. Dieses Schiff wird für den Rest der Kampagne das Zuhause der Helden sein, denn ihre Reise führt sie unter anderem in entlegene Winkel Aventuriens. Welchem alten Geheimnis sie hinterherjagen, wird allerdings im Spoilerkasten versteckt bleiben.
Zunächst aber zum ersten Kapitel des Abenteuers: Es beinhaltet eine ausführliche Beschreibung der Bahalyr sowie Ideen, wie sich das Schiff im Laufe der Kampagne zur fliegenden Heimstatt der Helden entwickeln kann. Dabei sind vor allem die Hinweise zu den Meisterpersonen, welche die Expedition begleiten, hilfreich. Durch sie steigt nicht nur das Gefühl, Teil einer lebendigen Geschichte zu sein, sondern um sie herum lassen sich auch kleine oder große Abenteuer stricken.
Der Klang des Feyraasal ist im Wesentlichen ein Reiseabenteuer, das im Wesentlichen auf den weiteren Verlauf der Kampagne vorbereitet. Die Helden machen sich mit der Bahalyr vertraut und erfahren kleine Bruchstücke des Hintergrunds, die dabei helfen, einen besseren Blick auf das Gesamtbild zu bekommen. Dass die Reise dabei nicht zum beschaulichen Rundgang durch Augenblicke der hochelfischen Geschichte wird, stellt eine zentrale Herausforderung an die Spielleitung dar.
Als meditative, fast schon erholsame Fahrt durch Träume und Wolken funktioniert das Abenteuer hingegen sehr gut. Dass man am Ende durch einen fast schon fulminanten Kampf gegen einen übermächtig scheinenden Gegner aus dieser mystischen Atmosphäre gerissen wird, passt deswegen sehr gut in die Handlung. Auch innerhalb der Kampagne wird Der Klang des Feyraasal dadurch seiner Funktion gerecht. Nach dem epischen Auftakt folgt eine wohldosierte Menge an Hintergrundwissen, an die sich eine mahnende Warnung vor den immer noch existenten Gefahren anschließt.
Es gibt nur wenige Wermutstropfen bei der Lektüre des Abenteuers. Dazu gehört zum Beispiel der Umstand, dass die im Finale angreifenden Gegner zunächst keinen direkten Bezug zum Hintergrund der Kampagne haben. Es bleibt zu vermuten, dass sich dies in weiteren Abenteuern ändert, doch zunächst bleiben ihre Motive – zumindest aus SpielerInnensicht – undurchsichtig. Über eine Meisterperson, die gemeinsam mit den Gegenspielern eingeführt wird, kann die Spielleitung jedoch Licht ins Dunkel bringen.
Da das Abenteuer trotz einer relativ fest vorgeschriebenen Handlung größtenteils als Baukasten präsentiert wird, muss die Spielleitung sowohl an der oben genannten als auch an anderen Stellen unverhältnismäßig viel Vorbereitung investieren. Dies bietet aber natürlich auch viel Potenzial, um die erste große Reise auf der Bahalyr unvergesslich werden zu lassen. Dass sich diese Vorbereitung nicht immer direkt in Der Klang des Feyraasal auszahlen wird, bleibt ein Manko des Abenteuers, ist aber im Gesamtkontext einer epischen Kampagne verständlich.
Vereinzelt wirken die Seiten unter mehreren Sonderkästen und -absätzen etwas überfrachtet und unübersichtlich.Einer der Expeditionsteilnehmer ist Magister Castellani-Thaliyin.
Mit stimmigen Darstellungen mystischer Traumwelten und entrückt wirkenden Landstrichen werden neue Akzente gesetzt.
Dafür können die einzelnen Episoden des Abenteuers durchaus überzeugen. Obwohl der Reiseaspekt im Vordergrund steht, dürften auch kämpferische oder sozial begabte Charaktere auf ihre Kosten kommen. Wer vor wunderschöner Naturkulisse mystische Erfahrungen und packende Kämpfe erleben möchte, wird von Der Klang des Feyraasal nur schwerlich enttäuscht werden. Kurz gesagt: Mit Blick auf die Kampagne stimmt die Qualität, in sich wirkt das Abenteuer aber nicht ganz rund und benötigt durch seinen stückchenhaften Aufbau viel Vorbereitung.
Viele Kästen vor wunderschöner Kulisse – Das Erscheinungsbild
Was die Illustrationen betrifft, hat Das Schwarze Auge mit seiner fünften Edition bereits einen sehr guten Standard erreicht. Der Klang des Feyraasal setzt aber mit stimmigen Darstellungen mystischer Traumwelten und entrückt wirkender Landstriche noch einmal neue Akzente. Was das Layout betrifft, ist das Abenteuer gut und übersichtlich gegliedert. Nur vereinzelt wirken die Seiten unter mehreren Sonderkästen und -absätzen etwas überfrachtet und unübersichtlich.
Fazit
Der Klang des Feyraasal ist das kurze Luftholen nach dem stürmischen Auftakt einer Kampagne, die noch lange nicht am Ende ist. Von Umfang und Spielzeit her mag der zweite Teil etwas kürzer ausfallen. Dies liegt aber zum einen daran, dass das erste Kapitel, in dem allgemein die Bahalyr und die weiteren Handlungen der mitreisenden Meisterpersonen beschrieben werden, für den weiteren Verlauf der Kampagne genutzt werden kann. Zum anderen kann die Reise in den hohen Norden durch die Spielleitung ausgebaut werden. Sich dessen bewusst zu werden, dass man immer noch am Anfang einer langen Reise steht, kann allein viel Raum einnehmen, den man den SpielerInnen auch geben sollte.
Auch wenn Der Klang des Feyraasal kein überragendes, aber dennoch gutes Abenteuer ist, macht es sich mit seinen Motiven und seiner Dramaturgie sehr gut im bisherigen Verlauf der Sternenträger-Kampagne. Wer diesen Teil der Reise noch vor sich hat, kann sich auf weitere fantastische Erlebnisse freuen.
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https://www.teilzeithelden.de/2020/01/10/ersteindruck-scheherazade-rollenspiel-aus-tausendundeiner-nacht/
Noch sind die Nächte lang und kalt – die beste Zeit, sich mit Fantasie (und einer Kanne Tee) in wärmere Gefilde zu versetzen. Scheherazade ist ein Rollenspielsystem für Geschichtenerzählerinnen, Märchenonkel und andere Fans von Fabeln aus dem Morgenland, das auf narratives Spiel und exotisches Flair setzt.
Europäische Sagen und Märchen sind die Hauptinspirationsquelle vieler klassischer Fantasy-Rollenspiele – an morgenländische Märchen erinnernde Szenarien kommen oft höchstens als Nebenschauplatz oder exotisches Heimatland des einen oder anderen Charakters vor. Dabei sind die Geschichten aus Tausendundeiner Nacht und an sie angelehnte orientalisierende Märchen seit gut drei Jahrhunderten in Europa bekannt und sehr beliebt. Von fliegenden Teppichen, Wünsche erfüllenden Flaschengeistern, Sindbad dem Seefahrer und Ali Baba haben wir wohl alle schon einmal gehört – und viele auch eine relativ gute Vorstellung, wie sie in ein Rollenspiel-Setting einzufügen wären. Was läge also näher, als ein ganzes Rollenspielsystem darauf aufzubauen?
Die Spielwelt
Die Welt von Scheherazade ist – wenig überraschend – die der Märchen aus Tausendundeiner Nacht: angesetzt in einer phantastischen Version vom Bagdad des islamischen Mittelalters, in der die schöne Scheherazade in den Fängen des grausamen Kalifen Shahryar Nacht für Nacht Geschichten erzählt, um ihr Leben zu retten. Im Märchen ist der Kalif nach eintausendundeiner Nacht so weit besänftigt, dass er davon absieht, Scheherazade am Morgen zu töten und sie stattdessen heiratet. Das Rollenspielsetting weicht hier vom Quellenmaterial ab. In Scheherazade ist die Titelheldin in einen magischen Schlaf verfallen, und die Charaktere sollen sie retten, denn andernfalls wird das Kalifat untergehen und eine Armee böser Dschinns möglicherweise Einwohnerinnen und Einwohner heimsuchen. Letzteres wird allerdings nur angedeutet.
Der Einstieg in die Spielwelt erfolgt in Form einer Geschichte, die die Spielenden quasi mitten ins Geschehen wirft.
Diese Rahmenhandlung ist als Vorschlag für einen Kampagneneinstieg vorgesehen, jedoch ist es nicht zwingend notwendig, sich daran zu orientieren. Das Setting bietet auch eine große Bandbreite an Möglichkeiten für unabhängige One-Shots. Bagdad, die Prächtige, die im Einstiegstext kurz beschrieben wird, ist die Hauptstadt des „Kalifats des Ewigen Mondes“, eines ebenso mächtigen wie märchenhaften Reiches, das den gesamten Vorderen Orient von Ägypten bis nach Indien umfasst. Darin können geneigte Spielgruppen alles erleben, was in den Märchen aus Tausendundeiner Nacht, den daran angelehnten Geschichten von Wilhelm Hauff und deren popkulturellen Adaptionen von Isnogud bis Prince of Persia vorkommt: wilde Verfolgungsjagden auf fliegenden Teppichen, Kämpfe mit bösartigen Ifriten, verschlagenen Magiern oder reanimierten ägyptischen Mumien, Schatzsuchen in den uralten Tempeln vergangener Kulturen und Ärger mit daraus resultierenden Flüchen. Alles, was in ein orientalisches Setting passt, ist erlaubt und erwünscht, historische Akkuratesse nicht zwingend notwendig. Das Setting ist als „Teen“, also „familienfreundlich“ und nicht wirklich für düstere Horrorkampagnen oder allzu realistische Szenarien vorgesehen. Die Beschreibung hält sich weniger mit Details der Welt auf, sondern verweist auf die Inspirationsquellen und appelliert an die Fantasie der Spielleitung.
Da das angesprochene Publikum wie der Autor Umberto Pignatelli eher europäischer Herkunft ist und die wenigsten Interessierten einen Hintergrund in arabischer Literaturgeschichte haben werden, bleibt das Ganze natürlich ein wenig stereotyp. Das stört erst mal nicht wirklich, könnte aber dazu führen, dass irgendwann die Ideen rar werden. Also eher eine Wahl für Kurzkampagnen, Spontanrunden und Cons – dafür eignet sich die Welt allerdings hervorragend, da nicht viel erklärt werden muss. Der Einstieg erfolgt in Form einer Geschichte, die die Spielenden quasi mitten ins Geschehen wirft: Darin führt der blinde Bettler Ali den Charakter (oder die Charaktere) durch den geschäftigen Basar von Bagdad in die größte Bibliothek der Stadt, wo sie ein geheimnisvolles Buch finden, in dem … aber davon ein anderes Mal.
Die Regeln
Scheherazade ist eine Märchenwelt, in der heroische Aktionen belohnt werden und Realismus nicht das Hauptanliegen ist. Dementsprechend ist auch das Regelsystem eher auf narratives Spiel als auf Würfelergebnisse ausgerichtet. Ein bisschen Würfeln ist allerdings schon vorgesehen. Dafür brauchen die Beteiligten je ein Dutzend W6, von denen einer als „Schicksalswürfel“ erkennbar sein muss (also etwa eine andere Farbe oder Größe haben sollte als der Rest). Er wird mit jedem Wurf mitgewürfelt und sorgt für zusätzliche Konsequenzen, unabhängig vom allgemeinen Ergebnis. Wenn er eine 1 zeigt, ergibt sich eine negative Konsequenz, bei einer 6 ein Bonus.
Gewürfelt wird mit Pools, die sich in der Regel aus zwei Attributen des Charakters berechnen. Jede 4, 5 und 6 zählt als Erfolg, niedrigere Ergebnisse als Misserfolg. Die Anzahl an Erfolgen wird mit einem Schwierigkeitsgrad verglichen, wenn dieser erreicht ist, gilt die Aktion als geschafft. Je weiter die Anzahl an Erfolgen den Schwierigkeitsgrad übersteigt, desto mehr zusätzliche positive Konsequenzen ergeben sich aus dem Wurf. Umgekehrt gilt das auch für negative Konsequenzen, wenn der Schwierigkeitsgrad weit verfehlt wurde. Bestimmte Umstände, Hilfsmittel, Beschreibungen oder Ideen können den Schwierigkeitsgrad herunter- oder heraufsetzen. In speziellen Fällen kann eine Aktion selbst dann als erfolgreich gelten, wenn sie um einen Würfel nicht erreicht wurde – dann allerdings mit einer Nebenwirkung nach Ermessen der Spielleitung.
NPC, gegen die gekämpft wird, zählen ebenfalls als Schwierigkeitslevel. Jeder Erfolg, der das Gegnerlevel übersteigt, zählt als ein „Effekt“, also entweder ein Schaden, der dem Gegner zugefügt wurde, oder eine Aktion, die die Gegenseite behindert oder zurückwirft. Die Kampfregeln sehen außerdem vor, den Schauplatz eines Kampfes in verschiedene Zonen einzuteilen, die helfen sollen, die Szene zu visualisieren. Das bietet allen Beteiligten die Möglichkeit, dramatische Beschreibungen ihrer Aktionen vorzubringen und sich miteinander abzusprechen. Dies verhindert nicht nur, dass der Kampf langweilig wird, sondern wird auch mit Boni belohnt und ist ausdrücklich erwünscht.
Ein Alleinstellungsmerkmal des Systems ist der Einsatz von Geschichten in der Geschichte. Ganz im Sinne der Erzählerin Scheherazade gibt es hin und wieder die Gelegenheit, im Spiel eine Geschichte aus der Vergangenheit des eigenen Charakters, ein Märchen oder eine Fabel zum Besten zu geben. Dies hilft nicht nur bei der Charakterentwicklung, sondern kann auch ganz konkrete Vorteile im Spiel bringen. Manche mythischen Monster lassen sich durch eine gute Erzählung besänftigen und NSC sind unter Umständen bereit, etwas Wertvolles für die Kurzweil eines spannenden Seemannsgarns einzutauschen.
Charaktererschaffung
Die Charaktere sind Heldinnen und Helden mit manchmal ganz besonderen Eigenschaften.
Charaktere in Scheherazade sind einfach erschaffen. Sie haben sechs Attribute, die bei Level 1 beginnen und mit 12 weiteren Punkten gesteigert werden können. Dabei handelt es sich um die Eigenschaften Stärke (Power), Präzision (Precision), Mut (Courage), Vorsicht (Caution), Leidenschaft (Passion) und Vernunft (Reason). Zusätzlich gibt es das Attribut Ressourcen, das die generelle finanzielle Situation des Charakters darstellt. Dieses startet ebenfalls auf 1, es gibt aber auch die Möglichkeit, die Eigenschaft „arm“ zu wählen, was bedeutet, dass der Charakter auf der Straße lebt und betteln muss, um sein Leben zu finanzieren, dafür aber einen zusätzlichen Punkt für andere Attribute bekommt. Aus den Attributen errechnen sich die Würfelpools für alle gewürfelten Aktionen.
Dazu wird ein grundsätzliches Konzept des Charakters gewählt – etwa „Seemann“, „Fakir“, „Amazonenkriegerin“ oder Ähnliches – und passendes Equipment ausgewählt. Jeder Charakter bekommt außerdem ein besonderes Talent. Dieses kann ganz individuell gestaltet werden, solange es mit der Spielleitung abgesprochen ist. Immerhin sind die Charaktere die Heldinnen und Helden eines Märchens, und diese haben manchmal ganz besondere Eigenschaften. Dennoch ist das Powerlevel am Anfang eher niedrig – schließlich soll das Abenteuer der Charaktere hier erst beginnen und gute Ideen sollen ohnehin wichtiger sein als riesige Würfelpools.
Erscheinungsbild
Orientalisch, ornamental und ein bisschen comicartig lässt sich der Stil beschreiben, den Zeichnerin Sara Valentino für die Illustrationen des Regelbuches gewählt hat. Das Cover schmückt das Gesicht der titelgebenden Scheherazade vor dem Hintergrund des Mondes über Märchen-Bagdad. Der Großteil der Bilder im Buch zeigt Figuren, die im Setting als SC oder NSC vorkommen könnten – heilige Kriegerinnen, edle Beduinen, verführerische Odalisken, bitterböse Großwesire und mehr. Natürlich kommen dabei auch Monster aller Art und andere mögliche GegnerInnen vor. Der witzige Zeichenstil unterstreicht die heitere Stimmung des Settings und erinnert ein wenig an die TV-Serie Aladdin.
Das generelle Layout bleibt dem orientalischen Stil treu. Der Bildrand, Titelseiten und einige Überschriften sind in satten Farben und Mustern, die an Orientteppiche und arabische Architektur erinnern, gestaltet, der Hintergrund der Fließtexte ist sandfarben wie die syrische Wüste. Die gewählte Schriftart scheint ein Kompromiss dazwischen zu sein, diesen Ornamentstil zu komplementieren und dabei noch gut zu lesen zu sein, allerdings wäre es mir persönlich lieber gewesen, wenn man hier der Lesbarkeit stärkeren Vorzug gegeben hätte.
Die Inhaltsangabe des PDFs verlinkt auf die jeweiligen Seiten, Verweise auf andere Seiten im Fließtext sind allerdings nicht verlinkt. Das Dokument ist durchsuchbar.
Fazit
Selten habe ich ein neues Rollenspielsystem so gerne ganz durchgelesen wie dieses. Scheherazade richtet sich ganz klar an Menschen, die gerne Geschichten erzählen oder erzählt bekommen.
Auf ungefähr 170 Seiten ist das Grundregelwerk eher kurz, was vor allem daran liegt, dass die Spielwelt nicht in zu ausufernden Details beschrieben wird. Der Autor verlässt sich darauf, dass wer an diesem System interessiert ist, genug Kenntnis des Quellenmaterials hat, um daraus mit Fantasie eigene Geschichten zu stricken. Das Regelsystem ist einfach und favorisiert narratives Spiel über Würfelorgien. Charaktere sind Ruckzuck erstellt. Eine Besonderheit, die Scheherazade von anderen Rollenspielen absetzt, ist der Einsatz von Geschichten. Sie können für gewisse Vorteile im Spiel eingesetzt werden und fördern dabei Charakterspiel und die Ausgestaltung der Spielwelt.
Der Eindruck, der vom ersten Lesen und Anspielen des enthaltenen Abenteuers zurückbleibt, ist der eines kleinen, aber feinen Rollenspiels, das sich nicht unbedingt für dauerhafte Runden eignet – außer vielleicht bei knallharten Fans orientalischer Märchen – aber für Cons oder spontane Spielabende eine schöne Ergänzung darstellt.
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https://www.teilzeithelden.de/2019/11/28/ersteindruck-shadowrun-6-grundregelwerk-die-sechste-welt-geht-in-die-sechste-runde/
Eine kontroverse Diskussion begleitet die neueste Edition Shadowruns und mit ihr kommen viele Fragen: Sind die Veränderungen sinnvoll? Ist das noch das Shadowrun, das man gerne spielt? Fakt ist, dass jede Edition Neues bringt und bringen soll – wir haben uns das Grundregelwerk angeschaut und uns selbst eine Meinung gebildet.
So schnell ging es noch nie: Die englischen und deutschen Versionen der sechsten Edition des dystopischen Sci-Fi-Fantasy-Genrehybriden Shadowrun erschienen dieses Jahr nahezu zeitgleich. Glücklicherweise konnten die Errata für den deutschen Markt schon eingepflegt werden. Außerdem gibt es ein Kapitel über die deutschen Schatten. Nachdem wir uns bereits den Schnellstarter mit gemischten Ergebnissen angesehen haben, waren wir umso gespannter auf das Grundregelwerk.
Die Spielwelt
Der Beginn der Zeitlinie Shadowruns liegt im Jahre 2050. Eine nahe Zukunft, in der die Magie wiedererwacht ist und die dystopischen Ängste von nahezu allmächtigen Konzernen, Überwachung und einer gigantischen Arm-Reich-Schere wahr geworden sind. Jede neue Edition des Spiels ließ auch die Zeit im Spiel weiter vorrücken, so dass die sechste nun in den 2080ern angesetzt ist.
Verändert hat sich nicht viel, könnte man meinen, doch die Spielwelt von Shadowrun ist so vielfältig, dass selbst kleinste Veränderungen sich auswirken. Ein kurzer Überblick für jene, die Shadowrun nicht kennen, und eine Auffrischung für alte Hasen:
Die Magie ist inzwischen wieder ein Bestandteil der Welt. Dadurch, dass sie nicht mehr unterdrückt wird, gibt es Metamenschen wie Trolle, Orks und Elfen, aber auch Magieanwender verschiedenster Art. Und Drachen. Außerdem hat der Halleysche Komet zu weiteren Veränderungen verschiedener Metamenschen geführt, von Froschzungen zu noch verrückterem Zeug. Das ist noch nicht alles, aber soll an dieser Stelle genügen.
Des Weiteren gibt es auch Ghule, Vampire und allerlei andere fantastische Lebewesen, die auf verschiedenste Weise in die Spielwelt integriert sind. Diese Fantasy-Elemente werden in Shadowrun mit Sci-Fi gekreuzt und so sind modernste und futuristische Technologien auch Bestandteil der Spielwelt.
Cybergliedmaßen und Gentech gehören genauso dazu wie ein Internet 2.0 – die Matrix. Letztere ist inzwischen zwei Mal gecrasht und wiederaufgebaut worden. Es gibt eine komplexe Augmented Reality, dazu virtuelle Realität wie in unseren Träumen und sogar Matrixmagier (Technomancer). Natürlich gibt es auch Probleme mit all der Technik, wie KFS (Kognitives Fragmentiertensyndrom), bei der die Persönlichkeit eines Wirts durch eine KI überschrieben wird.
Spinrad #8.
Alte Staatenstrukturen sind aufgebrochen worden und neue sind entstanden. Zusätzlich bilden Konzerne eine einflussreichere Macht, als es Staaten könnten – besonders die „Großen Zehn“. Die Konzerne kooperieren, streiten und kämpfen je nach Lust und Laune gegeneinander. Jüngst wurde NeoNET durch Spinrad Global im elitären Kreis der Triple-A-Konzerne abgelöst.
In dieser Welt spielt man die namensgebenden Shadowrunner: Kriminelle, die von ihren Auftragsgebern (Johnsons oder im deutschen Raum auch Schmidts genannt) auf „Runs“ geschickt werden.
Die Regeln
Einfache Regeln hatte Shadowrun noch nie – das ist auch Teil des Reizes des Systems. Trotz zahlreicher Veränderungen können sich gerade Spieler der fünften Edition aber sehr schnell einfinden. Shadowrun nutzt ein Poolsystem, das bedeutet, es werden Würfelpools aus einem Attribut und der dazugehörigen Fertigkeit gebildet. Vier Spezialfälle verbinden zwei Attribute.
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Mit diesem Pool an sechsseitigen Würfeln, der durch verschiedene Boni und Mali modifiziert werden kann, versucht man eine Anzahl an Erfolgen, das heißt eine Fünf oder Sechs, zu würfeln – entweder gegen einen Schwellenwert (einfache Probe), also eine gewisse Anzahl an Erfolgen, oder gegen einen Widersacher (vergleichende Probe), wobei der Charakter mit den meisten Erfolgen gewinnt. Patzer entstehen, wenn mehr als die Hälfte der Würfel eine Eins zeigen, kritische Patzer, wenn dabei auch noch keine Fünf oder Sechs liegt.
Handlungen, die nicht unter Zeitdruck oder im Kampf passieren, wie das Reparieren eines Autos, sind ausgedehnte Proben. Jeder Würfelwurf repräsentiert hierbei einen Zeitintervall, und die Anzahl der Würfe bis zum Erreichen des Schwellenwertes gibt dann die Zeit an, die es dauert, die Tätigkeit erfolgreich ausgeführt zu haben.
In Shadowrun-Regelwerken werden oft ausführliche und detaillierte Erklärungen genutzt. Das ist für Einsteiger manchmal schwierig, doch für das System unabdingbar. Das Shadowrun 6-Grundregelwerk ist hierbei nicht anders als seine Vorgänger. Aufgrund des Umfangs werden wir im Folgenden nur auf die Neuerungen bzw. Veränderungen der Regeln zur Vorgängerversion eingehen.
Edge
Das Motto der sechsten Edition „Riskier alles“ ist nicht nur eine leere Worthülse. Edge ist zu einer der wichtigsten Spielmechaniken geworden. War dieser Wert früher das Zünglein an der Waage oder ein Lebensretter, ist es in der sechsten Edition eine flexible Ressource mit umfangreichen Einsatzmöglichkeiten.
Ein Moment, in dem man Edge benötigt.
Bei jeder Probe kann man bis zu zwei Bonus-Edge erhalten und insgesamt sind sieben Edge anhäufbar, die dann für Edge-Boosts und Edge-Handlungen ausgegeben werden sollen.
Edge- Boosts im Kampf……und Edge-Handlungen.
Die Macht und das Konzept von Edge in dieser Version sind durchaus gewöhnungsbedürftig, doch wie bei vielen Änderungen müssen die tatsächlichen Auswirkungen in Spieltests ermittelt werden.
Limits, Matrixattribute und Kraftstufen
Gab es in der fünften Edition noch eine Begrenzung für die Anzahl der Erfolge, die sich aus den Charakterwerten errechnete oder durch den benutzten Ausrüstungsgegenstand bedingte, fallen diese Limits komplett weg. Selbst ein ungeübter Redner kann nun ein Dutzend Erfolge beim Überreden erzielen, wenn es sein Würfelpool hergibt.
Zauber*innen sind nicht weniger mächtig, doch spielen sich deutlich anders.
Diese Entscheidung kann gelobt und kritisiert werden. Ein herausragender Schütze wird nicht mehr durch eine Waffe mit niedrigem Limit eingeschränkt, was sicherlich viele freut. Gleichzeitig können aber grenzenlose und damit unberechenbare Ergebnisse erzielt werden. Wie genau sich das auswirkt, wird sich noch zeigen.
Durch das Wegfallen der Limits gibt es einige Änderungen an den Matrixattributen und auch daran, wie Rigger gespielt werden. Wie gut das funktioniert, wird sich zeigen, aber Fahrproben wirken im ersten Moment sehr schwierig.
Kraftstufen von Zaubern waren die Limits der Zaubererfolge und gleichzeitig Indikator für den Entzug. Auch diese Mechanik wurde entfernt. Alle Zauber haben einen festen Entzug, der durch eine Entzugswiderstandsprobe reduziert werden kann. Es ist aber jetzt möglich, Zauber mit einer Flächenwirkung auszustatten („Fläche vergrößern“) und den Schaden von Kampfzaubern durch „hochdrehen“ zu erhöhen. Beides steigert den Entzug.
Die Zauberregeln sind durch die Änderungen einfacher zu verstehen und niederschwelliger für Anfänger, was eine gute Sache ist. Alteingesessene Spieler werden die Flexibilität des alten Systems vermissen und gleichzeitig bemerken, dass es wesentlich schwieriger ist, sich selbst das Hirn zu grillen. Körperlichen Schaden gibt es durch Entzug erst, wenn nach der Entzugswiderstandsprobe mehr Schadenspunkte übrigbleiben, als das Magieattribut des Charakters beträgt.
Angriffs- und Verteidigungswert
Der Gedanke eines schnelleren und einfacheren Kampfsystems zeigt sich am besten bei den neuen, abstrakten Angriffs- und Verteidigungswerten. Für jeden Angriff vergleicht man die beiden Werte und bestimmt damit, welcher Akteur einen Vorteil hat.
Waffen haben feste Angriffswerte für verschiedene Distanzen.
Der Angriffswert wird entweder errechnet (im waffenlosen Kampf besteht er aus Reaktion und Stärke) oder bei den Waffen direkt mitgeliefert. Fernkampfwaffen haben dann unterschiedliche Werte je nach Angriffsdistanz. Durchschlagskraft, Zielgenauigkeit und Rückstoßkompensation werden so zu einem einzelnen, abstrakten Wert. Auch Munitionsarten und andere Modifikationen verändern so nur Angriffswert und Schaden einer Waffe.
Der Verteidigungswert errechnet sich aus Konstitution, Schutzkleidung und Zusatzeffekten. Darunter fallen dann Magie, Bodytech oder auch Deckung. Unterscheiden sich beide Werte um vier oder mehr, erhält der im Vorteil befindliche Charakter einen Bonus-Edgepunkt. Für den Soak spielt Panzerung keine Rolle mehr.
Im ersten Moment klingt das nach einer einfachen Regelung, die den Kampf schneller macht und viel Rechnerei spart. Ich vermute eine Verschiebung der Rechnerei auf die abstrakten Werte und Edge, womit nichts gewonnen wäre. Ein Spieltest wird hier Gewissheit bringen.
Initiative und Handlungen
Statt komplexen und einfachen Handlungen gibt es nun Haupt- und Nebenhandlungen – andere Namen für mehr oder weniger das gleiche Konzept. Doch die Umsetzung hat sich geändert. Jeder Charakter hat eine Haupthandlung und eine Nebenhandlung plus eine weitere Nebenhandlung pro Initiativewürfel. Ab drei Initiativewürfel, also vier Nebenhandlungen, kann man auch zwei Haupthandlungen ausführen.
Haupthandlungen sind die großen Aktionen wie Angriffe oder generell Fertigkeitsproben. Nebenhandlungen sind interessanter geworden. So kann ein Charakter sich nicht im Kampf bewegen, ohne eine Handlung dafür auszugeben, und darf diese Handlung auch nur einmal ausführen. Das ist sehr ungewohnt.
Während des Kampfes ist jeder Spieler auch nur einmal an der Reihe, nicht mehrfach, wenn die Initiative entsprechend gut ist. Das erhöhte Handlungstempo wird durch die höhere Anzahl an Nebenhandlungen repräsentiert. Das vereinfacht den Kampf, da man nicht immer Initiativewerte abrechnen muss.
Fertigkeiten
Die Fertigkeiten im Überblick.
Fertigkeitsgruppen wurden entfernt. Es gibt nun 19 Fertigkeiten und Spezialisierungen. So kann man mit der Fertigkeit Feuerwaffen sowohl Gewehre als auch Pistolen und die meisten anderen Schusswaffen gleich gut bedienen. Mit einer Spezialisierung auf eine Waffenart gibt es dann zwei Bonuswürfel.
Neu ist hier die Expertise – diese Steigerung einer Spezialisierung erhöht den Bonus auf drei Würfel. Eine Vereinfachung und Änderung bei den Fertigkeiten ist sehr nützlich und absolut großartig. Die Trennung in Fertigkeitsgruppen und Fertigkeiten mit verschiedenen Erstellungspunkten und Steigerungsintervallen war einfach nur lästig.
Heilung
Einen verletzten Charakter zu heilen ist um einiges einfacher geworden. Die Reihenfolge der Anwendung verschiedener Heilungsvarianten spielt keine Rolle mehr. Kurz gesagt: Man kann erst magisch heilen und dann Erste Hilfe leisten.
Stattdessen ist es an Zeitintervalle geknüpft, welche Heilungsvariante noch wirksam ist. Erste Hilfe kann nur eine Minute nach dem Ende eines Kampfes angewendet werden, ein Medkit kann innerhalb einer Stunde nach dem Kampf genutzt werden. Magie hat keine Zeitbegrenzung. Danach kann man immer noch natürlich genesen, wenn Schaden verbleibt: Das wirkt sehr konstruiert. Die Begründung, dass Erste Hilfe nicht mehr nach magischer Heilung genutzt werden kann, da ja alle Wunden geschlossen sind, schien wesentlich stimmiger.
Jede Heilung wird durch verringerte Essenz stark beeinflusst. Ein Lebewesen ohne Essenzverlust (also mit Essenz 6) hat die besten Chancen, geheilt zu werden, denn man erhält einen automatischen Erfolg. Je weniger Essenz das Ziel hat, desto schwieriger ist es, zu heilen.
Die Entscheidung, Heilung zu vereinfachen, ist bewusst gefällt worden, da es weniger Spaß mache, zu regenerieren, statt an Runs teilzunehmen. Tatsächlich ist damit aber ein wesentliches Spielelement angegriffen worden: die Gefahr, zu sterben. Ich stehe dem skeptisch gegenüber, auch wenn die Begründung plausibel ist.
Statuseffekte
Verschiedene Statuseffekte haben in Shadowrun 6 mehr an Bedeutung gewonnen. Das zeigt sich schon daran, dass er unterschiedliche Heilzauber gibt, mit denen Verätzungen, Erfrierungen oder Verbrennungen behandelt werden können. Auch Unsichtbarkeit ist jetzt ein Statuseffekt, der in der Liste auftaucht. Natürlich gab es besondere Schadensarten und Effekte auch schon vorher, aber jetzt haben sie an Bedeutung gewonnen. Dieses Detail ist interessant und bringt etwas mehr Tiefe ins Spiel.
Der Schicksalswürfel
Bei manchen Angriffen oder Aktionen wird ein Schicksalswürfel dem Würfelpool hinzugefügt. Dieser Würfel, der sich farblich absetzen soll, gibt bei einer Fünf oder Sechs drei Erfolge, zieht aber bei einer Eins alle Erfolge, die durch eine Fünf entstanden sind, ab. Eingesetzt wird dieser Würfel zum Beispiel beim Übertakten von Geräten, einem Sprühangriff oder dem Übersteuern von Bodytech. Damit soll die erhöhte Gefahr repräsentiert werden, die bei solchen Aktionen entsteht.
Charaktererschaffung
Die Charaktererstellung im Grundregelwerk wird mit Hilfe des Prioritätensystems vorgenommen. Andere Varianten, wie Sum-to-ten und Point-buy oder die Charaktermodulerstellung werden sicherlich in späteren Erscheinungen auftauchen.
Als erstes sucht man sich aus, welche Rolle der Charakter in einem Team aus professionellen Verbrechern erfüllen soll: Zauberschleuder oder Technikspezialist, Unterhändler oder Straßensamurai. Zusätzlich stellt man sich einige Fragen über die Vergangenheit, die Motivation und den moralischen Kompass des Charakters. Dann geht es an die Werte.
Das Prioritätensystem funktioniert so, dass es fünf Prioritäten von A bis E gibt, die auf die fünf Bereiche Metatyp, Attribute, Fertigkeiten, Magie oder Resonanz und Ressourcen verteilt werden. Je höher die Priorität, desto besser ist die Kategorie vertreten.
Die neue Prioritätentabelle……und die Attribute der Metatypen.
Schön zu sehen ist, dass auch mit den geringen Prioritäten alle Metatypen wählbar sind. Lediglich die Anpassungspunkte steigen. Die Entscheidung ist sicherlich eine schwierige gewesen, denn das alte System sollte auch bei der Charaktererstellung dafür sorgen, dass der große Anteil an Menschen repräsentativ in der Shadowrunnergemeinde vertreten ist. Tatsächlich sind Runner aber sowieso eine besondere Gruppe (Meta-)Menschen und mit der neuen Methode können sich Spieler*innen einfacher das aussuchen, was sie spielen wollen.
Nach der Verteilung der Prioritäten werden Attributs- und Anpassungspunkte verteilt, wobei Anpassungspunkte für Magie, Resonanz, Edge und die besonderen Attribute des Metatyps ausgegeben werden können. Magie und Resonanz können natürlich nur gewählt werden, wenn der Charakter nicht mundan ist.
Danach wählt man seine Fertigkeiten und magie- oder resonanzrelevante Aspekte. Vor- und Nachteile bilden den Charakter und sind in Schritt drei wählbar. Im nächsten Schritt gibt es 50 Karma zur Individualisierung, welches auch in Ressourcen getauscht werden kann.
Höherwertige Ware ist in den 2080ern anscheinend einfacher zu beschaffen.
Im Folgenden werden die Ressourcen in Ausrüstung gesteckt, ein paar Connections gewählt und Wissensfertigkeiten bestimmt. Gerade bei der Ausrüstung ist wesentlich mehr zu bekommen als früher – sogar Deltaware ist für einen Startcharakter erreichbar! Zuletzt kommen noch ein paar Berechnungen und es kann losgehen.
Im Vergleich zur fünften Edition ist die Charaktererstellung erstaunlich abgespeckt. Statt neun Schritten und knapp 40 Seiten genügen sechs Schritte und ungefähr die Hälfte an Seiten. Dennoch muss man blättern, wenn es zu den Fertigkeiten kommt oder Zauber und Ausrüstung ausgesucht werden müssen. Das ist bei der Komplexität des Systems aber nur normal.
Die Charaktererstellung dauert je nach Wissensstand über die Spielwelt und darüber, was man spielen möchte, zwischen 15 Minuten und einer Stunde. Insgesamt verläuft alles aber zügiger und angenehmer als in Shadowrun 5. Wem das dennoch zu lange dauert, der wählt einen der Archetypen und legt direkt los.
Erscheinungsbild
Das neue Design ist heller und sehr ansprechend. Die zahlreichen Bilder sind oft actiongeladen und farbintensiv, was sich gut ergänzt. Es liest sich alles sehr gut und angenehm.
Eine einfache und übersichtliche Struktur erleichtert die Handhabung.
Gerade neue Spieler werden mit der Einleitung, dem Schattenslang-Wörterbuch, den Kurzgeschichten und der Weltbeschreibung gut in das Setting eingeführt. Das Inhaltsverzeichnis ist für Shadowrun klassisch strukturiert und wird durch einen Index ergänzt, der einem aber nur hilft, wenn man genau den richtigen Begriff parat hat. Querverweise bei ähnlichen Begriffen fehlen leider.
Die Überschriften sind logisch gewählt und man hat sich Mühe gegeben, durch die Struktur Übersicht zu schaffen. So stehen unter den Überschriften in auffälliger Farbe oft die wichtigen Informationen, die man sonst im Text suchen musste. Als Beispiel kann man hier die Kosten der Lebensstile oder Proben für Matrixhandlungen nennen.
Tabellen und Beispiele sind an vielen Orten zu finden und logisch platziert. Diese helfen oft über Verständnisprobleme hinweg und sind außerdem leicht zu finden. Besonders erfreulich sind die Tabellenseiten vor dem Index, die viel Herumblättern ersparen. Am Charakterbogen hat sich nicht sehr viel geändert.
Auf den Bildern gibt es viel zu entdecken.
Ein kleiner Teil zu den ADL bereitet einen Storybogen vor und es ist schön, dass es dieser nicht unwesentliche Aspekt der Spielwelt ins Grundregelwerk geschafft hat.
Insgesamt ist das Grundregelwerk der sechsten Edition ansprechender und einfach etwas hübscher als sein Vorgänger, der dunkler im Design war.
Bonus/Downloadcontent
Ein Geschwindigkeitsrechner steht online zur Verfügung. Er rechnet die Geschwindigkeit von Metern pro Kampfrunde in km/h und umgekehrt um.
Die Kooperation mit dem Genesis Charaktergenerator macht diesen in kostenfreier und als Deluxe-Version für Shadowrun 6 verfügbar.
Fazit
Eine neue Edition ist immer mit Veränderungen verbunden und als „alter Hase“ neigt man gerne dazu, diese skeptisch zu sehen. Was mit den Neuerungen bewirkt werden sollte, ist klar: mehr Action, ein einfacherer Zugang und etwas mehr Streamlining.
Das Edge-System und die Vereinheitlichung von (Ausrüstungs-)Werten zu Angriffs- und Verteidigungswerten sind Dinge, die mehr als nur ungewohnt daherkommen. Abstrakte Werte treten an die Stelle von handfesten Berechnungen – eigentlich ein Bruch mit dem Konzept.
Nichtsdestotrotz bewerten wir Regelwerke nach den selbst gesetzten Zielen und können auch nicht alle Auswirkungen in einem kurzen Ersteindruck abschätzen. Es ist wunderbar, dass die Spielwelt in kurzen, aber passenden Passagen an die Leser*innen herangetragen wird und man so das bisher Geschehene aufholen kann.
Dass Mechaniken eingeführt wurden, um gerade das Zaubern einfacher zugänglich zu machen, ist ebenso gut wie die Verbesserung des Prioritätensystems mit mehr Auswahl- und Anpassungsmöglichkeiten.
Nicht zuletzt sieht das Grundregelwerk der sechsten Edition von Shadowrun einfach sehr gut aus, indem es hell, ansprechend und mit großartigen Illustrationen bestückt wurde. Auch die Struktur und Übersichtlichkeit hat man verbessern können.
Für knapp 20 Euro bekommt man ein schönes und für Shadowrun-Verhältnisse niederschwelliges Grundregelwerk mit einer sinnvollen Struktur, einer großen Portion Streamlining und Potenzial.
Der Ersteindruck basiert auf der ausgiebigen Lektüre des Grundregelwerkes, der Erstellung einiger Charaktere und der Testrunde des Starterpakets bei den Teilzeithelden. Im Verlauf der nächsten Wochen und Monate wird eine weitere Testrunde mit Hilfe des Grundregelwerks stattfinden, die ich diesmal leite. Auf dieser Grundlage wird ein ausgiebiger Spieltestbericht erscheinen.
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https://www.teilzeithelden.de/2019/12/03/rezension-falkengrund-jubilaeumsband-gereifter-wein-in-neuem-schlauch/
Die Karriere vieler Pathfinder-Spieler begann mit dem kostenlosen Abenteuer „Falkengrunds Letzte Hoffnung“. Mit zwei Kaufabenteuern als direkten Fortsetzungen und zwei weiteren, die gut dazu passten, konnte eine Mini-Kampagne gespielt werden: Der Falkengrund-Zyklus. Zehn Jahre nach Erscheinen der ursprünglichen Module erscheint mit dem Jubiläumsband die komplette Kampagne in aufbereiteter Form.
Der Falkengrund-Zyklus stellt keinen typischen Abenteuerpfad dar, bei dem sich eine durchgehende Geschichte durch alle Bände zieht. Stattdessen lässt sich jedes der Module komplett einzeln spielen oder in andere Kampagnen einbauen. Um die ursprünglich eigenständigen Module zum Falkengrund-Zyklus zusammenzusetzen, sodass alle Teile harmonisch ineinandergreifen, mussten fast alle Module leicht verändert werden – diese Änderungen wurden auf einer Webseite vorgestellt, die leider nicht mehr erreichbar ist. Es handelte sich um kleinere Anpassungen der Karten, um die Verbindungspunkte zwischen den Abenteuern richtig darzustellen, sowie um Änderungen im Verhalten einiger NSC.
Dies war notwendig, weil Ereignisse passieren, die zur Vorgeschichte der nachfolgenden Module gehören, während die Charaktere noch mit dem aktuellen Modul beschäftigt sind. Einige der NSC reagieren auf diese Ereignisse und verhalten sich dementsprechend anders als im Originalmodul vorgegeben. In den Jubiläumsband sind diese Änderungen bereits eingeflossen, sodass der Spielleiter die Module einfach in Reihe leiten kann. Dies ändert nichts daran, dass der Zyklus kein durchgehendes Thema hat, sondern verschiedene Handlungen in der gleichen Region präsentiert. Gerade diese Abwechslung der Handlungsstränge kann die Mini-Kampagne aber reizvoll machen.
Inhalt
Die Module
Die Module des Falkengrund-Zyklus sowie das optionale Modul Der Jahrmarkt Der Tränen bilden den Hauptteil des Jubiläumsbandes. Ich versuche, die Inhalte aller Module möglichst spoilerfrei wiederzugeben.
Falkengrunds Letzte Hoffnung
Dieses Modul ist ein kleines Einstiegsabenteuer, welches lange Zeit kostenlos heruntergeladen werden konnte. Es spielt vor der Rache des Koboldkönigs und bekam deshalb die Modulnummer „D0“. Falkengrunds Letzte Hoffnung ist komplett eigenständig spielbar. Die Charaktere treffen in dem kleinen Ort Falkengrund aufeinander, von wo aus das Holzfäller-Konsortium das Finstermondtal mehr oder weniger regiert. Seit neustem grassiert im Dorf eine Krankheit, und die Helden müssen helfen, diese zu stoppen. Der Weg führt sie in die umliegenden Wälder.
Die Krone Des Koboldkönigs
Dieses Modul ist das erste Abenteuer-Modul, das Paizo jemals herausgegeben hat, damals noch für D&D 3.5. Deshalb trägt es die Modulnummer „D1“. Die Krone des Koboldkönigs ist ein klassischer Dungeon-Crawl, bei dem einige Kinder aus der Umgebung von Falkengrund gerettet werden müssen.
Die Rache Des Koboldkönigs
Zum Free RPG Day 2008 hat Paizo den Nachfolger zur Krone des Koboldkönigs herausgebracht, offiziell mit der Modulnummer „D1.5“. Wer dachte, mit den Ereignissen in Die Krone Des Koboldkönigs sei das Problem des kleinen Ortes Falkengrund gelöst, der irrt. Erneut müssen sich die Helden der – größer gewordenen – Gefahr stellen. Auch dieses Modul ist „dungeon-based“, bietet aber mehr als nur den Dungeon.
Der Jahrmarkt der Verdammten
Der Jahrmarkt mit der offiziellen Modulnummer „E1“ gehört nicht zum ursprünglichen Falkengrund-Zyklus, spielt aber in der gleichen Gegend und passt gut in das Gesamtbild der Reihe. Vor Einbruch des Winters gastiert ein Jahrmarkt im kleinen Ort Falkengrund, der noch einmal zu Spaß und Vergnügen einlädt, bevor die tristen und entbehrungsreichen Wintertage hereinbrechen. Leider ist das Vergnügen nur von kurzer Dauer, denn seltsame Ereignisse überschatten den Jahrmarkt. Der Jahrmarkt der Verdammten ist ein komplett ereignisbasiertes Abenteuer, quasi eine Sandbox, bei der Aktion und Reaktion sich abwechseln. Es gibt viele Punkte, an denen die Helden ansetzen und etwas bewirken können, und hoffentlich wendet sich am Ende alles zum Guten.
Hungrig Sind Die Toten
Dieses Modul mit der offiziellen Modulnummer D4 stellt den Abschluss der Ereignisse rund um Falkengrund dar. Die Helden lernen endlich den Grund für ihren wiederkehrenden Ärger mit dem Koboldkönig kennen. Sie stellen sich der dunklen Macht entgegen und erwirken so hoffentlich endlich Frieden für Falkengrund und das Finstermondtal. Hungrig Sind Die Toten ist ein weiterer Dungeon-Crawl, der auf den vorherigen beiden Dungeon-Abenteuern der Reihe aufbaut.
Weitergehende Informationen
Den zweiten großen Block innerhalb des Jubiläumsbandes bilden die Zusatzinformationen zu Falkengrund, dem Finstermondtal und zu den Kobolden. Vieles davon tauchte schon einmal an anderer Stelle in den Pathfinder-Veröffentlichungen auf, doch gerade Einsteigern hilft es oft, die Informationen kompakt verfügbar zu haben, statt sie aus anderen Büchern zusammensuchen zu müssen.
Detaillierte Beschreibung von Falkengrund
Die Beschreibungen von Falkengrund aus allen Abenteuermodulen wurden zusammengezogen und überarbeitet. Dadurch wird Falkengrund im Jubiläumsband geschlossen und stimmig präsentiert. Angereichert wird dies mit weiteren Abenteuerideen rund um den Ort, Gerüchten aus der Gegend und den Werten des Vorstehers. Für Kenner der Module findet sich hier nicht viel Neues, aber die Möglichkeit, alle Informationen zusammengefasst zu lesen, ist hilfreich. Auch die Karte wurde geringfügig überarbeitet und stellt jetzt alle Informationen gebündelt dar.
Hintergrund über das Finstermondtal
Der Hintergrundteil über das Finstermondtal ist kurz, aber informativ. Hier wurde viel Material aus dem Almanach zum Finstermondtal übernommen, allerdings nicht der komplette Almanach. Wer also noch mehr Informationen zu diesem recht interessanten Spielgebiet erhalten möchte, sollte sich zusätzlich noch den Almanach zulegen. Darüber hinaus werden noch wichtige Nachbarorte außerhalb des Finstermondtals vorgestellt, zu denen die Helden sich begeben könnten, um weitere Informationen oder Ausrüstung zu erhalten.
Die Lebensweise der Kobolde
Dieses Kapitel stellt mit circa zehn Seiten eine umfassende Informationsquelle rund um Kobolde dar. Beim ersten Lesen der Inhaltsangabe zum Jubiläumsband hätte ich eher mit ein, zwei Seiten gerechnet. Ich war daher positiv überrascht, derart tiefe Hintergrundinformationen über Kultur, Lebensweise und Wesen der Kobolde zu erhalten. Hier entstehen beim Lesen viele Ideen für weitere Abenteuer.
Kobolde als Charaktere
Nach der umfassenden Abhandlung um Kobolde und deren Kultur ist es nicht verwunderlich, dass der Sammelband Informationen zum Spielen von Kobolden als Charakteren enthält. Ich bin leider noch nicht dazu gekommen, einen Kobold als Spielercharakter zu erleben, aber die gebotenen Regeln bieten vielfältige Möglichkeiten zur Ausgestaltung.
Neue Monster
Wo Dungeons sind, da sind auch Monster. Der Jubiläumsband enthält einige Monster, die in den Dungeon-Crawls der Kampagne vorkommen, mit vollständiger Beschreibung im Anhang. Leider sind nicht alle vorkommenden Monster hier beschrieben, sodass man mit dem Jubiläumsband alleine spielen könnte. Damit werden zwar Dopplungen bei den Monsterbeschreibungen vermieden, allerdings ist man dadurch zusätzlich auf das erste Monsterkompendium angewiesen, um die Kampagne zu spielen.
Erscheinungsbild
Das Layout ist Pathfinder-typisch gut sortiert und aufgeräumt. Der Jubiläumsband lag nur als PDF zur Rezension vor, deshalb kann über Druckqualität und Verarbeitung keine Aussage getroffen werden. Das Layout des PDF entspricht dem Layout der Printversion. Leider ist die verwendete Grundschrift am Bildschirm schlechter zu lesen als auf der gedruckten Seite, vor allem in Kombination mit den verwendeten Kontrasten (Dunkelbraun auf hellem Beige).
Fazit und Vergleich zu den Einzelbänden
Der Falkengrund-Zyklus als Sammelband präsentiert eine abwechslungsreiche Kampagne. Dem Spielleiter wird die Arbeit abgenommen, die Einzelmodule zur kompletten Kampagne zu verbinden und entsprechend anzupassen. Darüber hinaus gibt es noch relevante Informationen aus dem Almanach zum Finstermondtal, die der Spielleiter benutzen kann, um die Kampagne weiter auszuschmücken.
Ich persönlich hätte lieber auf den Teil für Kobolde als Spielercharaktere verzichtet und dafür mehr Informationen über das Finstermondtal bekommen – aber Geschmäcker sind verschieden.
Für 35 Euro bekommt man hier ausreichend Material an die Hand, um die Spieler mehrere Spielabende zu beschäftigen und die Charaktere bis zur 8. Stufe zu begleiten. Neben einer abgeschlossenen Mini- Kampagne gibt es eine ausführliche Beschreibung einer generell schönen Einstiegsregion. Die Investition lohnt sich, auch wenn man einzelne Module schon sein Eigen nennt, da die Arbeit, die Module zur Kampagne zusammenzufügen, bereits erledigt wurde.
Die Zusatzinformationen, die in den Einzelmodulen nicht vorhanden sind, machen den Sammelband noch einmal interessanter. Besitzt man allerdings schon den Almanach zum Finstermondtal, finden sich im Sammelband nur wenige neue Informationen zur Gegend, und nur für die Beschreibung der Kobolde dürfte er sich nicht lohnen.
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https://www.teilzeithelden.de/2019/11/21/rezension-dsa5-das-dornenreich-diwan-datteln-und-damast/
Entdecke den aventurischen Orient! Das Dornenreich verspricht prachtvolle Paläste in Städten, die niemals schlafen. Wilde Natur und eine magische Landschaft mit ebensolchen Kreaturen erwarten den abenteuerlustigen Reisenden. Lebe die Geschichten aus „1000 und einem Rausch“! Oh, Söhne der Herrlichkeit, oh, Töchter der Tugenden – beginnt die Reise gleich heute! Hier!
„ Weil er schweigt, sitzt der Falke auf der Hand des Königs. Weil die Nachtigall singt, ist sie im Käfig eingesperrt.“
– (Ferîd ud din Attâr – persischer Dichter 1136-1221 n.Chr.)
Mit der Regionalspielhilfe Das Dornenreich beleuchtet Das Schwarze Auge 5 zum ersten Mal eine südliche Region Aventuriens. Aranien oder besser das „Mhaharanyat“ lehnt stark an die Geschichten aus Tausendundeiner Nacht an und spiegelt die Landschaft und Kultur des irdischen Orients wieder.
Inhalt
Die Regionalspielhilfe teilt sich in elf Kapitel auf und folgt dabei den gewohnten Strukturen, wie wir sie bereits aus anderen DSA5-Regionalspielhilfen kennen. Bereits das Vorwort weist darauf hin, dass der frühere Metaplot um die oronischen Machenschaften mit dem Schleierfall abgeschlossen wurden. Das Setting hat sich verändert und weiterentwickelt und soll nun auch anderen Antagonisten ihren Raum geben.
Einer Beschreibung der Geographie folgen detaillierte Schilderungen der einzelnen Regionen. Im Anschluss werden „Kultur & Wissenschaft“ unter die Lupe genommen, über „Handel & Wandel“ berichtet, sowie typische Tiere und Pflanzen der „Flora & Fauna“ näher betrachtet. Mit „Göttern & Dämonen“ und „Zauberei & Hexenwerk“ mussten sich nicht nur Aranier mit „Rang & Namen“ herumschlagen, wie man in „Mythos & Historie“ erfährt. Oft waren es „Helden aus dem Dornenreich“, welche das Reich vor dem Untergang retteten. Typische Professionen, Regeln und spezielle Fertigkeiten dieser Helden findet man im gleichnamigen Kapitel. Letztlich sind es aber die Mysterien, welche die Geschichten aus „1000 und einem Rausch“ besonders machen, und auch die Regionalspielhilfe bietet „Mysteria & Arcana“ zum Ausklang des Werkes.
Das Dornenreich und seine Bewohner
Auf dem Markt in Zorgan
Die ersten Kapitel bieten einen geographischen und politischen Überblick über die Region und ihre Besonderheiten, bevor im Detail die einzelnen „Radjarate“ (vergleichbar mit Provinzen) vorgestellt werden. Von A wie Anchopal bis Z wie Zorgan werden über 60 Städte und Dörfer des Dornenreiches beschrieben. Die größten und bedeutendsten dieser Städte (Anchopal, Baburin, Zorgan, Elburum, Llanka, Palmyrabad) bringen überdies eine eigene Stadtkarte und eine Beschreibung eben dieser mit.
Während die Wissenschaften des Landes minimalistisch dargestellt werden und sich auf eher philosophische, astrologische und linguistische Themen konzentrieren, liegt der Fokus der kulturellen Errungenschaften auf Sitten und Gebräuchen, dem Aberglauben der Menschen und der gesellschaftlichen Ständeordnung. Besonders Letztere scheint einen wichtigen Stellenwert im Leben der Aranier einzunehmen. Die matriarchalische Adelsgesellschaft ist nicht nur Inhalt des täglichen Klatschs und Tratschs der städtischen Bevölkerung, sondern lebt der bescheidenen Bevölkerung auch ein phex- und rahjagefälliges Leben vor, nach dem diese streben kann. Selbst die einfache Bäuerin träumt davon, einmal palmyramischen Schmuck zu tragen oder die Schleier der neusten Mode aus Zorgan ihr Eigen zu nennen.
Neben der Mode gehört zum Schönheitsideal der aranischen Männer und Frauen auch ein ausgewogener Körper, der zum Kriegshandwerk oder Ausleben der schönen Künste geeignet ist. So wundert es nicht, dass sich unter den militärischen Einheiten des Dornenreiches neben Streitwagenfahrern, Kriegselefanten und Säbelschwingern auch die berühmten Rosenritter befinden. Einst wurde der „Orden der Rose“ gegründet, um gegen oronische Umtriebe vorzugehen, aber längst ist er zu einem Treffpunkt all derer geworden, die dem ruhmreichen König mit Säbel, Schwert oder rahjagefälligen Taten nacheifern wollen.
Wer im Dornenreich unterwegs ist, muss sich aber nicht nur der Feinde des Reiches, wilder Ferkinastämme und Kreaturen der Wildnis erwehren, sondern auch der Hartnäckigkeit feilschender Markthändler. Dinare und Schekel wird man schneller für einen guten Teppich, teures Porzellan oder zorganer Glasbläserkunst wieder los, als man sie sich verdient hat. „Steuern & Zölle“ tun ihr Übriges, um dem Reisenden das Geld aus der Tasche zu ziehen, und wer sich gegen „Recht & Gesetz“ zur Wehr setzt und eine Zahlung verweigert, muss mit hohen Strafzahlungen oder gar der Schuldsklaverei rechnen.
Dennoch ist und bleibt das Dornenreich ein durch und durch magischer Ort, und das wird insbesondere durch einige exotische Tierwesen wie etwa die Sphingen deutlich. Diese Wesen, welche den Körper einer Katze, zwei große Schwingen und das Haupt einer Frau haben, gelten unter den Araniern als prophezeiende Orakel. Es wird vermutet, dass sie einst dem Sonnengott Praios dienten, ähnlich wie Greifen. Ob dies der Wahrheit entspricht, wird wohl aber ein Rätsel bleiben.
Über Götter, Dämonen und Hexenwerk
Zauber in der Praxis: Körperlose Reise
Wenngleich Praios’ Auge – die Sonne – in den südlichen Gefilden auch häufiger vom Himmel scheint als im zwölfgöttergläubigen Norden, so sind doch Phex und Rahja die angesehensten Gottheiten der Aranier. Die übrigen der Zwölfe haben nur eine untergeordnete Rolle, und neben ihnen existieren viele andere, teils ketzerische Kulte. Selbstverständlich gibt es noch immer oronische Umtriebe, aber auch andere potenzielle Antagonisten abenteuermutiger Helden sind zunehmend im Dornenreich anzutreffen. Lediglich Diener des namenlosen Rattengottes sind selten vorzufinden. Dies mag an den zahlreichen Katzen im Land liegen, die auch vor der Rattenjagd nicht zurückschrecken.
Zu den vielen verborgenen Kulten gehört auch die Magierschaft, welche in Aranien nur eine einzige offizielle Akademie besitzt. Dafür gibt es umso mehr verborgene Zirkel, Hexen und Zaubertänzer, die sich wenig um die strengen Regeln kümmern, welche den Gildenmagiern auferlegt sind. Das eigentliche Flair von Tausendundeiner Nacht mit seiner allgegenwärtigen Magie wird damit leider ebenfalls unter einem Schleier verborgen.
Von Helden und Herrschern
Besonders die Kapitel um Helden der Region und das Who-is-who des Dornenreiches bieten eine große Bereicherung für den Spieltisch. So findet man neben typischen Charakteren wie dem aranischen Sippenkrieger oder dem Mujan (Zaubertänzer) zum Beispiel auch die Pardelhexe, Quabalyim (Magierkulte) oder Phexgeweihte der Mada Basari.
Hintergrundereignisse für die Ausgestaltung der Heldenerschaffung sowie Werte typischer Waffen und Fertigkeiten bieten eine gute Grundlage für ein stimmiges Charakterkonzept. In Verbindung mit einer ausführlichen Beschreibung der frühzeitlichen und neueren Geschichte des Reiches lassen sich Antagonisten und mit Hilfe der regionalen Beschreibungen Abenteuerideen entwickeln. Diese kommen mit einem halbseitigen Beitrag im Werk ansonsten eher zu kurz.
Die Schlacht von Zorgan (1. Travia 1028 BF)
Die oberen Zehntausend sind es zwar nicht, aber die Crème de la Crème des Dornenreiches wird ebenfalls in diesem Werk vorgestellt. Wie gewohnt mit Illustrationen, wichtigen Informationen und positiver wie auch negativer „Volkes Stimme“.
Auffällig ist die Ähnlichkeit einiger Porträts mit Schauspielern bekannter Produktionen. So ähnelt „Taref as’Sarjabaran (Wirt des Roten Kamels)“ dem Schauspieler Conleth Hill in seiner Rolle als Eunuch Varys in Game of Thrones. Aber auch „Shazarinja (Mutter der Skorpione)“ erinnert mit ihrer roten Lederkleidung an Tabrett Bethell alias Cara Mason aus der Serie Legend of the Seeker.
Spoiler
Mondsilberne Mysterien
Das letzte Kapitel bietet wie immer einen Blick auf das Verborgene und Mysteriöse, auf die Geheimnisse der vielen NSC und auf mystische und magische Orte des Reiches. Hintergründe zu speziellen Kulten wie den Ilaristen, Quabalyim oder den Erben des Moghulats Oron finden hier ebenso Platz wie die Beschreibung einer einfachen Karawanserei (inkl. Karte) und ein paar Abenteuerideen. Die Nähe des Reiches zur Gorischen Wüste und deren negative Einwirkung auf den menschlichen Geist werden zwar nicht thematisiert, sind aber in der Beschreibung einiger Artefakte deutlich zu spüren.
Spoiler
Erscheinungsbild
Die oft als besonders schön hervorgehobene und blumige Sprache der Aranier findet leider kaum Eingang in diese Publikation, und zu allem Überfluss hat auch das Lektorat nur mittelmäßige Arbeit geleistet. Rechtschreib- und Trennungsfehler stören den Lesefluss und können sogar ernste Themen ins Komische verdrehen, wenn der Schattenmarschall Haffax mit einem „Herr“ durch die Sümpfe marschiert, statt mit einem Heer. Die lieblichen Rosendschinne hingegen fühlen sich vermutlich wie „verend-ete“ Schnittblumen, wenn man sie „Rosend-schinne“ trennt.
Während das Cover von Marcus Koch noch mit der mittlerweile gewohnten, detailreichen Darstellung einer atmosphärischen Orientszene punkten kann, wirken einige der Innenillustrationen wie kindliches Geschmiere oder unfertige Aquarelle. Damit entziehen sie dem Werk leider einen Großteil seines Zaubers.
Fazit
Das Dornenreich ist inhaltlich gut durchdacht und strukturiert geschrieben, lässt aber die Magie und den Zauber der Geschichten aus Tausendundeiner Nacht missen. Der alte Metaplot um die oronischen Umtriebe musste aus dem Fokus der Publikation weichen, was dem Werk aber sehr zu Gute kommt. Der damit gewonnene Freiraum bietet Platz für die kleinen Nebenschauplätze wie den Gorienkonflikt oder die Vasallenstaaten Floeszern und das Yalaiad. Daraus lassen sich mit etwas Eigenaufwand diverse Abenteuerideen erarbeiten, von denen es ansonsten in der Publikation eher mangelt. Regeltechnisch liefert Das Dornenreich aber alles Nötige, um regionsspezifische Helden zu erstellen und diese mit dem dazugehörigen Flair an den Spieltisch zu bringen. Illustrationen und mittelmäßiges Lektorat hingegen wirken einer guten Atmosphäre eher zuwider.
Unterm Strich ist Das Dornenreich eine solide Regionalspielhilfe, die ihren Zweck erfüllt, aber wenig stimmungsvoll geschrieben ist.
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https://www.teilzeithelden.de/2019/10/17/ersteindruck-starfinder-einsteigerbox-schnellstart-ins-weltall/
Schon seit mehr als zwei Jahren können Fans von Pathfinder erforschen, wie die Welt ihres Rollenspiels in ferner Zukunft aussieht. Wer Starfinder bisher noch nicht kennengelernt hat, soll eine perfekte Gelegenheit mit der deutschen Übersetzung der Einsteigerbox erhalten. Wir haben uns für euch auf den Weg zu den Sternen gemacht.
Was passiert mit einer typischen Fantasywelt, die sich über Jahrtausende entwickeln kann, ohne dass Dämonen, Drachen oder böse Götter die typische Apokalypse entfachen? Vermutlich findet irgendeine Art von technischem Fortschritt statt und am Ende wird aus Magie und Technik ein Gemisch, das treffend als Science-Fantasy bezeichnet werden kann. Soweit zumindest die Idee von Starfinder.
Als eine Art Spin-Off zum Rollenspiel Pathfinder, das gerade in einer kontrovers diskutierten zweiten Edition erschienen ist, nimmt sich Starfinder der Welt von Golarion an und versetzt sie in eine technologisch weit fortgeschrittene Zukunft. Golarion als Planet verschwindet dabei ärgerlicherweise, aber die Szenerie bleibt unverkennbar dieselbe.
Wie schon für Pathfinder ist auch für den Weltraumableger eine Einsteigerbox erschienen, die seit Kurzem in deutscher Übersetzung erhältlich ist. Wir haben das zum Anlass genommen, uns noch einmal zu den Paktwelten aufzumachen und Starfinder unter die Lupe zu nehmen. Lest im Weiteren, ob die Landung auf der Absalom-Station mithilfe der Einsteigerbox gelingen wird.
Ein kurzes Briefing vorab
Dieser Artikel wird sich nur sehr rudimentär mit dem Regelsystem befassen, das Starfinder zugrunde liegt. Der Grund dafür sind gleich drei Artikel unseres Magazins, die sich bereits in der Vergangenheit ausführlich mit den Regeln des Spiels auseinandergesetzt haben. Unser Redakteur Holger hat die englische Originalversion des Grundregelwerkes rezensiert und einem Spieltest unterzogen. Die deutsche Starfinder-Übersetzung wurde zusätzlich von einem Gastautor bewertet.
Allen, die an einer Betrachtung des Regelkomplexes interessiert sind, sind daher die oben genannten Artikel wärmstens empfohlen. Unser Ersteindruck der Einsteigerbox widmet sich stattdessen eher der Frage, ob das Produkt seinem Zweck gerecht wird, Neulinge mit Starfinder vertraut zu machen und Lust auf mehr zu vermitteln. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf kompletten RollenspielanfängerInnen.
Die Spielwelt oder: das Spielleiterhandbuch
Auch wenn das Spielerhandbuch der Box einige kurze Abschnitte zur Spielwelt bereithält, finden sich die meisten Informationen doch im Softcoverheft, das sich an zukünftige SpielleiterInnen richtet. Die einzelnen Planeten der Paktwelten, das Sonnensystem, in dem die meisten Abenteuer stattfinden dürften, werden kurz umrissen. Etwas ausführlicher wird die Absalom-Station beschrieben, die einen guten Schauplatz für erste Abenteuer und gleichzeitig eine schöne Heimatbasis für die Charaktere bietet.
Einen ersten Eindruck von den ungemütlichen Abschnitten der Station können sich die SpielerInnen in Form des mitgelieferten Abenteuers Stahlklaues Versteck verschaffen. Darin werden die Charaktere beauftragt, sich einer rätselhaften Bedrohung anzunehmen, die die unteren Ebenen der Station heimsucht. Leider enttäuscht das Abenteuer auf ganzer Linie.
Zunächst dürfte allen SpielleiterInnen, die bereits die Pathfinder Einsteigerbox kennen, auffallen, dass eine enorme Ähnlichkeit zum darin verwendeten Startabenteuer Schwarzzahns Hort vorliegt. Beide Abenteuer bestehen aus einem Dungeon, der zehn Räume umfasst und mit dem jeweils namensgebenden Endgegner schließt. Für die Starfinder-Variante sind Details abgeändert und der Stil auf Science-Fantasy umgemodelt worden, ansonsten wurde einfach alles übernommen.
Diese etwas lieblose Vorgehensweise wäre verzeihlich, wenn das Abenteuer nicht schon in seiner Urform suboptimal gestaltet wäre. Der Dungeon ist ein Schlauch ohne echte Entscheidungsmöglichkeiten, fast sämtliche Begegnungen sind nur im Kampf lösbar und für den Kampf gegen den Endgegner muss zuvor ein bestimmter Gegenstand gefunden worden sein, ohne den kaum Chancen auf einen Sieg bestehen. Komplette Rollenspielneulinge bekommen durch dieses Abenteuer einen sehr eingeschränkten Eindruck von den Möglichkeiten des Hobbys und werden eventuell noch durch die sehr beschränkten Optionen, ihren Gegner zu überwinden, frustriert.
Es verwundert, dass gerade dieses Abenteuer für die Box gewählt wurde. Denn mit den Tipps und Hinweisen für die angehenden SpielleiterInnen, die danach folgen, lassen sich weitaus bessere Szenarien entwerfen. Immer an den Bedürfnissen kompletter AnfängerInnen orientiert, finden sich hier jede Menge sinnvoller Inhalte.
Neben einem kurzen Abriss zu den allgemeinen Aufgaben der Spielleitung finden sich vor allem Handreichungen, um Abenteuer zu entwerfen und die Spielsitzungen vorzubereiten. Dabei werden insbesondere der Beschreibung und Nutzung von verschiedenen Szenerien viel Platz eingeräumt, was es angehenden SpielleiterInnen erlaubt, abwechslungsreiche Abenteuer zu präsentieren. Vervollständigt wird das Paket durch eine angemessen große Kreaturensammlung sowie passenden Zufallstabellen für den Einsatz der diversen Gegner und NSC.
Die Regeln oder: Was ist anders als im Grundregelwerk?
Wie schon zuvor erwähnt, haben wir die Regeln von Starfinder bereits in der Vergangenheit ausführlich besprochen. Bei einem Einsteigerprodukt stellt sich aber immer die Frage, ob und inwiefern die Regeln verändert und angepasst wurden, um den Einstieg zu erleichtern. Starfinder geht hier weitestgehend den gleichen Weg, den Pathfinder mit seiner Einsteigerbox beschritten hat.
Charaktere, die mithilfe der Einsteigerbox erschaffen werden, sind aber anders als bei Pathfinder nicht voll kompatibel mit dem kompletten Regelwerk, da ein Detail vereinfacht wurde. Die Unterscheidung von Ausdauer und Trefferpunkten ist zugunsten der Trefferpunkte aufgehoben worden, dürfte aber bei einer Konvertierung des Charakters leicht nachgeholt werden können. Darüber hinaus sind keine weiteren Abweichungen vom Regelkern des Systems aufgefallen, stattdessen werden an vielen Stellen Regeloptionen ausgelassen, die das Regelwerk bietet.
Insbesondere ist davon der Raumkampf betroffen, der in der Einsteigerbox ersatzlos gestrichen wurde. Diese Entscheidung ist schwerlich nachzuvollziehen, da Raumschiffe und Schlachten im Orbit mit Laser und Torpedos für viele SpielerInnen fest zum Repertoire des Science-Fiction-Genres gehören. Auf der anderen Seite stellt der Raumkampf in den vollständigen Regeln von Starfinder quasi ein eigenes Subregelsystem dar, das Rollenspielneulinge schnell überfordern könnte.
Charaktererschaffung oder: das Spielerhandbuch
Der einfachste Weg, mit der Starfinder Einsteigerbox ins Abenteuer zu starten, besteht ohne Frage darin, einen der sechs vorgefertigten Charaktere auszuwählen und einfach loszuspielen. Die sechs Weltraumabenteuer kommen jeweils mit einem bereits ausgefüllten Charakterblatt daher. Neben diversen nützlichen Erläuterungen bieten die vollfarbigen Bögen auch eine kleine Hintergrundgeschichte zum jeweiligen Charakter.
Wer lieber den ganz eigenen Charakter erstellen möchte, wird ebenfalls nicht enttäuscht. Das Spielerhandbuch bietet eine Anleitung zum Charakterbau, die Anfänger bei jedem Schritt an die Hand nimmt und unterstützt, ohne jemals im Ton ins Vorschulhafte abzurutschen. Besonders praktisch sind die Hinweise, wo auf den beiliegenden Blankobögen die jeweiligen Werte und Fähigkeiten genau eingetragen werden müssen.
Auch die Auswahl an Charakteroptionen enttäuscht nicht. Jeweils sechs Völker, Charaktermotive und Klassen erlauben theoretisch bis zu 216 verschiedene Charakterkombinationen. Durch die Auswahl von Zaubern, Spezialfähigkeiten, Talenten und Ausrüstung können diese verschiedenen Varianten dann noch individualisiert werden.
Langeweile sollte also nicht allzu schnell aufkommen, auch wenn die Auswahl an Möglichkeiten im eigentlichen Grundregelwerk selbstverständlich größer ausfällt. Da alle Charakterklassen bis auf Level vier gesteigert werden können, ist auch nach einem ersten Abenteuer noch genug Luft nach oben, ohne dass zusätzliches Spielmaterial angeschafft werden müsste. Aus einem kompetenten, aber eben noch unerfahrenen Charakter kann mit den Inhalten der Box eine Figur werden, die den Anfängerstatus ebenso hinter sich gelassen hat, wie der/die SpielerIn.
Erscheinungsbild
Das uns vorliegende PDF überzeugt mit einem sehr einheitlichen Artwork und Layout. Die Farbgebung ist recht bunt, was bei einer Science-Fiction-Thematik aber nicht weiter stört und auch niemals den Rahmen sprengt. Die diversen Lesezeichen vereinfachen eine Orientierung im Text der beiden Bücher enorm.
Obwohl das PDF also zu gefallen weiß, wird erst die physische Version des Produkts die Inhalte der Einsteigerbox voll zur Geltung bringen, auch wenn sie sich für ein Einsteigerprodukt im oberen Preissegment bewegt. Die diversen Aufsteller, Referenzkarten und nicht zuletzt die Flipmat, die der Box beiliegen, machen sich einfach besser, wenn sie nicht ausgedruckt und -geschnitten sind. Für echte Einsteiger sind außerdem die Würfel, die der Box beiliegen, nicht uninteressant.
Ob ausgedruckt oder aus dem klassischen Stanzbogen erfüllen diese Elemente am Spieltisch in jedem Fall ihren Zweck. Fast 80 Aufsteller dienen zur Darstellung der Charaktere und ihrer diversen Gegner und Verbündeten. Auf der doppelseitigen Flipmat, die den Bodenplan des mitgelieferten Abenteuers bzw. eine große Blankofläche zeigt, können diese Figuren dann ihre Kämpfe austragen.
Was am Erscheinungsbild negativ auffällt, ist die Tatsache, dass an einigen Stellen im Text offensichtlich keine Übersetzung aus dem Englischen stattgefunden hat. Es handelt sich zwar nicht um essenzielle Textstellen, aber die Fehler sind sehr auffällig und daher ärgerlich.
Fazit
Nachdem schon die Einsteigerbox zum engverwandten Pathfinder unsere Redaktion überzeugen konnte, überrascht es wenig, dass auch das entsprechende Produkt für Starfinder nicht enttäuscht. Alle AnfängerInnen erwartet ein pralles Paket mit zwei Softcoverheften, Charakterbögen, Würfeln, Merkzetteln mit wichtigen Regeln sowie einer großen Menge an Bodenplänen und Aufstellern, die sich schnell und sinnvoll im Spiel einsetzen lassen. Lediglich in der PDF-Version muss noch etwas Zeit fürs Drucken und Basteln investiert werden.
SpielerInnen werden Schritt für Schritt durch die Charaktererschaffung geleitet und dürfen aus einer langen, aber nie überwältigenden Liste aus Optionen den Wunschcharakter erstellen oder einfach einen von sechs fertigen Charakteren ins Abenteuer schicken. Auch nach dem ersten Abenteuer kann der Charakter weitergespielt und gesteigert werden, denn die Box enthält Material, um alle Klassen bis auf Level vier zu entwickeln. Und danach sind die Charaktere schnell auf das vollständige Regelwerk konvertiert.
Auch die potenziellen SpielleiterInnen bekommen einiges geboten. Neben einer großen Auswahl an NSC und Kreaturen sind zahlreiche Tipps zum Erstellen von eigenen Abenteuern und der Beschreibung und Umsetzung verschiedenster Szenerien in der Science-Fantasy-Welt von Starfinder enthalten. Das mitgelieferte Abenteuer stört leider den ansonsten tollen Gesamteindruck, denn es bietet nur sehr unterdurchschnittliche Unterhaltung und vermittelt Neulingen keinen guten Eindruck von den Möglichkeiten eines Tischrollenspiels.
Trotz dieses Wermutstropfens und eines vergleichsweisen hohen Preises der Printversion gilt aber: Mit dieser Box lässt sich der Countdown für die Reise zu den Paktwelten von Starfinder problemlos einleiten.
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https://www.teilzeithelden.de/2019/10/03/rezension-dsa-der-ruf-der-bahalyr-sterne-fallen-sterne-singen/
Hochelfische Hinterlassenschaften, uralte Geheimnisse und eine Reise ins Unbekannte – Der Ruf der Bahalyr bildet den spektakulären Auftakt zur Sternenträger-Kampagne für Das Schwarze Auge. Die Teilzeithelden haben sich der Expedition ins grüne Herz des aventurischen Nordens angeschlossen und berichten von der abenteuerlichen Reise.
Vor einigen Wochen verkündete Ulisses Spiele auf der hauseigenen RatCon, dass mit Der Ruf der Bahalyr der erste Band der Sternenträger-Kampagne bereits vor Ort erworben werden konnte. Damit beginnt eine Reise, die angestaubte Elemente des DSA-Metaplots wieder aufgreifen soll, die in den letzten Jahren in einer Art Dornröschenschlaf vor sich hindämmerten. Insbesondere zur Phileasson-Saga und den aktuell erscheinenden Romanen von Bernhard Hennen und Robert Corvus, die diese Kampagne belletristisch aufarbeiten, sollen Bezüge hergestellt werden. Worum es sich dabei handelt und wie gut dies gelungen ist, ist das Thema der folgenden Zeilen.
Das Vermächtnis der Hochelfen
Vor Jahrtausenden traten die Vorfahren der aventurischen Elfen aus dem Licht und gelangten somit nach Dere, der Welt von Das Schwarze Auge. Simia, der erste von ihnen, berührte 64 der anderen an der Schulter, woraufhin sie ein Sternenmal erhielten und dadurch als Anführer ihres Volkes erkennbar wurden. Auch heute noch gilt es unter Elfen als Zeichen einer großen Macht und eines bedeutsamen Schicksals, wenn ein Kind mit dem Sternenmal geboren wird, auch wenn dies nur sehr selten passiert und den meisten nur noch aus Legenden bekannt ist.
Simia wurde der erste König der Hochelfen, die schließlich ihre Wälder verließen, um prächtige Städte zu bauen, nur um danach tief zu fallen. In der Sternenträger-Kampagne geht es jedoch nicht (nur) um alte Ruinen oder Artefakte der Hochelfen, wie in der Simyala-Kampagne, im Abenteuer Sturmgeboren oder in Klingen der Nacht, welches ebenfalls aus der Feder Dominic Hladeks stammt. Vielmehr geht es um das tiefergehende Vermächtnis der Hochelfen. Schicksale, die vor Jahrtausenden ihren Anfang nahmen, müssen sich in der Gegenwart erfüllen, um die ewige Finsternis abzuwehren. Dabei spielen nicht nur die Sternenträger eine Rolle, sondern auch die Spielercharaktere, die durch Zufall – oder Vorhersehung? – Der Ruf der Bahalyr
Wer folgt dem Ruf der Bahalyr?
Das Abenteuer beginnt in Gerasim, jener Stadt im Norden Aventuriens, in der Elfen und Menschen zusammenleben. Ein magiekundiger Held wurde von der hiesigen Akademie eingeladen, eine Weile als Gastdozent zu unterrichten. Die übrige Gruppe setzt sich aus seinen Freunden und Begleitern zusammen, oder aus Personen, die sich aus einem anderen Grund in Gerasim aufhalten. Dieser Aufhänger mag etwas gezwungen wirken, bietet jedoch die Gelegenheit, im Rahmen einer ersten Lehrstunde bereits grundlegende Hintergründe zur Kampagne zu vermitteln.
Einige Spieler erinnern sich vielleicht noch an die Traumwelt, die im Abenteuer Das Vermächtnis der Völker in Gerasim geschaffen wurde. Dort können Elfen und Menschen mehr über die Lebensweise des anderen Volkes erfahren und so zu einem besseren Verständnis des jeweils anderen gelangen. Während die Helden sich in dieser Traumwelt aufhalten, kommt es schließlich zu einem magischen Ereignis, dem namensgebenden Ruf der Bahalyr.
Zu Beginn des Abenteuers dreht sich die Handlung um die Deutung der magischen Botschaft und die Vorbereitung einer Expedition, um dem Ruf zu folgen. Im Gegensatz zu früheren Abenteuern, wie An fremden Gestaden oder Sturmgeboren, wurde für diese Reise dankenswerterweise darauf verzichtet, an dieser Stelle eine aufwändige Wirtschaftssimulation einzuschieben. Dieser Teil ist angenehm offen gestaltet und stellt alle möglichen Reisestationen mit entsprechenden Szenenvorschlägen vor. Im Detail soll an dieser Stelle nicht auf jede Begegnung eingegangen werden, aber sowohl für erfahrene als auch für neue Spieler dürfte es einiges zu entdecken geben.
Die Reise führt die Helden und ihre Begleiter, darunter den Magier Anastasius Silberhaar, tief in die Salamandersteine. Dieses grüne Herz Nordaventuriens, die Heimat der Waldelfen, ist ohnehin ein unwegsamer Ort, an dem Menschen nicht willkommen sind und Reisende sich mit magischen Phänomenen herumschlagen müssen. Hinzu kommt, dass auch finstere Mächte auf den Ruf der Bahalyr aufmerksam geworden sind, die die Expedition nicht nur mit kleinen Nadelstichen sabotieren, sondern komplett vernichten möchten. Dass sie nicht immer offen agieren und mitten in der Wildnis gekonnt Zwietracht säen, macht sie umso erinnerungswürdiger. Zudem bietet dies auch gesellschaftlich ausgelegten Spielercharakteren Raum zu glänzen, selbst wenn sie gerade fernab jeglicher Zivilisation unterwegs sind.
Das Finale bietet in mystischer Umgebung eine erste größere Konfrontation mit diesen Gegenspielern und führt die Helden schließlich mit der Bahalyr zusammen. Worum es sich dabei handelt? Das erfahrt ihr im Spoilerkasten, in dem sich auch – Obacht! – Informationen zum kosmologischen Hintergrund der Sternenträger-Kampagne befinden.
SL-Informationen
Eine Reise durch Licht und Traum
Auch wer keinen Blick in den Spoilerkasten geworfen hat, kann sich vorstellen, dass Kampagnen mit einem Hintergrund, der tief in der aventurischen Historie wurzelt, schnell unübersichtlich werden können. Dahingehend gelingt es dem Autor, die Handlung anschaulich und verständlich darzustellen. Dennoch kann sich glücklich schätzen, wer noch die alte Elfen-Spielhilfe Aus Licht und Traum sein Eigen nennt. Die mitunter sehr komplexe Geschichte der Elfen in Aventurien wird im Abenteuer selbst nicht näher beschrieben und auch das entsprechende Kapitel im aktuellen Aventurischen Almanach geht nicht sehr ins Detail. Zumindest der Spielleiter sollte also wenigstens hinlängliche Vorkenntnisse der elfischen Historie haben, auch wenn Der Ruf der Bahalyr für die Spieler zunächst als simples Reiseabenteuer erscheint. Dessen weitreichende Auswirkungen werden aber durch den von Beginn an präsenten mythologischen Hintergrund erahnbar.
Obwohl das Abenteuer letztlich einer vorgegebenen Handlung folgt, bietet die Kampagne mit dem System der Seelenmakel-Punkte eine Möglichkeit, die Taten der Spielercharaktere zu bewerten und folgende Ereignisse entsprechend anzupassen. Dabei handelt es sich um Punkte, mit denen Erfolge der Gegenspieler nachgehalten werden können. Wie auch schon in der Theaterritter-Kampagne, einer anderen Kampagne für Das Schwarze Auge, sorgt dies dafür, dass jede Heldengruppe die zentralen Situationen des Abenteuers und der Kampagne leicht anders erleben dürfte. Eine weitere der vielen Zusatzregeln, die es inzwischen für Das Schwarze Auge gibt, die zum Glück aber sehr übersichtlich und nachvollziehbar gestaltet wurde, widmet sich der Bewegung in elfischen Traumwelten.
Erscheinungsbild
Die Illustrationen sind durchweg sehr gut gelungen. Porträts wichtiger Nichtspielercharaktere vermitteln einen guten Eindruck dieser Personen und helfen beim Überblick in der (bisher) übersichtlichen Figurenriege der Kampagne. Zudem stechen die Darstellungen der fantastischen Landschaften hervor, durch welche die Helden in diesem Abenteuer reisen. Die Orte werden stimmig und nicht zu exotisch präsentiert, sodass trotz aller fantastischen Elemente die Zuordnung zum Spielhintergrund von Das Schwarze Auge klar erkennbar bleibt.
Auch das ansprechend gestaltete Kartenmaterial kann überzeugen und hilft der Spielleitung dabei, insbesondere am Finalschauplatz die Übersicht zu behalten. Dabei ist überdies das saubere Layout behilflich, das Infokästen passend platziert und einen reibungslosen Lesefluss ermöglicht.
Fazit
Der Ruf der Bahalyr ist der Auftakt zu einer epischen Kampagne und so fühlt sich das Abenteuer beim Lesen auch an. Nach einer knappen, aber durchdacht aufgebauten, Einleitung werden die Helden auf eine Reise geschickt, die viele spannende und motivierende Elemente enthält. Erfahrene Spieler werden zudem Querverweise zu altgedienten Teilen des aventurischen Metaplots entdecken, während sie auf neue und altbekannte Meisterpersonen sowie Örtlichkeiten treffen.
Nichtsdestotrotz sollten sich auch verhältnismäßig neue Spieler von Das Schwarze Auge an diesem Abenteuer erfreuen können. Dies liegt daran, dass es dem Autor gelingt, das große Ganze, das sich im weiteren Verlauf der Kampagne entfalten wird, in verdaulichen Häppchen in die Handlung einzuweben. Dass bereits in diesem Abenteuer einprägsame Gegenspieler ausgeschaltet werden können, sorgt zudem für zufriedenstellende Teilerfolge.
Die Spielleitung sollte allerdings Vorwissen und gute Vorbereitung mitbringen. Hilfreich ist dabei die übersichtliche Einleitung des Abenteuers. Dort wird nicht nur die Handlung von Der Ruf der Bahalyr komplett dargestellt, sondern auch der weitere Verlauf der Kampagne zumindest grob umrissen.
Kurzum: Der Ruf der Bahalyr ist der übersichtliche, aber bei weitem nicht beschauliche, Auftakt einer großen Kampagne. Die Spieler erwartet Epik ohne großen Bombast und ein faszinierender Plot. Einzig der große Aufwand zur Vorbereitung trübt ein wenig die Vorfreude, spricht aber auch dafür, wie viel Potential dieses Abenteuer bietet. Deswegen zeigt der Daumen kerzengerade nach oben.
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https://www.teilzeithelden.de/2019/10/08/rezension-cthulhu-nautischer-nachtmahr-tiefe-raunt-der-tiefe-zu/
Drei Fahrten auf hoher See, drei tödliche Szenarien. Nautischer Nachtmahr schickt die Investigatoren in unermessliche Tiefen. Dass an den dunkelsten Stellen des Ozeans ungeahnte Schrecken lauern, ist seit jeher Teil des Cthulhu-Mythos. Ist das Thema also abgenutzt oder immer noch frisch? Die Teilzeithelden gehen auf Tauchgang und finden es heraus…
Nautischer Nachtmahr ist eine Anthologie für das Cthulhu-Rollenspiel, die drei Szenarien enthält, die auf hoher See oder in den Tiefen des Ozeans spielen. Alle drei beinhalten vorgefertigte Spielercharaktere, die auf das jeweilige Szenario abgestimmt wurden. Wer sich im Cthulhu-Mythos auskennt, mag aufgrund seiner Vorkenntnisse eine ungefähre Vorstellung davon haben, was auf ihn zukommt, könnte aber auch überrascht werden. Denn die drei Szenarien beinhalten Ansätze, sich dem Mythos zu nähern, die über Tiefe Wesen und versunkene Städte hinausgehen. Doch dazu mehr im folgenden Text.
Menschenfracht – Verlassen auf hoher See
Das erste Szenario trägt den Namen Menschenfracht und wurde von Dominic Hladek geschrieben. Die acht möglichen Spielercharaktere befinden sich aus ganz verschiedenen Gründen auf einem Containerschiff, dass sie illegal von China in die USA bringen soll. Sie sind in einem der Container eingesperrt und wurden schon mehrere Tage nicht mehr mit Wasser und Nahrung versorgt, als das Szenario beginnt. Entsprechend verzweifelt ist ihre Lage und einige Mitreisende weilen bereits nicht mehr unter den Lebenden.
Während sie in Dunkelheit und Isolation ausharren, ist die Mannschaft des Schiffes einem Schrecken aus der Tiefe anheimgefallen. Ihr erstes Ziel sollte deswegen sein, einen Ausweg aus dem Container zu finden. Einige von ihnen haben auch noch andere Pläne, verborgen vor den anderen, was im weiteren Verlauf für zusätzliche Spannungen innerhalb der Gruppe sorgen dürfte. Die Gruppe selbst ist bunt gemischt und beinhaltet neben verzweifelten Auswanderern und Regimeflüchtlingen, darunter ein tibetischer Mönch, auch zwei US-Amerikaner, die bittere Launen des Schicksals in den Container gebracht haben. Diese Zusammensetzung sorgt natürlich auch für interessante Möglichkeiten zum Ausspielen von Interaktionen zwischen den Spielercharakteren.
Menschenfracht ist ein gnadenloses Szenario und bereits durch seinen Einstieg nichts für zartbesaitete SpielerInnen. Es ist in seinem Verlauf sehr offen gestaltet. Auf ihrer Suche nach einem Ausweg können die Spielercharaktere das Schiff erkunden, werden aber schon bald an ihre Grenzen stoßen. Beim Lesen drängt sich der Eindruck auf, dass es kaum zu schaffen ist, zumindest ein einigermaßen zufriedenstellendes Ende zu erreichen. Diese Ausgangssituation hat zwar durchaus ihren Reiz, kann aber auch schnell für Frustrationen sorgen. Deswegen sei dieses Szenario nur jenen Spielern empfohlen, die mit der Hoffnungslosigkeit an Bord und nicht zuletzt auch den menschlichen Abgründen in ihrer eigenen Gruppe umgehen können.
Eisgefängnis – Zum Ruhm von Mütterchen Russland
In diesem Szenario von Jos Kayser schlüpfen die SpielerInnen in die Rollen sowjetischer Besatzungsmitglieder eines Atom-U-Boots. Eisgefängnis spielt 1981, also mitten im Kalten Krieg. Unerbittlich kalt ist auch der Schauplatz, denn es geht in das Eis der Arktis, wo sich die Crew der Akula nicht nur mit dem US-amerikanischen Klassenfeind auseinandersetzen muss, sondern auch mit unvorstellbaren Schrecken.
Im Gegensatz zu den anderen beiden Szenarien in Nautischer Nachtmahr, ist Eisgefängnis durchaus für einige Sitzungen ausgelegt. Die SpielerInnen steuern die Offiziere des Schiffes bei ihrer Suche nach einem Ausweg aus einer verfahrenen Situation und können auf einer arktischen Insel einiges entdecken – auch das, was besser unentdeckt geblieben wäre. Amüsante Randnotiz: Auch wenn sie von Gestrandeten unterschiedlicher Herkunft angefertigt wurden, sind die Handouts praktischerweise alle auf Deutsch.
Der Spielleitung wird dabei freie Hand gelassen, wie sich die Handlung entwickelt und wie sich das Szenario im Finale auflöst. Das erfordert zwar einiges an Vorbereitung, zahlt sich aber auch aus. Das unverbrauchte Szenario, das Jagd auf Roter Oktober mit Das Ding aus einer anderen Welt und der ersten Staffel von The Terror verbindet, ist angenehm offen gestaltet und beinhaltet das Potential für mehrere Spielabende.
Tangaroa – Unter Druck im Überdruck
Das dritte Szenario in diesem Band stammt aus der Feder von Michael L. Jaegers und führt die Spielercharaktere in eine unterseeische Forschungsstation. Ein Hilferuf hat sie dazu gebracht, in tiefste See aufzubrechen und nach dem Rechten zu schauen. Prompt entdecken sie einen Verletzten, der ihnen kurz erklären kann, was vorgefallen ist, dann aber zur Behandlung an die Oberfläche gebracht werden muss.
Während das Tauchboot etwa drei Stunden fürs Auftauchen und erneute Abtauchen braucht, sind die Spielercharaktere auf sich allein gestellt und müssen in Echtzeit versuchen, herauszufinden, was hinter den Vorkommnissen steckt. Dabei geraten sie in einen nervenaufreibenden Psychothriller, der zunehmend zum Überlebenskampf wird. Dass jeder der vorgefertigten Spielercharaktere zudem ein eigenes Geheimnis hat, von denen einige potenziell zu weiteren Konflikten führen können, sorgt für zusätzliche Anspannung.
Charmant ist, dass die Spielleitung selbst entscheiden kann, was genau hinter dem aufkeimenden Wahnsinn steckt, der zuerst den Leiter der Forschungsstation heimsuchte. Greift er nun auf alle Anwesenden über? Ist der Hintergrund biologisch oder im Cthulhu-Mythos verwurzelt? Was die SpielerInnen aus dieser Situation machen, ist unvorhersehbar, was natürlich einige Vorarbeit durch die Spielleitung erfordert. Diese kann sich aber durchaus lohnen, auch wenn die eigentliche Handlung letztlich recht dünn bleibt. Dies ist aber völlig in Ordnung, da das Abenteuer nur auf eine Dauer von zwei bis drei Spielstunden ausgelegt ist.
Wer Lust auf den Spielbericht zum sogenannten „Director’s Cut“ des Autoren Jaegers hat, findet ihn auf dessen Seite. Dieser Blick sei aber nur potentiellen Spielleitern von Tangaroa empfohlen.
Erscheinungsbild
Werden die einzelnen Szenarien betrachtet, hat das Szenario Eisgefängnis klar die besseren und stimmigsten Illustrationen des Bandes. Die Illustrationen von Menschenfracht und Tangaroa sind solide, bieten aber noch Luft nach oben. Auch bei den Handouts kann das Szenario rund um das U-Boot Akula punkten. In Tangaroa hingegen sind manche Handouts unlesbar und wären ohne das beiliegende Transkript völlig unbrauchbar. Scheinbar wurden Fotos eines Notizbuches gemacht, die viel zu dunkel geraten sind, als dass man bei der schwer lesbaren Handschrift etwas erkennen könnte.
Fazit
Nautischer Nachtmahr ist eine Anthologie, die auf den ersten Blick nicht sonderlich spektakulär erscheint. Drei verhältnismäßig kurze Szenarien, wahrscheinlich altbekannte Schrecken aus der Tiefe und eine etwas dröge Optik lassen schnell den Eindruck entstehen, soliden Standard aber auch nicht mehr in den Händen zu halten.
Doch bei näherer Betrachtung offenbaren sich die Stärken, die alle drei Szenarien gemeinsam haben. Ausgangssituationen wie in Menschenfracht (Flüchtlinge in einem Container) oder Eisgefängnis (Besatzung eines sowjetischen U-Boots) haben vermutlich die wenigsten RollenspielerInnen schon einmal erlebt. Auch eine Tiefseeforschungsstation wie Tangaroa wurde wahrscheinlich noch nicht oft angesteuert. In den letzten beiden Szenarien bietet sich der Spielleitung sogar die Möglichkeit, ganz eigene Interpretationen des Cthulhu-Mythos einzubringen.
Alle drei Szenarien gestalten sich im Aufbau und Verlauf sehr offen, was von der Spielleitung einige Vorbereitung und auch Übersichtsvermögen verlangt. Dies wird aber auch belohnt, denn dank der vorgefertigten Spielercharaktere mit ihren jeweils eigenen Intentionen, ist nicht nur ein unkomplizierter Spielstart möglich, sondern entfaltet sich auch ein Geflecht an zwischenmenschlichen Intrigen und Verbindungen im Spiel. Nautischer Nachtmahr ist deswegen nicht nur nichts für SpielerInnen, die gerne eigene Charaktere entwerfen und ausgestalten, sondern auch jenen nicht zu empfehlen, die vor dem Blick in die Abgründe verzweifelter Gruppendynamiken zurückschrecken. Wer jedoch den Konflikt zwischen Spielercharakteren vor der Kulisse zunehmenden Wahnsinns nicht scheut, wird mit dieser Anthologie seine wahre Freude haben.
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https://www.teilzeithelden.de/2019/09/09/rezension-lords-and-lands-a-witcher-trpg-expansion-cody-pondsmith/
Ein Jahr nach Erscheinen des Grundregelwerks veröffentlicht Talsorian Games die erste Erweiterung zum Hexer-Rollenspiel: Lords and Lands enthält neben einem Spielleiterschirm auch ein Regelheft, in dem der Name Programm ist: Der Adel und seine Ländereien kommen ins Spiel – außerdem Halblinge als neue Charakter-Option, ein NPC-Baukasten und neue Ausrüstung.
Am 29. Juli erschien das Grundregelwerk zu The Witcher Tabletop RPG aus dem Hause R. Talsorian Games und CD Projekt Red. Ein Jahr später, pünktlich zur diesjährigen GenCon in Indianapolis, hat R. Talsorian Games die erste Erweiterung zu seinem offiziellen Hexer-Rollenspiel herausgebracht. Die PDF-Version erschien am 1. August auf DriveThruRPG.com. Das Erweiterungspaket Lords and Lands ist das erste von mehreren angekündigten Erweiterungen und enthält einen Spielleiterschirm sowie ein Booklet mit neuen Spielinhalten: Eine Heldenklasse, eine spielbare Spezies, ein System zur Erschaffung von Alltags-NPC, ein Regelsystem zur Verwaltung von Ländereien und ein Kapitel mit Ausrüstung. Autor ist The Witcher TRPG-Chefentwickler Cody Pondsmith.
Inhaltsverzeichnis [zeigen]
Inhalt
Der Spielleiterschirm
Der vierteilige Spielleiterschirm entspricht weitgehend der Norm: außen bebildert, auf der Innenseite mit Tabellen für die wichtigsten spielrelevanten Regeln und Informationen bedruckt. Die Tabellen sind thematisch nach Farben sortiert, ihre Anordnung wirkt aber ziemlich willkürlich – zusammengehörige Regeln sind unzusammenhängend über den Schirm verteilt. Leider sind bei den Tabellen keine Seitenverweise zum Grundregelwerk angegeben.
Geht man davon aus, dass ein Spielleiterschirm vor allem das enthalten sollte, was man braucht, wenn es schnell gehen muss, erscheint die inhaltliche Auswahl mancher Tabellen befremdlich – genauso wie das Fehlen von einigen anderen. So haben es beispielsweise die recht wichtigen Regeln zu Wortgefechten („verbal combat“) nicht auf den Schirm geschafft, dafür aber beispielsweise allgemeine Tipps zum Spielleiten, die eher nicht spontan zum Einsatz kommen werden.
Davon abgesehen stellt sich auch die Frage, ob wirklich auf jeder der vier Innenseiten des Schirms eine größere Illustration hätte eingebaut werden müssen. Natürlich sind Dekoration und Ambiente am Tisch auch für den SL wichtig – hier allerdings wird dann doch viel Platz verschenkt, auf dem man noch die eine oder andere hilfreiche Spielregel hätte unterbringen können. Das ist vor allem ärgerlich, wenn man bedenkt, dass es in diesem Bereich zum Witcher-RPG längst brauchbare und gut strukturierte Fan-Produkte im Internet gibt, beispielsweise diese Spielleiterschirm-Einlage auf GM-Binder.
Das Booklet
Das beigelegte Heft zum Spielleiterschirm enthält die eigentliche Erweiterung, in der es um die namensgebenden Lords und Lands geht. Das Cover ziert, thematisch passend, ein Bild von Königin Meve von Lyrien und Rivien, bekannt aus dem Videospiel Thronebreaker: A Witcher Tale.
In aller Knappheit: Allerwelts-NSC
Das erste Kapitel widmet sich auf vier Seiten der Erschaffung von Allerwelts-NPC für die eigene Witcher-Kampagne. Dazu wird im Grunde das normale Charaktererschaffungs-System aus dem Grundregelwerk verwendet, allerdings mit stark eingeschränkten Optionen und deutlich weniger Punkten. Die Anleitung zur Erstellung solcher Charaktere beansprucht mit reichlich Fülltext eine Seite, weitere drei Seiten liefern insgesamt sechs beispielhaft ausgearbeitete Allerwelts-NPC, darunter Handwerker, Gelehrte und Künstler. Wer hier spielfertige Kontrahenten für seine Gruppe, wie etwa Stadtwachen oder Ähnliches, erwartet hat, wird enttäuscht.
Kurz und gut: Halblinge
Eine weitere Buchseite beschäftigt sich mit der neuen spielbaren Spezies, den Halblingen, und liefert eine allgemeine Beschreibung, die spielmechanischen Eigenschaften, einen Einblick in die Halbling-Gesellschaft und als Ergänzung ein paar Tipps zum Lebenslauf-Modul für Halbling-Charaktere sowie eine Übersicht zum sozialen Status der Halblinge in verschiedenen Ländern. Das Ganze ist kompakt und übersichtlich, wie bei den anderen Spezies im Grundregelwerk, und liefert alle wesentlichen Informationen. Im Spiel bieten die Halblinge mit ihrer angeborenen Magieresistenz sicherlich einige neue und reizvolle Möglichkeiten. Dass allerdings die komplette vorausgehende Seite für eine nichtssagende Füll-Illustration verwendet wird, der Halbling dafür aber ohne Bebilderung auskommt, ist nur schwer nachvollziehbar.
Skilltree der neuen Charakterklasse
Adel verpflichtet: Die neue Charakterklasse
Mit dem Noble, also dem Adligen, bringt Talsorian eine neue spielbare Charakterklasse an den Start – komplett mit eigener Klassen-Fähigkeit und Spezialfertigkeiten-Baum. Spielmechanisch macht der Adlige einen Spagat zwischen sozialen und kämpferischen Eigenschaften: Als Dilettant wird er zum Alleskönner und außerdem zum geschickten Blender. Als Ritter ist er im berittenen Kampf besonders gefährlich, kann seine Gruppe moralisch unterstützen und seine Rüstung aktiv einsetzen, um Schaden zu negieren. Als Anführer schließlich kann der Adlige Kommandos geben und so Verbündete unterstützen. Er kann sich außerdem ein Gefolge aus NPC-Dienern aufbauen und am Ende sogar sein eigenes Anwesen verschaffen.
Kurztrip in die Immobilienwelt
Witcher-Fans kennen die Erweiterung Blood&Wine zu The Witcher 3, in der Geralt sein eigenes kleines Weingut nach seinen Vorlieben gestalten kann. Ganz in diesem Sinne funktioniert auch das Anwesen-System von Lords and Lands. Als Spielercharakter würde Geralt dabei aber in die Röhre gucken, denn Estate ist eine exklusive Fähigkeit der neuen Adligen-Klasse und steht anderen Charakterklassen nicht zur Verfügung.
Aber auch für einen frisch erstellten Adligen-Charakter bleibt die eigene Burg mit ausgedehnten Ländereien, einer großen Anzahl Gefolgsleute und Einkünften, die einen adligen Lebensstil tragen würden, ein Luftschloss – selbst voll aufgewertet verschafft die Estate-Fertigkeit ihrem Besitzer bestenfalls ein mittelgroßes Landgut. Das zugehörige Ausbau-System umfasst eine Buchseite und ermöglicht dem Adligen, sein Anwesen um bestimmte Gebäude, spezielles Personal oder andere Ausstattung zu erweitern, die jeweils mit wenigen Sätzen beschrieben werden – beispielsweise eine Folterkammer, ein Arzt, ein Gewächshaus oder Werkstätten. Ist der Adlige daheim, kann er diese Einrichtungen nutzen – auf Reisen fern der Heimat hingegen hat er aber nichts davon. Das Anwesen erwirtschaftet für den Adligen außerdem kein Geld und er kann sein Gefolge (das ohnehin nur aus Allerwelts-NPC besteht) auch nicht ohne weiteres für Unternehmungen außerhalb seiner Ländereien einsetzen.
Durch alle diese Limitierungen stellt die Anwesen-Option insgesamt kaum mehr als ein nettes Gimmick dar und wird wohl in den meisten etablierten Gruppen ungenutzt bleiben – sofern der Spielleiter die Option nicht per Hausregel auch anderen Klassen verfügbar machen will.
Ausrüstungs-Update: Dies und das
Die letzten beiden Seiten des Booklets enthalten das zweite Ausrüstungs-Update der Reihe Rodolf‘s Wagon – die erste Ausgabe gibt es auf der Homepage von R. Talsorian Games. Das bunt gemischte Sammelsurium an neuer Ausrüstung umfasst fünf eher exotische Waffen, vier alchemistische Rezepturen und acht ganz verschiedene allgemeine Ausrüstungsgegenstände, darunter gefälschte Münzen, Vergoldung für Ausrüstungsgegenstände und eine Pestmaske. Alles in allem eine ziemlich willkürlich zusammengewürfelt wirkende Auswahl von „nice to haves“ und nichts, was den meisten Gruppen sonderlich gefehlt haben dürfte.
Erscheinungsbild
Der Gesamtumfang von Lords and Lands ist nicht üppig. Im Paket enthalten sind der Spielleiterschirm mit vier Paneelen im A4-Format und das Booklet mit 16 Seiten – von denen nach Abzug von Deckblatt, Impressum, Index, zwei ganzseitigen Innenillustrationen und dem Rückencover aber nur 10 Seiten tatsächlicher Inhalt übrig bleiben. Da wir zur Rezension die digitale Download-Version der Erweiterung benutzt haben, können wir über die Qualität des gedruckten Produkts leider keine Aussagen machen.
Was die Gestaltung betrifft, ist der Spielleiterschirm dekorativ gemacht. Er ist von beiden Seiten vollfarbig gestaltet, auf der den Spielern am Tisch zugewandten Außenseite werden vierzehn bunte Artworks aus dem Witcher-Videospiel-Franchise gezeigt. Die Bilder sind durchgängig von guter Qualität. Dazu kommt das Booklet, ebenfalls im A4-Format und in Vollfarbe. Layout und Bebilderungen entsprechen dem Grundregelwerk und wirken professionell – auch hier wurden durchgängig farbige und hochwertige Concept Arts und Illustrationen aus den Witcher– und Gwent-Videospielen verwendet – darunter allerdings auch einige, die man schon aus dem Grundregelwerk kennt. Größere Fehler in Text und Layout sind keine aufgefallen.
Fazit
Lords and Lands kann sich irgendwie nicht recht entscheiden, ob es nun lieber Fisch oder Fleisch sein möchte. Der Spielleiterschirm ohne das Booklet hätte kaum den Namen Erweiterung verdient, aber für eine ernstzunehmende Erweiterung ist das Booklet einfach zu dünn. Viele Inhalte sind so knapp und oberflächlich angerissen, dass ein nennenswerter Zugewinn am Spieltisch fraglich ist. Das Ländereien-System ist nur für eine sehr kleine Zielgruppe relevant und auch der neue NSC-Generator ist zwar nett, aber absolut nichts, was ein findiger Spielleiter sich nicht auch selbst schnell zusammenbasteln könnte. Immerhin, mit den Halblingen und Adligen wird das Angebot an spielbaren Charakterkonzepten etwas vielfältiger und auch über ein paar Ausrüstungs-Optionen dürften sich einige Spieler und Spielleiter freuen.
Beim Kosten-Nutzen-Verhältnis macht Lords and Lands leider keine gute Figur. Mit 25 US-Dollar ist der Preis, verglichen mit dem mehr als 300-seitigen Witcher TRPG-Grundregelwerk für 25 (als PDF) beziehungsweise 50 (gedruckt) US-Dollar ziemlich happig. Was die Druckversion angeht, lässt sich der Preis vielleicht noch durch die Produktionskosten rechtfertigen – bei der digitalen Ausgabe ist das freilich kein Argument. Letztere gibt es momentan zwar zum halben Preis – wie lange diese Aktion dauern soll, ist aber unbekannt.
Insgesamt ist Lords and Lands deshalb eher ein Produkt für Sammler und diejenigen Spieler, die unbedingt alle offiziellen Regelwerks-Optionen zur Verfügung haben wollen. Natürlich kommen Hardcore-Halbling-Fans und alle, die unbedingt schon mal einen aufgeblasenen Chevaliér aus Toussaint spielen wollten, kaum um die Erweiterung herum. Alle anderen werden, wenn sie beim Grundregelwerk bleiben, allerdings kaum etwas verpassen. Entsprechend mittelmäßig fällt deshalb auch unsere Wertung aus.
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https://www.teilzeithelden.de/2019/09/04/rezension-die-schwarze-katze-ein-blick-ins-regelwerk/
Katzen, die Kleidung tragen? Rudelkämpfe in Havena? Was ist denn da in Aventurien los? Das wollte auch unser Redakteur Torben wissen und hat fleißig das Crowdfunding zu Die Schwarze Katze unterstützt. Ob er die Katze im Sack gekauft hat oder nun glücklich über seinen Fang schnurrt, lest ihr hier.
„SO GING ES ALLE TAGE, UND DER KATER BRACHTE ALLE TAGE GELD HEIM.“
(Der gestiefelte Kater – Gebrüder Grimm)
Und fürwahr, Mitte Januar 2019 brachte der Kater oder besser Die Schwarze Katze im Crowdfunding mehr als 175.000 EUR nach Hause und damit einen großen Erfolg für Autor Jens Ullrich. Entsprechend hoch waren aber auch die Erwartungen an das Produkt, als ich DSK bei uns am Spieltisch vorstellte. Insbesondere die alteingesessenen DSA-Spieler wollten wissen, wieviel vom Schwarzen Auge in der Schwarzen Katze steckt. Mir als Redakteur brannte die Frage unter den Krallen, warum Ulisses nach dem Erscheinen des Havena-Regionalbandes nun gleich wieder zu dieser Stadt zurückkehrt. Die Neulinge unter uns wollten natürlich wissen, ob die Regeln schnell und einfach zu erlernen sind. Und ehe wir uns versahen, waren wir als Katzen erwacht und auf Samtpfoten ins Abenteuer losgestiefelt.
Auswahl spielbarer Archetypen (Straßenkämpferin, Müllwühler und Wissender)
Aber von Anfang an! Was ist Die Schwarze Katze eigentlich? Mit den Worten von Jens Ullrich: „Im Kern geht es um den gestiefelten Kater in Aventurien. Also um aufrechtgehende, intelligente Katzen, die in Aventurien ihr Unwesen treiben. Unbemerkt von den Menschen haben sie ihre eigene kleine Gesellschaft entwickelt, die sich nachts an geheimen Orten trifft, um Handel oder Unfug zu treiben. Im Endeffekt geht es dabei um einen Perspektivwechsel. Man kann das altbekannte Aventurien aus einem neuen Blickwinkel neu entdecken.“
Wenngleich das Crowdfunding aufgrund der hohen erbrachten Summe von Bonusprämien nur so wimmelt, braucht es nicht viel zum Spielen. Das DSK–Regelwerk genügt und bietet nicht nur das Reglement, sondern auch gleich den passenden Crunch und Fluff in Form von Regelerweiterungen bzw. Hintergrundbeschreibungen.
Die Spielwelt
Kaum eine Spielwelt ist so detailliert beschrieben wie die Welt des Schwarzen Auges. DSK nutzt damit von Anfang an einen großen Vorteil, weil es auf eine existierende Rollenspielwelt zurückgreift und somit die Hintergrundbeschreibungen nicht neu erfinden muss. Wer jetzt aber glaubt, die Autoren hätten sich auf die faule Haut gelegt und einfach aus der noch relativ neuen Havena-Regionalspielhilfe abgeschrieben, der ist auf dem Holzweg. Das Regelwerk überzeugt mit einer narrativen Beschreibung der Stadt und ihren Bewohnern, nimmt die Leser auf eine abenteuerliche Geschichte mit in die Gassen der Stadt und lässt ihn diese aus Sicht der Katzen erleben.
Eine erwachte Katze beim Basteln nützlicher Dinge.
Damit bringt DSK nicht nur das Leben der Katzen von Anfang an in den Fokus der Stadtbeschreibung, sondern liefert unweigerlich auch schon eine große Menge an Ansätzen für Abenteuerideen.
Es ist geradezu ein Genuss, die aventurische Welt aus Sicht der „erwachten“ Vierbeiner kennenzulernen und dabei auf alte DSA-Geschichten und -Gimmicks zu stoßen.
Die Regeln
Neben einer ausführlichen Beschreibung des „Erwachens der Katzen“ und ihrem gesellschaftlichen Leben, verborgen vor den Menschen, bietet das Regelwerk aber vor allem das, wofür es steht: Regeln. Und die sind neu, ganz und gar nicht mehr DSA. Selbstverständlich orientiert man sich noch an vielen Dingen wie Eigenschaften oder den Fertigkeiten, aber schon hier kommen die ersten deutlichen Unterschiede ans Licht. „Friemeln“, „Umschmeicheln“ und „Basteln“ sind beispielsweise Fertigkeiten, die explizit auf das Wesen der Katzen zugeschnitten wurden. Die Autoren haben sich viel Mühe gegeben, um unmissverständlich deutlich zu machen, dass DSK eben nicht DSA ist und setzen klare Grenzen im Regelbereich. Der beliebte W20 (20seitiger Würfel) kommt zwar nach wie vor zum Einsatz, aber für Probenwürfe muss man mit nur zwei Würfeln auskommen (bei DSA sind es drei).
Die Werte, auf die man bei Fertigkeiten eine Probe ablegt, errechnen sich nach einer zunächst kompliziert wirkenden Formel: [erforderliche Eigenschaft 1 + erforderliche Eigenschaft 2] geteilt durch zwei + Fertigkeitswert (FW) + Fünf = Probenwert (PW). Die Fertigkeit „Körperbeherrschung“ zum Beispiel benötigt die Eigenschaften „Gewandtheit (GE)“ und „Konstitution (KO)“ und so ergibt sich beispielsweise ein Probenwert von [GE12+KO13]/2+FW3+5 = PW20,5 bzw. gerundet PW21. Der Aufwand, diese Werte zu errechnen, schreckt erst einmal ab. Da dieser Aufwand aber nur einmalig geleistet werden muss, offenbart sich schnell der große Vorteil. Beim Würfeln von Proben muss nur noch der Probenwert abgelesen und mit zwei W20 unterboten werden, fertig ist das Probensystem. Bei Eigenschaften funktioniert es ähnlich ([Eigenschaft*2]-5) und auch im Kampf findet das Probensystem, wenngleich etwas abgewandelt, Anwendung.
Es handelt sich zwar nur um ein Grundregelwerk und daher wäre die Forderung nach einer großen Menge an Regeln und Regelerweiterung sowieso übertrieben, aber schon beim ersten Querlesen fällt positiv auf, dass die Regeln gut ausgewählt und vor allem verschlankt wirken.
Allgemeine Sonderfertigkeiten, Vor- und Nachteile, Kampfsonderfertigkeiten, alles wurde auf die Bedürfnisse der Katzen angepasst. Einzig die Erklärungen sind stellenweise etwas mau, wenn man als Rollenspielneuling das Regelwerk in Händen hält. Während des Spielens hat sich zudem gezeigt, dass der inhaltliche Aufbau des Regelwerks nicht optimal bedacht wurde und man häufig um die Archetypen herumblättern muss, welche sich zwischen den Seiten der Grundregeln und den Seiten der Fertigkeitsbeschreibungen befinden.
Charaktererschaffung
Mit drei Rassen (Aranier, Firunsbärchen und Scheunenkatze) und drei Kulturen (Hauskatze, Straßenkatze und Tiefling), sowie 14 Professionen ist die Auswahl recht übersichtlich gehalten. Wer sich die berechtigte Frage stellt, ob es nicht auch andere Katzenrassen geben kann die „erwacht“ sind, andere Kulturen und Professionen, der wird mit einem Baukastensystem belohnt, welches schnell Abhilfe schafft.
Somit steht auch einer Al’Anfaner Vorstadtkatze oder einer Cha’ay-Zhamorrah-Hellseherin nichts im Wege (aventurische Katzen findet man unter anderem in Aventurische Tiergefährten – wir berichteten!)
Die liebevolle Arbeit, die hinter diversen, maßgeschneiderten Vor- und Nachteilen wie beispielsweise dem „Kistenschläfer“ steckt, lassen nicht nur die Katzenliebhaber schmunzeln. Nach einigen langwierigen Berechnungen und vielem Hin- und Herblättern kann man dann auch mit einem selbstentworfenen Kätzchen ins Abenteuer aufbrechen. Wem das zu lange dauert oder zu schwierig ist, und hier ist der Neueinstieg wirklich nicht ganz einfach, der kann sich aber auch einen der vorgefertigten Archetypen nehmen. Diese bringen nicht nur alle Werte mit, die zum Losspielen benötigt werden, sondern sind mit tollen Hintergrundgeschichten beschrieben, sodass es einfacher ist, sich in die Rolle hineinzuversetzen.
Spielbarkeit aus Spielleitersicht
Anreize zum Spiel sind schnell gefunden, das Regelwerk platzt mit kleinen Andeutungen, die sich bequem in Aufhänger für Abenteuer umarbeiten lassen, fast aus den Nähten. Wären da nur nicht die typischen Eigenheiten der Katzen – selbstverliebt, besitzergreifend, arrogant. Für Spielleiter und vor allem für Neulinge ist es eine große Hürde, aus „Eigenbrötlern“ eine Gruppe zu erschaffen, die bestenfalls gemeinsam an einem Strang zieht. Langfristig stellt es aber auch die Möglichkeit dar, die Gruppenzusammenstellung von Abenteuer zu Abenteuer neu zu mischen. Katzen bleiben halt nur selten als Gruppe zusammen – es sei denn, sie gründen ein eigenes Rudel.
Spielbarkeit aus Spielersicht
Die „Wissenden“ versorgen die Katzen mit Informationen – nützlichen und unnützen.
Dank der ausführlichen Hintergrundgeschichte und den vielen Szenarien, die Havena bereithält, ist es für die Spieler ein unglaubliches Vergnügen, in die Rolle der Katzen zu schlüpfen. Gerade alteingesessenen DSA-Spielern bietet der Perspektivwechsel einen ganz neuen Reiz und lässt sie die Welt ganz neu entdecken. Das Spiel als Katze bringt zudem ein vollkommen neues Spielgefühl mit sich, da die Eigenheiten des felinen Wesens in den Vordergrund rücken. Prioritäten müssen gänzlich neu gesetzt werden, schon das Beschaffen der Nahrung kann ein ausgedehntes Abenteuer sein. Genau diese Veränderung des Rollenspielverhaltens kann aber für Spieler auch unbefriedigend sein, da die Katzen keine klassischen „Helden“ mehr sind. Wenn das Streiten für Recht und Ordnung einen niedrigeren Stellenwert einnimmt als die Eroberung des Sahnekruges, muss man als Spieler seine Ansprüche ans Rollenspiel neu überdenken.
Spielbericht
Zum Ausprobieren der Regeln und Spielmechanismen sowie der Erkundung der bekannten und doch unbekannten Welt Havenas wurde das Abenteuer „Jenseits des Spiegels“ aus der Abenteueranthologie „Nachtgeheul“ gespielt. Das Abenteuer war bereits in einem „Let’s play“ mitzuerleben.
Für unseren Spieltisch entschieden wir uns für eine Straßenkämpfer-Katze, eine vornehme Dachtänzerin aus der Oberschicht, einen Mäusejäger vom Hafen und ein Zerzalkind (vergleichbar mit einem Geisterbeschwörer). Ein Teil der Charaktere wurde selbst erstellt, während die Neulinge sich mit den Archetypen zufriedengaben.
Nach einer kurzen Einführung in das Setting konnten wir direkt losspielen. Die Regeln waren leicht umsetzbar und dank eines Spielleiters mit DSA-Erfahrungen auch für diesen nicht zu komplex.
Während die alten Hasen sich etwas schwer taten sich in die ungewohnte Rolle einzufinden, gelang es den Neulingen sehr gut. Textbeschreibungen (besonders aus dem Regelwerk) wurden vom Spielleiter oft eins zu eins abgelesen, um das Flair und die Atmosphäre der Region zu unterstreichen.
Besonders gut kam bei den Spielern das Kampfsystem an, welches auf eine aktive Parade verzichtet und somit im Vergleich zu DSA an Geschwindigkeit dazugewinnt.
Auch die verschiedenen Besonderheiten der Charakterklassen kamen im Abenteuer zum Einsatz, sodass rückblickend gesagt werden kann, dass jede Klasse ihren eigenen Reiz und ihre Berechtigung hat. Im Nachhinein waren die Spieler froh, keine Tieflinge in der Gruppe akzeptiert zu haben (es wurde dahingehend abgestimmt), da es starke Bedenken der Spielbarkeit einer derart gemischten Gruppe gab. Letztlich ist aber auch dies nur eine kleine Hürde für die Spielleitung, denn grundsätzlich gibt es immer irgendwelche „Exoten“, die in eine Gruppe integriert werden wollen.
Erscheinungsbild
Das tolle Layout des Regelwerkes hat seinen ganz eigenen Charakter und grenzt sich auch an dieser Stelle klar von DSA ab. Besonders auffallend sind die zahlreichen bewundernswerten Innen-Illustrationen, welche dem Leser bereits ein genaues Bild des städtischen Treibens und des felinen Lebens vermitteln. Aber auch die Cover-Illustration von Nadine Schäkel darf an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, setzt sie doch ein altbekanntes Bild völlig neu in Szene. Für ein Regelwerk passend sind viele Wertekästen und Randinformationen enthalten und sichtbar hervorgehoben, sodass Informationen schnell auffindbar sind. Insgesamt ist das Regelwerk gut lesbar und von der Reihenfolge der Themen abgesehen auch gut strukturiert aufgebaut.
Bonus/Downloadcontent
Es ist kein Bonuscontent enthalten.
Fazit
Das neue Rollenspiel Die Schwarze Katze bietet auch für Neueinsteiger eine Menge spannender Abenteuer und Geschichten, welche sich aus Sicht einer Katze – in Gestiefelter-Kater-Manier – erleben lassen. Dass DSK dabei auf die bereits existierende Welt des Schwarzen Auges (DSA) zurückgreift hat seine Vor- und Nachteile. Für alteingessene DSA-Kenner ist ein lohnenswerter Perspektivwechsel, der aber nicht mehr dem typischen Helden-gegen-das-Böse-Schema folgt. Für Neulinge hingegen ist das Verständnis einiger Regeln sicherlich zu komplex, dafür liefert die Charaktererschaffung aber mit exzellent ausgearbeiteten Archetypen Abhilfe. Ansonsten gilt auch hier: learning by doing!
Das Regelwerk ist zudem mehr als nur eine Sammlung von Grund- und Erweiterungsregeln. Es bietet einen umfassenden Hintergrund zu der Entstehung der „Erwachten“ und eine ausführliche, narrative Beschreibung der Stadt Havena, ihrer Persönlichkeiten und Mysterien – selbstverständlich aus Sicht der Katzen. Zudem bietet es mit den liebevoll gestalteten Texten und eindrucksvollen Illustrationen zahlreiche Ansätze für Plot- und Charakterideen
Wer als Neuling durch die Rollenspielwelt stiefelt, sollte sich erstmal einen alten DSA-Hasen an die Seite holen, aber es lohnt sich definitiv für das DSK Regelwerk ein paar Mäuse auszugeben.
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