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The Sixth Gun Roleplaying Game
Verlag: Pinnacle Entertainment
von Roger L. [Häufiger Rezensent]
Hinzugefügt am: 02/23/2016 02:30:19

http://wp.me/p1Hoys-6J0

Als bekennender Deadlands-Fan habe ich mich etwas zurückhalten müssen, als Pinnacle den Kickstarter für The Sixth Gun für Savage Worlds anpries. Da ich die Comicvorlage aber nie in Händen hielt, habe ich es mir mal ausnahmsweise verkniffen, mein Geld in noch eine weitere Crowdfunding-Kampagne zu stecken. Darum bin ich auch dann später gerne auf das Angebot eingegangen, mir das Ding für eine Rezension anzusehen. War mir da etwas entgangen?

Inhalt

Mal ganz frei von der Leber weg: The Sixth Gun Role-Playing Game präsentiert seine Welt eher schlecht. Generell leidet das gesamte Produkt an einem schludrigen Aufbau, der Übersichtlichkeit vermissen lässt. Damit will ich nicht sagen, dass es als Rollenspielprodukt versagt. Man darf hier nur wenig Handreiche erwarten, wenn einem die Comic-Reihe nicht geläufig ist. Wer The Sixth Gun also im Rollenspielladen spontan aus dem Regal nimmt, könnte später von seinem Kauf eher enttäuscht sein.

Am Setting liegt das zunächst mal nicht. Da gibt es sechs Superknarren, die eigentlich die Menschheit beschützen sollen. Durch die Jahrtausende sind sie in immer neuer Form aufgetaucht, und wer die Schießeisen in seine Gewalt bringt, kann die Realität umschreiben. Jede dieser Wummen hat auch ihren eigenen Trick auf Lager:

  • Nummer 1 hat die Durchschlagskraft einer Kanone.
  • Nummer 2 kann Leute in Brand stecken oder eine ganze Fläche mit Feuer eindecken.
  • Nummer 3 verbreitet Pestilenz.
  • Nummer 4 kann eine bestimmte Sorte Untoter beschwören.
  • Nummer 5 heilt den Träger, wenn andere damit verletzt werden. Ewige Jugend gibt es noch obendrauf.
  • Nummer 6 ist natürlich der Lamborghini unter diesen Waffen. Je willensstärker der Träger, desto mehr übernatürliche Kräfte werden freigestaltet, inklusive extreme Treffsicherheit, Astralreisen oder Vorahnungen.

Das wäre jetzt alles ganz toll. Dummerweise wurden die sechs Colts in einem dunklen Ritual beschworen, um damit die Unterjochung der Menschheit einzuleiten. Bevor der Weltuntergang während des Amerikanischen Bürgerkriegs eingeleitet worden konnte, griffen noch ein paar Mutige ein und die Sechste verschwand erst mal von der Bildfläche. Das Spiel selbst beginnt viele Jahre später, im Jahre 1887. Was dazwischen so passiert ist, reißt das Buch eher an. Entscheidend jedoch ist, dass fünf der Wunderwummen in den Händen von Bösewichten sind, die Amerika unsicher machen.

Ohne Zusammenhang

Was macht die USA aus? Und was definiert den „Westen“? Das vorliegende Buch scheint sich nicht so gern mit so grundlegenden Fragen auseinanderzusetzen, sonst würde ich mich bei genauerem Hinsehen wahrscheinlich weniger wundern. Trotz der Vorgeschichte im Bürgerkrieg hätte ich mir gedacht, dass die Abenteuer sich im Wesentlichen im (Wilden) Westen abspielen. Drei der fünf beiliegenden Abenteuer sicherlich nicht! Tennessee, Missouri und Kentucky? Alle schon brav Staaten (nicht nur Territorien) seit spätestens 1822. Das wilde Siedlerleben dürfte dort vorbei sein. Überhaupt stellt sich die Frage, wie die Spieler die enormen Distanzen überwinden werden, die zwischen den einzelnen Handlungsorten liegen. Erwähnt werden Nevada, Lousiana, Texas, New Mexico, Tennessee, Utah und Mexico als besondere Orte in der Spielwelt. Damit wären zwei Drittel der Gesamtfläche der Staaten schon mal abgedeckt. The Sixth Gun bietet keine Reiseregeln oder Anhaltspunkte für den SL, wie das vonstatten gehen soll. Man darf mal vermuten, dass mit gnädigem Handwedeln die Helden überall da auftauchen, wo sie gebraucht werden. Wer die „Savage Tales“ aus diesem Band an ihren Originalorten belässt, schießt sich jedenfalls selbst ins Knie ...

Noch besser gefiel mir aber der Absatz, der auf die zahlreichen historischen Quellen über das Amerika des 19. Jahrhunderts verwies. Der „Gazetteer“ ist denn auch dementsprechend dünn. Es ist also alles, wie es wirklich war, außer diese komischen übernatürlichen Sachen, die eigentlich überall sind. Das ist mir für ein Setting aber viel zu wenig! Noch erstaunlicher ist aber, dass eine Westernstadt für die Spieler fünf Seiten ausgewalzt wird. Immerhin gibt es dort eine dieser Waffen zu finden, obwohl das für Neulinge kaum zu bewältigen sein dürfte. Hier stehen also viele Details den groben Pinselstrichen des restlichen Werks gegenüber.

Positive Aspekte

Das alles ist deswegen so enttäuschend, weil im Großen und Ganzen The Sixth Gun RPG eigentlich ein kleiner Batzen Inspiration ist. Es enthält keine Plot-Point-Kampagne, aber immerhin einen brauchbaren Abenteuergenerator. Die fünf enthaltenen Savage Tales könnten zwar auch in jedem Band der Savage Tales of Horror auftauchen, aber sie machen einen guten, spielbaren Eindruck.

Noch besser steht es um die Spielregeln. The Sixth Gun gibt sich als Deadlands Reloaded „light“. Es erfindet das Rad nicht neu, sondern nimmt gelungene Regeln und Konzepte und verwendet sie weiter. Es gibt drei Arkane Hintergründe: Voodoo, Zauberei und Schamanismus. Alle drei orientieren sich mehr an den Savage Worlds Grundregeln als an Deadlands. Sehen wir mal von der Macht „Fluch“ ab, die beinahe wortwörtlich aus dem Weird West übernommen wurde. Mit ein paar zusätzlichen Mächten, Talenten und Handicaps wird die Grundidee von The Sixth Gun gut und mit geringem Einarbeitungsaufwand abgebildet. Für manche Leute noch schöner: Hier gibt es das Übernatürliche, aber keinen Steampunk. Wem Deadlands also zu abgedreht und variantenreich ist, der kann immer noch zu The Sixth Gun greifen. Theoretisch reichen die Regeln hier für jede übernatürliche Wildwestkampagne, und die angebotenen Regeln sind nicht so stark ans Setting gebunden wie im Weird West (wo viele Spielkonzepte direkt an die Existenz von Ghost Rock oder die Manitous gebunden sind). Umgekehrt hindert einen auch nichts daran, das Spektakel um die Schießeisen in den Weird West zu verlegen. So bewarb es ja Pinnacle auch anlässlich seines Kickstarters.

Eine zentrale Rolle im Spiel nehmen die Reliquien ein, Artefakte, die übernatürliche Effekte zugänglich machen. Es wird an mehreren Stellen angenommen, dass die Spieler entweder aktiv nach diesen Reliquien suchen oder sich denen in den Weg stellen, die das für ihre eigenen Zwecke tun. Zusammen mit der umfangreichen Monstersammlung und den vielen stimmungsvollen NSC sollte das auch einige Abenteuer inspirieren können.

Wer mehr will, kann auch zu diesen Produkten greifen.

Preis-/Leistungsverhältnis

Wie schon oben erwähnt, enthält der 96-seitige Band einiges an inspirierendem Material, das sich für alle möglichen Savage Worlds und Deadlands Kampagnen eignen kann. Das ist sicher die knapp 10 USD wert, die Pinnacle für das PDF haben will. Das entspricht auch meiner persönlichen Erwartung an das Verhältnis zwischen Seitenzahl und Preis.

Erscheinungsbild

Sixth Gun Cover Pinnacle Entertainment GroupSettings für Savage Worlds erscheinen bei Pinnacle jetzt typischerweise in kleinen Hardcovern unter 100 Seiten, so auch The Sixth Gun. Wie bei einer Comic-Adaptation nicht anders zu erwarten, bedient sich das Buch bei der Vorlage, wenn es um die Illustrationen geht. Das erinnert an Marvel Heroic, aber bei weitem nicht jede Seite ist dermaßen verziert.

Ein schön gelayoutetes Produkt, keine Frage, aber bei dem begutachteten PDF erscheint mir die Schrift ein wenig zu klein und irgendwie verwaschen. Setze ich den Zoom auf 150%, ist es zwar am Bildschirm gut zu lesen. Die immer noch leicht verblichene Schrift könnte eine Anspielung auf älteren Schriftsatz sein. Egal, was der Grund sein mag, für das Auge ist The Sixth Gun, so wie es mir vorlag, weniger leserlich als vergleichbare Produkte aus gleichem Hause (Lankhmar – City of Thieves oder Savage Tales of Horror).

Bonus/Downloadcontent

Wie zu vielen anderen Savage Worlds-Produkten gibt es auch für The Sixth Gun ein paar Kurzabenteuer und einen Charakterbogen zum Download.

Fazit

Will man The Sixth Gun schnell zusammenfassen, dann könnte man auch sagen: Nimm Deadlands Reloaded, reiß die meisten Seiten raus, ändere ein paar Details, und fertig ist The Sixth Gun. Während Pinnacles Flaggschiff Deadlands viele Zusatzregeln hat, um den Weird West abzubilden, ist The Sixth Gun eigentlich nur ein kleiner Aufsatz auf Savage Worlds. Was nicht schlecht sein muss!

Handwerklich ist das Ganze gut gelöst. Ein paar Arkane Hintergründe, Settingregeln, Talente und Handicaps genügen, um loszulegen. Wirklich Fleisch auf die Knochen kriegt das Ganze aber erst durch die vielen NSC und mächtigen Artefakte, die dieses Setting prägen. Dazu noch ein paar Monster, die auch in Deadlands gut reinpassen (oder dort schon existieren), und der wilde Reigen kann beginnen.

Inhaltlich leidet The Sixth Gun wie andere Pinnacle-Lizenzen daran, ein Leichtgewicht zu sein. Genauso wie bei Lankhmar setzt man wohl darauf, dass existierende Fans (hier: des Comics) zugreifen. Will man sich wirklich in das Setting einarbeiten, ist das Buch zu seicht. Das ist für ein Rollenspielprodukt eher schwach, vergleicht man Deponia, wo die Autoren (und der ursprüngliche Schöpfer der Vorlage) weit über den Kanon der Computerspiele hinausgingen. Auch The One Ring hat es gewagt, den Kanon dort fortzuschreiben, wo Tolkien Details offen ließ.

The Sixth Gun verbleibt als solides Produkt für SL, die diese Arbeit mit etwas Inspiration am liebsten selbst leisten oder einfach der Vorlage verfallen sind. Alle anderen werden mehr als dieses eine Buch brauchen, um eine überzeugende Kampagne in der Welt der Six hinzulegen.



Wertung:
[4 von 5 Sternen!]
The Sixth Gun Roleplaying Game
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War of Ashes: Fate of Agaptus
Verlag: Evil Hat Productions, LLC
von Roger L. [Häufiger Rezensent]
Hinzugefügt am: 02/17/2016 02:40:00

Flauschige Plüschmonster führen in der Rollenspieladaption von War of Ashes einen erbitterten Überlebenskampf um begrenzte Ressourcen. Das grimmige Endzeit-Setting nimmt sich selbst nicht zu ernst und entführt mit liebevollen Zeichnungen in eine mittelalterliche Eiszeit. Ob die Verbindung von Turbo Fate mit Tabletop-Elementen gelungen ist, erfahrt ihr hier!

Rezension: War of Ashes: Fate of Agaptus - Krieg der Plüschmonster (Turbo Fate)

War of Ashes: Fate of Agaptus ist eine Rollenspieladaption der War of Ashes-Tabletop-Reihe von Zombiesmith für Turbo Fate. In Folge einer Eiszeit streiten sich vier flauschige Völker um die immer knapper werdenden Ressourcen. Das Setting wird von den Autoren als "grimsical" bezeichnet. Diese Wortneuschöpfung fasst die zwei zentralen Elemente des Settings prägnant zusammen: Es ist eine düstere Welt brutaler Konflikte und skurriler Kulturen.

Neben dem Setting ist an War of Ashes: Fate of Agaptus besonders, dass es versucht, Miniaturen als taktische Elemente in Konflikten zu integrieren. Ob und wie dies gelingt, lest ihr im zweiten Teil der Rezension.

Der Settingband enthält neben der Settingbeschreibung auch eine vollständige Einführung in das Turbo Fate-Regelwerk. Aufgrund der sehr guten und ausführlichen Einführung ist es uneingeschränkt für den Einstieg in Fate zu empfehlen.

Ein Haufen absurder Plüschmonster

Vier Völker streiten um die schwindenden Ressourcen des Landes: Die gelehrten Elvorix, die wilden Vidaar, die disziplinierten Jaarl und die endlosen Kuld. Technologisch befinden sich die vier Völker auf einem mittelalterlichen Niveau. Sie staunen über die wundersamen und unerklärlichen Ruinen früherer Zivilisationen. Elvorix und Vidaar verbindet eine jahrhundertealte Feindschaft. Einst waren beide Völker Teil des Volkes der Sentian, die antike Wunderwerke im Land bauten. Irgendwann stießen die gelehrten Sentian jedoch auf die Kuld, die alles verschlangen, das sie in ihre Münder stopfen konnten. Unter General Vidaar entstand schließlich eine mächtige Kriegerkaste, der es gelang die Kuld zu vertreiben. Den Gelehrten allerdings war diese Kriegerkaste nach Ende des Krieges nicht geheuer, sodass die Gelehrte Elvora eine List ersann und die Krieger mit Ausblick auf reiche Schätze, die auf einer fernen Insel auf sie warten sollten, auf eine jahrhundertelange Reise aufs Meer lockte. So ist es wenig verwunderlich, dass die kriegerischen Sentian, die sich nun nach ihrem General Vidaar benannten, nach ihrer endlosen Odyssee fürchterliche Rache an den Elvorix nahmen und viel Wissen der Gelehrten durch Krieg, Mord und Brandschatzung verloren ging. Die alte Fehde ist auch heute noch nicht vergessen, aber das Wiederauftauchen des gemeinsamen Feindes – der gefräßigen Kuld – konnte ein fragiles Bündnis zwischen den Feinden schaffen. Die Jaarl schließlich sind nach einem Vulkanausbruch aus ihrer Heimat geflohen und drohen aufgrund ihres technologischen und militärischen Fortschritts Elvorix und Vidaar auszulöschen. Einige Stimmen unter den Jaarl mutmaßen aber auch, dass es vielleicht zu einem Waffenstillstand kommen könnte.

Launische Götter

Die Götter, die von den Völkern Agaptus' verehrt werden, haben Interesse am Wohl der Sterblichen. Leider sind sie aber völlig unfähig. Selbst wenn sie sich mit wohlwollender Intention in das Leben Sterblicher einmischen, hat dies oft ungewollte Konsequenzen. Ein Ritual zur Abwehr feindlicher Schiffe durch göttliche Winde kann dazu führen, dass auch die eigene Fischereiflotte an den Felsen zerschlägt. Der Wunsch nach reicher Ernte kann Schädlingsinfektionen zur Folge haben, die wiederum fleischfressende Reittiere anlocken, die wiederum Trolle anlocken. Gleichzeitig ist es aber auch fatal, die Götter zu ignorieren oder während eines Rituals einen winzigen Fehler zu begehen – ihr göttlicher Zorn ist mit Sicherheit schlimmer als alles, das sich die Völker Agaptus' gegenseitig antun könnten. So versuchen viele Priester nur vorzugeben, Rituale für eine Gottheit abzuhalten, damit diese nicht zornig wird, vermeiden aber gleichzeitig, eine der vielen launischen und unfähigen Gottheiten auf sich aufmerksam zu machen. Regeltechnisch wird dieses Spielelement durch das Konzept "göttlichen Interesses" abgebildet. Jede Gottheit des Pantheons verfügt über eigene Konsequenz-Slots, die gefüllt werden, wenn die Spielercharaktere diese Gottheit um Hilfe bitten, beleidigen oder auf andere Art und Weise auf sich aufmerksam machen. Sobald ein weiterer Konsequenz-Slot gefüllt werden müsste, aber alle Slots einer Gottheit schon belegt sind, wird die Gruppe durch göttliches Interesse ausgeschaltet. Dies bedeutet, dass die Charaktere ihr aktuelles Ziel zunächst einmal nicht erreichen und sich die Gottheit in das Leben der Charaktere einmischt. Wenn die Gottheit vor allem aufgrund positiver Taten auf die Gruppe aufmerksam wurde, wird sie vor dieser erscheinen und ihnen zu helfen versuchen (und dabei versehentlich ein Gebäude in Brand setzen). Sollte die Gottheit aber zornig auf die Gruppe sein, wird sie ihnen so lange Hindernisse in den Weg legen und das Leben erschweren (z.B. indem ein Erdbeben die Gruppe verfolgt), bis eine andere Person erneut den Zorn der Gottheit auf sich zieht. Am Ende der Sitzung entscheiden sich die Spieler gemeinsam für einen neuen Gruppenaspekt, welcher die Art der Einmischung bzw. des Interesses der Gottheit an der Gruppe bezeichnet.

Viele Plothooks, wenig Innovatives

War of Ashes: Fate of Agaptus ist es dickes Buch. Auf knapp 200 der 370 Seiten werden das Setting und jede der vier Fraktionen detailliert beschrieben. Diese Beschreibungen sind aufgegliedert in eine Einführung in die jeweilige Gesellschaft, eine Übersicht über Personen/Klassen/Gilden der jeweiligen Fraktion und typische Orte. An vielen Stellen finden sich hier Ideen für kurze Abenteuer. So müssen die Helden beispielsweise einen Weg finden, den Abschluss eines Tempelbaus heraus zu zögern, ohne die Gottheit weiter zu verärgern; oder sie müssen nur mit einer Handvoll Feiglinge eine Vidaar-Garnison gegen einen hinterhältigen Angriff halten, bis die eigentlichen Truppen aus der Schlacht zurückkehren. Diese Plothooks sind nett, witzig, clever. Sie helfen, das „grimsical"-Gefühl des Settings fassbar zu machen und erlauben es dem Spielleiter, kurz vor dem Spielabend das Buch aufzuschlagen und sich durch eine gute Idee für den Spielabend inspirieren zu lassen. Meiner Meinung nach eignen sie sich, durch ihre Pointierung auf jeweils einen absurden Aspekt der jeweiligen Fraktion, jedoch deutlich besser für Oneshots als für eine länger angelegte, komplexe Kampagne. Mich persönlich hat es sehr geärgert, knapp 200 Seiten Text gelesen und dabei nur einige Ideen für witzige Kurzszenarien gesammelt zu haben.

Hinzu kommt, dass die Beschreibungen der Fraktionen an historischen Kulturen und bekannten Klischees angelehnt sind. Mich hat es wenig überrascht, dass sich in den Siedlungen der an die Wikinger angelehnten Vidaar Häfen, Flotten, Clanhallen, Schmieden und Brauereien befinden. Dass diese Gebäude dann jeweils sehr ausführlich beschrieben sind und teils triviale Plothooks enthalten (Beispiel: Es werden neue Vorräte für die Schmiede benötigt!), transportiert nicht einmal mehr den besonderen Charme des Settings, sondern füllt meines Erachtens viele Seiten mit wenig interessanten Inhalten. Einzig die großartigen Illustrationen, die fast jede Seite des Buches schmücken, haben mich über die trivialen Beschreibungen hinweg getröstet.

Wie soll man das denn spielen?

Für mich ist War of Ashes: Fate of Agaptus ein Settingband für Oneshot-Szenarien. Die herrlich absurden Elemente des Settings liefern wunderbar witzige, kurze Szenarien, die eine Spielrunde sicherlich einige Stunden unterhalten können. Ich sehe aber nicht, wie man dieses Setting in einer längeren Kampagne bespielen kann. Auch wenn formal einige Elemente des Settings auf längere Kampagnen ausgelegt sind (z.B. der "Göttliches Interesse"-Track), kann ich mir nicht vorstellen, wie man die Glaubwürdigkeit der Welt über eine längere Zeit in einer gemischten Heldengruppe aufrechterhalten kann. Natürlich können die verschiedenen Fraktionen gemeinsame Interessen verfolgen, wie beispielweise die Ursache der Naturkatastrophe zu erforschen und das Fortschreiten der Eiszeit aufzuhalten. Letztlich sind die vier Fraktionen aber auch Todfeinde. Hinzu kommt, dass sich die menschenfressenden Kuld nur durch die Gerüche wieder hochgewürgter Speisen unterhalten können. Das mag für ein paar Spielabende witzig sein, danach würde es mich einfach nur noch nerven. Eine mögliche Lösung könnte darin bestehen, eine Heldengruppe aus Mitgliedern einer einzigen Fraktion zu spielen. Dadurch würde zwar ein Teil des Charmes des Settings verloren gehen, zugleich könnte aber eine höhere Glaubwürdigkeit der Welt gewahrt werden. Es ist schade, dass der ansonsten sehr gute Spielleiterteil des Buches auch keine konkreten Hinweise gibt, wie sich längere Kampagnen angesichts der innerweltlichen Konflikte zwischen den Gruppen umsetzen lassen.

Fate mit Tabletop-Elementen!?

Der Settingband ist von den War of Ashes Tabletops Shieldwall und Shieldbash inspiriert. Daher lehnen sich auch einige Regelelemente an die Tabletop-Ursprünge an. Zu Beginn jedes Konfliktes gibt es eine Phase des Brüllens, in der sich die Krieger in Rage schreien und Priester sowie Schamanen den Beistand der Götter erflehen. Regeltechnisch erschafft jeder Charakter zu Beginn eines Konfliktes einen Vorteil, welcher die besondere Vorbereitung dieses Charakters zur anstehenden Schlacht wiederspiegelt. Einige Charaktere mögen in eine tiefe Trance fallen, während andere sich in Rage schreien oder dem Blutrausch erliegen. Schafft der Spieler den zugehörigen Würfelwurf nicht, wird der Aspekt zwar trotzdem erschaffen, der Charakter erleidet jedoch eine Konsequenz, die einmal frei ausgenutzt werden kann. Sobald ein Charakter einen solchen Aspekt erschaffen hat, kann er nur noch diejenige Methode für seine Aktionen wählen, mit deren Hilfe er den Aspekt erschaffen hat, sowie die beiden angrenzenden Methoden (siehe Diagramm) – ansonsten verliert er den Aspekt sofort wieder. Versucht sich also ein rasender Charakter (der Aspekt wurde mit der kraftvollen Methode erschaffen) vorsichtig an einen Gegner heranzuschleichen, ist er nicht mehr rasend. Diese zusätzliche Konflikt-Phase ist ein tolles Element, weil sie einerseits den tribalistischen Hintergrund des Settings schön einfängt und andererseits das Spotlight kurz auf jeden einzelnen Charakter und seine Eigenheiten schwenkt.

Ein weiteres Tabletop-Element ist das Gewicht der Charaktere. Charaktere haben standardmäßig ein Gewicht von Eins, Schergengruppen oder größere Monster können auch höhere Gewichte haben. Übersteigt in einem Konflikt in einer Zone das Gewicht der einen Gruppe das der anderen Gruppe um den Faktor Zwei, kann diese Gruppe einen beliebigen ihrer Würfel in ein + verwandeln. Liegt dieser Faktor sogar bei Vier oder höher, kann die Gruppe gleich zwei ihrer Würfel auf ++ drehen. Das Gewicht lässt sich auf einem Bodenplan beispielsweise durch die von Miniaturen eingenommene Fläche darstellen. Im Grund ist diese Regel eine Variation der Teamwork-Regel, die meines Erachtens vor allem zusätzlichen Verwaltungsaufwand bedeutet. Daher würde ich empfehlen, die Teamwork-Regel durch die Gewichts-Regel zu ersetzen und nicht beide gleichzeitig zu verwalten. Ansonsten könnte es schwierig fallen Konflikte ohne viel Erfahrung im erweiterten System angemessen einzuschätzen.

Einer der Werbeslogan für War of Ashes: Fate of Agaptus ist, dass es miniaturenfreundlich ist. Angesichts dieser Werbung ist die Empfehlung, Miniaturen einfach zur besseren Visualisierung in Konflikten zu verwenden, sehr antiklimatisch. Nichtsdestoweniger möchte ich den Abschnitt zu Miniaturen und Zonen in Konflikten jedem ans Herz legen, der sich schon einmal über die Zoneneinteilung in Fate den Kopf zerbrochen hat: In keiner offiziellen Publikation habe ich bislang eine so gut beschriebene Einführung in das Zonenkonzept und derart durchdachte Beispiele für den Aufbau von Konfliktzonen in verschiedenen sozialen und physischen Auseinandersetzungen gesehen. Miniaturen helfen dabei zu visualisieren, in welcher Zone sich die Teilnehmer des Konfliktes befinden und welche anderen Szenenaspekte (Objekte, Kulisse, Natur) sich dort befinden. Hätte ich zu Hause eine Miniaturen-Sammlung, würde ich beim nächsten Spieleabend einmal ausprobieren, ob es die Kreativität meiner Spieler anfeuert, eine Konfliktzone auf einer Battlemap mit Miniaturen nachgestellt zu sehen.

Interessant ist auch die Option, ganz im Sinne von Drops in a pond die jeweiligen Tabletop-Spiele Shieldwall und Shieldbash zu nutzen, um den Ausgang größerer Konflikte zu entscheiden. Diese Möglichkeit ist sicherlich vor allem für Spielrunden interessant, in denen diese Tabletops ohnehin gespielt werden.

Erscheinungsbild Das Layout ist sehr übersichtlich gestaltet. Dunkle Kästchen grenzen besondere Erläuterungen oder Anmerkungen sinnvoll vom Fließtext ab. Die zahlreichen vollfarbigen Illustrationen sind liebevoll und unterstreichen die Grundstimmung des Settingbandes. Hier hätte man nichts besser machen können!

Bonus/Downloadcontent Die Tabletop-Regelwerk und weiteres Material zum War of Ashes findet ihr auf Zombiesmiths Website . Dort könnt ihr auch die passenden Miniaturen bestellen; ansonsten finden sie sich auch in gut sortierten Tabletop-Geschäften.

Fazit In War of Ashes: Fate of Agaptus kämpfen vier bis auf den Tod verfeindete Plüschvölker um die immer knapper werdenden Ressourcen einer von der Eiszeit bedrohten Welt. Das Setting ist absurd-komisch und liefert zahlreiche Ideen für unterhaltsame Oneshots. Allerdings ist die Glaubwürdigkeit der Welt in einer längeren Kampagne vermutlich nur schwer aufrechtzuerhalten. Der Settingband enthält eine umfassende Einführung in die Turbo Fate-Regeln und leitet anhand vieler Beispiele Einsteiger gekonnt zum Fate-Spielen an. Das Vermischen von narrativem Erzählspiel mit Tabletop-Elementen ist sicherlich Geschmacksfrage und gelingt mal besser, mal schlechter, aber nie ohne Konzept. Alles in allem handelt es sich um einen interessanten Settingband, der mir auf knapp 370 Seiten jedoch deutlich zu umfangreich geraten ist. Hätten die Autoren es geschafft, die wichtigsten Elemente auf 150 Seiten darzulegen, würde ich eine uneingeschränkte Kaufempfehlung aussprechen. So jedoch muss man sich bewusst sein, dass man sich durch sehr viele Seiten lesen muss, um unter Umständen nur einige wenige Abende mit dem sehr speziellen Setting zu verbringen.



Wertung:
[3 von 5 Sternen!]
War of Ashes: Fate of Agaptus
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Romance in the Air • A World of Adventure for Fate Core
Verlag: Evil Hat Productions, LLC
von Roger L. [Häufiger Rezensent]
Hinzugefügt am: 02/17/2016 02:05:03

http://www.teilzeithelden.de/2016/02/05/rezension-romance-in-the-air-steampunk-pulp-political-history-irgendwas-fate/

Rezension: Romance in the Air – Steampunk Pulp Political History Irgendwas (Fate)

Rezension: Romance in the Air – Steampunk Pulp Political History Irgendwas (Fate) Wir befinden uns in der Welt des „Fin de Siècle“ am Ende des 19. Jahrhunderts. Doch diese Welt ist anders, als die in unseren Geschichtsbüchern. Hier gibt es keine komplexe Landkarte eines zersplitterten Europas, sondern drei um Vormacht streitende Großreiche. Während am Boden für den großen Krieg gerüstet wird, reisen Fürsten, Diplomaten und Spione im Steampunk-Zeppelin über den Kontinent. Die Stimmung ist angespannt, aber es wird geflirtet, der Wein fließt reichlich, die Musik spielt zum Tanz und die Intrigen nehmen ihren verhängnisvollen Lauf.

Inhalt

Romance in the Air ist ein Erweiterungsband für das Fate-System auf 56 Seiten. Es spielt in einem alternativen historischen Szenario um die vorletzte Jahrhundertwende. Es streiten drei Großmächte mit unterschiedlichen Mitteln um die Vorherrschaft auf dem alten Kontinent Europa:

Das „Britannic Empire“ ist der traditionelle Herrscher des Kontinents. Mit einer großen Luftschiffflotte hat es einen entscheidenden militärischen Vorteil auf seiner Seite. Dazu steckt seine hervorragende Dampf-Industrie die der anderen Imperien in die Tasche.

Das „Muscovite Empire“ ist der Emporkömmling und kriegstreibende Rivale auf dem Kontinent. Sein Militär zu Land sucht seinesgleichen und seine Spione bereiten den Krieg vor. Es ist quasi ein grimmiges Russland zur Zarenzeit.

Das „Caliphate of Baghdad“ versucht mit herausragender Diplomatie nicht zwischen die Fronten zu geraten und aus den Spannungen der beiden anderen Großmächte seinen Vorteil zu ziehen.

Wirklich innovativ ist keines davon: Das Britannic Empire ist quasi England plus Frankreich zu Viktorianischer Zeit, das Muscovite Empire ist die grimmige Entsprechung Russlands zur Zarenzeit und das Caliphat of Baghdad ähnelt dem Osmanischen Reich mit besonderer Betonung der Kulturschätze. Geringere globale Mächte, wie etwa Deutschland oder Polen, sind zwar auf der Landkarte eingezeichnet, spielen für Romance in the Skies aber keine Rolle. Schade, denn gerade sie hätten mehr Spannung in den ansonsten recht klischeehaften Aufbau bringen können. Wer mehr über erwähnte Nebenreiche, wie etwa das „Kingdom of Neaples“, wissen möchte, muss selbst recherchieren.

Das Setting: Persönliches statt Politik

Dass der internationalen Politik in einem politischen Rollenspiel so wenig Text gewidmet wird, ist auf den ersten Blick seltsam. Beim Lesen offenbart Romance in the Skies aber seinen Fokus auf persönliche Geschichten, in denen Politik zum Hintergrund schillernder Charaktere wird. Die Spieler verkörpern dabei Mitglieder der gehobenen Gesellschaft, Spione oder Diplomaten, die auf dem Luftschiff Pension Bellvue, einem neutralen Ort über den Wolken, Europa bereisen. Das Setting hält sogar eine Flugroute von London bis Alexandria bereit und beschreibt viele Sehenswürdigkeiten der Reise im Detail. Das Schiff selbst wird aber nur kurz erwähnt. Auch die Liste von Passagieren fällt stichwortartig knapp aus. So ist beispielsweise „Mr. Yves Chevalier“ seiner Beschreibung nach ein einflussreicher Industrialist mit großem Appetit; von welcher Großmacht oder auf was er Appetit hat, bleibt dabei offen.

Mehr Sozialfähigkeiten

Romance in the Air setzt auf die Fate Core–Regeln, benutzt aber eine eigene Auswahl an Skills: Neu sind etwa „Espionage“ (Spionage), „Diplomacy“ (Diplomatie), „Gamble“ (Glücksspiel) oder „Industry“ (Industrie als Ressource unter dem Einfluss des Charakters). Das passt gut zum Setting, ist für Fate Core-Spieler aber gewöhnungsbedürftig. Die Vielzahl an sozialen Fähigkeiten ermöglicht einerseits ein sehr nuanciertes Intrigenspiel und lässt sich gut in andere Fate-Settings mit einem Fokus auf sozialer Interaktion exportieren. Andererseits führt dies zwangsläufig zu inhaltlichen Überschneidungen: Ist nun Empathie, Diplomatie oder Gesellschaftswissen gefragt? Hier muss der Spielleiter entscheiden

Großmächte und Luftschiffe mit Regeln

Etwas Besonderes an Romance in the Air ist die Möglichkeit, Länder durch die Fate-Regeln auszudrücken und mit diesen große Politik zu spielen. Leider fehlt hier eine ausführliche Liste von möglichen Aspekten oder Stunts für Länder, so dass sich das System schlecht auf andere Spiele übertragen lässt. Im Rahmen des Abenteuers sind sie aber durchaus brauchbar, wie auch die beigefügten Fahrzeug-Regeln für Luftschiffe und Flugzeuge.

Tipps zu Intrigen

Das Fin de Siècle ist nicht gerade eine Zeit, in der sich Rollenspieler normalerweise austoben. Da ist es gut, dass Romance in the Air viel Mühe darauf verwendet, den Spielleiter beim Aufbau und Verlauf des Szenarios zu unterstützen. So gibt es nützliche Ratschläge, wie man Spieler gegeneinander aufstellt und damit Intrigenspiel begünstigt. Auch mehrere Tabellen für Zufallsereignisse an Bord oder während der Landgänge helfen Spielleitern dabei, das Spiel aufzulockern und für Gesprächsthemen an Bord zu sorgen. Manche davon geben sogar solide Ideen für ganze Abenteuer ab.

Ja was denn nun?

Das größte Problem von Romance in the Air ist das schwammige Setting, das sich irgendwo zwischen Orient Express-Romantik, Mata-Hari-Spionage und Pulp-Action, zwischen Downtown Abbey, und Dr. Schiwago verortet. Im Regelwerk wird das Genre des Spiels etwa als „Steampunk Pulp Romance Political History Drama“ umrissen. Dass im Regelwerk noch Final Fantasy, („Welcher Teil überhaupt?“), Fullmetal Alchemist („Anime, echt jetzt?“) und der Webcomic Girl Genius erwähnt werden, stiftet mehr Verwirrung, als dass es hilft. Zusammen mit dem eher skizzenhaften Aufbau des Luftschiffes und der kurz geratenen Beschreibung der politischen Mächte ist hier viel Interpretation und Eigenleistung des Spielleiters gefragt.

Preis-/Leistungsverhältnis

Romance in the Air wird wie alle World of Adventure-Produkte mit dem Pay What you Want-Modell vertrieben. Der durchschnittliche Preis von knapp 3 USD geht trotz inhaltlicher Mängel voll in Ordnung. Hier wäre aber mehr drin gewesen: Mit ausführlicher Beschreibung des Luftschiffs, seiner Passagiere und einiger neutraler Staaten hätte der Preis deutlich höher ausfallen können.

Erscheinungsbild

Romance in the Air Teaser FATEWer bereits eine andere World of Adventure gelesen hat, weiß was ihn hier erwartet. Das Layout ist solide und übersichtlich, ein paar vollfarbige Zeichnungen lockern den Lesefluss auf und die Karten der Spielwelt und des Luftschiffs sorgen für Übersicht.

Fazit

Die Stärke der anderen World of Adventure liegt in den fokussierten Spielwelten mit klaren Themen zum sofortigen Losspielen. Nach dem Lesen von Romance in the Air bleiben aber zu viele Fragen offen. Warum spielt das Steampunk-Element kaum eine Rolle? Wie sieht die aktuelle politische Lage des Kontinents aus? Wo liegen die Schwerpunkte des Spiels? Auch ein Fate-Produkt sollte dies nicht alles handwedeln.

Dabei hat die Idee einer Reise über den Wolken durchaus ihren Charme. Mit der richtigen, kreativen Spielrunde kann Romance in the Air ein Sprungbrett sein und eine großartige Diplomatie- und Intrigen-Kampagne ermöglichen. Das Potential ist da. Doch dafür muss der Spielleiter noch einiges an Vorbereitung und Arbeit investieren. Dank dem niedrigen Preis lohnt sich trotzdem der Kauf, allein für die guten Ideen und die ausgefeilten Regeln für gesprächslastige Abenteuer.



Wertung:
[3 von 5 Sternen!]
Romance in the Air • A World of Adventure for Fate Core
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DSA5 - Aventurisches Bestiarium (PDF) als Download kaufen
Verlag: Ulisses Spiele
von Roger L. [Verifizierter Käufer]
Hinzugefügt am: 02/12/2016 03:27:23

http://www.teilzeithelden.de/

So ein Heldenleben wäre ohne eines ziemlich eintönig und langweilig: Jede Menge grausame Bestien, mächtige magische Geschöpfe und wilde Raubtiere, die man zum Wohle der Allgemeinheit heldenhaft dahinmetzeln kann! Ulisses liefert uns zu diesem Zweck einen Band voller Schwertfutter, und unser Redakteur Patrick hat ihn sich für euch angeschaut.

Rezension: DSA5 – Aventurisches Bestiarium – Eigentlich ja, wenn nicht …. Jedes anständige Fantasy-Rollenspiel braucht natürlich ein Quellenbuch, in dem eine (möglichst große) Auswahl an Bestien und Antagonisten präsentiert wird. Denn ohne mächtige Gegner, die es zu besiegen gilt, hält sich der Ruhm unserer Helden und Heldinnen in denkbar kleinen Grenzen.

Mit dem Aventurischen Bestiarium ist Ende vergangenen Jahres nun endlich auch ein passendes Werk für DSA5 erschienen – oder zumindest der erste Teil eines größeren, zusammenhängenden Werkes. Denn für die 5. Edition hat der Verlag eine wichtige Entscheidung getroffen: Es wird keine thematisch zusammenhängenden Quellenbände wie das „Zoo-Botanica“ oder „Tractatus contra Daemones“ mehr geben, sondern mehrere Bestiarien, ähnlich wie bei Pathfinder.

Ich persönlich stehe diesem Ansatz eher kritisch gegenüber. Erstens liegt das an der erschwerten Suche nach einer bestimmten Kreatur. Denn während ich bei thematisch sortierten Bänden sofort weiß, dass ich einen Dämon auch im Quellenband für Dämonen finde, habe ich bei gemischten Bänden das Problem mit der Nadel im Heuhaufen – oder in diesem Fall Monsterhaufen. Zweitens wird durch den gemischten Aufbau der Spieler in gewisser Weise dazu gezwungen, für eventuell gar nicht benötigte Informationen zu bezahlen. DSA hat sich schon immer durch seine große Vielfalt an Spielstilen ausgezeichnet: Kleine Lokalhelden lassen sich genauso gut abbilden wie reine Seefahrer-Gruppen oder überlebensgroße Helden, die es am laufenden Band mit den mächtigsten Gegnern aufnehmen. Aber wozu braucht eine kleine Gruppe von Lokalhelden Spielwerte zu mächtigen Dämonen? Und warum soll sich eine Seefahrer-Gruppe ein Buch auf den Verdacht hin anschaffen, dass darin eventuell ein paar Seeungeheuer enthalten sind? Mit thematisch getrennten Quellenbänden lässt sich so etwas umgehen.

Nachdem ich nun aber meine anfängliche Skepsis zum Ausdruck gebracht habe, möchte ich mich nun endlich für euch dem Bestiarium widmen, denn das kann ja wohl nichts für Entscheidungen von Verlagsseite aus... oder doch? Inhalt Der Band lässt sich in vier Teile untergliedern, von denen sich allerdings nur zwei auch tatsächlich um Kreaturen drehen.

Der erste Teil beschäftigt sich – nach einem Grußwort von Alex Spohr – mit dem Aufbau der Kreaturenbeschreibungen und der Erklärung von im folgenden verwendeten Abkürzungen. Außerdem werden hier einige Kampfsonderfertigkeiten, wie „Anspringen“, „Flugangriff“ oder „Überrennen“ vorgestellt. Diese sind allerdings, wie man sich bei den Bezeichnungen sicherlich schon denken kann, nicht für Spielerhelden, sondern ausschließlich für Raubtiere und andere Bestien gedacht.

Im nächsten Abschnitt geht es dann richtig los. Groß prangt die Überschrift „Ungeheuer“ über dem kurzen Einleitungstext, was aber eigentlich etwas irreführend ist. Zwar werden hier 40 verschiedene Kreaturen ausführlich vorgestellt, allerdings sind nicht alle davon wirklich Ungeheuer und einige davon sind sogar Humanoide. Ich habe an dieser Stelle nachgezählt, wie sich diese 40 Kreaturen zusammensetzen: 6 Dämonen, 4 Feenwesen, 2 niedere und 3 höhere Drachen, 5 Untote, dazu einige weitere kulturschaffende Wesen wie Grolme oder Marus. Was dann noch übrig bleibt, darf größtenteils auch tatsächlich als Ungeheuer bezeichnet werden, sei es nun ein Basilisk, ein Schlinger (hust T-Rex hust) oder ein Säbelzahntiger. Nicht alle dieser Lebewesen sind bösartig - insbesondere Feenwesen, Grolme und Yetis - und anderen Zweibeinern gegenüber im Regelfall neutral, wenn nicht sogar freundlich eingestellt. Der Begriff Ungeheuer ist hier also sehr weit gefasst.

Die einzelnen Kreaturen werden sehr detailliert vorgestellt und ich habe den Eindruck, dass man sich hier strukturell an den Meisterpersonen-Bänden der letzten Edition orientiert hat. Jedes Wesen wird detailliert auf einer Doppelseite vorgestellt, wobei jeder Eintrag von einer kleinen Geschichte eingeleitet wird. Meistens handelt es sich hier um Auszüge aus inneraventurischen Büchern oder Märchen. Besonders amüsant fand ich beispielsweise den Eintrag zu Höhlendrachen, in dem einer Drachin der schönste Jüngling des Dorfes – ob er noch Jungfrau ist weiß niemand so genau – als Opfer angeboten wird, und sie diesen kurzerhand entführt anstatt ihn zu verspeisen. Gefolgt wird das Ganze von einem Fließtext, der die Verbreitung und Lebensweise genauer beschreibt. Hier finden sich Informationen zum generellen Verhalten, Beziehungen zu anderen Kreaturen, Fressgewohnheiten und vielem, was man außerdem noch über dieses Wesen wissen sollte. Die „harten Fakten“, also die spielmechanisch relevanten Werte werden in farblich abgesetzten Kästen präsentiert. Neben den Eigenschafts- und Fertigkeitswerten sind hier auch Informationen zu Größe und Gewicht, Kampfverhalten und eventuell zurückbleibender Beute angegeben. Außerdem finden sich hier auch Einträge, wie viel man bei welcher Fertigkeitsprobe über die jeweilige Kreatur herausfinden kann.

Das nächste Kapitel beschäftigt sich mit gewöhnlichen Tieren, die auch bei uns existieren oder in grauer Vorzeit schon einmal existiert haben. Vom Alligator über den Kampfhund bis hin zu Reittieren ist hier das Wichtigste der Tierwelt vertreten. Die Fließtexte zu den Tieren sind knapp und die Einträge pro Tier nur eine Seite lang, aber die Wertekästen sind ebenso ausführlich wie im vorangegangenen Kapitel.

Den Abschluss bildet ein Anhang, der neben einigen neuen Vor- und Nachteilen wie „Drachentöter“ oder „Raubtiergeruch“ auch generelle Regelinformationen zu Kreaturentypen, wie zum Beispiel Geistern oder Feen beinhaltet. Außerdem werden hier Sonderfertigkeiten und Informationen zur Beuteverwertung präsentiert, was vor allem für Jäger und Alchemisten praktisch sein dürfte.

Doch was ist nun vom Inhalt im Allgemeinen zu halten? Mit der Darreichungsform habe ich überhaupt kein Problem, diese wurde meiner Meinung nach vorbildlich gewählt. Sehr wohl habe ich allerdings mit der Auswahl der Kreaturen ein Problem. Es ist nicht nur so, dass lediglich eine recht geringe Anzahl angeboten wird, sondern es fehlen auch grundlegende Wesen, die in Aventurien sehr oft auftauchen. Der Krakenmolch zum Beispiel kommt in fast jedem Seefahrts-Abenteuer vor, ist aber nicht vorhanden, ebenso wenig wie die Seeschlage. Dafür hat man Wesen mit aufgenommen, die nur lokal begrenzt vorkommen, wie zum Beispiel die Grolme. Ich weiß ja, dass dieses Buch nicht der letzte Kreaturenband zur aktuellen Edition sein wird. Trotzdem hätte ich – gerade beim ersten Teil – erwartet, dass die am häufigsten vorkommenden Kreaturen vollständig enthalten sind, und unbekanntere Wesen in späteren Veröffentlichungen nachgereicht werden. Was mir auch nicht einleuchten will, sind die aufgeführten humanoiden Spezies. Informationen zu Marus und Krakoniern sind ja schön und gut, aber wenn man schon solche Exoten aufnimmt, hätte man auch gleich den Ork-Räuber, den bösen menschlichen Schwarzmagier oder eine Goblin-Schamanin samt ihrer Sippe behandeln können. Diese tauchen sehr viel häufiger auf, und hätten sich eine Erwähnung eigentlich mehr als verdient – und dass man den Begriff Bestiarium hier ohnehin nicht so ernst genommen hat, müsste ja mittlerweile klar sein.

Preis-/Leistungsverhältnis Für einen vollfarbigen und gut verarbeiteten Quellenband mit zahlreichen Illustrationen ist ein Preis von knapp 28 EUR eigentlich akzeptabel... aber günstig ist er bei einer Stärke von gerade einmal 128 Seiten auch nicht wirklich. Das Preis-/Leistungsverhältnis ist in diesem Fall also eher als durchschnittlich einzustufen. Erscheinungsbild An der Gestaltung des Bestiariums habe ich gar nichts auszusetzen, im Gegenteil: Einmal mehr zeigt sich hier, dass die Entscheidung, die Bände der 5. Edition in Vollfarbe erscheinen zu lassen, richtig war und bleibt. Dabei wirkt die Farbgestaltung stets dezent und ist weder zu knallig noch zu blass. Zusammen mit der angenehmen Papierstärke wird hier ein durchweg positives Leseerlebnis geboten.

Die einzelnen Kreaturen werden sehr übersichtlich auf jeweils einer Doppelseite präsentiert. Allgemeine Informationen werden – inklusive einer (sehr) kurzen Geschichte – als Fließtext präsentiert, während genaue Spieldaten und Zusatzinformationen in eigenen Kästen farblich abgesetzt sind.

Über den Stil der Illustrationen kann man sich, wie so häufig, natürlich streiten. Ich finde aber, dass diese stilistisch bis auf wenige Ausnahmen wie aus einem Guss wirken, trotz der Tatsache, dass sie von einem guten Dutzend unterschiedlicher Künstler erstellt wurden. Außerdem halte ich sie auch thematisch für gut passend: Bei gutmütigen magischen Wesen eher etwas weicher und verspielter, bei Dämonen und ähnlichem deutlich düsterer gestaltet.

Fazit Eigentlich ist dieses Buch durchaus zu empfehlen. Es stellt einen Grundstock an aventurischen Kreaturen ziemlich ausführlich vor, wobei es stets sehr übersichtlich strukturiert ist. Die vollfarbige Gestaltung und die thematisch gut passenden Illustrationen ergeben zusammen mit einer guten Verarbeitung einen schönen Quellenband. Neueinsteiger in die Welt des Schwarzen Auges werden hier wahrscheinlich voll auf ihre Kosten kommen.

Eigentlich. Denn massiv störend ist die teilweise unpassende Auswahl an Kreaturen, zusammen mit der generell zu kleinen Anzahl an vorgestellten Wesen. Anstelle von einigen wichtigen, weil in vielen Abenteuern auftauchenden Kreaturen, wurden lieber Exoten mit aufgenommen. Weiterhin sind in diesem gemischten Kreaturenband keinerlei Spielwerte für häufig auftauchende zweibeinige Antagonisten enthalten, auch wenn ausgefallenere humanoide Spezies behandelt werden.

Somit wurde bei diesem eigentlich großartig konzipierten Band großes Potential verschenkt. Schade eigentlich, es hätte sehr viel mehr daraus gemacht werden können. Unsere Bewertung



Wertung:
[3 von 5 Sternen!]
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Boron-Vademecum (PDF) als Download kaufen
Verlag: Ulisses Spiele
von Roger L. [Verifizierter Käufer]
Hinzugefügt am: 01/30/2016 02:38:32

http://www.teilzeithelden.de/2016/01/30/rezension-boron-vademecum-traeume-tod-und-tenebrae-dsa/

Der Gott des Todes hat so viele Gesichter, wie es Tode gibt. Doch bringt er in Aventurien nicht nur den Tod, sondern auch den gnädigen Schlaf, die Träume und das Vergessen. Wir haben jedoch nicht vergessen einen Blick in das Boron-Vademecum zu werfen. Wer den Tod nicht fürchtet, lese weiter!

Rezension: Boron-Vademecum – Träume, Tod und Tenebrae (DSA )

Als elftes Buch aus der Reihe der Vademeci - Brevier des reisenden Geweihten ist Ende letzten Jahres nun auch das Boron-Vademecum erschienen. Wenngleich die Meinung recht verbreitet ist, dass die Priester des Boron sehr schweigsam sind, so komme ich nicht umhin, meine eigene Meinung zu diesem Werk zu äußern. Lange schlaflose Nächte habe ich es studiert und werde davon nun berichten.

Es ist wohl angebracht, dem unkundigen Leser zunächst einen Exkurs in das aventurische Pantheon der Zwölfgötter zu ermöglichen, um eine Vorstellung davon zu vermitteln, wer Boron eigentlich ist.

Boron, der auch der Ewige, der Schweigsame oder der Unausweichliche genannt wird, verkörpert im aventurischen Zwölfgötterpantheon die Aspekte des Todes, des Schlafes, des Vergessens, des Schweigens, der Ruhe und der Dunkelheit. Seine Anhänger sehen ihre weltlichen Aufgaben in der Totenwache, der Bestattung oder der Traumdeutung. Es gibt einige Orden, die sich zudem mit Bereichen wie dem Kampf gegen Untote (Golgariten), der Sterbehilfe (Marbiden) oder der Seelsorge (Noioniten) beschäftigen.

Als heilige Tiere gelten die schwarzen Raben oder die aasfressenden Geier

Inhalt Schon das Vorwort weist darauf hin, dass sich auch dieses Brevier als „Ergänzung und Zusammenfassung von Texten“ zu bereits erschienenen Publikationen über die Götterwelt sieht. Das übersichtliche Inhaltsverzeichnis verspricht einige interessante Einblicke in die Kirchen und auch nützlichen Inhalt zur Ausgestaltung eines geweihten Helden. Auch der aventurische Autor Xeliandor lässt es sich nicht nehmen, in einem Geleitwort etwas zur Benutzung des Buches zu sagen. Es soll dem Geweihten als Hilfestellung dienen, um das Wirken des Unergründlichen nachzuvollziehen und in seinem Namen Segen zu spenden. Die Neugier in mir ist geweckt und auch wenn der Herr Boron Bedachtsamkeit predigt, kann ich es kaum erwarten, die nächsten Seiten zu lesen.

Das erste Kapitel handelt vom „Wesen der Gottheit“ und stellt die bereits erwähnten Aspekte vor. Grundlage der Informationen bieten größtenteils Zitate aus verschiedenen Quellen wie zum Beispiel das „Schwarze Buch“, das heiligste Werk der Boronkirche, welches sich als Zitatquelle noch häufiger im Vademecum finden lassen wird. Da der Herr aber unergründlich ist, so hat der Autor bereits auf Seite 18 Platz gelassen, dass ich „von eigener Hand ergänzen“ kann, was ich über das Wesen der Gottheit erfahren habe. Diese sogenannten Vakatseiten lassen sich ebenfalls über das gesamte Buch verteilt wiederfinden.

Im zweiten Kapitel erfahre ich etwas über die Heiligen und die gottgesandten Alveraniare der Kirche und derer gibt es viele. An dieser Stelle sollte vielleicht ergänzt werden, dass es zwei Kirchen gibt, die sich dem Glauben an Boron verschrieben haben und so gibt es in beiden Kirchen sowohl gemeinsame wie auch individuelle (oder lokalverehrte) Heilige. Zu den bekanntesten gehört Golgari, der Totenrabe, der die Seelen der Verstorbenen über das Nirgendmeer bringt, damit diese von der Seelenwaage Rethon geprüft werden können, um Eingang ins Totenreich oder die Paradiese zu erhalten. Aber auch Bishdariel (der Traumbringer), Marbo (die sanfte Tochter) oder Uthar (der Wächter des Totenreiches), sind den meisten Menschen in Aventurien ein Begriff.

Kapitel drei führt in die Strukturen der „Kirche von Punin“ ein. Dieser Zweig der Kirche zählt zu einer eher konservativen Auffassung, was den Umgang mit dem Tod angeht. Die Kirche wird in einer sehr strikten Hierarchie geführt und Prunk und allzu große Zier sind den Priestern, wie auch weltlicher Besitz, zuwider. In Demut scheren sich die meisten Priester den Schädel kahl, wenngleich es keine Vorschriften hierzu gibt. Auch Enthaltsamkeit wird von einigen Brüdern und Schwestern gelebt, das Wichtigste sind aber stets die Frömmigkeit und die Achtung des Glaubens. In der kurzen Beschreibung der Kirche lassen sich viele interessante Informationen gewinnen und auch für alte Hasen halten die Texte die eine oder andere Überraschung bereit. Für die Ausgestaltung am Spieltisch ist der Abschluss des Kapitels, der sich mit der Betreuung der Gläubigen auseinandersetzt, eine wichtige Bereicherung.

Auf die Puniner Kirche kann im vierten Kapitel nur die „Kirche des gekrönten Raben“ oder der „Al’Anfaner Kult“ folgen, wie sich die Boronkirche im Süden des Kontinents nennt. Hierarchie und Ämter werden auf wenigen Seiten beschrieben und bringen nicht nur einen guten Überblick, sondern lassen einen auch Vergleiche zur Puniner Kirche ziehen. In der Beschreibung von „Tracht und Ornat“ wird besonders deutlich, dass die südliche Kirche sich vor allem in ihrem Prunk von der Kirche des Nordens unterscheidet. Der Verzicht ist hier deutlich weniger üblich, kommen doch viele der Priester aus reichen und mächtigen Familien und Geld und Macht werden ganz im Sinne des Götterfürsten eingesetzt. Götterfürst nennt man in Al’Anfa und den südlichen Staaten den Herrn des Todes, denn entgegen der Lehren des Zwölfgötterglaubens wird hier nicht Praios als Herrscher in Alveran verehrt, sondern der Ewige. Diese andere Sichtweise auf die Hierarchie der Götter beeinflusst auch den Umgang mit den Gläubigen, denn für diese ist der Tod allgegenwärtig und dies zu vermitteln ist die Aufgabe seiner Priesterschaft.

Das fünfte Kapitel befasst sich auf 23 Seiten mit den Liturgien der Kirchen und neben bekannten Segnungen, welche schon als Novize erlernt werden können, lässt sich an dieser Stelle auch Neueres finden, das bei Salbungen, Weihen und Segnungen helfen kann. Mit „Bishdariels Auge“ lässt sich beispielsweise in fremde Träume blicken und „Nemekaths Bannfluch“ bringt einem Frevler schlimme Alpträume.

Das anschließende sechste Kapitel führt eine Reihe von Ritualen beider Kirchen auf und beschreibt ausführlich deren Gottesdienste. Zitate und Erfahrungsberichte bereichern das Kapitel und machen es wertvoll für die Benutzung am Spieltisch. Nicht nur der berühmte „Flug der Zehn“, ein ehrenhaftes Menschenopfer, wird ausführlich beschrieben, sondern auch die Durchführung von Gebeten, Traumdeutung, Visionssuche und Grablege.

Auch das siebte Kapitel bindet sich hervorragend an die vorangegangenen an. Thematisch behandelt es die „Gebete beider Kirchen im Alltag“ und liefert damit weiteres, direkt umsetzbares Spielmaterial. Gebete, die innere Stärke, Ruhe und Trost geben sollen, lassen sich hier ebenso finden wie Abschieds- und Totenchoräle. Eine weitere Vakatseite für eigene Gebete und Choräle rundet das Kapitel ab.

Das achte Kapitel beginnt mit einer Beschreibung des „Schwarzen Buches“ und thematisiert in seiner Gesamtheit die „Talismane und Artefakte beider Kirchen“. Neben dem erwähnten Buch haben noch weitere zehn Artefakte Eingang in das Vademecum gefunden. Interessanterweise wird der berühmte „Stab des Vergessens“ nur sehr gekürzt beschrieben, was aber in seiner Rolle in den Abenteuern zum Jahr des Feuers begründet liegt.

Über zehn verschiedene Orden lässt sich im neunten Kapitel Wissenswertes finden. Die Leibgarde des Al’Anfaner Patriarchen, welche sich „Basaltfaust“ nennt, wird ebenso beschrieben wie die Meuchler der „Hand Borons“ oder die weniger bekannten und extrem konservativen „Zorkabiner“. Eine weitere leere Seite eignet sich dazu, an dieser Stelle eigene Sekten und Kulte zu ergänzen. Wie wäre es beispielsweise mit einer alchimistischen Sekte von Giftmischern, die ihren Dienst darin sieht, ihrem Gott möglichst viele Seelen zu bringen, indem das verabreichte Gift sie vom körperlichen Leben erlöst? Der morbiden Phantasie sind zumindest in Aventurien keine Grenzen gesetzt.

Das kurze zehnte Kapitel befasst sich, über die aventurischen Grenzen hinaus, mit dem „dereweiten Wirken des Ewigen“. Oder anders gesagt, liefert es einen kleinen Überblick über Borons Wirken im Güldenland und dem noch relativ unerforschten Südkontinent Uthuria, der seinen Namen vom boronheiligen Uthar erhalten haben soll.

Für die Spielleiter und Spieler gleichermaßen mag das elfte Kapitel das wichtigste sein, bietet es doch detaillierte „Anregungen zur Ausgestaltung eines Boron-Geweihten“. Hier erfährt man von den Geboten und Verboten, denen eine Geweihter unterworfen ist und nach welchen Tugenden und Idealen er sein Leben gestalten sollte. Eine gute Selbstbeherrschung und Menschenkenntnis sind zum Beispiel von großer Bedeutung, um nur zwei zu nennen.

Ebenso wichtig ist es aber auch zu wissen, wie die Boronkirche zu den anderen Kirchen steht und welchen Wert sie in den Augen des Volkes einnimmt. Dass ein Boroni seine Selbstbeherrschung verliert, wenn ein Hesindepriester eine Leichenöffnung zur Obduktion vornehmen möchte, kann ebenso zu einer stimmigen Atmosphäre am Spieltisch führen wie die Angst eines einfachen, abergläubischen Bauern den „Raben in sein Haus zu lassen“.

Das Buch bietet zudem eine Reihe von Konzepten zum Spielen eines Boron-Geweihten. Ob Totengräberin oder Traumdeuter, Diplomat oder Glaubensforscherin, in den Boronkirchen finden alle ihren Platz. Den Abschluss des Kapitels machen eine Übersichtstabelle mit den Titularen und Anreden innerhalb der Kirchenhierarchien sowie nützliche Hinweise zur Einführung eines Geweihten in ein Abenteuer und der Ausgestaltung der Liturgien im Alltag des Helden.

Das einseitige zwölfte Kapitel, welches den Namen „Endnoten“ trägt, verweist darauf, dass einer der beschriebenen Choräle auf eine bekannte Melodie geschrieben wurde. Warum es dazu aber eines eigenen Kapitels bedarf, darüber schweigt sich der Text aus.

Das letzte und (frevelhafte) dreizehnte Kapitel enthält weiteres, das Spiel bereicherndes Material. Auf vier Seiten wird die „beispielhafte Weihe eines Boronangers“ – eines Friedhofes – dargestellt. Ausführlich wird beschrieben, was der Geweihte der die Weihe durchführt zu sagen hat und welche Gesten er dabei ausführen muss.

Preis-/Leistungsverhältnis Wenngleich der Preis von 14,95 EUR für ein Buch mit nur 168 Seiten etwas hoch wirkt, ist er doch bei der gebotenen Qualität durchaus akzeptabel. Wer bereits andere Werke dieser Reihe besitzt, sollte beim gebotenen Inhalt nicht darauf verzichten, das Boron-Vademecum zu erstehen und ein paar gut investierte Silbertaler haben wohl noch niemanden unter die Erde gebracht.

Erscheinungsbild Der stabile Einband in Lederoptik ist in schwarz gehalten und mit einem geflügelten Boronsrad (ein halbes Wagenrad) geprägt. Die fleckigen, auf alt getrimmten, matten Seiten geben ein stimmiges Bild ab und die Illustrationen von Katharina Nico tragen ihren Anteil an der Atmosphäre des düsteren Gebetsbuches bei. Im Gegensatz zu den anderen Vademeci wurden in diesem Buch Bilder benutzt, die in ihrer Beschaffenheit durchaus auch von einem Boron-Geweihten persönlich gestaltet worden sein könnten. Wenngleich mein erster Eindruck eine Assoziation zum noionagefälligen Rorschach-Test weckten, so musste ich diese doch revidieren und erkennen, dass die Zeichnungen einen Künstler widerspiegeln könnten, der sich den weltlichen Dingen abgewandt hat und die Schemen seiner borongefälligen Visionssuche zu Papier gebracht haben mag. Zierbilder an den oberen und unteren Rändern der Seiten sind perfekt der Thematik angepasst. Der geringen Schriftgröße, die für das Lesen von Nachteil ist, kann bei einem Buchformat von etwa DIN A6 verziehen werden.

Bonus/Downloadcontent Es gib keinen Bonus/Downloadcontent.

Fazit In der Reihe der Vademeci sticht das Boron-Vademecum nicht nur wegen seiner Farbe hervor, sondern auch wegen seines ausgezeichneten Inhaltes. Das Werk bietet eine facettenreiche Darstellung der verschiedenen Boronkirchen und seines ebenso facettenreichen Gottes.

Besonders für die Ausgestaltung eines Boron-Geweihten bringt das Buch interessante Ideen mit sich und bereichert durch atmosphärische Ingame-Inhalte das Spiel. Egal ob Ordenskrieger, Seelsorger oder sogar Geheimagent, das Boron-Vademecum kann alle Wünsche im Spiel mit dem Gott der Ewigkeit erfüllen. Mit kleinen Abzügen in der B-Note, ist dieses Werk eines der besten aus der Vademeci-Reihe und für Spieleiter sowie ambitionierte Spieler von Boron-Geweihten ein Must-have.



Wertung:
[5 von 5 Sternen!]
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Nest • A World of Adventure for Fate Core
Verlag: Evil Hat Productions, LLC
von Roger L. [Häufiger Rezensent]
Hinzugefügt am: 01/27/2016 02:17:38

http://www.teilzeithelden.de/2016/01/27/rezension-nest-rueckkehr-in-die-fantasiewelten-der-kindheit-fate-core/

Nest ist ein neuer Teil der Worlds of Adventures-Reihe von Evil Hat. Ein letztes Mal reist ihr als Erwachsene zurück in die Fantasiewelten eurer Kindheit, um eine düstere Bedrohung aufzuhalten. Doch nicht nur ihr habt euch verändert – auch die Königreiche von Nest sind nicht mehr so, wie einst …

Rezension: Nest - Rückkehr in die Fantasiewelten der Kindheit (Fate Core)

Nest ist ein weiterer Ableger der beliebten Worlds of Adventure-Reihe von Evil Hat. Als Erwachsene habt ihr die Fantasiewelten eurer Kindheit – die drei großen, magischen Königreiche von Nest – hinter euch gelassen. Vielleicht erinnert ihr euch noch manchmal rührselig an die Heldentaten eurer Kindheit, während ihr verdrossen tagein, tagaus am Fließband steht und zwischen eurer unerfüllten Ehe und dem Ärger mit dem Finanzamt zur Flasche greift. Vielleicht sind euch die Erinnerungen an eure kindlichen Eskapaden auch peinlich, wenn sich euch als Geschäftsführer eines erfolgreichen Unternehmens immer wieder die Vorstellung aufdrängt, dass ihr jeden Tag hunderte von Angestellten delegiert wie einst die Truppen eines Märchenkönigreichs. Eines steht jedoch fest: Die Personen und Orte, die euch in eurer Kindheit erst die Chance gegeben haben, zu gefeierten Helden zu werden, sind in Gefahr. Und nur die größten Helden können Nest vor einer düsteren Bedrohung retten. Inhalt Nest ist ein Settingband für Fate Core, der neben dem Setting auch eine Kurzkampagne (für ca. drei bis acht Spielabende) enthält. Die Spieler kehren als Erwachsene in die Fantasiewelten ihrer Kindheit zurück, um die drei Königreiche von Nest vor einer dunkeln Bedrohung zu beschützen. Der Settingband enthält nicht nur drei fantastische Abenteuer in sehr unterschiedlichen, märchenhaften Königreichen, sondern ermöglicht es den Spielern sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wie ihre erwachsenen Charaktere darauf reagieren, plötzlich in eine Märchenwelt geworfen zu werden, in der zahllose Sagen und Legenden über ihre Heldengeschichten kursieren.

Die Königreiche von Nest [quote]Once upon a time you took the road less travelled in a yellow wood; you stepped off the subway at the station on Oak & Ash; you wished upon a falling star. You awoke to a world of magic and wonder, and you learned something you had never suspected: you were a hero. Then you drank from the Well of Waking and found yourself back in your own bed.

You barely remember those adventures. They were dreams; or, if you know in your heart they were something more, what does it matter? You have a job now, and people who are counting on you here. You’re not really a hero, anyway; just ask the people you’ve disappointed. A hero wouldn’t have made the mistakes you have.

So why, after all of these years, are you hearing the horns again?[/quote]

Das erste Kapitel des Settingbandes beginnt mit einer kurzen Beschreibung der drei Königreiche und der jeweils wichtigsten Personen und Orte. Epoch ist ein Reich riesiger Berge, endloser Pinienwälder und pittoresker Dörfer, die Seite an Seite mit herrschaftlichen Schlössern stehen. Oger, Riesen und Drachen lauern in der Wildnis und die einfachen Bewohner der Lande warten darauf, dass die Monster von tapferen und rechtschaffenen Helden zurückgetrieben werden. Von allen drei Königreichen ist Epoch sicherlich die klassischste Märchenwelt. Das Königreich Bungledyne besteht aus einer einzigen riesigen Stadt, die von humanoiden Tieren bewohnt wird. Bungledyne ist voller wundersamer Erfindungen, deren Stadtbild von Dampfschornsteinen, elektrischen Kabeln, Straßenbahnen und Luftschiffen dominiert wird. Hier werden Kinder zu Helden, die ihren Erfindungsreichtum und ihren Fleiß beweisen. Conundrum schließlich ist ein Reich voller Rätsel. Außerhalb der Dörfer und Schlösser findet der Wanderer Labyrinthe, rückwärtsfließende Flüsse und mysteriöse Instrumente. Jeder Einwohner Conundrums folgt einer eigenen Lebensphilosophie, einem sogenannten „Rätsel“. Personen, die beispielsweise dem Rätsel der Stumpfsinnigkeit folgen, dürfen an nichts glauben, das sie momentan nicht mit eigenen Augen sehen können. Hier wird man zum Helden, indem man eines der vielen Mysterien lüftet oder denjenigen hilft, die durch die vielen Mysterien Conundrums in heillose Verwirrung gestürzt wurden.

Die Kurzbeschreibung der drei Königreiche weckt schöne Assoziationen an Märchenwelten der eigenen Kindheit und dürfte so jedem Spieler helfen, ein Königreich zu finden, in dem sein Spielercharakter eine heldenhafte Kindheit verbracht hat. Auch die wichtigsten Personen und Orte sind ideenreich beschrieben. Der Übersicht hätte es allerdings gedient, wenn die wichtigsten Aspekte der drei Königreiche bereits hier und nicht erst weiter hinten in der Kurzkampagne des Settingbandes aufgeführt worden wären. Außerdem kann ich mir vorstellen, dass die verschiedenen Rätsel-Philosophien Conundrums nach der ersten Belustigung am Spieltisch aufgrund ihrer Albernheit bei einer konsequenten Umsetzung schnell nerven könnten.

Die Helden von Nest Die Charaktererschaffung entspricht größtenteils den normalen Fate Core-Regeln, wobei Aspekte an das Setting angepasst wurden und sich zahlreiche Vorschläge für von Märchen inspirierten Stunts finden.

Neben zwei freien Aspekten hat jeder Charakter einen Heroisches-Konzept-Aspekt, einen Mundanes-Leben-Aspekt und einen Aufhänger-Aspekt. Das heroische Konzept umfasst die Rolle, welche der Charakter als Kind in Nest gespielt hat, und ist zugleich der Titel, unter dem ihn die Bewohner der Königreiche kennen. Das mundane Leben spiegelt den Erwachsenen wider, zu dem sich der Charakter entwickelt hat. Der Aufhänger ist schließlich etwas, das den Charakter nach wie vor mit Nest und/oder den anderen Helden verbindet. Eine mit einem anderen Charakter gemeinsam erlebte Geschichte („Ich habe geschworen, Brian in der realen Welt zu finden“, „Shana hat nie an mich geglaubt“), eine magische Kraft, über die der Charakter selbst in der realen Welt noch verfügt („Noch immer der Schnellste“, „Niemand kann mich anlügen“), oder eine Verbindung zur realen Welt („Ich heirate nächste Woche“, „Magie konnte meine Mutter nicht retten“).

Ebenso wie in Fate Core kann jeder Charakter bis zu fünf Stunts besitzen, allerdings bekommt der Spielleiter nach dem dritten Stunt pro weiterem einen zusätzlichen Fate-Punkt pro Spielsitzung. Ob der Spieler zugleich weiterhin einen Punkt Erholungsrate verliert, ist aus der Beschreibung leider nicht klar ersichtlich. Vorgeschlagene Stunts halten sich an das von Fate Core vorgegebene Regelkorsett und ermöglichen die eigentlich unmöglichen, magischen Taten, die wir aus Märchenbüchern kennen.

Darüber hinaus definiert jeder Spieler zu Spielbeginn (oder auch erst während des Spiels) einen magischen Talisman, den sein Charakter im Laufe des Abenteuers finden wird. Talismane sind mächtige Artefakte, die aus einem Namen, einem Aspekt und zwei Stunts bestehen. Die Aspekte der Talismane sollen möglichst mehrdeutig formuliert sein („Der Schlüssel, der alles öffnen kann“, „Ein Schwert, das nach Sieg dürstet“), sodass ungeahnte oder ungewollte Konsequenzen mit der Benutzung des mächtigen Artefakts einhergehen. Für jeden gefundenen Talisman erhält der Spielleiter zwei weitere Fate-Punkte pro Spielabend.

Die Charaktererschaffung ist insgesamt äußerst gelungen, weil sie a) die Eigenheiten typischer Märchenfiguren griffig abbildet, b) die Spannung zwischen der kindlichen Heldengeschichte und dem entzauberten Erwachsenenleben mechanisch ins Spiel einbindet und c) die Grundregeln von Fate Core nicht unnötig verkompliziert. Einzig dass nicht klar ist, ob Spieler für zusätzliche Stunts weiterhin Erholungsrate verlieren, ist ein Wermutstropfen auf der sonst überzeugenden Umsetzung.

Das Spiel Der Spielleiter oder die Spielrunde können entscheiden, welches von drei Themen die Abenteuer in Nest einfärben soll: Heldentum (die Charaktere müssen wieder zu den Helden ihrer Kindheit werden und die Königreiche retten), Wiedergutmachung (die Charaktere müssen die eigenen Ängste und Schwächen überwinden, welche die Königreiche geprägt haben) oder Dekonstruktion (die Charaktere stellen fest, dass das Wissen und die Fertigkeiten, die sie als Erwachsene erworben haben, viel mächtiger sind als die Magie der Fantasiewelt). Darüber hinaus kann der Spielleiter einen von drei Feinden auswählen, gegen den sich die Charaktere behaupten müssen und dessen genaue Natur das Auftreten und Verhalten seiner düsteren Schergen bestimmt. Ich bin von diesen Wahlmöglichkeiten begeistert, weil sie eine größtmögliche Anpassung an die Vorlieben der eigenen Spielrunde ermöglichen und sogar Lust darauf machen, das Szenario mehrmals mit unterschiedlichen Spielrunden zu spielen.

Das Szenario selbst besteht aus drei Abenteuern, in denen die Charaktere die Bedrohung aus den drei Königreichen Nests zurücktreiben und den Bewohnern neue Hoffnung schenken. Abschließend müssen die Charaktere den Feind im großen Finale in der Stadt Eg stellen und für immer aus Nest vertreiben. Die drei Abenteuer sind strukturell ähnlich aufgebaut: Immer müssen die Charaktere, verborgen vor den Augen der Schergen des Feindes, in Erfahrung bringen, was für ein Ziel dieser in jedem der Königreiche verfolgt, und unter ehemaligen Freunden und Feinden Verbündete sammeln, um dieses Ziel zu vereiteln. Je nach Natur des Feindes können diese Ziele tragisch, böswillig oder egoistisch sein. Insgesamt sind die drei Abenteuer grundsolide. Sie sind handwerklich gut gemacht, überraschen aber nur selten und bedienen gekonnt stereotypische Elemente bekannter Märchenerzählungen. Preis-/Leistungsverhältnis Davon kann sich jeder, der Nest herunterlädt, selbst ein Bild machen und anschließend zahlen, was er für angemessen hält. Ich finde den vorgeschlagenen Preis von 4 USD mehr als angemessen. Erscheinungsbild Nest verwendet das typische, übersichtliche Worlds of Adventure-Layout und den typischen Fate-Schriftsatz. Die Lesezeichen im PDF erlauben eine schnelle Orientierung. Im Settingband befinden sich über zwanzig vollfarbige Illustrationen, welche das Märchenthema des Bandes einfangen und unterstreichen sowie wichtige NSC illustrieren.

Fazit Nest versetzt die Spieler in die Fantasiewelten ihrer Kindheit zurück. Der Settingband wurde von Vorlagen wie Alice im Wunderland, Die Chroniken von Narnia, Pans Labyrinth, Hook und Wicked inspiriert und transportiert sowohl inhaltlich als auch mechanisch den bittersüßen Widerspruch zwischen der magischen Kinderwelt voller Heroen und dem tristeren, aber selbstbestimmteren Leben der Erwachsenen.

Wem dieses Grundthema zusagt, dem wird auch Nest außerordentlich gut gefallen. Der Settingband liefert genug Material, um ohne große weitere Vorbereitung einfach losspielen zu können. Indem er sich eng an Fate Core orientiert und nur wenige Elemente des Regelwerks modifiziert, ist der Band schnell jedem zugänglich, der Fate Core kennt. Eventuell wäre eine Umsetzung auf Basis von Turbo Fate sinnvoller gewesen, da dessen freiere Fertigkeitslisten erfahrungsgemäß die Aufnahme von Magie und anderen übernatürlichen Elementen ins Spiel vereinfachen, während dies nun vor allem über Stunts oder das Schaffen von Fakten abgedeckt wird.

Die drei Abenteuer sind grundsolide und bieten genug Spielmaterial für drei bis acht Spielabende. Die NSC sind liebevoll gestaltet und an bekannte Archetypen aus Märchengeschichten angelehnt. Insbesondere die Erinnerungen an die Fantasiewelten der Kindheit der Spieler (nicht der Charaktere) können dieses Szenario zu einem ganz besonderen Erlebnis machen.



Wertung:
[5 von 5 Sternen!]
Nest • A World of Adventure for Fate Core
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Symbaroum - Core Rulebook
Verlag: Free League Publishing
von Roger L. [Häufiger Rezensent]
Hinzugefügt am: 01/20/2016 03:32:21

http://www.teilzeithelden.de/2016/01/20/rezension-symbaroum-oekos-krieg-und-korruption/

Als Setting mit nur wenig Fantasy-Einheitsbrei präsentiert der schwedische Verlag Järnringen sein Rollenspiel Symbaroum nun auch auf Englisch. Visuell opulent, mit einfachen Regeln, aber stark individualisierbaren Charakteren darf man sich in einen Konflikt zwischen kolonialen Ausbeutern und natur-affinen Völkern einmischen.

Rezension: Symbaroum – Ökos, Krieg und Korruption

Crowdfunding hat es mal wieder möglich gemacht: Ein schwedischer Verlag beglückt uns mit seinem Produkt Symbaroum nun auch in einer internationalen Fassung auf Englisch. Kampagnen und Abenteuer sind auch in der Pipeline oder zumindest angedacht. Das schwedische Sortiment ist laut Webseite aber noch nicht wesentlich größer als das englische. Das Spielerhandbuch, das Optionenvielfalt in allen SC-relevanten Bereichen verspricht, gibt es noch nicht auf Englisch. Jedenfalls hat Symbaroum bereits ein gewisses Echo in der Rollenspielszene erzeugt, man spricht über dieses Spiel. Wir haben uns mal angesehen, was dahinter steckt. Die Spielwelt

Symbaroum hat sich einen Kniff vorbehalten, den ich sehr begrüße: Es lässt weiße Flecken auf der Karte. Genauer gesagt, stellt Symbaroum uns nur einen Teil der Spielwelt vor – das Köngreich Ambria und den Davokar-Wald. Das gab es auch schon früher, so z.B. in der Box Forgotten Realms Campaign Set, in der das Setting teilweise undefiniert war und dem SL Freiraum ließ. Die Autoren von Symbaroum teilen aber schon jetzt klar mit, dass sie das Setting in weiteren Veröffentlichungen ausbauen wollen.

Dieser Teil der Welt ist durch einen zentralen Konflikt definiert: Die Ambrianer stammen eigentlich aus dem Süden und sind über die Gebirgskette der Titanen gekommen, weil ihr Land nach einem Krieg unbewohnbar geworden ist. Ihre ganze Zivilisation musste sich also eine neue Heimat suchen. Die spärlich besiedelten Lande südlich des Davokar-Walds hatten sich da angeboten. Dünn besiedelt heißt aber nicht unbesiedelt. „Barbarische“ Clans siedeln hier genauso wie Elfen, Goblins und Oger. Die Barbaren, die in der weiten Ebene zwischen den Bergen und dem Wald siedelten, wurden durch die Ambrianer unterworfen und deren Königreich nimmt jetzt diesen Raum ein. Die anderen Stämme und Rassen leben hingegen überwiegend im Wald.

Der Konflikt wird weiterhin angeheizt, weil der Sonnenkult der Ambrianer die Natur als Unordnung ansieht und den Menschen als ordnendes Element. In Bezug auf die unzivilisierte Wildnis stehen Interessen und Ideologie der Ambrianer also denen der „Ureinwohner“ diametral gegenüber. Die sehen sich mehr als Bewahrer der Natur. Der Wald wird zum Konfliktort, wo Ideologie, Gier, Selbstbehauptung und ähnliche Motive aufeinander treffen.

Symbaroum ist übrigens der Name der fortgeschrittenen Zivilisation, die diese Lande einst besiedelt hat. Die Schätze dieser versunkenen Zivilisation locken dementsprechend Schatzsucher und Abenteurer an.

Die Regeln

Die Regeln von Symbaroum sind beinahe banal. Es gibt acht Attribute (Accurate, Cunning, Discreet, Persuasive, Quick, Resolute, Strong, Vigilant), die Werte von 5 bis 18 annehmen können. Eine Probe wird mit 1W20 gewürfelt. Den Zielwert zu unterwürfeln oder zu erreichen ist ein Erfolg. Der Zielwert ist entweder der Attributwert oder es kommt noch ein Modifikator hinzu.

Das hört sich ein wenig nach Dungeonslayers oder ähnlichen Systemen an, aber ein zusätzlicher Kniff bei Symbaroum ist, dass alle Proben von den Spielern geleistet werden. Wie bei Numenera oder The Strange würfelt der Spieler seine eigenen Angriffe. Für Angriffe der NSC wirft der Spieler Verteidigungsproben. Das System ist also nicht symmetrisch. Für jeden Punkt, den der NSC im relevanten Attribut über 10 hat, wird die Probe um 1 erschwert, und für jeden Punkt darunter, erleichtert. Andere Umstände ergeben ebenso einen Modifikator von -5 (maximale Erschwernis) bis +5 (maximale Erleichterung).

Die Notation für Proben ist [ getestetes Attribut ← modifizierendes Attribut ].

Ein SC schleicht sich an einen NSC an. Das ist eine [ Discreet ← Vigilant ] Probe. D.h., der Charakter muss auf sein Discreet-Attribut würfeln, und Erleichterung oder Erschwernis werden durch das Vigilant-Attribut des NSC bestimmt.

Ein NSC schleicht sich an einen SC heran. Das ist eine [ Vigilant ← Discreet ] Probe.

Beide Proben werden durch den Spieler ausgeführt.

Viel einstecken, wenig aushalten

Nach Abgleich der Zahlenwerte in Symbaroum wurde mir klar, dass die Einzelheiten im Kampf bei Symbaroum etwas anders gewichtet sind. Bei D&D oder Fantasy AGE hat man Trefferpunkte, die einen (mit steigender Stufe wachsenden) Puffer darstellen. In Symbaroum hat man mindestens 10 Punkte Toughness, oder den Wert des Strong-Attributs. Kein Monster im SL-Teil hat mehr als 18 Toughness. Das kann ein besonders starker SC maximal auch erreichen.

Ein SC mit Strong 15 (Maximalwert für neue Charaktere) kann durch das Erwerben von Fähigkeiten maximal 18 Strong und somit auch 18 Toughness erreichen. Spieler mit niedrigeren Startwerten entsprechend weniger, daher werden andere Faktoren wichtiger. Waffen und Rüstung der Spieler werden durch Würfel ausgedrückt – ein Bastardschwert macht 1W10 Schaden, eine mittelschwere Rüstung fängt 1W6 Schaden ab. Monster hingegen würfeln nicht – sie erzeugen fixen Schaden und reduzieren erhaltenen Schaden auch um einen fixen Betrag. Für Nahkämpfer ist gute Rüstung also ein Muss, um sich die wenigen Toughness-Punkte zu erhalten.

Hier gibt es ein kleines Paradox – Rüstung fängt zwar Schaden ab, verringert aber die Fähigkeit, Treffern auszuweichen. Bei den besten Rüstungen zum Glück nur im geringen Umfang (-2 für eine besonders gute schwere Rüstung, -4 für eine normale schwere Rüstung). Die Rüstung hilft zwar, wenn man einstecken muss, ist aber ansonsten eher hinderlich.

Ein SC mit Accurate 12 will einen ausgehungerten Troll angreifen, eine [ Accurate ← Defense ] Probe. Der Troll hat Defense +7, weil er groß und geschwächt und somit leicht zu treffen ist. Die Zielzahl ist also 19. Er würfelt eine 8 und trifft. Das Schwert richtet 1W8 Schaden an. Der Troll hat eine fixe Rüstung von 4. Der Spieler würfelt eine 5 und macht somit nur 1 mickrigen Punkt Schaden. Die Toughness des Trolls sinkt von 15 auf 14. Ohne weitere Vorteile wird es schwierig sein, den Troll ernsthaft zu verletzen!

Nun greift der Troll an: eine [ Defense ← Accurate ] Probe. Der SC hat Quick 12, trägt aber mittelschwere Rüstung, was ihn mit -3 behindert. Das Sekundärattribut Defense hat somit den Wert 9. Der Troll hat Accurate auf 13, das ist auch eine -3. Somit ist der Zielwert 6. Der Spieler wirft eine 18 und wird getroffen. Die Klauen des Trolls verursachen 8 Schaden. Der Spieler hält mit 1W6 dagegen und würfelt eine glückliche 6! 2 Schaden muss die Spielfigur hinnehmen, aber lange wird das ungleiche Duell nicht andauern können.

Wie man sieht, erfordern hohe fixe Werte beim Gegner entweder viel Würfelglück oder entsprechende Boni, die den Schaden erhöhen. Dies kann durch die Anwendung von Sonderfertigkeiten, bessere Ausrüstung oder das Erringen von taktischen Vorteilen erreicht werden.

Magie und Korruption

„Korruption“ ist ein zentrales Thema in Symbaroum und so auch als numerischer Spielwert abgebildet. Sie ist am ehesten mit der sinkenden geistigen Gesundheit von Call of Cthulhu SC zu vergleichen. Zaubern bewirkt Korruption. Dunkle Orte bewirken Korruption. Das Erlernen von Ritualen bewirkt Korruption. Sogar das Erreichen einer bestimmten Schwelle an Korruption bewirkt noch mehr Korruption.

Erreicht der Charakter die Hälfte seines Resolute-Attributs an Korruption, erhält er ein Stigma, das erst verschwindet, wenn die Korruption abgebaut werden konnte. Erreicht er den Wert seines Resolute-Attributs, dann ist es vorbei: Ohne weiteren Test verwandelt sich der Charakter in ein Monster und wird NSC.

Genauso wie bei den Trefferpunkten (Toughness) hat man hier nicht viel Spielraum. Nur wer einer magischen Tradition angehört, kann die Korruptionskosten senken, und das auch nur für die Sprüche und Rituale, die zum Repertoire der Tradition gehören. Priester, Hexen und Zauberer (englisch Wizard) können Rituale wirken, um sich von permanenter Korruption zu heilen. Die anderen Spruchwirker senken immerhin die Kosten für den Erwerb und das Wirken ihrer eigenen Magie. Völlig der Korruption ausgeliefert sind die Mystiker ohne Schule – sie haben weder den Zugang zu Ritualen, um die Korruption zu senken, und zahlen auch noch überall die vollen Kosten. Das kann sehr schnell heikel werden!

Noch schlimmer ist es für alle nichtmagischen SC. Es gibt Effekte, ob durch verwunschene Orte oder Monster, die Korruption bewirken. Temporäre Korruption kann man noch am Ende der Szene abschütteln. Aber permanente Korruption kann zum ernsthaften Problem werden und den SC unspielbar machen. Die relativ niedrigen Schwellen, gerade wenn man Resolute nicht besonders hoch gewählt hat, könnten bei Spielern schnell zu Frustration führen.

Charaktererschaffung

Mag Symbaroum sonst sehr viel Wert auf die Würfel legen, ist es beim Erschaffen einer Spielfigur streng deterministisch. Man kann für die acht Attribute entweder eine vorgegebene Reihe an Zahlen verwenden oder 80 Punkte verteilen. Kein Attribut darf unter 5, keines über 15, und nur eines genau auf 15 sein. Wer mehr Struktur will, kann sich an einem Archetyp orientieren.

Danach wählt man eine Rasse. Die Rasse gibt oft ein oder mehrere Eigenschaften (Trait) mit, manchmal muss man diese auch kaufen. So haben Oger z.B. die Möglichkeit, die Eigenschaft Robust zu wählen und so übermenschengroß zu werden.

Eigenschaften bleiben auf die jeweiligen Rassen beschränkt, allgemeine Fähigkeiten (Abilities) und mystische Kräfte (Mystical Powers) kann hingegen jeder erwerben. Hierbei gilt, dass man entweder fünf auf dem Rang Novice kaufen darf oder zwei auf dem Rang Novice und eines auf dem Rang Adept. Die Auswahl ist also zwischen Spezialisierung oder mehr Talenten mit wenig Tiefgang. Sollte man Rasseneigenschaften erwerben wollen, die ebenfalls einen Rang haben, so muss man dafür entsprechend weniger Fähigkeiten und Zauber wählen.

Hier verbirgt sich auch ein irreführender Fehler. Es wird insgesamt zweimal von „creation points“ gesprochen, eine entsprechende Regel findet sich aber nicht. Anscheinend ist damit die Anzahl der Ränge gemeint, die man in Eigenschaften, Fähigkeiten und Zauber investieren darf. Entweder wurde hier eine ursprüngliche Regelfassung unvollständig umgeschrieben oder beim Übersetzen die Terminologie inkonsequent gehandhabt.

Man bestimmt im Folgenden noch die Korruption zu Spielbeginn und die Farbe des eigenen Schattens, einer mystischen Aura, die Mystikern etwas über das eigene Wesen verrät. Nach Startausrüstung und Geld kommen noch die üblichen Sachen ohne mechanische Auswirkung wie Persönlichkeit und Ziele des Charakters. Es ist gut, wenn Spieler sich darüber Gedanken machen, belohnt wird es vom System jedoch nicht.

Später ändern sich nur noch Rang und Anzahl der Fähigkeiten und Zauber. Diese können je nach Rang – Novice, Adept, Master – für je 10-30 XP gekauft werden. Es gibt Fähigkeiten, die bestehende Talente noch um bis zu drei Punkte maximal steigern können. Eine Formel der Art „neuer Rang in Attribut * x XP“ kommt dankenswerterweise nicht zum Einsatz. Spielbarkeit aus Spielleitersicht

Es gibt einen SL-Teil, der das Übliche beinhaltet: Wie baue ich Geschichten auf? Tipps und Tricks. Eine Sammlung von etwas über dreißig Monster(-varianten) unterteilt in neun Kategorien. Monsterspezialfähigkeiten. Auf 58 Seiten wird die Spielwelt erklärt, der SL weiß aber kaum mehr als die Spieler. Es gibt jedoch Empfehlungen, welche Kreaturen wo anzutreffen sind und eine Liste mit den Details magischer Gegenstände. Spielbarkeit aus Spielersicht

Die größte Herausforderung an den Spieler ist die Wahl der Fähigkeiten und Zauber und somit die spielmechanische Entwicklung des SC. Der Rest des Systems ist für Spieler anhand der simplen Probenmechanik banal.

Die Wichtigkeit bestimmter Attribute mag den Spielern auf den ersten Blick nicht auffallen. Es gibt immerhin einen warnenden Satz in der Attributbeschreibung für Resolute, damit der Spieler erkennt, wie zentral dieses Attribut sein kann. Für Anfänger mag sich erst im Spiel entscheiden, welche Attribute nun wirklich am besten zum Konzept passen. Eine Verschiebung von Punkten nach Spielbeginn ist zulässig, zumal die Werte nur noch in sehr begrenztem Umfang steigen werden. Dies ist besonders zu beachten, weil es keine separaten Skills gibt, sondern nur Attributproben. Preis-/Leistungsverhältnis

Zumindest für das PDF ist der Preis von 18,99 USD angemessen. Die knapp 60 USD für das Print-on-Demand-Hardcover sehe ich dann schon kritischer, gemessen an der Seitenzahl von 264. Betrachtet man die schönen Illustrationen, kann eigentlich nur ein Premium-Hardcover in Frage kommen, sonst hätte man sich die Druckoption auch sparen können. Dass man dann für das PDF noch einmal 8,50 USD draufzahlen soll, ist mir persönlich definitiv zu viel.

Die Preisstruktur auf der Verlagshomepage ist ähnlich: 49,95 USD für die Printversion, da kommen nach Deutschland aber nochmal satte 19,95 USD an Versandkosten hinzu. Spielbericht Kein Testspiel. Erscheinungsbild

Das vielleicht Tollste an Symbaroum ist das Design und die Illus. Das Layout ist knackig, augenfreundlich, gut lesbar. Tabellen sind ansehnlich, auch die Blöcke, die Sonderfertigkeiten beschreiben, sind gut strukturiert. Als Indie (zumindest auf internationaler Ebene) muss Symbaroum ein geringeres Budget als die meisten Mainstream-Produkte gehabt haben, dennoch sind alle Illustrationen einfach nur gut, stimmungsvoll, inspirierend. Bei solcher Bebilderung hätte man sich glatt den Settingteil sparen können, da muss einem doch einfach etwas dazu einfallen! Die Bilder sind in Farbe und leicht verwaschen, vermitteln Eindrücke und Impressionen aus einer fremden Welt mit atemberaubender Landschaft und mit riesenhaften Monstern.

Um einen Vergleich anzustellen: Vom Artwork reicht es, in seinem eigenen Stil, an Numenera und The Strange heran, nur dass Monte Cook seine Produkte mit noch mehr Bildern bestücken konnte. Selten hat mir das Design eines Buchs so gut gefallen.

Bonus/Downloadcontent Keine Downloads auf der Verlagshomepage. Fazit

Ein großes Manko gleich vorweg: Symbaroum ist als Regelbuch nicht gut strukturiert. Relevante Informationen sucht man oft quer durch das ganze Buch. Selbst das Erstellen eines Charakters ist nur auf den ersten Blick klar wiedergegeben, nach den Details sucht man einfach zu lange, obwohl sie anscheinend eigene Kapitel haben. Ein Konzept wird an einer Stelle eingeführt, aber nicht erklärt. Seitenverweise führen oft in Kapitel, die auch nur die halbe Wahrheit enthalten. SL werden das ganze Buch strukturiert durcharbeiten müssen, am besten mit der Suchfunktion im PDF, um diese Unzulänglichkeiten ausgleichen zu können. Seit der Erstauflage von The One Ring ist mir kein Spiel untergekommen, dass so unnötig viel Verwirrung und Nachschlagen (und Suchen) erfordert hat, um das Zusammenspiel der Mechaniken zu verstehen.

Die Regelbasis von Symbaroum ist einfach und gut verständlich, die Abwicklung sollte weder Spielern noch SL Probleme bereiten. Hat man erst mal die Sonderfertigkeiten ausgewählt, kann schnell los gespielt werden. Das Steigerungssystem ist simpel, der Charakter entwickelt sich stetig fort. Individuelle Charakterkonzepte lassen sich gut umsetzen, es gibt im eigentlichen Sinn keine Klassen.

Die Welt wird (vor allem durch die Bebilderung im Buch) so manchen ansprechen können. Und wenn nicht, wird es sicher in Zusatzprodukten andere Gegenden mit anders gearteten Abenteuern geben. Die Ambrianer sind ja einerseits militaristisch geartete Kolonialherren, andererseits aber auch Flüchtlinge einer Katastrophe. Die Idee, eine Völkerwanderung zum Konflikt auszubauen, ist sicher reizvoll und setzt diese Spielwelt von anderen Produkten ab.

Trotz einiger handwerklichen Schnitzer macht das Gesamtwerk einen guten Eindruck. Die relativ hohe Verletzlichkeit der SC sowohl in Bezug auf physischen als auch spirituellen Schaden ist zwar ein Faktor, mit dem man bei Symbaroum leben muss. Als Spielsystem wird es aber sicher Anhänger finden.



Wertung:
[4 von 5 Sternen!]
Symbaroum - Core Rulebook
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CTHULHU: Grundregelwerk Edition 7
Verlag: Pegasus Press
von Roger L. [Häufiger Rezensent]
Hinzugefügt am: 01/18/2016 02:50:42

Call of Cthulhu, so der englische Originaltitel, erblickte in seiner ersten Edition bereits 1981 das Licht der Welt. Nur 5 Jahre später erschien auch eine erste deutsche Ausgabe. Viel Geschichte liegt also vor, an denen sich eine neue Edition messen muss. Dabei war es auch ein Kennzeichen, dass das Regelsystem nicht wie bei anderen Systemen von Edition zu Edition neu erlernt werden musste.

Mit der 7. Edition sollte es nun aber dann doch Neuerungen geben, ohne das Spiel im Kern anzutasten. So sollte die Edition weiter kompatibel mit älteren Publikationen bleiben.

Zur Finanzierung nutzte Lizenzgeber Chaosium eine Kickstarter-Kampagne, die im Juni 2013 endete und stolze 561.836 USD einbrachte. Die PDF-Fassung des englischen Originals erschien auch bereits 2014, während eine gedruckte Fassung bislang nicht auf den Markt gekommen ist. Anders als beim deutschen Lizenznehmer Pegasus Spiele: Diese veröffentlichten als weltweit erster Verlag eine deutsche Übersetzung zur SPIEL 2015. Wie schon bei der aktuellen, fünften Edition von Shadowrun, setzt der Friedberger Verlag auf konkurrenzlos günstige Preise und eine entsprechend höhere Auflage: Hier wie dort wechselt das Hardcover-Grundregelwerk mit mehreren hundert Seiten in Farbe für schmale 19,95 EUR den Besitzer.

Zeitgleich mit dem Grundregelwerk erschien auch das Investigatoren-Kompendium. Während das Grundregelwerk zum Spielen ausreicht (und auch viele Inhalte für Spielleiter beinhaltet), richtet sich das Investigatoren-Kompendium speziell an die Spieler und ergänzt das Grundregelwerk mit zusätzlichen Inhalten und Hintergründen. Die entsprechende Rezension folgt übermorgen. Inhaltsverzeichnis [zeigen] Die Spielwelt

„Horror-Rollenspiel in der Welt des H. P. Lovecraft“ liest man bereits auf dem Buchdeckel, und im Kern trifft es das auch. Howard Philipps Lovecraft, geboren 1890, gestorben 1937, zählt heutzutage zu den einflussreichsten Autoren der Phantastik, speziell im Genre des Horrors. Dort wird ihm heute zuweilen eine ähnliche Bedeutung zugeschrieben wie J. R. R. Tolkien (Herr der Ringe) im Fantasy-Bereich.

Viele der von ihm erdachten Geschichten sind lose verknüpft und werden heute als „Cthulhu-Mythos“ beschrieben, wobei der namensgebende „Große Alte“ Cthulhu selbst nicht einmal die mächtigste oder gefährlichste Wesenheit ist. Neben Unmengen an Kreaturen erschuf Lovecraft fiktive Bücher, die das Ausmaß des Schreckens offenbaren können, allen voran das legendäre Necronomicon – von dem es inzwischen selbst diverse angebliche Abschriften gibt und das zuweilen als reales Werk dargestellt wird.

Die Geschichten von Lovecraft konfrontieren normale Menschen mit unvorstellbaren Schrecken, die der Verstand nicht oder kaum zu begreifen in der Lage ist. Für die meisten der „Großen Alten“, der Götter und ähnlicher Wesen sind die Menschen dabei nicht mehr als Insekten: Etwas Niederes, das in der Regel nicht einmal wahrgenommen wird.

Im Rollenspiel

Im Spiel beginnt man entsprechend mit normalen Menschen, welche meist durch unglückliche Umstände mit dem Mythos konfrontiert werden. Das endet nicht selten tödlich, zumindest wird aber die geistige Stabilität beeinträchtigt. So landen überlebende Charaktere nicht selten nach einigen Abenteuern als sabbernde Irre in einer entsprechenden Heilanstalt – was mitunter viel schlimmer ist als der Tod.

Das Grundregelwerk deckt zwei Epochen ab: Das klassische Zeitalter der 1920er, in dem Lovecraft die meisten seiner Werke schrieb, und das Spiel in der Gegenwart. Die Welt ist dabei so, wie wir sie kennen, und wird angereichert durch den Horror aus Lovecraft’s Werken. Aber nicht nur: Auch bei vielen anderen Autoren bedient sich das Rollenspiel. Denn andere Kreative haben den von Lovecraft erschaffenen Mythos aufgegriffen und mit eigenen Werken fortgeführt und erweitert, so dass eine Einbindung ihrer Schöpfungen folgerichtig ist und die Spielwelt bereichert. Sei es zur direkten Nutzung, oder zur Inspiration des Spielleiters – das Rollenspiel stellt deutlich heraus, dass eigene Schöpfungen, Ideen und Abwandlungen erlaubt und erwünscht sind, um die Schrecken beliebig anzupassen. Eine fixe (Mythos-)Welt gibt es ebenso wenig wie festgelegte Werte, ganz getreu des Hintergrunds: Nichts ist verlässlich, nichts ist vollständig begreifbar.

Kreaturen, Zauber, Folianten

Wer nun befürchtet, als Spielleiter noch viel Zeit mit der Erschaffung von Kreaturen und mehr zu verbringen, darf beruhigt sein: Das Grundregelwerk selbst bietet schon genügend ausgestaltete Monster, Zauber und Bücher, die man nutzen kann (mit entsprechenden Werten oder eigenen Abwandlungen). In Zahlen? 24 Mythos-Bücher mit kurzer Beschreibung, fast 100 mit Spielwerten. Rund 140 Zauber, teils in Varianten aufgesplittet. 21 teils einzigartige Artefakte und nicht-menschliche Technologien. 36 Monster/Kreaturen, plus 30 Götter und gottgleiche Wesen sowie ein paar klassische „Schrecken“ wie Geister und einige Tiere, auf die man möglicherweise treffen könnte, als Bedrohung.

Neben Einleitungen zu diesen Kapiteln bringt vor allem der Abschnitt über Mythos-Kreaturen und deren Gottheiten einiges an interessantem Hintergrund zutage: Nach der sechsseitigen Einleitung werden die 66 Wesen über etwas mehr als 53 Seiten beschrieben. Spielwerte, Aussehen, Besonderheiten, Zauber und deren Kulte finden sich, dazu nicht selten Fluff-Texte. Sehr schön: Jeder Kreatur wird ein kurzes Zitat aus einer entsprechenden Geschichte von Lovecraft oder einem anderen Autor vorangestellt. Zudem findet sich zu jedem gelisteten Wesen eine Illustration zur Veranschaulichung.

Was jedoch leider nicht vorhanden ist, ist eine Beschreibung der 1920er Jahre. Zwar lassen sich entsprechende Informationen leicht über das Internet finden, eine übersichtliche Zusammenfassung wäre aber dennoch wünschenswert gewesen. Der entsprechende Hintergrundteil findet sich zumindest im Investigatoren-Kompendium, wäre hier aber auch gut aufgehoben gewesen.

Die Regeln

Die 7. Edition von Cthulhu nutzt grundsätzlich noch die gleichen Regeln wie ihre Vorgänger, so dass sich bisherige Spieler schnell orientieren können.

Grundregeln

Auf dem Charakterbogen finden sich erneut Attribute wie Stärke oder Intelligenz, und diverse Fertigkeiten wie „Horchen“, „Autofahren“ oder „Nahkampf (Handgemenge)“. Allesamt mit gleich drei Feldern: Der 100er/Prozentwert (reguläre Proben) sowie davon ausgehend die Hälfte (schwierige Proben) und ein Fünftel (extreme Proben). Für erfolgreiche Proben muss mit einem W100 unter oder gleich dem entsprechenden Wert gewürfelt werden. Und damit wären die Kernregeln auch schon erklärt! Tatsächlich ist Cthulhu im Kern derart simpel, und alle Werte und Fertigkeiten passen auf eine Seite. Vorbildlich und sehr einsteigerfreundlich.

Weitere Werte und Proben

Ergänzt wird dieser Kern um ein paar weitere Werte: Trefferpunkte (selbsterklärend), Magiepunkte (zum Wirken von Zaubern, sofern im Verlauf des Spiels welche erlernt werden) sowie Glück und Stabilitätspunkte. Proben auf Glück können für den jeweiligen Charakter oder die ganze Gruppe (in dem Fall auf den niedrigsten Wert innerhalb der Gruppe) abgelegt werden, um – naja, um zu schauen, ob diese Glück haben. Taucht etwas Unerwartetes auf? Wird man entdeckt? Findet man vielleicht doch noch einen Hinweis? Mit einer optionalen Regel können Glückspunkte zudem eingesetzt werden, um pro eingesetztem Punkt einen W100-Wurf um jeweils 1 Auge nach oben oder unten zu ändern.

Spezieller ist dagegen Stabilität, ist dieser Wert doch allgemein eines der, wenn nicht sogar das Wahrzeichen des Systems. Konfrontiert mit undenkbaren Schrecken und anderen schockierenden Erlebnissen, wird eine W100-Probe auf diesen Wert gemacht: Bei einem Erfolg verliert man keine oder nur wenige Stabilitätspunkte, bei einem Misserfolg umso mehr. Entsprechend schwieriger wird die nächste Probe auf diesen Wert, was sehr gut den schleichenden Verfall der Psyche darstellt. Je nach Verlust resultieren auch temporäre oder dauerhafte geistige Störungen hieraus, die dem Spiel eine zusätzliche Würze geben können. Gerade Phobien können sich im Spielverlauf durchaus bemerkbar machen.

Ein wenig anders funktioniert das Wirken von Magie. Nach dem Erlernen eines Zauberspruchs wird für das erstmalige Ausführen eine schwierige Probe auf das Attribut Mana (Äquivalent für Willenskraft) gefordert. Nach einer erfolgreichen Ausführung muss für künftige Versuche keine Probe mehr abgelegt werden – andere Kosten wie Magiepunkte, Opfer, oder das „Ausgeben“ von Attributspunkten müssen dennoch bei jeder Nutzung „gezahlt“ werden. Ebenso fällt für die meisten Zauber ein Verlust geistiger Stabilität an – der Einsatz sollte also nur sehr vorsichtig geschehen.

Ebenfalls etwas anders laufen vergleichende Proben ab, wenn beispielsweise ein Charakter lügen und ein anderer diesen durchschauen will (in diesem Fall: „Überreden“ gegen „Psychologie“). Ein anderes typisches Beispiel wäre eine Schlägerei (beispielsweise „Nahkampf (Handgemenge)“ gegen „Ausweichen“). Entscheidend ist hier, welche Seite den höheren Erfolgsgrad hat: Regulärer Erfolg wird geschlagen von schwierigem Erfolg, welcher wiederum vom extremen Erfolg geschlagen wird. Bei gleichem Erfolgsgrad entscheidet der höhere Fertigkeits-/Attributswert. Um vor- oder nachteiligen Umständen Rechnung zu tragen, können für die Probe Bonus- und Strafwürfel vergeben werden. Diese sind zusätzliche W10 zur Ermittlung der Zehnerstelle des W100, wobei bei Bonuswürfeln der niedrigste Würfel genutzt werden darf, während bei Strafwürfeln der höchste und somit schlechteste Verwendung finden muss.

Neuerungen zum Vorgänger

Veteranen dürften schon einige Neuerungen entdeckt haben: „Nahkampf (Handgemenge)“ beispielsweise, was die bisher separaten Arten von waffenlosem Kampf wie Faustschlag oder Ringen zusammenfasst und ablöst. Eine weitere neue Fertigkeit ist „Finanzkraft“, die das Vermögen und Einkommen anzeigt, und in Ableitung davon auch das soziale Standing – diese Fertigkeit ersetzt „Ansehen“.

Bei den Attributen gibt es zwar keine neuen, die alten dafür aber in neuer Form: Prozentwerte wie bei den Fertigkeiten. Ein Hochrechnen der Werte im Spiel wie bei früheren Editionen entfällt daher.

Neu ist auch die Möglichkeit, eine Probe zu „forcieren“: Nach einem Misserfolg darf der Spieler es erneut versuchen, sofern er einen neuen Anlauf begründen kann. Allerdings folgen bei einem zweiten Misserfolg auf jeden Fall negative Auswirkungen, die der Spielleiter abhängig von der Handlung und Umgebung festlegt. Eine spannende Sache, geht man doch mitunter ein immenses Risiko ein.

Neu ist auch das Vorhandensein einer „Schlüsselverbindung“. Dies meint einen Aspekt des Charakterhintergrunds wie einen spezifischen Ort, Gegenstand oder Person, zu dem der Charakter einen besonders engen Bezug hat und die auch genutzt werden kann, um geistige Stabilität zurück zu erlangen. Als Besonderheit darf diese Verbindung nicht einfach vom Spielleiter entfernt werden – der Charakter muss auf jeden Fall zumindest die Möglichkeit erhalten, diese zu retten. Sie ist also eingeschränkt sicher vor Spielereignissen.

Besondere Aufmerksamkeit erfahren nun auch Verfolgungsjagden. Zuvor eine der optionalen Regeln, die auf rund sechs Seiten dargestellt wurde (plus zwei Seiten Beispiele), sind es nun feste Regeln auf 16 Seiten – in einem eigenen Kapitel.

Charaktererschaffung

Die Charaktererschaffung folgt dem Grundprinzip einfacher Regeln und kann in wenigen Minuten soweit vollendet sein, dass man eine spielbare Figur auf seinem Zettel hat.

Zunächst werden die Attribute ausgewürfelt mit jeweils 3W6 oder 2W6+6 bei bestimmten Attributen. Die Ergebnisse werden mit 5 multipliziert, um so W100-/Prozentwerte zwischen 15 und 90 zu haben. Werte wie Stabilität, Schadensbonus (im waffenlosen Kampf) sowie Magie- oder Trefferpunkte werden von diesen abgeleitet.

Im Anschluss wählt man einen (passenden) Beruf aus. Im Grundregelwerk selbst finden sich allerdings lediglich 28 Berufe, und auch nur mit den relevanten Daten – auf Beschreibungen o.ä. muss verzichtet werden. Diese finden sich wiederum im Investigatoren-Kompendium, wo mehr als dreimal so viele Berufe samt Beschreibungen gelistet sind. Wie auch beim Hintergrund der 1920-Jahre gilt hier: Nicht zum Spielen nötig, mit etwas Kreativität beziehungsweise in Absprache mit dem Spielleiter ist jeder Beruf auch ohne explizite Nennung möglich. Das Gefühl, dass an dieser Stelle aber mehr stehen sollte als die vorhandenen zwei Seiten, bleibt jedoch.

Neu in der 7. Edition ist, dass jeder Beruf mit exakt 8 Fertigkeiten verknüpft ist, wodurch ein früheres Ungleichgewicht (Berufe mit vielen Fertigkeiten und ggf. besonderen Vorteilen gegenüber Berufen mit sehr wenigen Fertigkeiten) behoben wird. Je nach Beruf kommen unterschiedliche Attribute zur Ermittlung der Fertigkeitspunkte zum Einsatz (klassisch: Bildung x4). Diese Punkte dürfen nun nach Belieben auf die Berufsfertigkeiten verteilt werden sowie auf die Finanzkraft. Letzteres ist ein Muss, und zu jedem Beruf wird auch ein Spektrum angegeben, in welchem sich dieser Wert bewegen muss.

Da aber jeder Mensch, und dementsprechend auch jeder Charakter, Wissen und Fertigkeiten abseits seines Berufs besitzt, dürfen nun auch noch weitere Punkte auf alle Fertigkeiten (auch auf Berufsfertigkeiten) verteilt werden. Die Anzahl dieser Punkte wird vom Attribut Intelligenz abgeleitet.

Zuletzt sollten noch Details zum Charakterhintergrund festgelegt werden. Dies lässt sich frei gestalten, optional gibt es zu jeder Rubrik des Charakterbogens wie Wesenszüge, Glauben oder wichtigen Orten auch Zufallstabellen, um diese mit einem W10 auszuwürfeln.

Ferner bietet das neue Grundregelwerk auch alternative Methoden zur Charaktererschaffung an – beispielsweise gezielte Zuteilungen der erwürfelten Attributswerte oder die Verteilung eines festen Pools an Punkten auf die acht Attribute. Auch eine „Schnellschuss-Methode“ ist dabei, die spielfertige Charaktere in nur fünf Minuten verspricht. Dabei werden hauptsächlich feste Werte auf die Attribute und Berufsfertigkeiten verteilt. Gerade für die Erschaffung von NSC bietet sich dieser Weg an, wobei auch die reguläre Erschaffung schnelle Ergebnisse bringen kann und sich dafür eignet.

Spielbarkeit aus Spielleitersicht

Cthulhu ist ein sehr dankbares System für Spielleiter, sofern man nicht den Anspruch hat, eine passende gruselige, beängstigende Atmosphäre aufzubauen – erfahrungsgemäß ist dies schwieriger zu erreichen als andere Stimmungen, und auch stärker von der Spielrunde abhängig.

Da die Schrecken des Cthulhu-Mythos unberechenbar, nahezu undefinierbar und vor allem übermächtig sind, ist der Spielleiter freier als in anderen Systemen. Anpassungen von Abenteuern an Charakterlevel wie in anderen Systemen, oder Probleme mit Spielern, die festgeschriebene Kreaturenwerte auswendig wissen und auf diesen beharren, entfallen so. Durch die einfachen Regeln finden sich auch Neulinge schnell ein und werden im Buch zudem mit Tipps unterstützt.

Durch die vorhandene Auswahl an Kreaturen, Büchern und Zaubern besteht einerseits kein Bedarf an eigenen Erfindungen – andererseits sind diese auch sehr inspirierend, so dass alleine das Lesen von Beschreibungen zu Ideen für eigene Schöpfungen und Abenteuer führen kann.

Spielbarkeit aus Spielersicht

Da die Spielwelt grundsätzlich mit unserer realen Welt identisch ist, finden sich Spieler schnell in diese hinein. Entsprechend stehen jedoch auch nur normale Menschen als Charaktere zur Wahl – dafür jedoch mit fast jedem denkbaren Hintergrund, Beruf und jeden Fähigkeiten.

Durch die äußerst einfachen Grundregeln sind auch Neulinge regeltechnisch nicht überfordert, und ein Nachschlagen sollte kaum mehr nötig sein nach dem ersten Abend. Würfelproben kommen nicht häufiger vor als in gängigen anderen Systemen, der Schwerpunkt liegt klar auf Rollenspiel statt auf Powergaming oder Würfelorgien.

Da Charaktere leicht das Zeitliche segnen oder den Verstand verlieren können, sollte jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass man seine Charaktere über Jahre hinweg spielen wird. Spieler, die gerne das ganze Leben einer Figur bis zu einem natürlichen Tod simulieren wollen dürften nur eingeschränkt glücklich werden. Zusammen mit der schnellen Charaktererschaffung und der vertrauten Welt eignet sich das Spiel dagegen jedoch auch umso mehr für One-Shots. Ein fortlaufendes Kampagnenspiel mit Weiterentwicklung der Charaktere ist jedoch natürlich auch möglich und gewinnt durch den schleichenden Verfall an Stabilität zusätzlich an Reiz.

Preis-/Leistungsverhältnis

Für lediglich 19,95 EUR erhält man ein vollfarbiges Hardcover mit über 400 Seiten, inklusive Lesebändchen, und kann dank einfacher Regeln und zwei enthaltenen Abenteuern direkt losspielen. Dank Konvertierungsregeln lassen sich auch frühere Abenteuer, Quellenbücher und Charaktere schnell für die neue Edition bereit machen. Zwar fehlen einige wünschenswerte Inhalte wie ausführlichere Berufe und ihre Beschreibungen, oder ein Überblick über das Leben in den 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts. Diese sind jedoch nicht so relevant, dass man sie schmerzlich vermissen würde. Zudem finden sie sich im ergänzenden Investigatoren-Kompendium, welches eine Art Spieler-Handbuch darstellt.

Das Preis-/Leistungsverhältnis ist daher, wie zu erwarten, als grandios zu bezeichnen. Aufgrund des niedrigen Preises und umfangreichen Inhalts kann auch eine Kaufempfehlung gegeben werden für Leser, die nicht spielen wollen, sondern lediglich eine interessante Lektüre suchen.

Erscheinungsbild

Der Eindruck beim ersten Durchblättern macht direkt einen guten Eindruck: Vollfarbig, stimmige sepia-farbene Seiten, farbige und s/w-Bilder in gezeichnet und als Fotografien, doppelseitige Farbillustrationen zu Beginn jeden Kapitels. Sehr schön!

Man kommt jedoch nicht umhin, sich zu fragen: Ist das noch Cthulhu? Gerade die doppelseitigen Bilder sind sehr action- und pulplastig, was für bisherige Spieler zumindest ungewohnt sein dürfte. Auch wirken die Seiten einen Tick dünner als bei einigen anderen Publikationen, befinden sich allerdings noch im annehmbaren Rahmen. Das subjektive Gefühl könnte allerdings auch von der Hochglanz-Beschichtung kommen.

Das Layout ist überwiegend gut gelungen. In den oberen Ecken zeigt ein passendes Symbol an, zu welchem Abschnitt die Seite gehört. Mit vielen Textboxen, die farblich unterschieden spieltechnische Zusätze, Beispiele oder Fluff-Texte beinhalten, wird der Textfluss gut gesteuert. Generell ist der Aufbau des Buches gut gelungen, so dass man sich leicht zurecht findet. Hierzu trägt auch bei, dass es neben dem Inhaltsverzeichnis ganze zwei Indexe gibt: Einen alphabetischen und einen thematischen.

Abgerundet wird das gute Erscheinungsbild von einigen Karten und einem Größenvergleich einiger beispielhafter Mythos-Kreaturen gegenüber Menschen. Soweit wäre alles sehr gut, wenn es nicht einen Negativpunkt gäbe: Zumindest ein (weiterer) Lektoratsdurchlauf fehlt dem Werk. Tipp- und Rechtschreibfehler, fehlerhafte Absätze – nichts Weltbewegendes, aber es fällt auf. Nicht so viel, als dass es beim Nachschlagen zu negativ auffallen würde, aber zu viel, um es beim Durchlesen einfach zu übergehen. Da war man einst Besseres gewöhnt von Pegasus, und wenn es auch inhaltlich unbedeutend ist, stört es das Lesevergnügen.

Bonus/Downloadcontent

Wie üblich bei Pegasus gibt es einige hilfreiche Downloads. So finden sich zu beiden Abenteuern die Karten und Handouts als einzelne Dateien. Auch Charakterbögen sind, wie zu erwarten, online verfügbar – sowohl für die 1920er als auch für die Gegenwart, in Farbe oder Schwarz-Weiß. Für die 20er Jahre gibt es zudem einen editierbaren Bogen, der auch anfallende Berechnungen automatisch umsetzt.

Für Interessierte gibt es außerdem den Autoren-Leitfaden als Download, und auch die Schnellstartregeln (inkl. Abenteuer) sind online zu finden. Diese finden sich übrigens in der gleichen Kategorie wie einige ältere Gratis-Abenteuer. Dank der im Buch enthaltenen Konvertierungsregeln lassen sich diese mit überschaubarem Aufwand an die aktuelle Edition anpassen und können so auch als „Bonus“ angesehen werden.

Fazit

Cthulhu 7 macht fast alles richtig: Zeitgemäßes, stimmiges Design und einfache Regeln laden ein zum Spielen, ergänzt durch eine umfassende Sammlung an Kreaturen und mehr. Durch die Konvertierungsregeln wird die Kompatibilität zu älteren Publikationen hergestellt, und dank vieler optionaler Regeln sollten Spielrunden leicht Anpassungen an ihre eigenen Wünsche einrichten können.

Einzig die Auslagerung von Inhalten wie beispielhafte/häufige Berufe und Hintergründe/Informationen zu den 1920-Jahren ins Investigatoren-Kompendium verhindern die Bestwertung. Betrachtet man beide Bücher zusammen als Set, könnte diese vergeben werden, trotz zahlreicher vom Lektorat übersehener Fehler. Für ein Grundregelwerk aber sollten solche Inhalte zumindest ausführlicher vorhanden sein als sie es nun sind. Durch den günstigen Preis von nur 19,95 EUR ist das Buch jedoch allemal eine Kaufempfehlung, selbst wenn man nicht unbedingt spielen will. Und wer Cthulhu bereits spielt, dürfte dank sinnvoller Neuerungen ebenfalls auf seine Kosten kommen und zugleich das Bisherige darin wiederfinden. Insgesamt: Das wohl beste Cthulhu aller Zeiten.



Wertung:
[5 von 5 Sternen!]
CTHULHU: Grundregelwerk Edition 7
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CTHULHU: Investigatoren-Kompendium
Verlag: Pegasus Press
von Roger L. [Häufiger Rezensent]
Hinzugefügt am: 01/18/2016 02:48:49

Vorgestern haben wir unsere Rezension zum Grundregelwerk der neuen, 7. Edition des Klassikers Cthulhu veröffentlicht. Mit dem Fazit „macht fast alles richtig“ hätte es auch beinahe die Bestwertung erhalten. Aber eben nur fast, denn „die Auslagerung von Inhalten wie beispielhafte/häufige Berufe und Hintergründe/Informationen zu den 1920-Jahren ins Investigatoren-Kompendium verhindern die Bestwertung“. Eben jenes Investigatoren-Kompendium wollen wir nun natürlich auch noch genauer betrachten. Ist es mehr als eine Ergänzung zum Grundregelwerk? Ist es vielleicht die Top-Anschaffung für Cthulhu-Spieler ohne Spielleiter-Ambitionen?

Inhalt

Das Buch richtet sich an die Spieler der Investigatoren, und das merkt man auch schon beim Blick ins Inhaltsverzeichnis. Statt aber nur Inhalte aus dem Grundregelwerk zu wiederholen, sollen vor allem erweiterte und ergänzende Inhalte im Buch zu finden sein. Interessierte Spieler oder Spielleiter, die sich beide Bücher anschaffen, sollen so auch vom schmaleren Kompendium einen spürbaren Mehrwert haben

Lovecraft's Welt Nach der Einleitung ins Rollenspiel, welche eine verkürzte Version des Äquivalents im Grundregelwerk ist, folgt „Der Einstieg in die Welt des H. P. Lovecraft“. In diesem Kapitel werden hauptsächlich Bücher, Filme und andere Medien vorgestellt, die cthuloide oder zumindest dazu passende Inhalte haben. Aber auch eine Seite über die deutschsprachige Cthulhu-Szene findet sich hier.

Auf die Werke von Lovecraft selbst wird jedoch entgegen dem Titel kaum eingegangen. Hier vermisst man durchaus eine zumindest kurze Einführung in das Leben und Wirken der Horror-Schriftstellers, wie sie im Grundregelwerk vorhanden ist. So bleibt das mit nur sieben Seiten (nach Abzug ganzseitiger Artworks) recht magere Kapitel trotz guter Vorschläge für Inspirationen letztlich eines: Enttäuschend.

Erschaffung von Charakteren und deren Hintergrund

Das Kapitel zur Charaktererschaffung ist grundsätzlich identisch zu jenem im Grundregelwerk. Es gesellen sich jedoch ein paar „Tipps zum Erschaffen eines Hintergrunds“ sowie eine Auflistung zeitgenössischer Namen der 1920-Jahre hinzu. Außerdem findet sich am Ende des Kapitels ein Abschnitt zu „erfahrenen Investigatoren“. Dort werden fünf beispielhafte Pakete dargestellt, die bestimmten Lebenserfahrungen Rechnung tragen. Als Beispiele seien hier Kriegserfahrungen oder die Arbeit als Mediziner genannt. Spieltechnisch werden mit den optionalen Pakten noch einmal Änderungen am Charakter vorgenommen: Dies können Verluste von Stabilität, zusätzliche Fertigkeitspunkte für entsprechende Fertigkeiten oder bestimmte Einträge im Investigatoren-Hintergrund sein, wie zum Beispiel Phobien, auf die im Spiel Bezug genommen werden kann. Insgesamt handelt es sich dabei nicht einmal um zwei Seiten – wieso es diese nicht auch in das Grundregelwerk geschafft haben, bleibt ein Rätsel.

Was uns schon im Grundregelwerk auffiel, war die sehr kurze Übersicht über die Berufe – auf lediglich zwei Seiten fanden sich 28 Beispielberufe, mit Nennung der zugehörigen Berufsfertigkeiten und dem Punktespektrum der Finanzkraft. Das Investigatoren-Kompendium dagegen listet auf 26 Seiten ganze 93 Berufe auf, die teilweise nochmal in mehrere Unterarten aufgeschlüsselt werden. Zwar lassen sich die meisten Berufe mitsamt ihrer typischen Fertigkeiten auch leicht selbst ausdenken, aber nicht alle, zumindest nicht spontan. Denn wer könnte schon auswendig sagen, was die Unterschiede zwischen Psychiatern, Psychologen und Irrenärzten sind? Auch einige 20er-Jahre-„Berufe“ wie Müßiggänger, Flapper oder Hobo dürften den meisten kaum ein Begriff sein.

Auch Nicht fehlen darf natürlich die Beschreibung der diversen Fertigkeiten. Man will ja schließlich wissen, worauf man Punkte verteilt. Grundsätzlich findet sich auf den 27 Seiten der gleiche Inhalt wie auch im Grundregelwerk. Dieser wird jedoch zumindest mit einigen zusätzlichen Boxen angereichert, die sich bestimmten Themen wie Erster Hilfe, Kunst oder Reparaturen in den 20er-Jahren widmen.

Ein weiteres exklusives Kapitel widmet sich den „Organisationen für Investigatoren“. Hier wird zunächst mit der Thematik eines Gruppenkonzepts eingeleitet. Gerade in Cthulhu ein wichtiges Thema: Was soll die Charaktere zusammenhalten nach dem ersten Abenteuer? Wieso sollten sie sich weiteren Schrecken stellen, statt zu versuchen, in ihr beschauliches Leben zurückzukehren? Ein passendes Gruppenkonzept kann hierbei sehr hilfreich sein. Blutsverwandtschaften oder ein gemeinsamer Arbeitgeber könnten die Figuren zusammen halten. Noch besser aber sind spezielle Organisationen: In diesen herrscht ein gemeinsames Interesse vor, welches durchaus mit dem Mythos zu tun haben kann, und es zudem erleichtert, neue Charaktere zu integrieren. Vor nicht allzu langer Zeit widmete Pegasus einer solchen OrganisationDie Janus-Gesellschaft sogar ein vollständiges Buch: Die Janus-Gesellschaft beschrieb umfassend und spannend diese fiktive Organisation und ihre Geschichte. Schade, dass hierauf nur kurz verwiesen wird. Stattdessen finden sich mehrere Beispielorganisationen mit jeweils einem typischen Mitglied (inkl. diversen Werten, um sie als NPC’s zu nutzen). Zwar verdeutlicht dieser Teil gut, wie so etwas aussehen könnte – mit fast 14 Seiten aber mitunter etwas zu ausführlich. Zwar lassen sich die Organisationen auch vom Spielleiter nutzen, sie sind aber bei weitem nicht so inspirierend wie zum Beispiel die Kreaturen und Folianten im Grundregelwerk. Hiernach folgt noch eine weitere Organisation auf fünf Seiten. Wobei deren Beschreibung leider ebenso kurz ausfällt wie die der vorherigen. Lediglich mehr NPC’s (sieben) werden beschrieben. Immerhin werden alle NPC’s des Kapitels mit einer Illustration dargestellt.

Investigatoren spielen

Das Kompendium widmet sich in zwei Kapiteln dem spielen von Investigatoren. Zunächst erfährt man auf neun Seiten,was diese während eines Abenteuers so machen: Ermittlungen durchführen, observieren, Gespräche führen, Pläne entwickeln und ausführen. Auch Überlegungen zu Elementen wie Waffen oder Verkleidungen findet man. Sinnvollerweise auch zur Zusammensetzung einer Gruppe: was für Fähigkeiten sind nützlich und sollten möglichst vorhanden sein bei wenigstens einem Charakter? Bereichert wird das Kapitel um einige fiktive Auszüge und Zitate eines Piotr McLean von der ebenso fiktiven „Westley Isynwill Stiftung“. Diese wird auch zu Beginn des Kapitels direkt vorgestellt, während McLean selbst zum Schluss kurz beschrieben wird. Obwohl es sich eigentlich um nicht mehr als ein paar kurze Sätze handelt, ist Piotr McLean dank seiner atmosphärischen, kurzen Texte das wahre Highlight des Kapitels.

In einem weiteren Kapitel findet sich eine Einleitung in das Spiel selbst. Neben der obligatorischen Einführung ins Rollenspiel werden auch andere Inhalte wie Kooperation, Ersatzcharaktere oder Probleme im Spiel angesprochen. Der größte Teil dieser zehn Seiten widmet sich jedoch den Regeln selbst. Wann wird gewürfelt? Wie und wann forciert man eine Probe? Was sind Ideen-, Glücks- und andere –würfe? Wie funktioniert der Nahkampf? Was bewirken Phobien und Verhaltensstörungen im Spiel? Dies alles ist speziell für den Spieler geschrieben und widmet sich auch Themen wie dem Akzeptieren von Misserfolgen.

Ein elementarer Inhalt fehlt jedoch. Man bedenke, dass das Investigatoren-Kompendium das Referenzwerk für den Spieler, der selbst nicht leitet, sein soll. Und nun das: Die grundsätzlichen Regeln werden nicht erklärt. Erfolgsgrade / Probenschwierigkeit? Ablauf von Verfolgungsjagden? Bonus- und Strafwürfel? Kampfhandlungen? Nein, in diesem Buch nicht enthalten. Dabei sollte man doch meinen, dass die Spieler die normalen Regeln auch kennen dürfen und sollten! Und entsprechend auch in „ihrem“ Buch finden sollten. Eine absolut unverständliche Entscheidung.

Die Goldenen Zwanziger Das üppigste Kapitel widmet sich den 1920-Jahren, der klassischen Zeit in der die meisten von Lovecraft's Geschichten spielen. Dies macht Sinn, da kein Spieler selbst in dieser Epoche gelebt haben dürfte, und im Grundregelwerk wurde nur marginal darauf eingegangen. Auf über 40 Seiten finden wir hier viele Informationen. Sei es zu Fortbewegungsmitteln, Kriminaltechnik, diverser Ausrüstung und Waffen, oder auch zu bekannten Persönlichkeiten. Mitsamt Bildern, Fotos, Spielwerten, Preisen und zuweilen sogar alten Anzeigen. Ergänzt wird dies alles mit einer kurzen Chronik und Tabellen, in denen zu jedem Jahr bekannte Filme, Lieder, Bücher und anderes genannt werden.

Soweit, so gut. Dieses Kapitel würde uns sehr zufrieden stellen, wenn es denn auch ausreichend Informationen zu dieser Epoche in Deutschland beinhalten würde. Tut es aber leider nicht. Hier merkt man am deutlichsten, dass es sich um eine Übersetzung der US-Vorlage handelt, die auch nicht um spezifische Inhalte für Deutschland ergänzt wurde. Oder zumindest nur marginal. Zwar lassen sich einige Elemente auf Deutschland übertragen, viele andere jedoch nicht. Symbolisch lässt sich das gut an der Seite über Zeitungen ablesen: Über 200 Zeitungen werden mit Namen und Jahreszahl aufgeführt, darunter solche aus den USA, Kanada, einigen südamerikanischen Ländern, China, Japan, Indien, Russland und mehr. Aber außer einigen englischen Zeitungen findet sich nicht eine einzige andere westeuropäische Zeitung, und entsprechend auch keine deutsche.

Wer also in den USA spielen will, findet einiges an Informationen. Wer jedoch woanders spielen will, und gerade auch die Abenteuer von Pegasus spielen nicht selten im heimischen Deutschland, hat es schwieriger und dürfte enttäuscht sein.

Weitere Inhalte Im Anhang finden sich rund 17 Seiten an Tabellen. Für Waffen, Ausrüstung und Alltagsmaterialien und -ausgaben. Jeweils mit USD-Preisen der 20er-Jahre und, sofern relevant, allen Spielwerten. Auch zu Geschwindigkeiten und Entfernungen finden sich Einträge, und glücklicherweise zumindest auch eine Tabelle mit Umrechnungskursen für Deutschland. Generell kennt man diese Inhalte aber auch schon aus dem Grundregelwerk.

Ebenfalls nicht exklusiv sind die Konvertierungsregeln, um bisherige Charaktere für die 7. Edition aufzubereiten. Wieso auch die Konvertierungsregeln für Spielleiter-Elemente wie Kreaturen, Mythos-Büchern oder Zaubern enthalten sind, erschließt sich nicht wirklich. Aber besser zu viel als zu wenig.

Tatsächlich neu ist dagegen der erste Anhang, „Hundert Jahre und mehr“. Hierbei handelt es sich um eine sechsseitige Chronologie von 1890 bis 2012. Entsprechend der Zeit, in der man spielt, kann man so leicht einen Überblick über die bedeutendsten Ereignisse dieser Zeit und der Jahre davor erlangen.

Preis-/Leistungsverhältnis Keine Frage: Für den unheimlich günstigen Preis von nur 12,95 EUR erhält man definitiv einiges für sein Geld. Egal, ob als Ergänzung des Grundregelwerks, oder Informationsquelle für den Spieler: Preis/Leistung sind hervorragend, trotz diverser Schwächen.

Erscheinungsbild Wie auch bereits das Grundregelwerk macht dieses Buch einen überwiegend guten Eindruck. Das Layout beider Publikationen ist gleich, so dass es auch hier sepia-farbene Seiten gibt, in denen sich farbige und s/w-Bilder abwechseln und doppelseitige Farbillustrationen die Kapitel einleiten.

Inhaltlich lassen sich die Kapitel schon auf dem ersten Blick durch unterschiedliche, passende Symbole an den oberen rechten Seitenecken unterscheiden. Genau wie im Grundregelwerk finden sich zusätzliche Informationen und Beispiele in separaten Boxen, die farblich variieren und durch diese anzeigen, welche Art von Inhalt sie haben.

Auch die Negativpunkte hat das Investigatoren-Kompendium vom großen Bruder geerbt: Seiten, die sich subjektiv ein wenig dünner anfühlen als es ideal wäre, und einige Flüchtigkeitsfehler, die übersehen wurden. Letzteres schien hier jedoch seltener vorzukommen.

Bonus/Downloadcontent Wie üblich sind die Charakterbögen online verfügbar – für die 1920er als auch für die Gegenwart, jeweils farbig oder s/w. Für die 1920er Jahre gibt es außerdem einen editierbaren Bogen, der auch anfallende Berechnungen automatisch umsetzt.

Fazit Im Vergleich mit dem Grundregelwerk schneidet das Investigatoren-Kompendium schlechter ab: Zwar ergänzt es dieses um einige Inhalte, und lässt gerade bezüglich der Charaktererschaffung keine Wünsche offen. Auch der umfangreiche Hintergrund weiß zu gefallen, jedoch trübt das Fehlen spezifischer Inhalte zu Deutschland in den Goldenen Zwanzigern den sonst guten Eindruck. Ebenfalls vermissen wir eine Einführung in die Welt von Lovecraft, wenn auch nicht so sehr, wie uns die fehlenden Regeln negativ aufgefallen sind. Das Grundregelwerk könnte daher auch für reine Spieler interessant sein. Besitzer von diesem dürften wiederum sehr vom Kompendium profitieren, welches trotz einiger Kritikpunkte kein schlechtes Buch ist. Letztlich kann man aber sowieso nur empfehlen, sich beide Cthulhu 7-Bücher anzuschaffen, da beide aufgrund ihrer niedrigen Preise nahezu unschlagbar im Preis-/Leistungsverhältnis sind und sowohl für Spieler als auch Spielleiter interessante Inhalte bieten.



Wertung:
[3 von 5 Sternen!]
CTHULHU: Investigatoren-Kompendium
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Psychedemia • A World of Adventure for Fate Core
Verlag: Evil Hat Productions, LLC
von Roger L. [Häufiger Rezensent]
Hinzugefügt am: 01/10/2016 16:14:46

Mit Psychedemia hat Evil Hat Productions eine World of Adventure entwickelt, die Science-Fiction von einer unverbrauchten Seite zeigt. Die Akademie sollte euch darauf vorbereiten, eure neu entdeckten psionischen Fähigkeiten zu kontrollieren. Doch die Entdeckung des Reiches, das ihr in euren Träumen und Meditationssitzungen bereist verändert alles.

Rezension: Psychedemia – Harry Potter im Weltall (Fate Core)

Rollenspielern fällt es leicht, neue Welten zu erdenken und mit allerlei spannenden Orten und interessanten Herausforderungen zu füllen. Bei Psychedemia, einem weiteren Ableger der World of Adventure-Reihe, liegt dieses Privileg aber nicht mehr länger nur in der Hand des Spielleiters, sondern auch die Spielercharaktere dürfen sich in diesem Setting nach Herzenslust kreativ austoben.

Psychedemia ergänzt die Produktserie um ein spannendes Science–Fiction Setting, das Elemente aus Harry Potter, Trinity und klassischen Sci-Fi-Stories zu einem bunten Mix um die weitere Zukunft des besiedelten Weltalls verwebt.

Inhalt

Die Menschheit hat es geschafft. Zunächst gelang es nur, einige wenige Planeten in der direkten Umgebung zu besiedeln, doch mit der Entwicklung des Überlichtantriebes konnte ein erster Kontakt zu außerirdischen Wesen hergestellt werden. Leider verliefen alle bisherigen Begegnungen nicht sonderlich friedvoll.

In Aufruhr versetzt, beschlossen die führenden Mächte, die erst kürzlich entdeckten psionischen Kräfte der heranwachsenden Generation zu fördern. Damit wurde die Akademie an einem geheimen Ort auf einem verlassenen Asteroiden im All errichtet. Um an der Akademie aufgenommen zu werden, muss der Aspirant eine ganze Reihe an physischen und psychischen Tests, Neuroscans und wissenschaftlichen Prüfungen über sich ergehen lassen.

Je nach Können der aufgenommenen Jung-Psioniker werden sie einer der vier Ausbildungskompanien, Alpha, Bravo, Charlie und Delta zugewiesen. Während es sich bei der Ersten um die Elitekompanie der Akademie handelt, landen in Delta all jene, die die Prüfungen gerade so hinter sich bringen konnten.

Die Spielercharaktere sind Teil eben jener berüchtigter Delta-Kompanie, von den Ausbildern belächelt und den Mitschülern schikaniert.

Charaktererschaffung

Ganz im Stil von Fate Core bedient sich auch Psychedemia den meisten Mechaniken des Grundregelwerkes. Die Aspekte werden hier allerdings nicht in Zusammenarbeit mit den anderen Spielern entwickelt, sondern konzentrieren sich auf den eigenen Charakter. Neben den üblichen Aspekten Konzept und Dilemma wird je ein Aspekt für das Erwachen der psionischen Fähigkeiten, für den Testablauf der Akademie und ein letzter für die ersten Erfahrungen auf der Akademie gewählt. Der letzte Aspekt kann und sollte dazu genutzt werden, erste Beziehungen und Rivalitäten zu Spieler- oder Spielleitercharakteren aufzubauen.

Bei der Auswahl der Fertigkeiten wird zwischen den vorgegebenen psychischen und den weltlichen Fertigkeiten unterschieden. Viele der normalen Fertigkeiten, wie zum Beispiel Kämpfen und Schießen, wurden in allgemeinere zusammengefasst, dafür dürfen nicht mehr so viele Fertigkeiten gewählt werden, um dem jugendlichen Alter der Akteure gerecht zu werden.

Die psychischen Fertigkeiten sind außersinnliche Wahrnehmung, Psychokinese und Telepathie. Jeder Spielercharakter verfügt über grundlegende Kenntnisse in allen Bereichen, darf sich aber eine aussuchen, die er oder sie besonders gut beherrscht. Es existieren keine gesonderten Regeln für den Einsatz psionischer Fertigkeiten, allerdings werden in Psychedemia Zustände (engl. Conditions) eingesetzt, um besonderen Situationen Rechnung zu tragen. Jede Fähigkeit kann entweder „unkontrolliert“ oder „ausgebrannt“ sein und erlaubt es den Charakteren damit, über ihre eigenen Grenzen hinauszuwachsen.

Sind die Spielercharaktere erstellt und die ersten Beziehungen geknüpft, kann es losgehen.

Ich denke, also bin ich

Haben die Spieler sich erst einmal in der Akademie eingelebt, die wichtigsten Spielleitercharaktere kennengelernt und die ersten Auseinandersetzungen mit den Mitschülern gehabt, erwartet sie eine Überraschung: Während einer Meditationssitzung finden sie sich gemeinsam in einem Raum wieder, den sie nach eigenen Vorstellungen formatieren (Spielausdruck für „gestalten“) können. Wer jetzt an Matrix denkt, hat schon eine ziemlich gute Idee von dieser Parallelwelt, die einfach nur „das Reich“ genannt wird. Dieses Reich ist in mehrere Regionen eingeteilt, die unabhängig voneinander formatiert werden können. Dies wird regeltechnisch über Aspekte realisiert. Je mehr Aspekte eine Region bereits hat, desto schwieriger wird die weitere Gestaltung.

Nach ersten Versuchen und der Erforschung der Möglichkeiten, entdecken auch andere Schüler, allen voran die Alpha-Kompanie, das Reich und beginnen, sich ihre eigenen Regionen zu erschaffen. Schon bald erregt der menschliche Schaffensdrang die Aufmerksamkeit eines Webers, der die Spielercharaktere zu einer Reise zum Mittelpunkt des Reiches einlädt. Dort treffen die Charaktere auf weitere Rassen und erkennen, dass das Reich eine friedliche Austauschplattform zwischen den Rassen des Universums ist, von denen nicht alle den Menschen wohl gesonnen sind.

Die vorgestellten Rassen sind zum Beispiel die Weber, die stets nach Optimierung streben oder die Spindle, deren Neugierde nahezu sprichwörtlich ist. Der Chor ist eine Rasse, die die Wahrheit kennt. Bedauerlicherweise bedeutet das nicht, dass sie diese Wahrheit auch in andere Sprachen übersetzen können. Daher sind ihre Bemühungen, die tieferen Wahrheiten mit den anderen Rassen zu teilen, bisher zum Scheitern verurteilt. Das Quartett wird durch die kriegerischen Wandoon abgerundet. Wandoon sind keine Freunde der Menschen und sehen sie als Gefahr für den galaktischen Frieden an. Mit ihren massigen Körpern und acht Gliedmaßen sind sie Wesen, vor denen man sich besser in Acht nehmen sollte.

Und damit befinden wir uns mitten im Abenteuer, das einen großen Teil dieses Settingbandes ausmacht. Anders als in klassischen High-School Geschichten geht es hierbei allerdings weniger um die inneren Konflikte der Teenager, sondern um eine handfeste Auseinandersetzung zwischen den aggressiven Menschen und den harmoniesuchenden Außerirdischen. Die Story erinnert entfernt an Avatar, die Parallelen sind aber so gering, dass sich Avatar-Witze am Spieltisch in Grenzen halten.

Leider bietet der Band dabei ziemlich wenige spannende Charaktere an. Die Leitung der Akademie übernimmt ein Duo, dass stark an Albus Dumbledore und Hausmeister Filch aus Harry Potter erinnert. Die Kompanien erhalten jeweils einen knappen Absatz Beschreibungstext und auch die studentischen Kommandeure erhalten nicht viel mehr an Hintergrund. Genug, um sie voneinander unterscheiden zu können, aber zu wenig, um wirklich im Spiel als unterschiedliche Kompanien wahrgenommen zu werden.

Dem Spielleiter bleibt nichts anderes übrig, als selbst spannende Mitschüler oder sogar Rivalen zu entwickeln. Auch das tägliche Schulleben wird nur knapp angerissen und bleibt in vielen Teilen ziemlich vage.

Das gilt übrigens auch für die Welt nach dem Abenteuer. Egal wie die Charaktere innerhalb der Kampagne handeln, die Ergebnisse werden nur grob für die gesamte Galaxie beschrieben. Das Schicksal der Spielercharaktere wird in der Beschreibung nicht weiter berücksichtigt. Aus diesem Grund ist das Setting in erster Linie für Systemeinführungen geeignet, denn nach dem Abschluss der Kampagne bleibt leider nicht mehr viel übrig, auf das der Spielleiter an Hintergrundmaterial zugreifen könnte. Dieses Problem haben aber auch andere World of Adventure Settings, wie zum Beispiel Behind the Walls.

Preis-/Leistungsverhältnis

Psychedemia wird, wie alle World of Adventure Produkte, mit dem Pay What you Want–Modell vertrieben. Der vorgeschlagene Preis von 4 USD ist dabei angemessen. Wäre die Beschreibung der Akademie, des Reiches und vor allem der Welt etwas ausschweifender gewesen, hätte der Preis durchaus höher sein können, das Setting gibt auf jeden Fall genug Material her.

Erscheinungsbild

Wie die anderen World of Adventure Produkte, verwendet auch Psychedemia das gemeinsame Layout. Dieses besticht durch eine gute Lesbarkeit und klare Kontraste. Die verwendeten Abbildungen im Comic-Look sind professionell gezeichnet und vermitteln ein stimmungsvolles Bild der Akademie und des Reiches.

Leider verzichtet Psychedemia neben dem voll verlinkten Inhaltsverzeichnis auf weitere multimediale Orientierungshilfen wie einen Index oder Verweise im Text. Der Textsatz ist professionell, aber längere Textpassagen wirken gedrängt und sind mitunter schwer am Stück zu lesen.

Ein nettes Gimmick sind unterschiedliche Symbole für die Akademie und das Reich. Diese werden bei der angebotenen Kampagne genutzt, um den Schauplatz bereits in der Überschrift anzukündigen.

Insgesamt überzeugt das Erscheinungsbild des Bandes. Die vermittelte Stimmung hat viel eines fantastischen High-School-Movies wie zum Beispiel Sky High oder Harry Potter, ist von der Atmosphäre aber etwas ungezwungener.

Fazit

Psychedemia hinterläßt einen guten Eindruck. Das Setting ist in sich schlüssig und die gegebenen Hintergrundinformationen sind für eine kurze Kampagne ausreichend. Gruppen, die an einem länger währenden Setting interessiert sind, müssen auf die eigene Kreativität zurückgreifen, um die zahlreichen Lücken zu schließen. Gerade das weitere Spiel im Anschluss an die Kampagne wird durch die Unterschiedlichkeit der weltlichen Akademie und des träumerischen Reiches zur Zerreißprobe.

Dafür bietet die Kampagne einen interessanten Einblick in die Haltung der vier anderen Alienrassen, die alle in kurzen Worten angerissen wurden. Generell ist dieses Spiel, gerade durch die Formbarkeit des Reiches, ideal für den Einstieg in Fate geeignet. Neulinge lernen schnell, die Umgebung frei für sich zu verändern, ein Regelmechanismus, der in dieser Form bei allen Fate-Settings zum Einsatz kommt. Der überspitzte Einsatz fordert Spieler, selbst kreativ zu werden. Damit ist Psychedemia gerade für Gruppen, die mit dem Gedanken spielen, Fate einmal auszuprobieren hervorragend geeignet.



Wertung:
[4 von 5 Sternen!]
Psychedemia • A World of Adventure for Fate Core
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Dresden Files RPG: Paranet Papers
Verlag: Evil Hat Productions, LLC
von Roger L. [Häufiger Rezensent]
Hinzugefügt am: 12/30/2015 03:03:38

http://www.teilzeithelden.de/2015/12/30/rezension-paranet-papers-der-tourguide-fuer-das-dresdenverse-dresden-files/

Dresden Files-Fans aufgepasst! Evil Hat Productions haben dieses Jahr endlich den Erweiterungsband Paranet Papers veröffentlicht! Der Band erzählt von spannenden Orten, furchteinflößenden Monstern und NPCs und räumt mit einigen Regelunstimmigkeiten auf. Wir haben uns das fast 400 Seiten starke Quellenbuch angesehen und verraten euch, was sich darin im Detail verbirgt.

Rezension: Paranet Papers – Der Tourguide für das Dresdenverse (Dresden Files)

Mit Paranet Papers liefert Evil Hat Productions den längst überfälligen Ergänzungsband des Dresden Files Roleplaying Games, kurz DFRPG. Fünf Jahre sind seit dem Erscheinen des Grundregelwerkes vergangen. Fünf Jahre, in denen sich die Romanserie immens weiterentwickelt hat. Dieser Entwicklung wurde mit Paranet Papers Rechnung getragen, in dem der Stand der Romanserie als Grundlage dient. Auf fast 400 Seiten wird das Dresdenverse konsequent weiterentwickelt und wartet mit allerhand spannenden Geschichten auf.

Das Paranet ist eine von Harry Dresden ins Leben gerufene Organisation zum Schutze und der Vernetzung magisch gering begabter Menschen. Diese genießen nicht die Vorrechte der Zauberer des Weißen Rates und stehen der feindlichen Welt schutzlos gegenüber. Die so genannten Paranetter halten sich mit regelmäßigen Berichten auf dem Laufenden, warnen sich vor aufkommenden Gefahren und bieten auch ansonsten gegenseitigen Schutz und den freien Austausch von Wissen an.

Die Paranet Papers sind eine Sammlung wichtiger Informationen über Orte, Personen, Monster und die Zauberkunst an sich, und erweitern die bespielbare Welt erheblich.

<box>SPOILERGEFAHR! Der Meta-Plot der Dresden Files hat sich seit dem letzten erschienen Regelwerk deutlich weiterentwickelt. Dieses Quellenbuch setzt nach dem 12. Band der Serie, Wandel, an und enthält massive Spoiler. Auch diese Rezension ist nicht frei davon. Leser der Romanserie sollten daher über den 12. Teil der Serie hinaus sein, um Spoiler zu vermeiden. </box>

Inhalt Wie die beiden Vorgänger ist auch dieser Band als Entwurf für einen Rollenspielband aufgebaut, der von unterschiedlichen Personen kommentiert wurde. Im aktuellen Band haben diese Aufgabe Will Borden, Waldo Butters und Karrin Murphy übernommen, die mit ihren kurzweiligen Kommentaren auch teilweise dröge Passagen auflockern. Der Band enthält insgesamt drei große Informationsblöcke: zusätzliche Städte und Regionen, ergänzende Sonderregeln und ein umfangreiches Bestiarium. Wo die wilden Kerle wohnen Das größte Kapitel nehmen die Ortsbeschreibungen mit den Kampagnenideen ein. Diese sind als Augenzeugenberichte aufbereitet, die Will Borden zugespielt wurden und zeichnen ein immens düsteres Bild der Welt, wie sie sich nach den Ereignissen in Wandel verändert hat. Der erste Bericht handelt von einem verdorbenen Las Vegas, das seit Jahrzehnten unter der Kontrolle des Roten Hofes war. Nachdem dieser ausgelöscht wurde, fehlt eine starke Hand, die die Stadt am Laufen hält. Viele Fraktionen streben mittlerweile nach der Macht und versenken die Stadt in ein blutiges Chaos, der noch Schlimmeres bevorsteht, sollte die Ordnung der Dinge nicht bald wiederhergestellt werden.

Der zweite Bericht entführt uns in die Vergangenheit, genauer gesagt ins Russland im Jahre 1918. Die Bolschewiken führen einen Bürgerkrieg gegen die Obrigkeit, der Sommerhof wehrt sich gegen einen erstarkenden Winterhof und auch in der sonstigen übernatürlichen Bevölkerung wollen die Chancen dieses Krieges genutzt werden. Die Geschichte wird uns durch die Korrespondenz von Simon Pietrovich nähergebracht, dem legendären Vampirjäger des Weißen Rates, der bereits in Bluthunger das Zeitliche gesegnet hat.

Dieser Hintergrund hat den offenen Schlagabtausch der Bolschewiken gegen die Rote Armee als großes Thema, daher werden alle an den Kämpfen beteiligten Parteien auch mit eigenen Motivationen und Hintergründen vorgestellt.

Das dritte Setting befasst sich mit Okeeokalee Bay in Florida, dass mitten in den Never-, Verzeihung, Everglades liegt. Dieser Hintergrund strotzt nur so vor Anlehnungen an die Südstaaten und wartet mit allerlei, für die Sümpfe besonderes Kroppzeug, wie zum Beispiel Weraligatoren, auf. Das vierte vorgestellte Gebiet sind die Las Tierras Rojas, oder „die Roten Lande“. Damit ist das vom Roten Hof kontrollierte Herrschaftsgebiet in Südamerika gemeint. Das Setting setzt direkt nach den Ereignissen von Wandel an. Nach der Vernichtung des Roten Hofes entstand in dieser Region ein riesiges Machtvakuum, das von zahlreichen übernatürlichen Fraktionen, allen voran dem Weißen Rat, ausgefüllt werden möchte. Doch auch der Krieg der Polizei gegen die Drogenkartelle spielt eine große Rolle, denn gerade die Kartelle schrecken vor dem Einsatz übernatürlicher Kräfte nicht zurück.

Der letzte Paranet-Bericht widmet sich, anders als die übrigen Berichte und den Setting-typischen Gepflogenheiten, keiner Stadt oder Region, sondern der Reise an sich. In diesem Kapitel wird das Nevernever, die mystische Zwischenwelt der Welt von Harry Dresden kurz angerissen und einige Regeln zum Umgang mit natürlichen Gefahren zur Verfügung gestellt. Das Herzstück dieses Kapitels ist die reisende Gruppe als Kampagnenform. Die Empfehlung lautet, in Episoden zu arbeiten, in denen an jedem Ort eine Bedrohung entwickelt wird, um die sich die Spieler kümmern müssen.

Da in dieser Variante nicht übermäßig viele alte Kontakte recycelt werden können, bleiben die NSC hier etwas flacher, treten dafür aber auch in größerer Zahl auf. Insgesamt erinnert dieser Aufbau sehr stark an die Serie Supernatural, in der zwei Brüder quer durch Amerika reisen und überall mit dem fiesen Gekreuch aufräumen, dass der Menschheit aus den Schatten heraus ans Leder will. Um das Kapitel noch ein wenig anzureichern, werden noch zehn Episoden beigelegt und ein grober Kampagnenrahmen definiert, der auch gleich die die Reisemotivation der vorgefertigten Charaktere erklärt.

Jede Region verfügt über umfangreiche Beschreibungen der verwendeten Lokalitäten und der dort lebenden Charaktere. Wie in den in Your Story und Our World beschriebenen Städten Baltimore und Chicago sind einige Charaktere als mögliche Spielercharaktere gekennzeichnet. Da diese Charaktere direkt in ihr Umfeld eingebettet sind, kann direkt aus einem reichhaltigen Hintergrund geschöpft werden.

Du bist ein Zauberer, Harry! Im darauffolgenden Kapitel wurde die Gelegenheit genutzt, mit unklaren Regeln aufzuräumen, veraltete Regeln auf den neuesten Stand zu bringen und neue Regeln mit einzubeziehen.

Die Entwicklung ist dabei sehr interessant: Es wird offen eingeräumt, dass die Regeln auf Basis der vergangenen Dresden Files-Bände erstellt wurden und diese nicht mehr im Einklang mit der fortlaufenden Geschichte waren. Dabei beschränken sich diese neuen Regelungen aber rein auf die Zauberei an sich, weitere Sonderregeln sind unglücklicherweise über den gesamten Band verstreut.

Spieler eines Zauberers freuen sich über Regelerläuterungen zum Thema der Sponsored Magic, also der durch ein mächtiges Wesen zur Verfügung gestellten Kräfte, der Zauberei im Nevernever, und zahlreiche Regelanpassungen zum Thema Evocations und Thaumaturgy, zu Deutsch also der Anrufungen und Rituale. Weitere Bereiche wie magische Gegenstände, Zaubertränke oder spezielle Stunts für Zauberer runden das Kapitel ab.

Who is Who Der letzte Teil des Bandes schließt mit einem Bestiarium der neuesten Monster des Dresdenverse und vergisst dabei auch nicht, alte Bekannte zu aktualisieren. Als Kenner der Serie stolpert man so über allerlei bekannte Namen und Gesichter, was sich im folgenden Kapitel, dem tatsächlichen Who is Who, fortsetzt.

Neben zahllosen Charakterupdates (unter anderem für Harry Dresden, Molly Carpenter oder dem Erlkönig), werden auch neue Charaktere wie Grigory Cristos, Samuel Peabody oder (endlich) Karrin Murphy vorgestellt. Besonders mächtige Charaktere haben ein eigenes Kapitel erhalten, das zusätzlich auch noch Hinweise zum Umgang mit solchen Charakteren gibt. Zusammen mit den in den Regionsbeschreibungen vorgestellten Charaktere gibt in diesem Band eine enorme Anzahl neuer Charaktere, die nur auf ihren Einsatz warten.

Erscheinungsbild Die DFRPG-Reihe hat eine hervorragende Optik und auch Paranet Papers ist keine Ausnahme. Ein richtig dicker Wälzer, der in Schriftbild, Lesbarkeit, Illustrationen, und Wortwitz glänzt. Die Aufbereitung als ersten Entwurf des Bandes macht Spaß und versorgt den Leser mit den teilweise urkomischen Kommentaren mit Hintergrundwissen. Als kleines Easter Egg sind wieder Bereiche geschwärzt, die aber aus der PDF in ein Textprogramm kopiert werden können, um den verdeckten Inhalt zu lesen.

Multimedial ist der Band voll auf der Höhe und verfügt über ein verlinktes Inhaltsverzeichnis, und einen Index. Wieder sind die im Text angegebenen Seitenverweise verlinkt und erlauben ein schnelles Springen zu relevanten Informationen.

Fazit Wo der Weltenband Our World zu wenig auf die Anforderungen einer Spielgruppe ausgelegt war, trumpft Paranet Papers auf: spannende und abwechslungsreiche Regionen, zahllose mehrdimensionale Charaktere mit eigenen Wünschen und Motivationen und ein umfangreiches Bestiarium. Der Wahnsinn! Präsentiert wird der Band in grandioser Optik, die zwar zuweilen ein bisschen chaotisch ist, dadurch aber auch authentisch wirkt. Man hat fast den Eindruck, als wäre man bei der Entstehung dieses Werkes dabei und werde von den Autoren mit auf diese Reise genommen.

Mein persönliches Highlight sind die Regeln einer reisenden Gruppe, liefert dieses Kapitel doch spannende Impulse und Inspirationen, wie man spannende Episoden, nicht nur für Dresden Files, sondern für beliebige Settings aufbaut. Insgesamt zeichnet Paranet Papers ein finsteres Bild des Dresdenverses und bietet so den Spielern die Möglichkeit, in eine düstere Welt ein wenig Licht zu bringen.

Dieses Buch ist ein absoluter Pflichtkauf für DFRPG-Spielrunden. Aber auch darüber hinaus können auch Urban-Fantasy-Fans alleine der spannenden Ortsbeschreibungen wegen zuschlagen!



Wertung:
[5 von 5 Sternen!]
Dresden Files RPG: Paranet Papers
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MUTANT: Year Zero - Zone Compendium 2: Dead Blue Sea
Verlag: Free League Publishing
von Roger L. [Häufiger Rezensent]
Hinzugefügt am: 12/28/2015 02:54:42

Dead Blue Sea ist ein schma­les Kom­pen­dium mit dem Thema Was­ser. Die Mutan­ten ver­las­sen dabei die Ark-Siedlung und kämp­fen auf offe­ner See gegen neue Mons­ter wie den Levia­than oder den Skla­ven­hal­tern von Cage Island. Hier wer­den inter­es­sante neue Muta­tio­nen, Arte­fakte und Frak­tio­nen ein­ge­führt, die aber haupt­säch­lich im Rah­men einer Meeres-Kampagne Sinn erge­ben. Als Aben­teuer gibt es das obli­ga­to­ri­sche Geis­ter­schiff und ver­sun­kene Schätze. Wie Lair oft he Sau­ri­ans ver­schiebt es ein wenig die Stim­mung der Spiel­welt, wirkt dabei aber wie aus einem Guss.



Wertung:
[4 von 5 Sternen!]
MUTANT: Year Zero - Zone Compendium 2: Dead Blue Sea
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MUTANT: Year Zero - Zone Compendium 1 - Lair of the Saurians
Verlag: Free League Publishing
von Roger L. [Häufiger Rezensent]
Hinzugefügt am: 12/28/2015 02:54:06

Lair of the Sau­ri­ans ist ein 32 Sei­ten dün­ner Sze­na­rio­band. Darin fin­den sich vor allem Orte, die Hin­weise auf „The Path to Eden“ geben kön­nen, etwa ein mutier­tes Sau­rier­volk, das auf Schät­zen der Vor­zeit sitzt oder ein selt­sa­mer Ein­sied­ler in den Sümp­fen, der als Ora­kel gilt. Damit macht Mutant Year: Zero einen klei­nen Sprung Rich­tung Fan­tasy, was sicher nicht jeder Spiel­runde gefällt. Immer­hin gibt es noch eine span­nende Geschichte um eine umge­hende Seu­che, die die Ark-Siedlung bedroht und einen Monster-Generator für Spiel­lei­ter. Die Regeln zum Ver­las­sen der Zone und Rei­sen über den Kon­ti­nent sind nett, dürf­ten aber in einer nor­ma­len Spiel­runde kaum Anwen­dung fin­den. Der Preis für den Inhalt ist mit 8,99 EUR etwas zu hoch.



Wertung:
[3 von 5 Sternen!]
MUTANT: Year Zero - Zone Compendium 1 - Lair of the Saurians
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MUTANT: Year Zero - Roleplaying At The End Of Days
Verlag: Free League Publishing
von Roger L. [Häufiger Rezensent]
Hinzugefügt am: 12/28/2015 02:50:58

http://www.teilzeithelden.de/2015/12/28/rezension-mutant-year-zero-wir-sind-die-mutanten/

Noch nicht genug von Fallout, Mad Max und Co.? Mutant Year Zero lässt die Spieler in die Rolle von Mutanten schlüpfen und eine eigene Siedlung ausbauen. Aktuell gilt es als das definitive Postapokalypse-Rollenspiel; aber was ist dran am Hype? Schrottsammler Dirk hat sich ins verstrahlte Ödland gewagt.

Rezension: Mutant: Year Zero – Wir sind die Mutanten!

Die Welt ist zerstört. Wer angefangen hat, spielt längst keine Rolle mehr. Die Bomben verwandelten Städte in Ruinen und machten Dörfer zu Gräbern. Doch es gibt noch Hoffnung. Inmitten des Ödlandes liegt eine kleine Siedlung, die sie „Arche“ (engl. „Ark“) nennen. Ihre Bewohner sind die Kinder der Apokalypse: Sie tragen Mutationen wie Insektenaugen, Flügel oder Schuppenhaut. Nur der Älteste wusste, woher sie gekommen sind. Seine Verbote beschützten sie vor den Gefahren der „Zone“. Doch nun liegt er im Sterben und kann sie nicht mehr führen. Die Nahrung wird knapp, Misstrauen und Streit drohen die Gemeinschaft zu zerreißen. Die Mutanten haben keine Wahl, sie in die verbotene Außenwelt, um Nahrung und Verbündete zu sichern. Insgeheim suchen sie dort nach ihren Wurzeln. Für sie ist es der Aufbruch in ein neues Leben, das Jahr Null …

In Schweden vor 30 Jahren … Neu ist Mutant: Year Zero nicht gerade. Die erste Edition des Rollenspiels hieß noch Mutant und erschien im Jahr 1984 in Schweden durch Target Games auf (na klar) Schwedisch. Durch die Sprachbarriere nahmen aber nur wenige Spieler außerhalb des Landes Notiz davon. Die Spielwelt entwickelte sich weiter und führte unter anderem zum acitonlastigeren Mutant: Chronicles. 30 Jahre nach Mutant erscheint nun Mutant: Year Zero als Neuinterpretation des Originals durch das schwedische Studio Free League Publishing. Tatsächlich gilt das Spiel dort als „30th Anniversary Edition“. Außerhalb von Schweden ist Modiphius für die englische Übersetzung verantwortlich und vertreibt das Spiel seit 2014 international. Die aktuelle Edition wird dabei nur Mutant: Year Zero genannt.

Die Spielwelt Alles außerhalb der Ark-Siedlung wird von den Bewohnern nur die Zone genannt und entspricht allen Klischees eines Ödlandes im Stil von Mad Max oder der Fallout-Reihe. Ein Blick auf die mitgelieferten Karten macht klar: hier handelt es sich um zerstörte Versionen von New York und London als Setting-Vorschläge. Dabei lässt sich Mutant Year: Zero aber auch problemlos in der eigenen Heimatstadt mit eigenen Landschaftsmerkmalen spielen. Im Ödland selbst finden sich Plünderer, verstrahlte Ghule, mutierte Tiere und Pflanzen, wildgewordene Androiden und verlassene Militärfahrzeuge. Nahrung und sauberes Wasser sind dabei so selten wie friedliche Verbündete. Es ist die düstere Vision einer lebensfeindlichen Umgebung, in der es wenig Hoffnung gibt – Postapokalypse eben. Da die Mutanten aber aus ihrer Isolation ins Unbekannte aufbrechen, sei an dieser Stelle nicht mehr über die Spielwelt und Hintergrundgeschichte verraten, die einige überraschende Wendungen parat hat. Mutant Year: Zero funktioniert tatsächlich am besten als Erkundungs-Rollenspiel ohne Vorwissen. Für neugierige Spielleiter gibt es hier ein paar Hinweise auf den Metaplot:

Vorsicht Spoiler!

  • Keiner der Mutanten ist älter als 30 Jahre oder erinnert sich an seine Eltern
  • Die Siedlung ist nicht einzigartig. Es gibt andere Ark-Siedlungen im Ödland
  • Spuren deuten auf den Einfluss von Supermächten, „Titan-Powers“ genannt
  • Die Welt ist wirklich kaputt und die Schuldigen sind noch am Leben
  • Der apokalyptische Krieg ist noch nicht vorbei, nur in einer kalten Phase
  • Für die Mutanten spielt die alte Forschungsstation „Eden“ eine zentrale Rolle
  • Die ist aber alles andere als verlassen!

Bild1.jpg BU: Die Charaktere sind nicht schön, aber in einer zerstörten Welt überlebensfähig.

Die Regeln Mutant Year Zero gewann 2015 den silbernen ENnie-Award im Bereich „Best Rules“. Da muss das Regelwerk ja richtig gut sein, oder? Zwischen den Buchdeckeln steckt auf den ersten Blick wenig Innovatives, sondern ein gewöhnliches W6-Poolsystem. Proben werden mit einer Handvoll sechsseitiger Würfel gegen eine Schwierigkeit ausgeführt – je besser ein Wert, desto mehr Würfel werden gerollt. Dabei stehen gelbe Würfel für die vier festen Attribute Strength, Agility, Wits und Empathy. Grüne Würfel symbolisieren Skills, zum Beispiel Move, Shoot, Scout oder Sense Emotion, die direkt an ein Attribut gekoppelt sind. Schwarze Würfel stehen für besondere Ausrüstung, die in einer Situation hilfreich ist. Alle Würfel werden gemeinsam geworfen und alle erzielten 6er zählen als Treffer, alle 1er zählen als Fehlschlag. Ist der Spieler mit dem Ergebnis nicht zufrieden, kann er einen Wurf „pushen“ und Würfel einmal weiterwürfeln, wobei der eigene Charakter oder die Ausrüstung mehr Schaden nehmen kann. Damit das System gut funktioniert, braucht jeder Spieler etwa fünf Würfel pro Farbe – was erst bei hochstufigen Charakteren mit guter Artefakt-Ausrüstung für eine Würfel-Orgie à la Shadowrun sorgt.

Ein interessanter Aspekt des Systems ist die Unterscheidung des Schadens am Charakter je nach Attribut. So reduziert körperlicher Schaden Strength und kann durch Essen geheilt werden, während Agility durch Erschöpfung verringert und durch Trinken wiederhergestellt wird. Wits führt durch Stress in sozialen Situationen zu Verwirrung und wird durch Schlaf regeneriert und um Empathy nach Selbstzweifeln zurückzubekommen, ist sogar die positive Interaktion mit anderen Charakteren notwendig. Das sorgt dafür, dass das Zwischenmenschliche … pardon, Zwischemutantige von Mutant Year: Zero überraschend wichtig ist und sozialer Konflikt häufig genauso gefährlich ist, wie eine körperliche Auseinandersetzung.

Ein Haufen Mutanten: Die Charaktere

Spieler verkörpern Mutanten und beginnen das Spiel mit einer Mutation, dazu später mehr. Charaktererstellung funktioniert dabei als typischer Punkte-Kauf, wobei jedoch jeder Spieler eine feste Rolle wählen muss und dadurch vorgeschlagene Namen, eine Auswahl an Freunden, wichtigen NSC, Rivalitäten und Startausrüstung erhält. Die Rolle zeigt darüber hinaus die Position innerhalb der Siedlung von Ark an und gewährt einen besonderen Skill:

  • Bosses sitzen an der Spitze der sozialen Nahrungskette und befehligen eine Gang aus Mutanten, müssen sich aber ständig beweisen. Per Command lassen sie NSC für sie arbeiten und haben stets Begleitung bei sich.
  • Chronicler sind klüger als die anderen Mutanten, halten die Gemeinschaft zusammen und schreiben deren Geschichte auf. Sie sind quasi die Barden der Arche und können mit Inspire andere Mutanten unterstützen oder hindern.
  • Fixer sind charismatische Händler, wissen aber genau um ihre Abhängigkeit von den anderen Mutanten. Sie erhalten Make a deal und wissen genau, wer was braucht und wen man für einen Gefallen fragen muss.
  • Enforcer sind abgehärtete Schläger, die ums Überleben kämpfen. Sie erhalten Intimidate und können ihre Feinde einschüchtern und zu temporären Verbündeten machen.
  • Gearheads sind Schrottsammler und Bastler, für die das Ödland voller Möglichkeiten ist. Sie erhalten Jury-Rig und können Fahrzeuge reparieren und aus Schrott Ausrüstung improvisieren, darunter sogar Waffen und Rüstungen.
  • Dog Handler sind ganz auf die Interaktion mit einem Begleiter ausgelegt, sind aber auch stark von ihm abhängig. Mit der Fähigkeit Sic a dog können sie ihn zum Angriff, Auskundschaften oder Spurenlesen einsetzen.
  • Stalker kennen das Ödland und die Wege dort besser als die Arche und stehen am Rand der Mutanten-Gesellschaft. Sie erhalten Find the Path und können damit Gefahren vermeiden, wertvolle Artefakte, Munition oder Wasser finden.
  • Slaves haben zumindest einen festen Platz im Leben, wenn auch sonst kaum Freiheit oder Einfluss. Sie dienen anderen Mutanten und können mit Shake it off enorme Schmerzen und Trauma widerstehen.

Risiko und Mutation Im Grundregelwerk existieren 26 unterschiedliche Mutationen, von Flügeln, die einem Charakter tatsächlich kurzzeitig das Fliegen erlauben, bis hin zu eingebautem Sonar oder Pyrokinese. Mutationen werden dabei von MP (Mutation Points) gespeist, die sich zu Beginn jeder Spielsitzung regenerieren. Eine Mutation zu aktivieren ist aber nicht ohne Risiko: für jeden MP besteht eine 1/6-Chance, dass die Mutation Schaden verursacht, mehr MP verbraucht oder sogar das Aussehen des Charakters leicht aber permanent verändert. Während des Spiels können Charaktere auch neue Mutationen bekommen, reduzieren aber für jede nach der Ersten ein Attribut dauerhaft um eins – die fortschreitende Mutation zerstört den Charakter nach und nach; was perfekt zur Atmosphäre des Spiels passt.

Wie viel Simulation darf es sein? Ganz ähnlich wie in Fallout 4 legt Mutant Year: Zero großen Wert auf den Auf- und Ausbau der eigenen Siedlung. Theoretisch lässt sich das Spiel auch als Strategiespiel verwirklichen. Es gibt Regeln, neue Siedlungen zu erobern oder zu gründen und diese mit der Arche zu verbinden, um so das Ödland nach und nach wiederzubeleben. Wie stark jedoch der Aufbau-Aspekt im Rollenspiel ist, hängt letztlich von der jeweiligen Spielrunde ab.

Spielbarkeit aus Spielersicht Alles in Mutant Year: Zero ist auf das spezifische Szenario zugeschnitten. Für Rollenspieler kann dies zunächst einengend wirken. Es gibt keine Spielercharaktere ohne Mutationen und auch die Klassenwahl ist recht begrenzt. Dafür dürfen die Spieler gemeinsam mit dem Spielleiter ihre Ark-Siedlung selbst entwerfen und im Ödland positionieren, das ist auch der Grund, warum der Ort auf der detaillierten Übersichtskarte fehlt. So müssen die Spieler vor dem Spiel gemeinsam strategische Entscheidungen treffen und Punkte auf die Entwicklungsbereiche ihrer Heimat verteilen. Soll die Ark eine starke Kultur haben und Handel treiben, viel Vorzeit-Technologie verwenden oder ganz auf Militär und damit Eroberung setzen? Das bindet die Spieler nicht nur eng an ihre Heimat, sondern führt durch Punktemangel direkt zu akuter Not und damit zu den logischen ersten Abenteuern, um diese zu lindern. Mutant Year: Zero ruft sogar dazu auf, zwischen den Abenteuern die Perspektive des eigenen Charakters zu verlassen und sich ganz auf das Management der Siedlung zu konzentrieren – ein ungewöhnlicher Ansatz für ein Rollenspiel. In der Praxis funktioniert das Konzept um den Ausbau der eigenen Siedlung gut. Dabei kommt es mitunter sogar zu hitzigen Diskussionen, ob nun als nächstes eine Taverne, eine Bibliothek oder doch ein Wachturm errichtet werden soll. Auch die unterschiedlichen Interessen und Persönlichkeiten der Bosse der Siedlung (umso besser, wenn einer der Bosse ein Spielercharakter ist!) führen von selbst zu spannendem Charakterspiel. Früher oder später werden Spieler aber durch ihre Begegnungen im Ödland vom reinen Überleben zur Sinnsuche übergehen: Woher kommen die Mutanten eigentlich? Was verschweigt der Älteste? Warum können Mutanten miteinander keine Nachkommen zeugen? Wie soll die Zukunft der Mutanten aussehen?

Kleine Balancing-Schwächen Überleben in Mutant Year: Zero ist zugleich Spielspaß und Herausforderung. In eine Falle tappen oder einer Gruppe von Feinden vor die Flinten zu laufen, kann schnell zum vorzeitigen Tod aller Spielercharaktere führen. Das ist ärgerlich, aber auch Teil des postapokalyptischen Spielgefühls. In der Konsequenz werden Spieler natürlich versuchen, ihre Charaktere und das Spielsystem weitgehend zu optimieren – Powergaming als Überlebensstrategie. Das ist auch so vorgesehen und abenteuerverweigernde Atmosphäre-Spieler werden mit Mutant Year Zero keine Freude haben. An einigen Stellen trifft dann die Optimierungswut der Spieler auf Regellücken, etwa beim Thema Waffenwahl. So können Gearheads Pfeile für Bögen herstellen und damit Bogenschützen endlos mit Munition versorgen, während Kugeln selten sind und darüber hinaus als Zahlungsmittel gelten. Diese kleinen Schnitzer halten sich aber im Rahmen und sind mit einer Handvoll Hausregeln schnell erledigt.

Spielbarkeit aus Spielleitersicht Während andere postapokalyptische Rollenspiele, etwa Degenesis, dem Spielleiter eine ganze Welt mit zahlreichen Kulturen als Spielwiese ausbreiten, ist der Fokus von Mutant Year: Zero deutlich enger gefasst. Die Entwickler von Free League Publishing haben das Haupt-Thema des Spiels, Mutationen und Überlebenskampf, in den Aufbau des Spiels und seine Spielmechaniken stark eingewoben. So bewegen sich Spielleiter notgedrungen im Metaplot-Gerüst um die Eroberung des Ödlandes. Unerfahrene Spielleiter brauchen sich dadurch nicht viele Gedanken über einen Plot zu machen und erfahrene Spielleiter dürften noch genug Varianten finden, damit nicht jedes Abenteuer ähnlich abläuft. Für Abwechslung sorgen die unterschiedlichen Zonen des Ödlandes mit seinen meist feindseligen Bewohnern, von Tiermutanten über Untergangskultisten bis hin zu verstrahlten Zonen-Ghulen. Im Spielleiter-Abschnitt des Grundregelwerks finden sich auch eine Handvoll vorgefertigter Sektoren zum Erkunden mit NSC und Ereignissen als Plotaufhängern.

Der Kern des Rollenspiels dreht sich aber um das Schicksal der eigenen Ark-Siedlung und den Rhythmus von Erkundung, Abenteuer, Rückkehr und Ausbau. Dadurch eignet sich Mutant Year: Zero trotz schlankem Regelwerk und schneller Charaktererstellung nicht gut für One-Shots, sondern kann erst in einer Kampagne seine ganze Stärke ausspielen. Auch an ein Plot-Ende wurde gedacht, das in Kapitel 16, „Path to Eden“, als Abenteuer erzählt wird. An dieser Stelle sei nur so viel verraten, dass es sich bei Eden um einen mythischen Ort handelt, von dem der Älteste erzählt hat und manche Mutanten dort verborgenes Wissen über die Vorzeit und ihre Herkunft erahnen. Sie werden nicht enttäuscht: Mit dem Abenteuer gewinnt die Spielwelt einen tieferen Sinn und Spieler sollten tunlichst vermeiden, das Kapitel zu lesen!

Preis-/Leistungsverhältnis Mit unter 300 Seiten, aber einem stolzen Preis von über 50 EUR, gehört Mutant Year: Zero eher in den Premium-Bereich der Rollenspiele. Dafür wird einem aber auch ein kondensiertes Postapokalypse-Setting mit spannendem Metaplot geboten. Das Regelwerk ist gut durchdacht und aufwendig gemacht, so dass der Preis für Endzeit-Fans in Ordnung geht. Das PDF hätte aber rund fünf Euro günstiger sein können – immerhin fehlt dort eine Verschlagwortung per Hyperlinks.

Erscheinungsbild Mir lag für diese Rezension das gedruckte Regelwerk vor. Es ist vollfarbig gestaltet und enthält düstere Comic-Illustrationen im Stil von The Walking Dead. Diese sind alle sehr gelungen und tragen zur Atmosphäre des Spiels bei. Immer wieder lockern Zeichnungen oder Erklärkästen den Textfluss auf und erleichtern die Arbeit mit dem Buch. Alles wirkt dabei wie aus einem Guss und erzeugt sofort Postapokalypse-Gefühl, von der rauen Struktur des Einbandes bis zur rostigen Farbe der Kapitelmarker. Das Highlight sind die beiden Karten des Ödlandes mit eingezeichneten Umgebungsnotizen und das Buch ein Hingucker in jedem Rollenspielregal.

Doch Mutant Year: Zero ist ein Rollenspiel zum Spielen, nicht zum Lesen. Es gibt nur wenige Erzähltexte, dafür aber viele Tabellen mit Ausrüstung, Mutationen, Plünder-Beute etc. Dabei ist die Anordnung etwas merkwürdig: der Charakterbogen befindet sich in der Mitte des Buches und nach dem Index kommen noch Ausrüstungslisten.

Bonus/Downloadcontent Das Grundregelwerk erwähnt bei Proben grundsätzlich Symbole der „Mutant-Dice“. Diese sechsseitigen Würfel gibt es bei Modiphius zu kaufen und haben Sonderzeichen statt den Zielzahlen 1 und 6 – nette Accessoires für Fans, aber nicht notwendig zum Spielen. Dasselbe gilt für das im Buch referierte Kartendeck für Gefahren, Ausrüstung und Mutationen, das Spielern entgegenkommt, die lieber Karten ziehen, statt auf inhaltlich identischen Tabellen würfeln.

Auf der Modiphius-Website befinden sich eine Handvoll kostenloser Spielmaterialien zum Download, darunter ein Schnellstarter, die Kampagnen-Handouts von „Path to Eden“ und ein Charakterbogen. Andoid-Handynutzer finden im Google Play Store eine kostenlose Würfel-App.

Erweiterungen Seit dem Erscheinen des Regelwerkes sind einige Erweiterungsbände erschienen, die das Ödland bereichern. Aber lohnen die sich überhaupt?

Lair of the Saurians ist ein 32 Seiten dünner Szenarioband. Darin finden sich vor allem Orte, die Hinweise auf „The Path to Eden“ geben können, etwa ein mutiertes Sauriervolk, das auf Schätzen der Vorzeit sitzt oder ein seltsamer Einsiedler in den Sümpfen, der als Orakel gilt. Damit macht Mutant Year: Zero einen kleinen Sprung Richtung Fantasy, was sicher nicht jeder Spielrunde gefällt. Immerhin gibt es noch eine spannende Geschichte um eine umgehende Seuche, die die Ark-Siedlung bedroht und einen Monster-Generator für Spielleiter. Die Regeln zum Verlassen der Zone und Reisen über den Kontinent sind nett, dürften aber in einer normalen Spielrunde kaum Anwendung finden. Der Preis für den Inhalt ist mit 8,99 EUR etwas zu hoch.

The Doom Sphere und Denizens oft he Sinkhole sind Mini-Erweiterungen als einzelne Sektoren mit Ereignissen und NSC. Diese sind besonders düstere Orte der Zone, enthalten neue Gefahren für hochstufige Charaktere, etwa mutierte Sporen oder feindselige Geheimgesellschaften. Beide sind von der Stimmung her deutlich passender als Lair oft he Saurians und können leicht zu einer eigenen Kampagne ausgebaut werden. Dazu gibt es neue Artefakte und Mutationen. Bei einem Preis von 2,99 Dollar kann man da nicht viel falsch machen.

Dead Blue Sea ist ein schmales Kompendium mit dem Thema Wasser. Die Mutanten verlassen dabei die Ark-Siedlung und kämpfen auf offener See gegen neue Monster wie den Leviathan oder den Sklavenhaltern von Cage Island. Hier werden interessante neue Mutationen, Artefakte und Fraktionen eingeführt, die aber hauptsächlich im Rahmen einer Meeres-Kampagne Sinn ergeben. Als Abenteuer gibt es das obligatorische Geisterschiff und versunkene Schätze. Wie Lair oft he Saurians verschiebt es ein wenig die Stimmung der Spielwelt, wirkt dabei aber wie aus einem Guss.

Fazit Mutant Year: Zero ist ein wunderschönes, postapokalyptisches Rollenspiel mit einem engen Fokus. Die Perspektive aus Sicht der Mutanten ist dabei aber weniger entscheidend, als die Erkundung eines fremden Ödlandes und der Aufbau und die Verteidigung der eigenen Siedlung. Das Überleben steht im Vordergrund, dann jedoch entfaltet sich eine spannende Handlung um die Ark-Siedlung und die eigene Herkunft – samt epischem Ende! Dabei sind die Regeln so einfach und gut erklärt, dass auch Hobby-Einsteiger ohne Hindernisse zum Mutanten werden können.

Die Erweiterungen bemühen sich zwar darum, dem Spiel neue Aspekte abzugewinnen und andere Kampagnen aufzubauen, doch die eigentliche Spielerfahrung ist auf den Metaplot des Grundregelwerkes gemünzt. Damit ist Mutant Year: Zero eine spannende Rollenspiel-Erfahrung zwischen Überlebenskampf und Siedlungsbau, aber eben nicht das definitive Postapokalypse-Setting für Jedermann. Wer Mutanten abstoßend findet, eine postapokalyptische Heimat für seine eigenen Kampagnenideen sucht oder auf hohen Wiederspielwert besteht, ist woanders besser bedient. Von der Qualität her können aber nur wenige Rollenspiele aktuell Mutant Year: Zero das Wasser reichen. Für Endzeit-Fans ist das Spiel eine klare Kaufempfehlung.



Wertung:
[5 von 5 Sternen!]
MUTANT: Year Zero - Roleplaying At The End Of Days
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Kuro - Makkura
Verlag: AKA Games
von Roger L. [Häufiger Rezensent]
Hinzugefügt am: 12/11/2015 01:14:00

http://www.teilzeithelden.de/2015/12/11/rezension-makkura-japanischer-cyberpunk-horror-stufe-zwei/

Weltretten mit Kami und Cyberware: Der Abenteuerband Makkura hebt den Cyberpunk-Horror von Kuro auf eine neue Stufe. Das ist zwar spannend, muss aber nicht jedem gefallen. Dirk genießt die gruseligen Abenteuer in Shin-Edo, hadert aber mit dem veränderten Setting und Metaplot.

Rezension: Makkura – Japanischer Cyberpunk-Horror Stufe Zwei

Wir schreiben das Jahr 2046. Japan ist sechs Monate nach dem Kuro-Vorfall, der unerklärlichen Explosion vor der Küste, noch immer von der Außenwelt abgeschottet. Nahrung wird rationiert, die Menschen beginnen die Beschwichtigungen der Behörden zu hinterfragen und das normale Leben bröckelt. Immer häufiger machen Gerüchte von übernatürlichen Phänomenen und Geistersichtungen die Runde. Da taucht plötzlich eine mysteriöse Liste mit Namen von „Potentialen“ auf. Auch der Name der Charaktere steht darauf und plötzlich erhalten sie seltsame Nachrichten und werden gejagt. Die seltsamen Vorkommnisse in Shin-Edo verdichten sich ...

Inhalt Makkura enthält sechs Abenteuer für Kuro, das düstere Cyberpunk-Rollenspiel von Cubicle 7 Entertainment, das wir Teilzeithelden bereits Ende 2013 besprochen haben. Damals gefiel uns besonders die einzigartige Asia-Atmosphäre zwischen Horror und Near-Future. Der erste Abenteuerband dreht sich nun um die Geistererscheinungen in Shin-Edo (dem umbenannten Tokio) und erinnert tatsächlich an klassische, asiatische „Ghost-Stories“. Nicht umsonst bedeutet der Titel übersetzt „Tiefste Finsternis“. Die Abenteuer können einzeln gespielt werden, bauen aber stark aufeinander auf und bilden eine Kampagne, die das Setting weiterentwickelt.

Makkura schließt nahtlos an das Einstiegsabenteuer Origami aus dem Grundregelwerk an und ist daher auch für neu erstellte Charakteren geeignet. Die Spielercharaktere geraten dabei in das Zentrum der mystischen Vorkommnisse des Settings. Sie werden von den Ereignissen um die mysteriöse Liste getrieben und müssen sich am Ende direkt den Kräften des Yomi, der japanischen Unterwelt, entgegenstellen. Der Spielleiter erfährt derweil endlich, was es mit dem Kuro-Vorfall auf sich hatte und kann das Setting um einen ausgefeilten Metaplot erweitern. Regeltechnisch enthält Makkura vier neue Skill-Spezialisierungen, die aber kaum der Rede wert sind.

Die sechs Makkura-Abenteuer in Kurzübersicht

Fugu: Die Charaktere geraten auf die Spur eines Serienmörders, der seine Opfer gezielt anhand der Liste aussucht. Um ihn zu stoppen, führt der einzige Weg ins Kaijin-Viertel vor der Küste.

Mizuiro: Studenten verschwinden aus einem Wohnheim, in dem ein Student beim Erzählen von Geistergeschichten Selbstmord beging. Natürlich sind alle auf der Liste. Haben sie etwas Schreckliches erweckt?

Kujira: Ein Walskelett strandet an der Küste von Shin-Edo. Sein Schädel ist mit seltsamen Symbolen beschrieben, die eine Art Anleitung zu sein scheinen. Doch sobald sich die Charaktere mit dem Rätsel beschäftigen, macht ein mächtiger Oni (ein japanischer Dämon) Jagd auf sie.

Yukidomari: In einem Vorort von Shin-Edo ereignen sich seltsame Wetterphänomene und Zeichen. Hier können die Charaktere die Wahrheit über den Kuro-Vorfall erfahren und müssen mit einer seltsamen Mutation kämpfen.

Tsukurigoto: Sieben Agenten der Dunkelheit jagen die Schlüssel von vier mystischen Wächtern und die Spielercharaktere geraten in das Schussfeld. Als ein Stromausfall die Stadt heimsucht, müssen die Charaktere ihren Verbündeten zu Hilfe eilen.

Kami: Gefährliche Donnergeister versuchen ein Portal ins Höllenreich des Yomi zu öffnen. Die Stadt versinkt derweil im Chaos.

Für Spieler: Der Aufstieg der Geisterjäger Spieler werden mit Makkura in eine Geschichte hineingezogen, die größer ist, als das gesamte bisherige Setting. Alles dreht sich dabei um die Liste mit Potentialen aus dem Einstiegsabenteuer Origami, auf der auch die Spielercharaktere stehen. Makkura geht dabei nur davon aus, dass die Charaktere einander kennen – mehr nicht. Wie im Grundregelwerk von Kuro beschrieben, sind sie normale Bürger der Gesellschaft von Shin-Edo, mit einem sozialen Netz und einem geregelten Alltag. Ihr Kontakt mit der Yomi-Geisterwelt soll gruseln, ganz in der Tradition des japanischen Horrorgenres.

Makkura aber ist nicht nur eine Abenteuersammlung im Stil des Grundregelwerks; es ist vielmehr ein Metaplot, der sich um die Charaktere entfaltet und dabei den Ton des Settings selbst verändert. In den sechs Abenteuern geht es um mehr als den Kontakt mit Geistern, nämlich darum, das „heldenhafte Potential“ der Charaktere freizulegen. Zwar bleiben die Geschehnisse im Horror verankert, erhalten aber einen epischen Anstrich. Naturkatastrophen oder rätselhafte Omen verleihen Makkura dabei einen bedrohlichen, fast apokalyptischen Unterton. Die Spielercharaktere sind dabei „auserwählt“ und erhalten zwangsweise Einblick in die Hintergründe des Settings. Das Potential lässt sie die Geister des Yomi sehen und mit ihnen interagieren. Das kann man mögen oder auch nicht: Es verändert jedenfalls das, was das Grundregelwerk ausgemacht hat. Der ungewohnte Asia-Zukunfts-Horror vermischt sich mit einer Rollenspiel-typischen Abenteuergeschichte; die Helden verwandeln sich dabei notgedrungen zu lösungsorientierten Geisterjägern.

Die Handlung ist dabei von Detektivarbeit geprägt und führt die Spieler an interessante Orte, wie eine bizarre Traumwelt oder das Unterwasser-Viertel Kaijin. Dabei stoßen sie immer wieder auf Spuren des Übernatürlichen und erschließen sich nach und nach die wahren Hintergründe des Settings. Das ist perfekt für Spielrunden mit Spaß an Rätseln und dem Okkulten; aber auch Action-Freunde kommen auf ihre Kosten und kämpfen bald mit uralten Waffen gegen wild gewordene Geister. Nur Fans von Cyberpunk gehen leer aus – Technologie und gesellschaftliche Dystopie spielen in Makkura nur eine untergeordnete Rolle. Mindestens zwei der sechs Abenteuer hätte man ohne Probleme in die Gegenwart verlegen können; hier wird das Kuro-Setting nicht ausgereizt. Auch, wer lieber bodenständige Geistergeschichten spielt und mit einem „Heldendasein“ nichts anfangen kann, hat in diesen Abenteuern das Nachsehen.

Für Spielleiter: Der gute Wille zählt Die Makkura-Kampagne macht eines deutlich: Es geht den Autoren nicht darum, das Setting von Kuro mit erwartungsgemäßen Abenteuern zu versorgen, sondern darum, es zu erweitern und in etwas Anderes zu transformieren. Das Ganze erinnert stark an den Ablauf einer TV-Mystery-Serie: Jedes Abenteuer (Episode) ist in sich schlüssig, gibt mehr vom mysteriösen Hintergrund preis und führt neue Fraktionen ein. Der Spielleiter orchestriert und begleitet den Aufstieg der Charaktere von Normalbürgern zu Helden der Kami.

Neue Fraktionen (Vorsicht Spoiler!):

Die Digitale Demokratische Partei: Die politische Bewegung erhielt kurz nach dem Kuro-Zwischenfall massive Unterstützung in der Bevölkerung. Sie fordert die Gleichstellung von Androiden und stellt einen eigenen Androiden als Kandidaten für die nächste Reigerungswahl. Sie spielen für den Metaplot keine große Rolle, beeinflussen aber die Ereignisse zwischen den Abenteuern.

Die Shi-Tenno: Diese unsterblichen „Wächter der vier Himmelsrichtungen“ beschützen Japan und das Kaiserhaus seit Jahrhunderten vor dem Bösen. Sie erscheinen zwar als Menschen und verbergen sich in der Gesellschaft, sind aber in Wahrheit mächtige übernatürliche Wesen mit außerordentlichen Kräften. Sie sind die wertvollsten Verbündeten der Charaktere.

Die Furikazan-Sekte: Diese traditionelle Sekte dient den Kami und den Shi-Tenno. Sie suchen nach den Potentialen, in deren Blut sich die „Siegel der Kami“ befinden. Ihre Aufgabe ist es, diese zu prüfen, ob sie es wert sind, die Macht der Kami zu tragen. Dazu stoßen sie die Charaktere auf Ereignisse und versuchen sie aus dem Hintergrund anzuleiten. Sie spielen für den Plot eine zentrale Rolle.

Mr. Makita (und seine Schmuggler): Ein Sammler von okkulten Gegenständen, der Schmuggler in ganz Japan beauftragt. Kann er etwas nicht haben, bedient er sich illegaler Beschaffungsmethoden. Er spielt im Abenteuer Kujira eine Rolle.

Das Erwachen der Dunkelheit: Diese Weltuntergangssekte um den Potential-Träger Fujizake Nori fühlt sich durch das Kuro-Ereignis in ihrem Glauben bestärkt. Die Teilnehmer ziehen predigend durch die Straßen, werden in letzter Zeit aber von Unbekannten bedroht. Die Sekte kommt in Nebengeschichten vor.

Neue Komeito: Die nationalistische Partei Japans will die Isolation von der Außenwelt fortsetzen. Ihr Plan ist eine militärische Unterwerfung der Insel mit Hilfe eines Geistersoldaten-Programms des Zweiten Weltkriegs. Sie sind die Gegenspieler im letzten Kapitel.

Makkura schleust die Spielercharaktere nicht durch feste Abläufe, legt aber besonderen Wert auf die Einordnung in die Kampagne. Vor jedem Abenteuer finden sich die „Lektionen“, die die Charaktere daraus mitnehmen sollen. Die Abenteuer selbst sind gut aufbereitet: Personen und Schauplätze werden ausführlich beschrieben und sogar Gerüchte und alternative Vorgehensweisen für Spielercharaktere bereitgestellt. Kästen erläutern Spielleitern Zusatzinformationen oder stellen Personen und Gruppierungen genauer vor. Nach jedem Kapitel folgen Vorschläge für Zufallsbegegnungen und Nachforschungen, die sich leicht zu Zwischenabenteuern ausbauen lassen. Dieser Aufbau gibt dem Spielleiter genug Freiheit, auf unvorhergesehene Handlungen zu reagieren, lässt ihn aber auch mit einigen Fragen allein.

Ein Problem von Makkura ist die Forderung einer hohen Kooperationsbereitschaft der Spieler. Diese sollen Eigeninitiative zeigen, sich für die Potential-Liste interessieren und bestimmte Schlüsse ziehen. Die Aufhänger für die ersten Abenteuer sind daher etwas dünn: Warum sollten sich „normale Bürger“ in einen Mordfall einmischen und die Aufklärung nicht den Behörden überlassen? Warum sollten sie überhaupt zusammenarbeiten und nicht einander misstrauen, wo doch gerade ein Killer umgeht, der offenbar die Liste benutzt? Ein anderes Beispiel: Im zweiten Abenteuer sollen Spieler durch eine mysteriöse Nachricht („Das fordert ihre Aufmerksamkeit“, S.24) mit auf die Ereignisse gestoßen werden. Weiß man später um die Drahtzieher und Hintergründe, ergibt das Sinn, wirkt im ersten Moment aber zu forciert und wie eine Falle. Die Hilfestellungen der Abenteuers, etwa „eine Serie von seltsamen Ereignissen ließ die Charaktere sich für den Vorort Yukidomari interessieren“ (S. 65), sind dabei wenig brauchbar. Die Ereignisse in Verbindung mit dem Horror-Genre provozieren geradezu das Misstrauen der Spieler, welches wiederum den Ablauf der Abenteuer erschwert und viel Improvisation vom Spielleiter notwendig macht. Für einen Anfänger auf dem SL-Platz ist Makkura damit sicher nichts.

Ein anderes Problem von Makkura sind Unsicherheiten im Ton. So passen die Ereignisse der Kampagne nicht immer zum im Grundregelwerk vorherrschenden Horror. Visionen der Spielercharaktere von schattenhaften Samurais, die dazu auffordern „auf das Blut“ zu hören, wirken etwa kitschig. Dass sich einer der Shi-Tenno als professioneller Wrestler mit Namen „Phoenix“ tarnt, und so mit schwelender Haut in der Gesellschaft davonkommt, ist schlichtweg albern.

Erscheinungsbild Das Äußere des Kampagnenbandes ist solide. Das Cover mit der japanischen Oni-Maske passt zum Inhalt des Rollenspiels. Das Layout ist sehr gut aufgebaut und wird durch erklärende Kästen aufgelockert. Unterschiedliche Schriftbilder und Größen erleichtern das Navigieren am Spieltisch. Die Illustrationen (etwa zwei pro Abenteuer) sind weitgehend stimmig und betonen die düsteren Aspekte der Handlung. Nur einige weichen vom Stil ab und hätten wohl besser in ein Anime gepasst. Karten und Bodenpläne fehlen leider und die Werte der NSC befinden sich nicht im Anhang, sondern in den einzelnen Kapiteln, was das Rauskopieren erschwert. Abgerundet wird das Ganze von einem ausführlichen und sehr brauchbaren Glossar von japanischen Fachbegriffen, die verwendet werden.

Bonus/Downloadcontent Auf der Homepage von Cubicle 7 finden sich Ausschnitte des Grundregelwerks zum Download, darunter die Archetypen zum Charakterbau, eine Kurzbeschreibung der Welt sowie eine Übersicht der Kampfregeln. Diese können einer Spielrunde als Handouts dienen und bei der Vorbereitung der Makkura-Kampagne helfen. Für Spielleiter gibt es noch Werte zu Oni und Tengu, sowie eine Beschreibung populärer Kulte und Sekten. Auf RPGNow findet sich zudem das kostenlose Bonusabenteuer Last Stop.

Fazit Makkura lässt mich unschlüssig zurück: Einerseits ist der Abenteuerband handwerklich gut gemacht und setzt auf Freiheit des Spielleiters mit zahlreichen Aufhängern für Nebengeschichten. Auch die Verneigung vor der japanischen Kultur, in meinen Augen eine Stärke von Kuro, wird ausgebaut. Kleine kulturelle Details wie das Kaidan-Fest oder Erklärungen zum Okina-Theter machen Makkura definitiv lesenswert. Die Geschichten greifen geschickt ineinander über, sind richtig spannend und teilweise mit gravierenden Twists versehen. Der Metaplot treibt die Charaktere dabei voran und verbindet die sechs Abenteuer zu einem epischen Ganzen.

Auf der anderen Seite wirken der Aufstieg der Spielercharaktere und ihr Kampf gegen die Geister des Yomi seltsam unpassend. Die Suche nach Artefaktwaffen, belagerte Klöster, Treffen mit dem Kaiser und böse Dämonen (samt Endkampf) erinnern mich zu sehr an typische Fantasygeschichten. Damit verändert sich Kuros Atmosphäre von japanischem Horror eines The Ring zu einem apokalyptischen Szenario eines Akira. Das ist zwar immer noch spannend, verliert aber den Charme eines pointierten Indie-RPGs und wirkt mehr wie ein punkiges Shadowrun mit Gruselgeschichten und japanischem Anstrich – eine Assoziation, die ich nach der Lektüre des Grundregelwerks so jedenfalls noch nicht hatte. Vielleicht ergibt das Ganze erst mit dem 2016 erscheinenden dritten Band Kuro Tensei wirklich Sinn, in dem die Charaktere als Verteidiger von Japan mit mystischen Kräften direkt gegen die Oni antreten. Scion in Japan? Ich bin ja mal gespannt. Was bis dahin bleibt, ist ein unabgeschlossener Metaplot, der das ursprüngliche Setting von Kuro stark modifiziert.



Wertung:
[4 von 5 Sternen!]
Kuro - Makkura
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