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Auch wenn Shadowrun für mich den Einstieg ins Tischrollenspiel darstellte, ist es nicht gerade für seine Einsteigerfreundlichkeit bekannt. Schon die Grundregeln sind unglaublich sperrig, werden in dicken Bänden ausgeliefert und gefühlt jeden Monat um ein Quellenbuch erweitert. So blieb Shadowrun für mich ein System, das ich als Spieler aufgrund seiner einzigartigen Hintergrundwelt immer sehr gerne genoss, als Spielleiter aber nach Möglichkeit mied. Wer gleichzeitig einen Rigger, einen Magier und einen Decker in der Gruppe hat, muss umfangreiche, teils völlig unterschiedlich funktionierende Regelkomplexe parat haben, wenn er sich nicht permanent wie ein Pennäler fühlen möchte, der seine Hausaufgaben vergessen hat. Oder er vertraut seinen Spielern und verlässt sich darauf, dass die Jungs und Mädels schon nicht schummeln werden und wissen, was sie da tun. Dummerweise korrumpiert Macht und verführt die Spieler dazu, ihre Charaktere – bei Shadowrun auch Runner genannt – zu hochgefährlichen Spezialisten heranzuzüchten, die jede Schwäche im feindlichen Plan erkennen, ausnutzen und somit manches sorgfältig vorbereitete Szenario sprengen können.
Inhalt
Dass mit Shadowrun: Anarchy nun also eine alternative Regelversion erscheint, die den Spielern ohnehin mehr Einfluss auf den Verlauf der Story gibt, erscheint unter diesem Gesichtspunkt also gar nicht so abwegig. Und wie soll das gehen, fragt ihr euch? Nun, Shadowrun: Anarchy orientiert sich an den Regeln von Fate. Das kennt ihr nicht? Gut, dann sollte ich dazu ein paar Worte verlieren, denn seit einigen Jahren gibt es im Tischrollenspiel eine Alternative zum üblichen Spieler-und-Spielleiter-Schema.
Weniger Regeln – mehr Drama!
Das kennt ihr sicher alle: Der Spielleiter hat sich ein Abenteuer ausgedacht oder gekauft und abgesehen von einigen Improvisationen hat er oder sie eine Vorstellung vom Verlauf der Story und quasi gottgleiche Kräfte. Wenn er es will, erscheinen Sicherheitsleute, die trotz ihres lausigen Gehalts übermotiviert sind und euch den Tag vermiesen werden, oder Straßenschamanen, die euch den entscheidenden Hinweis aus dem Kaffeesatz lesen. Nebenbei wird versucht eine möglichst realistische Welt zu simulieren, in der viele – auch alltägliche – Handlungen durch bestimmte Regelmechanismen abgewickelt werden.
Bei Systemen wie Fate gibt es das so gut wie gar nicht. Erstens werden Regeln auf ein Minimum reduziert und nach Möglichkeit nicht durch Zahlen, sondern erzählerisch dargestellt. Ganz ohne Regeln geht es natürlich nicht, aber in Shadowrun: Anarchy sind die Grundregeln auf gut 20 Seiten begrenzt. Mit Ausrüstung und Charakterschaffung kommt man auf knapp 40 Seiten, während das Grundregelwerk von Shadowrun 5 dafür über 300 Seiten benötigt und zusätzlich noch fortlaufend durch weitere Spielhilfen um neue Regeln erweitert wird.
Zweitens sorgt der Spielleiter in diesem System nur für eine grobe Handlung, in deren Rahmen einige wenige unverzichtbare Elemente vorkommen werden. In welchem Zusammenhang diese stattfinden, ist aber völlig offen und sehr stark von den Aktionen der Spieler abhängig.
Der Reihe nach schildern diese nicht nur, was ihre Charaktere selber tun, sondern entscheiden auch, was als nächstes passiert. Ist die vom Spieler beschriebene Wendung der Ereignisse etwas schwerwiegender, dann muss er einen Plotpunkt ausgeben. Der Spielleiter fungiert in diesem Zusammenhang als Schiedsrichter, der entscheidet, wann dies geschieht. So kann ein Spieler noch ganz harmlos entscheiden, dass gerade seine Jugendliebe Peggy auftaucht, aber wenn sich im Plausch mit ihr herausstellt, dass sie inzwischen in dem Industriekomplex arbeitet, den die Runner infiltrieren wollen, dann kann der Spielleiter verfügen, dass dies einen Plotpunkt kostet. Jetzt kann der Runner sein Glück versuchen und Peggy bezirzen, damit sie ihm die Zugangscodes verrät, woraufhin der Spielleiter einen Wurf auf die entsprechende Fertigkeit verlangt. Für einen weiteren Plotpunkt könnte der Spieler jetzt noch einen sogenannten Glitch-Die zu seinem Würfelpool addieren, der den Ausgang der Probe massiv beeinflussen kann. Zeigt er eine 5 oder 6 hat der Spieler einen unglaublich guten Erfolg, bekommt die Zugangscodes, wird von Peggy noch zum Stelldichein geladen und gewinnt in ihr einen dauerhaften Kontakt für spätere Jobs. Bleibt der Würfel aber bei 1 liegen, dann kann Peggy die ganze Sache auf einmal zu heikel werden und sie kontaktiert sofort den Sicherheitschef des Komplexes, der daraufhin die Sicherheitskräfte verstärkt und ihnen auch noch eine Beschreibung des Runners zukommen lässt. Das soll als kleines Beispiel genügen, um die Dynamiken zu beschrieben, die so ein Spielsystem hervorbringen kann.
Weniger Regeln – mehr Dynamik!
Es gibt natürlich auch noch traditionelle Regeln. Die Designer haben hier ein eigenes Regelwerk ausgearbeitet, das sich irgendwo zwischen Fate und Shadowrun einpendelt, auch wenn das Pendel etwas mehr Richtung Fate ausschlägt. Erfahrene Spieler von Shadowrun sollten sich dennoch leicht zurechtfinden, denn Begriffe wie Karma und Edge sind erhalten geblieben. Auch wenn sich die Regeln stark vom Shadowrun-Grundregelwerk unterscheiden, sind Sinn und Zweck im Wesentlichen gleich geblieben. Die Höhe des Karmas spiegelt zum Beispiel immer noch den Fortschritt und die Entwicklung eines Charakters wieder, der Edge-Wert bestimmt, was der Spieler in riskanten oder vermeintlich ausweglosen Situationen in die Waagschale werfen kann.
Ich möchte hier nun nicht jede Regeländerung aufgreifen – dies würde zu weit ins Detail gehen – sondern in erster Linie meinen Eindruck wiedergeben, wie gelungen die Ausgangsideen des Regelwerks umgesetzt wurden. So soll Shadowrun: Anarchy ja nicht nur die Macht über den Verlauf der Erzählung umverteilen, sondern auch den ganzen Spielfluss dynamischer und flotter gestalten. Die Regeln sind entsprechend unkompliziert und unterstützen die flexible Spielführung. Zum Beispiel muss sich der Spielleiter vorher keine Gedanken darüber machen, ob die Runner das Magnetschloss knacken können, das ihnen den Weg in die Katakomben einer Kinder raubenden Troll-Sekte versperrt. Bei Shadowrun: Anarchy geht es einfach Wurf gegen Wurf. Der Spielleiter würfelt so viele Würfel, wie das Magnetschloss Stufen hat und aus den Erfolgen ergibt sich die Schwierigkeit. Der Spieler würfelt wie gewohnt Attribut plus Fertigkeitswert und versucht, mit seinen Erfolgen diesen Schwierigkeitswert zu knacken. Dadurch werden die Proben etwas leichter und zur Not können die Spieler so gut wie jedes Problem mit etwas Fantasie lösen, wenn Sie mit der Erzählung an der Reihe sind.
Weniger Regeln – mehr coole Typen!
Ein Spieler kann seinen Runner übrigens nur mit sechs Fertigkeiten ausstatten, die deswegen weise gewählt werden sollten. Zusätzlich gibt es maximal sechs sogenannte Shadow Amps für jeden Runner. Damit werden sowohl Cyberware als auch Zaubersprüche, Adeptenkräfte, Cyberdecks und Technomancerfähigkeiten bezeichnet.
Dies macht es leider notwendig, dass sich die Gruppe vorher gut abspricht, wer was für einen Runner ins Feld schicken will. So sind die Spieler also mehr oder weniger gezwungen, gut aufeinander abgestimmte Spezialisten zu erstellen. Das ist aber kein Bruch mit dem Rest der Regeln, sondern fügt sich ins Gesamtbild ein. Denn leider kam es mir beim Lesen des Kapitels zur Charaktererschaffung so vor, als würde mich das Regelwerk dazu ermutigen, ein wandelndes Klischee auf zwei Beinen zu entwerfen. Versteht mich bitte nicht falsch, denn unter den Archetypen findet sich zum Beispiel Ms. Myth, ein weibliches Troll Face, also eine Trollfrau, die vor allem mit ihren gesellschaftlichen und charismabasierten Fertigkeiten glänzt. Also ein durchaus untypischer Charakter, den ich so noch nie als Spielerfigur erlebt habe.
Aber enge ich mich nicht auch ein, wenn ich vorher festlege, dass mein Charakter innerhalb der Gruppe ein spezielles Feld abdeckt und eine bestimmte Rolle übernimmt, die dann eben auch gewisse Erwartungen erfüllen muss? Ich soll mir coole Sprüche für meinen Runner und Tags zu seiner Beschreibung ausdenken, damit ich auch bloß nicht vergesse, was er oder sie in dieser oder jener Situation sagen könnte. Gut, das ergibt ja auch Sinn, da jeder Spieler gleichzeitig Erzähler ist und es weniger darauf ankommt, wer den höchsten Wert in Heimlichkeit hat, sondern wer den besten Einfall hat, wie dieser Wert am besten eingesetzt werden kann.
Letztlich hängt es wahrscheinlich vom eigenen Geschmack und auch von den Mitspielern ab. Wer in einer Runde spielt, in der nicht jede kleine Eigenschaft schriftlich und gesiegelt vermerkt sein muss, kann sich hier also ein kleines bisschen austoben und seinem Runner nach Gutdünken einige Nebenfacetten verleihen, solange er ihm nicht plötzlich Vorteile andichtet, die ihn zum Hansdampf in allen Gassen machen. In Runden, in denen ansonsten streng nach Charakterbogen gespielt wird, dürfte es aber anfangs zu kleineren Diskussionen kommen, wenn sich einer der Mitspieler in diesem Punkt ein paar Freiheiten erlaubt.
Preis-/Leistungsverhältnis
Für ein paar Nuyen, äh, Dollar bekommt ihr hier ein wunderbar gestaltetes und übersichtliches PDF, das alles beinhaltet, was man benötigt, um direkt mit Shadowrun: Anarchy loszulegen. Alle Regeln, alle Gegenstände, alle Infos über die Sechste Welt. Oben drauf gibt es 30 Archetypen und gut 40 Abenteuerszenarien. Wärt ihr hart schuftende Konzernsklaven, dann könntet ihr hiermit, umgerechnet auf eure spärliche Freizeit, ein Produkt erwerben, das euch bis an euer Lebensende erfreuen wird, wenn ihr hin und wieder mal eine kleine Runde Shadowrun: Anarchy zocken wollt.
Erscheinungsbild
Klar, alleine bei 30 Archetypen gibt es hin und wieder eine Illustration, bei deren Anblick eine Augenbraue skeptisch nach oben zuckt. Aber im Großen und Ganzen ist Shadowrun: Anarchy hervorragend bebildert. Zwar werden viele Artworks aus anderen Büchern recycelt, aber mich persönlich stört so etwas nicht sonderlich.
Die Kapitel sind alle klar strukturiert und der Leser findet sich schnell zurecht, auch dank des übersichtlichen Inhaltsverzeichnisses. Das Buch ist also genauso unkompliziert gestaltet wie das beinhaltete Regelsystem.
Fazit
Shadowrun: Anarchy ist unkompliziert, schnell zu erlernen, erfordert nur wenig Vorbereitung und es ist sehr einsteigerfreundlich. Das wollten die Designer wahrscheinlich auch erreichen, weswegen ich hier nichts bemängeln kann. Ich kann mir sogar sehr gut vorstellen, dass ich mit so einem Regelwerk Leute für ein kurzes Tischrollenspiel begeistern kann, die damit ansonsten nichts am Hut haben. Denn im Prinzip sind sogar spontane Ausflüge in die Sechste Welt möglich, wenn sich jeder Spieler einfach einen Archetyp auswählt und sich der Spielleiter für eines der zahlreichen kurzen Szenarien entscheidet.
Leider offenbaren sich bei näherer Betrachtung einige Designfehler, was die Charakterentwicklung angeht. Ich persönlich finde es zum Beispiel etwas langweilig, mich bei der Charaktererschaffung auf eine bestimmte Aufgabe festzulegen, die mein Runner den Rest seines Daseins erfüllen muss. Dass man nur sechs Fertigkeiten wählen kann, macht dieses Dilemma nicht gerade erträglicher.
Aber wahrscheinlich soll man in Shadowrun: Anarchy auch nicht ewig lange Kampagnen bis zum Abwinken durchspielen. Dieses Regelwerk eignet sich perfekt für kurze Runs, die Laune machen und ein paar Nuyen für das nächste Soybier generieren. Und das reicht manchmal ja auch.
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Es gibt kaum eine Region in Aventurien, der Welt des Rollenspiels Das Schwarze Auge, die mehr Kriege, mehr Schlachten und Scharmützel und mehr Feindschaft gesehen hat, als die Regionen Andergast und Nostria. Aktuell herrscht dort ein Waffenstillstand, der nach Wechseln auf Herrscherebene und Zwisten innerhalb der Reiche zwangsläufig nötig war. Es ist natürlich dennoch überraschend, dass dieser Zeitpunkt von zwei Familien, einer andergastischen Freiherrenfamilie und einer nostrischen Ritterfamilie, beide mit Wurzeln in Joborn, dazu auserkoren wurde, sich durch eine Ehe zu verbinden. Der passende Titel des Abenteuers lautet Neue Bande & Uralte Zwiste, in dem sich drei bis fünf erfahrene bis kompetente Helden mit der Hochzeit im Sommer 1040 BF und den Ereignissen vor, während und danach befassen können.
Inhalt
Das Abenteuer startet harmlos mit einer Karte Joborns, bevor dann, nach einer eher farblosen Variante des Covers und dem Impressum, ein Inhaltsverzeichnis mit fünf Einträgen und eine halbe Seite mit Informationen für den Spielleiter zum Aufbau von Abenteuern und dem Umgang mit den Inhalten im Allgemeinen folgen. Erwähnen kann man hier zum Beispiel die Vorlesetexte, Wertekästen für NSC und Gerüchte. Noch befinden wir uns nicht im Abenteuer und noch nicht einmal in Joborn. Das folgt aber schon auf der zweiten Hälfte der ersten Seite, der Spielleiter erhält nämlich nun Informationen zu Preisen in Herbergen und den Hinweis, dass die Regionalspielhilfe Die Streitenden Königreiche Voraussetzung für das Abenteuer ist. Andergast und Nostria wären damit erreicht, anschließend erfährt der Spielleiter die wichtigen Hintergrundinformationen, „Was bisher geschah“ und „Was geschehen wird“. Darin findet er Informationen zu den tatsächlichen Zielen dieser Hochzeit und natürlich auch über die Gegner dieser Vereinigung. Bevor es dann tatsächlich losgeht, gibt es noch einige Tipps zu passenden Charakteren. Um es kurz zu machen, es gibt nur eine Einschränkung, auf zu viele Exoten und vielleicht Thorwaler sollte verzichtet werden. Außerdem wäre es toll, wenn einige Professionen aus der Regionalspielhilfe dabei wären. Das sind natürlich keine strikten Vorgaben, sondern nur Tipps.
Wie diese Helden nun nach Joborn gelangen, erfährt der Spielleiter auf den ersten Seiten des Abenteuers. Sind sie vor Ort, weil sie als Nostrier oder Andergaster einfach dabei sein wollen, wenn es zu dieser geschichtsträchtigen Vereinigung kommt, oder sind sie als Begleiter eines Ritters aus Andergast oder Nostria vor Ort? Sie könnten auch als Schausteller angereist sein und gutes Geld verdienen wollen. Es gibt viele Möglichkeiten, alle führen aber dazu, dass die Helden in Joborn sind und an der öffentlich stattfindenden Hochzeit teilnehmen wollen und werden.
Bevor die Helden nun endlich die Stadt unsicher machen können, gibt es für den Spielleiter noch ein paar Informationen zur Stadt und zu den Haupt- und Nebenfiguren, inklusive Bilder einiger dieser Figuren zur späteren Verwendung. Hier gibt es übrigens einen überraschenden Gast, der König von Andergast höchstselbst ist zusammen mit Familienangehörigen und anderen vom Hof erschienen.
Joborn
Jetzt endlich können die Helden Joborn erkunden und die ersten Protagonisten und auch Antagonisten kennenlernen und Hinweise erhalten, die sich natürlich erst später als solche zu erkennen geben. Auch Klatsch und Tratsch ist dabei nützlich und bei einem Bier in einer Taverne sollte man als Spielleiter daran denken, das eine oder andere im Nebensatz zu erwähnen, oder eben in einer Hasstirade, die schnell zur Schlägerei wird. Sobald die Helden die Stimmung in der Stadt ausgekostet haben und sie die wichtigsten Personen kennengelernt haben, darf die Hochzeit beginnen.
Spoilerfreie Kurzzusammenfassung
Feierlich und feuchtfröhlich geht bei der Hochzeit zu und das können die Helden auch bis zu einem gewissen Punkt genießen, dann geht es drunter und drüber und die Helden müssen Schlimmeres verhindern und im Anschluss eine wichtige Person suchen. Diese Suche stellt sich als schwieriger dar, als zunächst vermutet, denn nichts ist, wie es auf den ersten Blick schien und die Reise durch nostrisches Gebiet, tiefe Wälder und den Fluss hinab bietet einige Gefahren der übernatürlichen Art, aber auch körperliche Auseinandersetzungen. Personen müssen davon überzeugt werden, dass ihre Hilfe wichtig ist und Informationen müssen bezahlt oder abgearbeitet werden. Und wenn die letzte Spur dann frisch ist, gilt es einen finalen Kampf zu gewinnen, die gesuchte Person zu befreien und einen Krieg zu verhindern. Das Heldenleben ist nicht einfach.
[spoiler]
Die Hochzeit
Kommen wir kurz zur aktuell erfolgreichsten Fantasyserie im Fernsehen und denken an die Hochzeiten, die dort für Emotionen sorgten. Joborn steht dem in Nichts nach und es kommt sicher nicht überraschend. Bis es aber blutig wird, haben die Helden noch die Chance, sich unter das feiernde Volk zu mischen und vielleicht sogar mit der Braut, Noraletha, das Tanzbein zu schwingen, zukünftigen Helfern über den Weg laufen und mit diesen ein Bierchen trinken oder dabei zu sehen, wie Andergaster und Nostrier eben dieses Seite an Seite tun.
Irgendwann vergeht den Besuchern und anderen Anwesenden aber das Feiern, nämlich als ein Soldat beim Tanz ermordet wird. Das Pulverfass Nostria-Andergast explodiert sofort und die, die soeben noch gemeinsam gefeiert haben, ziehen ihre Waffen und Sekunden später beginnen erste Kämpfe, die sich rasend schnell ausbreiten. Für die Helden gibt es viele Möglichkeiten zu reagieren. Suchen sie nach den Verursachern, versuchen sie, bestimmte Personen zu schützen oder vertrauen sie auf göttliche Hilfe und versuchen sie, das Licht von Joborn zum Strahlen zu bringen? Es gibt viele Möglichkeiten und viele Szenen, die sich lohnen, gespielt zu werden und schlussendlich werden sich die streitenden Parteien trennen und sich zurückziehen, um die Wunden zu lecken und neue Schritte zu planen. Die Zeit des Friedens ist vorbei und was noch schlimmer ist, die Braut ist verschwunden.
Nach dem Kampf
Auch wenn es unter Umständen sofort weitergehen könnte, werden die Helden für ihren Einsatz belobigt und mit der Suche nach der Braut beauftragt. Dabei gilt es zwischen Gerüchten und Tatsachen zu unterscheiden und beide Seiten anzuhören, auch wenn natürlich dabei fast jeder die Gegenseite bezichtigt. Außer den Eltern des Brautpaares, die tatsächlich mehr Verstand als viele andere besitzen. Wie auch immer, nach kurzer Zeit werden die Helden herausgefunden haben, dass der Fluchtweg Richtung Nostria führt, was viel Raum für Spekulationen bietet, schließlich sollen die Täter doch Andergaster gewesen sein.
Durch die Streitenden Königreiche
Die Helden müssen nun den Ingval flussabwärts bereisen und die noch frischen Spuren verfolgen. Hierbei erweist sich unter Umständen eine auf der Hochzeit geschlossene Freundschaft als nützlich, denn so ein Flussschiffer ist wirklich von Vorteil. Aber auch ohne diese Freundschaft können die Helden natürlich den Spuren folgen. Das ist auch nicht so schwer, denn das Abenteuer ist so ausgelegt, dass immer wieder Spuren und Hinweise gefunden werden. Schließlich sollen die Helden eine realistische Chance haben, ohne dabei automatisch erfolgreich sein zu müssen.
Nachdem sie die ersten Spuren gefunden haben, finden sie dann auch die Täter, allerdings ohne Braut und auch nicht ganz lebendig. Ein Hinweis ist nicht zu entdecken, allerdings bietet sich ein Sume als Sprachrohr der Vögel an, die haben schließlich alles beobachtet. Um seine Hilfe zu bezahlen, müssen die Helden ihm helfen, den Ort, der durch die Ermordung der Täter entweiht wurde, wieder zu weihen. Um dies zu erreichen, benötigt der Sume Lebenssaft Sumus. Diesen Lebenssaft gilt es zu besorgen. Die Helden müssen der Beschreibung des Sumen folgen, dabei einige Gefahren überwinden und schließlich die Herrin des Sees dazu bringen, ihnen die Entnahme von Wasser zu erlauben. Soweit so gut, auch das gelingt sicher. Unsicherer ist dabei der Transport des Wassers in der Schale des Druiden. Ich dachte dabei sofort an Shows im Fernsehen, wo sich B-Promis zum Affen machen und mehrmals zurück zum Ausgangspunkt müssen, um neues Wasser zu holen. Nach vier Tagen sind die Helden dann wieder beim Sumen und erfahren, was nötig ist, um der Braut und ihren neuen Begleitern, darunter eine Hexe und ein einäugiger Ritter, auf die Spur kommen zu können.
Die Hexe
Das nächste Ziel ist das Gasthaus „Hexenküche“ am Ingval, welches circa zwei Tage Fußmarsch entfernt liegt. Die Braut hat nach Erreichen der Gaststätte bereits fast eine Woche Vorsprung, reisen die Helden mit Pferden, fünf Tage Vorsprung. Im Gasthaus angekommen, wartet die nächste Nebenaufgabe auf die Helden, denn so ganz ohne Weiteres möchte die Hexe ihre Hexenschwester nicht verraten. Die Helden müssen sich diesmal mit Vogelfängern beschäftigen und diese davon überzeugen, ihrer Tätigkeit woanders nachzugehen. Zum Glück finden die Helden genau dort einen Hinweis, denn auch Vertrautentiere können gefangen werden, wenn sie unvorsichtig sind. Genau das geschah dem Vertrautentier der Hexe, die die Helden suchen. Es verlor dabei eine wichtige Nachricht, nämlich eine Botschaft des Entführers, Rodegrimm, an die Eltern der Braut. Damit wäre der Fall klar: Eifersucht und etwas Gier sind die wahren Triebfedern. Jetzt gilt es nur noch, und das ist leichter geschrieben als getan, die Braut zu befreien und die beiden Parteien, Andergaster und Nostrier, mit der Aufklärung von einem Krieg abzubringen. Erst einmal geht es jedoch zurück zur Hexe, die den Helden schließlich die Zuflucht ihrer Hexenschwester nennt.
Die Befreiung – Der erste Versuch
Die Helden reisen zur Zuflucht der Hexe und es gilt, den Turm zu stürmen, denn sie wurden schon längst bemerkt. Es ist dabei fast egal, wie schnell die Helden sind, die Befreiung wird scheitern und Rodegrimm mit Noraletha fliehen, so will es das Abenteuer. Die Hexe können die Helden aber durchaus ausschalten und haben es dann später einfacher. Selbstverständlich steht es dem Spielleiter frei, das Abenteuer genau an dieser Stelle enden zu lassen, aber die zweite Befreiung ist es durchaus Wert, gespielt zu werden.
Die Befreiung – Der zweite Versuch
Die Helden reisen nun weiter nach Nordvest, das Ziel der Flucht Rodegrimms erfahren sie dabei von einem Überlebenden der Eroberung des Hexenturms. In Nordvest angekommen, gibt es mehrere Möglichkeit der Herangehensweise. Spuren suchen macht wenig Sinn, aber im Dorf und im Heerlager, welches unter der Leitung von Marschallin Rondriane von Sappenstiel steht, lässt sich einiges erfahren, unter anderem, dass der Gesuchte sich in der Burg der Altgräfin Melanthon von Ingvalsrohden aufhält. Ein Gespräch mit der Altgräfin bringt allerdings nichts zu Tage, die Torwachen und Bediensteten sind schon lohnendere Gesprächspartner. Sollten die Helden mit diesen Informationen ins Heerlager gehen, können die Helden von einem Geheimgang in die Burg hinein erfahren.
Jetzt gilt es für den Spielleiter den Plan der Burg, zu finden auf der letzten Seite, zu verinnerlichen, damit die Helden dort nicht plötzlich in einer Sackgasse enden. Ein Suchen und Finden in einer Burg mit vielen Räumen und Abzweigungen beginnt, der die Helden durch eben diese Burg, die mit viele Liebe zum Detail und mit viel Leben gefüllt wurde. Schlussendlich stehen die Helden dem Entführer gegenüber und müssen dabei erkennen, dass die Entführte sich als Befreite fühlt, und von den Offenbarungen der Helden tatsächlich überrascht ist. Dies ist ein Problem, denn eine falsche Entscheidung Noralethas kann für sie den Tod bedeuten.
Die Rückkehr als Sieger
Die Helden müssen, nachdem sie Erfolg hatten, zurück nach Joborn reisen und alles aufklären. Der Krieg wird dadurch verhindert, eine Hochzeit findet aber auf keinen Fall statt, was eine Hoffnung auf dauerhaften Frieden zunichte macht. Rodegrimm, sofern er überlebt hat, können mehrere Schicksal ereilen, je nachdem, an wen er ausgeliefert wird. Für die Spieler gibt es anschließend Erfahrungspunkte und das Abenteuer ist beendet.
Anhang
Im kurzen Anhang finden wir die Werte Rodegrimms und seiner Schergen, sowie die Personen, die man auf Burg Nordvest findet und wo sich diese befinden. Anschließend folgt der bereits erwähnte Plan der Burg. Damit endet auch das Buch.
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Das Abenteuer im Ganzen
Nach dem Lesen und Spielen des Abenteuers stellt sich die Frage, ob es auch ohne den stringenten Ablauf möglich gewesen wäre und die Antwort lautet nein. Denn um bis zu den Befreiungen zu kommen und dennoch ein paar Nebenschauplätze zu eröffnen, wäre die Spannung auf der Strecke geblieben, und genau um die geht es in diesem Abenteuer. Darum und natürlich um den Zwist der beiden Königreiche. Macht es Spaß, diesem stringenten Ablauf zu folgen? Ich denke ja, die Nebenaufträge sind stimmig und führen in die Reiche ein und lassen die Helden neue Protagonisten für zukünftige Abenteuer kennenlernen.
Die beiden letzten Phasen des Abenteuers sind gelungen und durchaus offen gestaltet, was gerade für einfallsreiche Spieler sicher sehr gut ist. Ich selbst hatte ein bis zwei Ideen, die Braut im Turm zu befreien und die Burg zu vermeiden. Aber auch dort bieten sich einige Möglichkeiten für Spieleraktionen, weshalb die gelungene Flucht gar nicht so schlecht ist, auch wenn man sie unter Umständen zu sehr forcieren muss. Kurzum, ich finde das Abenteuer gelungen.
Die Optik
Natürlich geht es bei allen Produkten im Rollenspielbereich längst nicht mehr nur um das geschriebene Wort, die Optik, also das Layout und die Bilder, muss auch stimmen. Das gelingt hier hervorragend. Die Schrift ist auch auf dem Tablet und am PC im PDF ohne Probleme lesbar, die Bilder sind stimmig und sollten vom Spielleiter, wann immer möglich, den Spielern gezeigt werden, damit diese noch tiefer ins Abenteuer eintauchen können. Die Kästen und sonstigen Inhalte sind ebenfalls optimal platziert und farbmäßig gut abgestimmt. Machen wir es kurz: Hier wurde alles richtig gemacht.
Eine lohnenswerte Investition?
12,95 EUR für ein Hardcover-Abenteuer beziehungsweise 7,60 EUR für ein PDF, das klingt fair, und betrachtet man das, was man geboten bekommt, dann bestätigt sich diese Meinung. Das Abenteuer ist gelungen, wenn auch in Teilen mit stringentem Ablauf. Die Optik überzeugt komplett.
Fazit
Neue Bande & Uralter Zwist ist ein gelungenes Abenteuer für die Reiche Nostria und Andergast. Die Helden erleben hautnah, wie die Handlung eines Mannes dafür sorgt, dass sich der Hass der beiden Reiche aufeinander entlädt. Das Abenteuer ist stringent, bietet aber gerade am Ende sehr viele Freiheiten, was einfallsreichen Spieler sehr zu gute kommen wird. Optisch überzeugt das Produkt vollkommen.
Schlussendlich kann man natürlich Protagonisten und Antagonisten, die die Helden hier kennenlernen, in späteren Abenteuern in den Reichen wieder auftauchen lassen. Das Abenteuer kann also auch Einfluss auf die weitere Laufbahn der Helden haben. Gut investiertes Geld!
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Die Versprechungen während der Kickstarter Kampagne waren hoch, die gesammelte Summe gewaltig. Mit solchen Mittel ausgestattet, sollte einem tollen Rollenspiel-Buch nichts mehr im Wege stehen. Aber liefert das entstandene Buch die Qualität, die bei einem solchen Erfolg zu erwarten wäre oder ist der polierte Schiffsrumpf mit seiner glänzenden Gallionsfigur unter der Oberfläche vielleicht löchrig?
Die Spielwelt
Die Bühne, die für Intrigen und Duelle im Grundregelwerk geboten wird, ist der Kontinent Théah. Um es vorweg zu nehmen: Die Bühnenbauer haben hier sehr gute Arbeit geleistet und eine variantenreiche und vielschichtige Welt gezimmert. Théah ist nach dem Vorbild Europas im 17ten Jahrhundert konstruiert worden und locker daran angelehnt, was die Orientierung in der Welt erleichtert. Vom eisigen Norden bis zum mediterranen Klima des Südens: Die Spielwelt ist groß und variantenreich. Die Beschreibung der einzelnen Kulturen fällt großzügig und angenehm detailliert aus. Jede Nation hat ihre eigenen Charakteristika, die meist im, zum Klischee überspitzten, realen Vorbild begründet liegen. Allerdings sind für ein buntes Mantel-und-Degen-Setting, das ohnehin zur gewitzten Großspurigkeit und fröhlichen Übertreibung tendiert, übertriebene Klischees nichts Schlechtes. Ganz im Gegenteil, denn dass der eitle, intrigante Edelmann aus Montaigne dem stereotypen Bild eines französischen Adeligen zur äquivalenten Zeit entspricht, schafft ein klares Bild. Die Politik der Staaten ist glaubwürdig dargestellt und ihre Geschichte sowie die Beziehungen zueinander sind gut durchdacht. Jede Kultur bietet durch die dichten und umfangreichen Ausführungen ein plastisches Bild mit Tiefe, das für das Spiel in der jeweiligen Region wertvoll ist. Viele interessante Aspekte der Epoche werden thematisiert und sinnvoll in das System integriert oder passend umgedeutet. Ein gutes Beispiel für solch eine passende Umdeutung findet sich in der sogenannten „golden liberty“ des Sarmatian Commonwealth.
Dieses an die Goldene Freiheit, eine Reform in Polen-Litauen, angelehnte Ereignis, wurde von einer Gleichberechtigung des Adels untereinander zu einer Gleichstellung aller Einwohner der Doppelnation durch Erhebung in den Adelsstand umgedeutet. Dabei wird der Vorgang beschrieben, plausibel erklärt und wirkt dadurch nachvollziehbar. Die fantastischen Elemente wirken organisch und sind gut in die Welt eingefasst. Es gibt allerdings auch einige, für den deutschen Leser seltsame Formulierungen in Bezug auf den „Eisen“ genannten deutschsprachigen Raum Théahs. Zum Beispiel heißen die drei großen Waldgebiete „The Wälder“, “The Liebliche Wald“ und „The Angenehme Wald“.
Abseits der Beschreibung der Kulturen und Nationen ist das Setting-Mahl noch nicht verspeist. Es gibt genug Hintergrundfutter, um großen Appetit zu stillen. Von der genauen Besatzung eines Schiffes, über die Vorstellung der Geheimbünde Théahs hin zu Material über die kirchliche Organisation: Die Auswahl ist groß und reichhaltig. Auch die Texte zur Magie und den Duellen bereichern die Welt weit über die Regelebene hinaus. Einzig die magere Beschreibung von Monstern, die Länder und Meere unsicher machen, trübt das Gesamtbild leicht.
Der Kontinent des Grundregelwerkes ist eine Goldgrube an Möglichkeiten für kreative Abenteuer. Verschiedene Abenteuertypen lassen sich in einer glaubwürdigen und variantenreichen Welt realisieren. Der Detailgrad ist weder auf zu kleinteiliges fokussiert, noch werden die wichtigen Aspekte grob abgefertigt. Für den Rahmen eines Grundregelwerkes ist die Beschreibung der Spielwelt vorbildlich und liefert eine prachtvolle, große Bühne, um sowohl Regisseur als auch Schauspieler zu erfreuen.
Die Regeln
Das Grundsystem ist denkbar einfach. Gerollt wird mit einer schnell ermittelten Anzahl zehnseitiger Würfel. Danach werden die Ergebnisse addiert. Jeder Zehner-Schritt ergibt dabei einen sogenannten „Raise“. Diese Einheit wird dann zum Erkaufen von Erfolgen in jedweder riskanten Situation eingesetzt. Dadurch, dass diese Regel auf jede Situation angewendet wird und somit universell funktioniert, sind die Grundlagen extrem einfach zu erlernen. Ergänzt wird das Ganze durch Hero Points, also Zusatzmünzen, mit denen sich kleinere Vorteile erkauft werden. Alle weiteren Ergänzungsregeln fußen auf diesen Mechanismen, ohne dabei komplex zu werden. Es wurde auf einige populäre Mechaniken aus Tischrollenspielen verzichtet.
Beispielsweise verursachen alle Nahkampfwaffen den gleichen Schaden. Entscheidend sind nur die ausgegebenen Raises. Der Effekt ist wie schon erwähnt ein schnell zu erlernendes Regelwerk, dass durch seine universelle Grundlage alle Aspekte des Spiels untermauert. Regelfüchse dürften sich hier wahrlich nicht wohl fühlen, denn Tiefe wird an keiner Stelle angestrebt. Allein im Magiesystem kommen ein paar neue Momente hinzu, ohne dabei an Komplexität zu gewinnen.
Ebenso wie die Universalregeln sind auch die Gesetze des Spielleiters nicht allzu schwierig geworden. Gegnergruppen, wie auch bedeutende Schurken und Monster sind schnell erstellt und leicht gehandhabt. In einer Probensituation würfelt der Spielleiter für die Widersacher einfach Würfel in Höhe dieses Ranges. Hinzu kommen noch kurze Regeln zu längeren Intrigen des Bösewichts und wenige Sonderregeln.
Das Grundregelsystem ist zusammenfassend ziemlich simpel und an vielen Stellen leider eher flach, als glatt zu nennen. Das System opfert der Simplizität fast jede Tiefe. Ob man sich damit wohlfühlt ist Geschmackssache. Dabei lesen sich die wenigen Regeln stellenweise nicht befriedigend. Ein genaueres Einzelurteil wird der Spieltest bringen. Viel blättern ist aber nicht nötig und die Regeln dürften schnell verinnerlicht sein.
Erzählspiel als Paradigma
Diese Grundlage soll aber noch durch weitere Methodik das Erzählspiel fördern. Dieser Anspruch wird durch mehrere Mechaniken versucht zu erreichen. Zunächst gibt es Bonuswürfel für Flair-Aktionen, also für eine kreative Beschreibung seitens des Spielers, sowie den erstmaligen Einsatz einer Fähigkeit in einer Szene, also für ideenreichen Abwechslungsreichtum. Diese Animation scheint anwendbar zu sein und dürfte den Drang zu wirklicher Erzählung, statt simplen Phrasen wie „Ich greife an“, fördern.
Man merkt dem System an allen Ecken und Enden an, dass es den Fokus auf narratives Spiel legt, sogar auf Kosten der Spielbalance. So ist das Magiesystem mit Ansage seitens der Entwickler extrem mächtig geworden. Bis hin zur Vernichtung ganzer Städte ist einiges möglich. Die Konsequenzen dieser Effekte sind häufig erzählerischer Natur, ebenso wie die Beschränkungen zum Einsatz der Zauberei. Auch mit vielen Sonderfähigkeiten, hier „Advantages“ genannt, lassen sich erzählerische Effekte auslösen. Umso stärker dieses Paradigma wird, desto wichtiger wird gutes Zusammenspiel und Einigkeit in der Gruppe. Wo der Regelanspruch sinkt, steigt er an beim kreativen und fairen Miteinander.
Der cineastische Konstruktionsfehler
Soweit so einfach. Doch was ebenfalls tief im System integriert ist, um dieses cineastisch zu gestalten und den Spielablauf zu vereinfachen, ist die größte Schwäche von 7th Sea: 2nd Edition und lässt mich an der Spielbarkeit zweifeln. Der Spielablauf ist in Szenen unterteilt. Dies können Action-Szenen sein, sowie dramatische Szenen. Die Action-Szenen sind simpel strukturiert. Der Spielleiter beschreibt die Ausgangslage, daraufhin entscheidet der Spieler, was er tun möchte. Ist die Situation riskant, wird gewürfelt und die Raise-Einheiten gezählt. Der Spielleiter legt dann fest, welche Konsequenzen mit den gesammelten Punkten verhindert werden müssen, beziehungsweise welche Gelegenheiten zusätzlich genutzt werden können.
Das gilt für allgemeine Action-Sequenzen, als auch für Kämpfe und ist aufgrund der kompakten Form einer Runde eigentlich kein Problem. Ein unschöner Effekt ist allerdings, dass der Spielleiter die möglichen Konsequenzen vorher ausformulieren muss. Die handelnde Person muss nur mit kreativer Beschreibung ein klares Problem durch gutes Würfeln und Abwägung der Punkteverteilung bewältigen. Nachdem von Seiten des Spielers klargemacht wurde, was er versuchen will, sind ihm die Konsequenzen schon bekannt. Dadurch wird in gewissem Maße die Spannung beschnitten.
Wirklich problematisch wird diese Herangehensweise aber in den dramatischen Szenen. Die gleiche Konstruktion wird hier auf alle weiteren riskanten Spielabschnitte angewandt. Nehmen wir das Beispiel eines Balles des reichen, aber intriganten Edelmannes aus Montaigne. Für die gesamte Szene muss die spezifische Herangehensweise vorher festgelegt und der entsprechende Würfelpool aus den Heldenwerten zusammenstellt werden. Beispielsweise: „Ich möchte im charmanten Gespräch mit den Anwesenden dem Gastgeber auf die Schliche kommen“. Jede abweichende Aktion kostet statt einem Raise zwei dieser Punkte, also beispielsweise ein Taschendiebstahl im beschriebenen Beispiel. Ist der Punktevorrat verbraucht, scheitert jede weitere riskante Aktion. Dieses System hat zwei Schwächen: Erstens ist auf beiden Seiten des Spielleiterschirmes kaum die Möglichkeit zum Planen der Szene gegeben. Der Charakter kann an der Tür schließlich kaum absehen, welche Fähigkeiten er im Inneren benötigen wird. Er kann außerdem nicht wissen, wie lang die Szene ist.
Er soll sich also von Anfang an auf eine bestimmte Aktion beschränken und dabei noch rätseln, wie er wann welche Punkte ausgeben soll, ohne dabei ein vernünftiges Maß zur Kalkulation zu besitzen. Der Spielleiter wiederrum kann im Voraus nur schwer die Aktionen seiner Spieler einschätzen, was in einer Einteilung in feste Szenen eine dramatische Schwäche ist. Hier ist extrem viel Erfahrung und Flexibilität von Nöten, wodurch aber nicht der gesamte Schaden abgefedert wird. Schließlich muss der Spielleiter immer die verbliebenen Raises im Blick behalten und seine Ideen darauf beschränken. Spontane Einfälle, oder bei schlechten Würfen sogar geplante Elemente, können eventuell nicht umgesetzt werden. Zweitens ist die Anforderung die Herangehensweise für die gesamte Szene zu bestimmen in einem System mit Fokus auf Narrativität ein Unding, da es aus erzählerischer Sicht schlicht keinen Sinn ergibt. Wieso sollte der Charakter nur erschwert dazu fähig sein, innerhalb einer langen Szene seine Vorgehensweise zu verändern?
Die Einteilung des gesamten Spielablaufs in Szenen ist künstlich. Um cineastisch, eben filmisch zu scheinen, werden wie in einem Film, Szenen als Struktur des Spieles angewandt. Nur funktioniert Tischrollenspiel eben nicht nach Szenen, die wie im Medium Film nach einem Skript planbar sind. Das erzählerische Miteinander wird hier nicht gefördert, sondern in ein ungesund eng sitzendes Korsett gepresst. Die Entwickler begehen hier völlig unverständlicher Weise einen medialen Kategorienfehler.
Charaktererschaffung und Entwicklung
Einen neuen Charakter zu schöpfen, benötigt von technischer Seite wenig Zeit. Die Punkte sind schnell verteilt und auf dem Bogen notiert. Die Anzahl an gebotenen Wahlmöglichkeiten für den frisch gebackenen Weltenretter sind zwar begrenzt, dennoch lassen sich viele Wünsche verwirklichen. Wie für den Anspruch des Systems angemessen, fördert die Charaktererstellung die Beschäftigung mit dem Hintergrund des Helden mehr als das Jonglieren mit Werten. Darunter leidet auch die Balance. Die Backgrounds, also die wählbaren Hintergrundoptionen haben sogenannte „Quirks“, Eigenheiten des Helden, bei deren Anwendung „Hero Points“ zurückgewonnen werden können. Diese variieren aber sehr stark in ihrer Anwendbarkeit von Optionen, die quasi immer zur Verfügung stehen, bis hin zu Ausnahmen, für die sehr spezifische Bedingungen erfüllt sein müssen. Zwar ist der Gewinn dieser Punkte durch Quirks pro Sitzung auf eine Einheit beschränkt, trotzdem kann hier Frustration aufkommen.
Der Charakterbogen fällt ebenfalls negativ auf. Es ist für einige relevante Informationen schlicht kein Platz. Bei aller angestrebter Knackigkeit der Aufmachung hätte hier eine zweite Seite sicher nicht geschadet.
Während die Heldenerstellung halbwegs überzeugt, sieht das mit der Charakterentwicklung nach der Geburtsstunde schlechter aus. Diese funktioniert auf zweierlei Ebene. Einerseits über die persönliche Geschichte der Heldin/des Helden, welche eine bestimmte Anzahl an Story-Schritten hat. Ist das Ziel schließlich erreicht, erhält der erfolgreiche Spieler Erfahrungspunkte in Höhe der Schritte. Anderseits funktioniert dies auf gleiche Weise mit der Geschichte für die gesamte Gruppe. Auch dieses System wirkt durch seine vorher determinierten Schritte extrem steif und künstlich. Zwar besteht die Möglichkeit Schritte erst später festzulegen, das Absolvieren eines Schrittes ist aber recht vage gehalten. Außerdem bekommt der Spielleiter die schwierige Aufgabe, alle Geschichten im Blick zu behalten und relativ gleichmäßig zu entlohnen, heißt, diese auch in seinen Plot zu integrieren. Das kann gerade für unerfahrene Leiter eine ziemliche Zumutung sein.
Preis-/Leistungsverhältnis
Der Preis von mindestens 49,95 EUR ist für ein hochwertiges 300-seitiges Tischrollenspielbuch-Buch gehobener Standard. Das Grundregelwerk als PDF soll in englischer Sprache ab November kostenlos im Rahmen eines Kickstarter-Stretchgoals auf der offiziellen Seite zur Verfügung gestellt werden. Umso verwunderlicher und unerfreulicher ist es da, dass die PDF Version aktuell für 24,99 USD aktuell verkauft wird. Kollege Michael hat vermutet, dass sich Geduld beim Warten auf die deutsche Version von Pegasus Spiele auch aus preislicher Sicht lohnen könnte.
Erscheinungsbild
7th-sea-2nd-edition-cover-review-germanDas Erscheinungsbild des Bandes ist absolut vorbildlich. Die 303 Seiten sind in voller Farbe auf hochwertigem, dickem Papier gedruckt. Die Schrift ist gut leserlich und das gesamte Layout wurde übersichtlich strukturiert. Ein Index sorgt in dem ohnehin gut durchdachten Band für noch leichteres zurechtfinden. Die Illustrationen sind durchweg schön geworden und geben einen tollen Eindruck Théahs in all seiner Pracht. Sehr positiv empfinde ich die, in Rollenspielbüchern leider seltene, Darstellung von homosexuellen Paaren beiderlei Geschlechts. Außerdem ist der Stil der Illustrationen einheitlich und wirkt nie unpassend.
Fazit
7th Sea: 2nd Edition ist ein janusköpfiges Wesen. Einerseits ist da das freundlich lächelnde Gesicht, das mit einer tollen Spielwelt, mit reichlich Ideen und einem spannenden Setting punktet. Aus dem strahlenden Auge dieses Antlitzes schaut mich ein schön illustriertes und gelayoutetes Werk an, das zum Weiterlesen einlädt. Wäre es nur dieses Gesicht würde ich dieses System wirklich lieben. Doch unter dem schönen Schein lauert ein anderes Sein. Flach, leicht mager und irgendwie erzwungen künstlich wirkend, blickt das Regelwerk den Leser an.
Und an diesen nicht zu Ende gedachten Weltgesetzen, die Erzählung fördern wollen, dabei aber dem Spielfluss Eisenfesseln schmieden, scheitert der Band. Das System ist trotz der einfachen Regeln nicht wirklich für Einsteiger zu empfehlen, da die arg konstruierten Spielstrukturen gerade unerfahrene Spielleiter schnell überfordern könnten.
Für diesen Ersteindruck habe ich den Band gründlich gelesen und einen Charakter erstellt, sowie beispielhafte Situationen nachvollzogen. Eine Jungfernfahrt, also ein ausgiebiger Spieletest, der die vermuteten Schwächen im Regelwerk testen wird, folgt.
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Es riecht nach Harz und geräuchertem Schinken, eine Eule ruft irgendwo in der Ferne und eine sich knarrend öffnende Tür führt in einen spärlich beleuchteten Raum. Ein Raum voller Waffen, Plunder und Vorräte. Es ist eine Rüstkammer, wie man sie in einer wehrhaften alten Burg in der Waldwildnis zwischen Andergast und Nostria erwartet.
Der erste Eindruck macht den Betrachter neugierig auf diese urigen Ausrüstungsstücke – doch dann sieht man neben sich einen stirnrunzelnden Zeugwart, der skeptisch auf den Haufen blickt und dann in den Raum fragt: „Brauchen wir den ganzen Kram überhaupt?“
Inhalt
Diese Frage bestimmt momentan die Gespräche bei vielen DSA-Runden im Land. Das Schwarze Auge sollte mit seiner fünften Regeledition schöner, schneller, schlanker werden. Von den nackten Regeln her ist das sogar eingetroffen, aber wenn man auf den Veröffentlichungsplan schaut, ist DSA 5 vor allem mehr, mehr, mehr. Mehr Regeln, mehr Zusatzmaterial, mehr Ausrüstung. Und genau um diese Ausrüstung geht es in der neuesten Veröffentlichung aus der Produktlinie zu den Streitenden Königreichen.
Hier findet sich auf gut 30 Seiten spezielle Ausrüstung für die Königreiche Andergast und Nostria. Etwa die Hälfte des Platzes wird von Waffen und Rüstungen eingenommen, die im Wesentlichen die gleichen Werte wie in den normalen Regelbänden haben, aber je nach regionaler Herstellungsmethode einige Zusatzeigenschaften besitzen.
So sind Schwerter aus Andergast etwas schwerer und machen Bonusschaden, wenn sie vom Pferderücken geführt auf feindliche Kämpfer krachen. Nostrische Schwerter sind dafür etwas schlanker, und das Parieren, wenn man im Sattel sitzt, ist mit ihnen erleichtert. Natürlich werden hier auch Klassiker wie der gute alte Andergaster – ein riesiger Zweihänder, der im Nachbarland natürlich Nostrier genannt wird – und der Nostrische Langbogen detailliert und mit kleinen Regelzusätzen vorgestellt. Daneben finden auch andere, weniger heldenhafte Waffen wie der Eberfänger, die Saufeder oder die Sturmsense ihren Platz in dem wunderschön gestalteten Heft. Obendrauf gibt es noch Regeln zu typischer Turnierausrüstung, Werkzeugen und besonderen Gegenständen wie dem Druidendolch aus Vulkanglas oder dem Magierstab aus Steineichenholz.
Neben Regeln liefert das Heft in den gut geschriebenen Hintergrundtexten viele Informationen zum regionalen Flair in den Streitenden Königreichen. So geben zwei kurze Absätze zum Beispiel Auskunft darüber, was in einem typischen Brotbeutel in Andergast oder Nostria zu finden ist und erinnern daran, dass im Küstenland Nostria gerne mal Fisch gereicht wird, während in Andergast herzhafter Schinken verzehrt wird. Nach all den ganzen Sonderregeln hätte es mich allerdings nicht überrascht, wenn hier sogar die genaue Kalorienanzahl und regeltechnische Auswirkungen vermerkt worden wären.
Schließlich bleiben noch fünf Seiten für Handel und Gewerbe in den Streitenden Königreichen übrig. Diese sind sehr interessant für alle Spielleiter, die das regionale Flair am Spieltisch noch mehr vertiefen wollen. Für jedes Königreich gibt es eine exemplarische Meisterperson, die den Helden als Kiepenkerl, fahrender Händler oder Markthändler begegnen kann. Zudem wird darauf hingewiesen, wo es in Andergast oder Nostria nennenswerte Märkte gibt. Während sich also der Großteil des Heftes an die Spieler richtet und ihnen Ausrüstung für ihre Helden liefert, findet auf den letzten Seiten der Meister reichlich Baustoff für nette Episoden auf der Reise oder in der Stadt.
Erwähnung finden sollten noch die sehr unterhaltsamen Dialoge der Archetypen aus dem Grundregelwerk, die mit jeder Veröffentlichung mehr und mehr zum Leben erwachen. Aus dem Off kommentieren sie mal mehr, mal weniger witzig die beschriebenen Gegenstände und diskutieren über deren Nützlichkeit. Wer schon immer die fachkundige Meinung eines Zwergen zu einem Eberfänger ohne Parierstangen oder einem fragwürdigen Spinatbier wissen wollte, findet sie in diesem Heft.
Preis-/Leistungsverhältnis
Das Heft ist nicht sonderlich dick, aber dafür auch nicht sonderlich teuer. Wer wirklich gerne und bitte ganz genau die Infos haben möchte, die in der Rüstkammer der Streitenden Königreiche zu finden sind, der macht hier nichts verkehrt und bekommt für sein Geld einen gut geschriebenen und hübsch gestalteten Band. Alle anderen leihen es sich bei Bedarf mal von einem Mitspieler aus, begnügen sich mit der günstigeren und platzsparenden PDF-Variante oder lassen ganz die Finger davon.
Erscheinungsbild
Wie alle bisherigen DSA 5-Veröffentlichungen glänzt dieses Heft mit wunderbaren, stimmigen Illustrationen. Zwar trauere ich immer noch ein wenig der charmanten Schwarz-Weiß-Optik früherer Regeleditionen hinterher, aber es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Ulisses inzwischen darauf achtet, in Sachen DSA einen hohen Qualitätsstandard zu halten.
Einen Index gibt es nicht, was bei der überschaubaren Seitenanzahl aber zu verschmerzen ist. Dafür gibt es am Ende eine kompakte Preisliste. Das Heft wirkt zudem gut verarbeitet und sollte viele Abende am Spieltisch mühelos überstehen.
Fazit
Die Streitenden Königreiche und kein Ende: Nie war es einfacher, einen authentischen Helden aus Andergast oder Nostria zu spielen, nie hatte man mehr Möglichkeiten, ihn mit regionalen Eigenheiten und speziellen Gegenständen auszustatten. Aber gleichzeitig war es auch selten zuvor so unübersichtlich. Wenn man als Spieler auch wirklich alles an Zusatzregeln mitnehmen möchte, muss man viel Micro-Management betreiben, wenn man die Übersicht über alle Effekte behalten möchte, die gerade wirken.
Seien es nun die in den Regionalspielhilfen beschriebenen Wesenszüge oder die kleinen Sonderregeln für die in der Rüstkammer beschriebenen Waffen. Insgesamt wäre weniger hier mehr gewesen, aber letztlich ist es ja jedem selbst überlassen, ob er jedes Regeldetail mitnehmen möchte.
Die generelle Kritik an der aktuellen Veröffentlichungspolitik und Regelentwicklung außer Acht gelassen, ist die Rüstkammer aber eine schöne und unterhaltsame Spielhilfe, die zwar nur eine kleine Zielgruppe hat, diese aber zur Zufriedenheit bedienen sollte.
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Das Orkpack ist in der Rollenspielszene keine unbekannte Formation. Ralf Kurtsiefer darf man getrost als Haus- und Hof-Komponist für DSA betrachten. Erst kürzlich erschien von Ulisses Spiele das neue Quellenbuch zu diesem uralten und unter DSA-Spielern wohl bekannten Zwist unter dem Titel Die Streitenden Königreiche. Da drängte es sich wohl auf, auch einen passenden Soundtrack für die Abenteuer in Nostria und Andergast zu konzipieren.
Nach eigenen Angaben von Hans Zimmer inspiriert, liefert das Orkpack seit 2011 regelmäßiges musikalisches Futter für Rollenspieler und auch Fan-Film-Projekte.
Ein ewiger Zwist
Warum genau Andergast und Nostria tief zerstritten sind, weiß wohl keiner mehr so genau. Zumindest so lange er nicht den neuen Quellenband studiert hat. Fest steht: Man mag sich nicht. So gar nicht. Von außen betrachtet ist es aber wohl eher wie bei der Twix-Werbung der zwei Brüder.
Besonders Anfänger-Abenteuer werden gerne in diesen sehr klassischen Fantasy-Ländern gespielt, da es dort doch noch recht bodenständig zugeht. Dennoch, der Streit bietet nicht nur unendlich vielen Geschichten Raum, sondern ist auch zweifelsohne eine Inspiration für Musik.
Tracks
Des Königs Gnade & der Königin Segen (2:20)
Ein ganz passabler Auftakt für das Album. Ein sehr optimistischer Track mit einem eingängigen Thema, das sehr passend auf die beiden Königreiche geschrieben wurde. Leider wirkt es ein bisschen wie aus einem Point-and-Click-Adventure der späten 80er Jahre.
Die nostrische Hochzeit –Instrumental- (1:12)
Ein sehr ruhiger, fröhlicher Titel. Man fühlt sich direkt ins Auenland versetzt, wenngleich man in Nostria sein soll. Perfekt für ruhige Passagen während eines Spiels. Leider etwas kurz.
Die nostrische Hochzeit (1:09)
Ungewöhnlicherweise folgt gleich darauf noch einmal dasselbe Lied, diesmal mit Text. Damit wirkt es tatsächlich ganz anders und könnte im Hintergrund einer Tavernen-Szene spielen. Leider endet es vollkommen abrupt.
Geister des Waldes (3:27)
So abrupt wie das letzte Lied endet, steigen wir hier plötzlich in eine sehr sphärische Szene ein. Man spürt förmlich die mystischen Wälder Andergasts. Für eine ruhige Reiseszene durch die unendlichen Wälder der Länder ein ausgesprochen schöner Track.
Der Hexenfluch von Hallerû (2:11)
Einer der stärksten Titel auf dem Album. Er baut eine wunderbare Dramatik auf, die sich über den Track hinweg steigert. Zwischenzeitlich vermeint man, Hexen durch die Luft sausen zu sehen oder besser zu hören. Am Ende bedrohlicher werdend, schließt er fulminant ab. Hier zeigen Orkpack was sie können. Leider jedoch viel zu kurz.
Vollmondnacht (4:37)
So stark „Hexenfluch“ uns mitgerissen hat, wird uns „Vollmondnacht“ wieder schnell vom Hexenbesen herunterholen. Wer sich eine aufregende Nacht erhofft, wird leider enttäuscht. Dafür plätschert der Titel nur vor sich hin. Er wird weder eine Szene verstärken, noch stören.
Der Grabhügel (2:50)
Ebenso ruhig ist auch „Der Grabhügel“, jedoch, wie der Titel verspricht, um ein Vielfaches gespenstischer. Ein unaufdringlicher, aber zur Unterstreichung gruseliger Szenen förderlicher Titel, der gefallen mag.
Ingval, Tommel &Thuransee (3:36)
„Endlich kommt das Album in Fahrt“, möchte man rufen. Auch diesem Titel gelingt eine vielversprechende Untermalung bedrohlicher Szenen, ohne sich in den Vordergrund zu spielen. Zu Beginn und am Ende eher ruhig, besticht die Mitte durch kurze Choräle und einen Spannungsbogen.
Weites Land und lichte Wälder (2:42)
Auch dieses Stück hat eine sehr saubere Entwicklung und lädt zu einem Spaziergang durch die Weiden und Wälder beider Reiche ein. Erneut ein Track für ruhige Szenen mit Passagen, die einem helfen, sich die lebendige grüne Natur vorzustellen.
Der verbotene Wald (2:31)
Was an dem Wald verboten ist, wird einem zumindest mit dem Titel nicht klar. Erst gegen Ende scheint er eine mystische Stimmung erzeugen zu wollen. Aber die 2:20 Minuten davor bleibt es eher ein ruhiges Kammerstück.
Orks in Theshkalien (2:28)
Martialische Trommeln geben hier den Auftakt zum Erscheinen der fiesen Orkenbrut. Langsam steigernd, mit wechselnden Passagen zwischen Trommeln und zusätzlichen Posaunen, kommt kriegerische Stimmung auf. Gelegentlich unterstreichen tiefe Männerchöre und Rasseln das Wild-Martialische der Orks. Einzig ein recht ruhiger Abschnitt im letzten Drittel will nicht ganz passen.
Kampf um die Grenzlande (2:30)
Martialisch geht es auch gleich in diesem Titel weiter, der in seiner Machart an Filmmusik erinnert. Hier wird eine kurze Geschichte erzählt, die einen epischen Kampf wiedergibt. Leider ist der Track ein bisschen kurz für eine Kampfszene und müsste in Schleife gespielt werden.
Sumus Leib (2:59)
Da ist Hans Zimmer! Ganz eindeutig hört man hier die Inspiration von seiner Musik heraus und fühlt sich ein wenig an The Da Vinci Code erinnert. Effektvoll eingesetzte Streicher, sphärische Frauengesänge und ein schöner Aufbau liefern eine wunderbare Kulisse für allerlei Abenteuer.
Silber auf Blau (ein nostrisches Wiegenlied) (2:40)
Das zweite Lied des Albums mit Gesang. Beide Lieder geben einen schönen Einblick in die Kultur Nostrias und machen sie ein Stück lebendiger. Eine passende Szene für den Track muss man wohl finden, aber im Zweifel lässt man das Lied für den Moment alleine wirken.
Der Rat der Sumen (4:00)
Ein recht schwaches Lied des Albums, welches, wie schon „Vollmondnacht“, nur vor sich hin plätschert. Ähnlich lang gelingt es auch hier nicht, eine das Spiel unterstützende Stimmung zu erzeugen. Die Zeit hätte man besser in andere Stücke investiert und es bei der „Vollmondnacht“ belassen. So bleibt „Der Rat der Sumen“ ein unnützer.
Yolande & Wendelmir (3:36)
Prinz Wendelmir gehört wohl zu den verhasstesten Charakteren in Andergast. Arrogant und draufgängerisch zieht er mit seinen Freunden aus dem Hochadel gerne durch das Land, um Ärger zu machen. So kommt durchaus auch der Titel daher, der für Yolande ein paar romantische Abschnitte bereithält.
Die Streitenden Königreiche (12:22)
Der titelgebende Track des Albums kommt ungewöhnlich lang daher. Mit über 12 Minuten muss man sich zumindest keine hektischen Gedanken machen, was als Nächstes folgt.
Gekonnt gibt dieser Titel ein Potpourri der letzten Tracks wieder, und immer wieder entdeckt man kleinere Anlehnungen an die bisherigen Lieder, aber auch einiges Neues. Dabei bleibt er unaufgeregt, was hier nicht verkehrt ist, denn somit kann er im Hintergrund ohne Weiteres einfach laufen.
Ode an die Tapferen (2:27)
Zu Beginn leistet sich der Titel einen kleinen Rückfall in die Anfänge des Albums. Nach einer knappen Minute jedoch ist wieder das höhere Niveau erreicht. Leider bleibt die Ode hinter den Erwartungen zurück, und wer Epik und Heldengesänge erwartet, wird enttäuscht werden. Stattdessen erneut ein ruhiges Stück für die Reise.
Nostria, steh auf! (1:51)
Der Auftakt des Liedes ist mehr die Ode, die das letzte Lied hätte sein können. Plötzlich setzt jedoch eine sehr fordernde und passende Erzählerstimme ein. Der Titel erinnert in seiner Machart ein wenig an E Nomine. Wer jetzt nicht zum Schwert greifen will, dem kann man nur bedingt helfen. Zum Auftakt eines Spieleabends sicher eine schöne Idee.
Steinkreise (2:33)
E Nomine stand wohl auch für diesen Titel Pate, und das darf man durchaus als gelungen bezeichnen. Flüsternde Frauenstimmen schaffen eine ganz besondere Stimmung und verlocken zum Zuhören. Man will wissen, was gesprochen wird, so sehr zieht die Stimme einen in ihren Bann. Im Spiel könnte dies hinderlich sein.
Verwendbarkeit im Rollenspiel oder LARP
Gleich vorweg, für LARP ist dieses Album nicht tauglich. Zu viele ruhige Titel, die keine Stimmung befördern können. Lediglich die Titel „Hexenfluch“, „Steinkreise“ oder „Kampf um die Grenzlande“ könnten ihren Weg in ein LARP finden. Aber das will das Album auch nicht. Was es aber will, ist Rollenspiele begleiten. Die Titel bieten sich im Grunde nur für Fantasy an, andere Genres dürften eher unter der Musik leiden, zu pseudo-mittelalterlich ist sie für Anderes, und es gibt bessere Lösungen. Als sanftes Hintergrundgeplätscher kann das Album eingesetzt werden, und auch für den einen oder anderen Höhepunkt findet sich ein Titel.
Preis-/Leistungsverhältnis
Für 16,99 EUR erhält der Käufer 20 Titel in unterschiedlichen Längen. Bisher ist das Album als Silberling bei Amazon und Ulisses erhältlich. Das mag wertig sein, aber heute kann man Alben auch als digitale Version erwarten. So entsteht leider ein zusätzlicher Aufwand, wenn man eine Playlist erstellen möchte.
Fazit
Wären Andergast und Nostria Musik, dann würden sie sich wohl ziemlich genau wie dieses Album anhören. Vergleichend mit anderen Ländern Aventuriens oder gar Myranors ist es hier beschaulich, ja geradezu langweilig, und so schafft es auch dieses Album nicht, mitzureißen. Ziemlich genau in der Mitte des Albums vermeint man ein ganz neues Album zu hören. Hat man zunächst den Eindruck, in die 80er oder 90er zurückversetzt zu sein und Musik aus einem der zahlreichen Abenteuer der Zeit zu hören, ist die zweite Hälfte qualitativ um ein Vielfaches besser. Das gilt sowohl für die Komposition, als auch den tatsächlichen Klang. Einzig zwei Titel der zweiten Hälfte trüben diesen Eindruck ein wenig.
Ein schönes Album für Fans von Orkpack und sicherlich passend zu eher ruhigen Abenteuern in den beiden Reichen, lässt es letztendlich doch etwas Dramatik vermissen. Für den Preis bleibt es also etwas für Liebhaber.
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Wer Andergast und Nostria nicht kennt, bekommt durch den Klappentext erst einmal einen sehr dramatischen Einblick in die Region: Ewiger Zwist zwischen zwei Reichen! Raue Küsten, tödliche Steppen und die Gefahren der Waldwildnis! Tückische Drachenlibellen und finstere Marwolde! Moment mal, was sind überhaupt Marwolde? Ein Blick ins Buch hilft hier weiter, aber spannender ist natürlich die Frage, wie die Beschreibung der Region gelungen ist und wie gut sich das Buch für künftige Abenteuer am Spieltisch eignet.
Inhalt
Bei näherer Betrachtung sind die Streitenden Königreiche natürlich nicht gespickt mit Todesfallen, sondern recht beschauliche, wenn auch etwas rückständige Länder mit sittsamen Bauern, umtriebigen Händlern, enigmatischen Druiden und Hexen, sowie machtbewussten Adligen. Aber ja, den ewigen Zwist zwischen den beiden Königreichen und die Gefahren der Wildnis gibt es – und somit auch genug zu tun für die Spieler und deren Helden!
Zuerst bekommt der Leser einen groben Überblick geboten, der an den Stil des Aventurischen Almanachs angelehnt ist. Hier werden mit einigen Sätzen und Daten die beiden Königreiche kurz und prägnant auf zehn Seiten beschrieben: Wer herrscht wo und wie? Was für Helden kommen aus der Region? Was sind die wichtigsten Orte und wie komme ich dahin? An welche andere historische oder erfundene Region erinnert mich das? Und wie ist eigentlich gerade das Wetter in Joborn?
Kurzum ein schöner Einstieg, der Lust auf mehr macht und dem eiligen Leser, wie es so schön heißt, einen ersten Einblick verschafft. Sehr praktisch sind dabei einige thematische Karten zur Übersicht und eine Tabelle mit Reisezeiten zwischen den größeren Städten.
Stadt, Land, …
Eine ausführliche Beschreibung der Region sowie ihrer Landschaften und Städte, erfolgt auf den nächsten knapp 40 Seiten. Hier kann der Meister des Schwarzen Auges aus den Vollen schöpfen, wenn er seine Spieler durch die Streitenden Königreiche führen möchte. Sei es für ein ganzes Abenteuer in der Sumpfregion Thuranien oder für einen kurzweiligen Landgang in der lebhaften Hafenstadt Salzerhaven, hier finden sich ausreichend Informationen, um Andergast und Nostria mit Leben zu füllen.
Dabei werden die beiden Reiche nicht getrennt voneinander beschrieben, sondern sortiert nach acht Landschaften, die teilweise grenzübergreifend sind. Ein kleines Symbol am Anfang jedes Abschnitts zeigt an, ob die Landschaft zu Andergast (Eichenblatt) oder Nostria (Salzarele) oder zu beiden gehört. Immer dann, wenn der Leser nicht genau wissen sollte, in welchem Reich er sich gerade befindet, genügt ein Blick zurück an den Anfang des jeweiligen Abschnitts – praktisch.
Es folgen, alphabetisch sortiert, achtundzwanzig Städte und Dörfer, die je nach Größe und Bedeutung unterschiedlich ausführlich beschrieben werden. Hier erfährt der Leser deutlich mehr über kleinere Orte, als noch in der Vorgängerspielhilfe Unter dem Westwind. Dort mussten die zänkischen Reiche sich den Platz noch mit Thorwalern und Gjalskerländern teilen, wodurch damals nur gut 30 Seiten übrig blieben. Nun durften sich die Autoren alleine für die Städte und Dörfer auf 20 Seiten austoben, sodass Platz blieb für farbige Karten zu den fünf größten Städten der Region.
Wer möchte, kann sich für ein paar Abenteuer in dem generischen Dorf Hollerdonk niederlassen, das irgendwo im waldigen Grenzland zwischen den beiden Reichen liegt und je nach Belieben ausgestaltet werden kann. Dieses Dorf bietet sich aber in erster Linie für Einsteigerhelden an, vielleicht sogar eher für Einsteigerspieler, denn für langfristige Spieltiefe müsste der Meister das Dorf komplett renovieren.
Kultur und Natur
Nach der Beschreibung der einzelnen Landstriche und Orte folgen auf den nächsten 60 Seiten grundlegende Informationen zur Kultur der Streitenden Königreiche. Hier werden regionale Gebräuche und politische Strukturen sowie Handwerk, Handel, Religion und Zauberkunst in Andergast und Nostria beschrieben. Auch diese Kapitel bieten schöne und stimmige Details, um die Darstellung der Region am Spieltisch zu vertiefen. Auch kurioses, wie einige regionale Hinrichtungsarten, wie zum Beispiel das „Eichen“ in Andergast, das aus einer tödlichen Verbindung von Eichenteer, Eichenknüppeln und einem gewaltbereiten Mob besteht.
Die Beschreibungen der religiösen Bräuche in den Streitenden Königreichen sind ebenfalls gut gelungen. Synkretismus und andernorts längst vergessene Kulte sind hier Normalität, ebenso wie der Einfluss der lokalen Druiden, Sumen genannt, die eine wichtige Rolle am Königshof in Andergast einnehmen.
Die verschiedenen Traditionen der Magier, Druiden und Hexen der Region werden ebenfalls sehr lebendig beschrieben, wodurch Spieler ihrem zaubernden Helden mehr Tiefe verleihen können. Etwas überraschend kommt die Neuerung, dass es nun in Nostria eine Tradition der Zauberzeichenanwendung gibt, die hier Ahnenzeichen heißen. Das passt zwar nüchtern betrachtet ganz gut in die Region, wirkt vom Hintergrund her aber etwas gezwungen.
Es gibt auch ein gesondertes Kapitel für Flora und Fauna mitsamt Regeln zu einigen ausgewählten Tieren und Pflanzen. Ob Einhörner, Höhlenbären oder die guten alten Riesenhirschkäfer regionale Besonderheiten darstellen, wage ich aber zu bezweifeln. Insofern stellt sich natürlich die Frage, ob diese Wesen nun auch in anderen Regionalbeschreibungen auftauchen werden. Das wäre natürlich nur logisch, denn für die Werte eines Einhorns möchte ich nicht extra die Spielhilfe für eine ganze Region kaufen müssen, die mich ansonsten vielleicht gar nicht interessiert. Es bleibt also abzuwarten, welche Strategie Ulisses hier in Zukunft verfolgen wird.
Von Namen und Rängen
In der Rubrik „Rang und Namen“ werden zunächst die wichtigsten Meisterpersonen der Region in ausführlichen Texten und mit Porträtbildern vorgestellt. Hier vermisse ich lediglich das Geburtsdatum, um einordnen zu können, wie alt die Personen ungefähr sind. Die Bilder sind zwar gut, helfen dabei aber nicht wirklich weiter. So wirkt der Sume Kusmin deutlich älter und reifer als König Wendelmir, ist aber laut Text eindeutig eine jüngere Figur. Glücklicherweise hat jeder der Regionalpromis ein mehr oder weniger dunkles Geheimnis und wird weiter hinten im Band nochmal etwas intimer – und mit Geburtsdatum – vorgestellt.
Es folgen etwa zwei Dutzend weitere Meisterpersonen, mit denen der Meister die Streitenden Königreiche beleben und anscheinend auch Schach spielen kann. Bei jedem Namen steht jedenfalls ein an eine Schachfigur angelehntes Symbol, das aber leider nicht genauer erklärt wird. Wahrscheinlich findet sich dazu eine Legende im Aventurischen Almanach, dessen Besitz auch vorausgesetzt wird, aber jedes Produkt sollte ja doch in einem gewissen Maße für sich selbst stehen können.
Etwas weiter hinten als gewohnt kommt die Historie der Region. In der Vergangenheit ist nicht so schrecklich viel passiert, denn Andergast und Nostria bekriegen einander seit es die beiden Reiche gibt. Punkt. Auf einer knappen Seite erfahren wir zudem, was sich seit der letzten Spielhilfe vor zwölf Jahren verändert hat, wer nun herrscht und welche neuen Figuren auf dem Spielbrett der Macht erschienen sind. Zusammen mit den Beschreibungen der beteiligten Meisterpersonen und ihrer Geheimnisse bekommt man auch einen guten Überblick über die jüngsten Ereignisse, der nur wenige Fragen offenlässt.
Nicht zu vergessen
Kommen wir schließlich zu einer Neuerung bei den Regionalspielhilfen. Diese enthalten nun einen nicht unwesentlichen Anteil an neuen Regeln. Auf gut 30 Seiten werden unter anderem neue Professionspakete vorgestellt, die typisch für die Region sind, aber auch aventurienweit verbreitete Berufe wie zum Beispiel den Holzfäller mit einschließen.
So sinnvoll dieser Zusatz auch ist, bereitet er mir ein wenig Magenschmerzen, denn hier sind auch Professionspakete zu Magiern aus Andergast und Nostria zu finden. Heißt das, dass ich bis zur Maraskan-Spielhilfe (also irgendwas zwischen fünf und zehn Jahren) warten muss, wenn ich einen Magier aus Tuzak spielen will? Ich hoffe doch nicht! Die bald erscheinende Regelerweiterung Aventurische Magie wird da hoffentlich einiges klären. Zumal sich eine ganze Reihe neuer Zaubersprüche im vorliegenden Band befindet. Hier erschließt sich mir nicht ganz, warum die Zauber tröpfchenweise kommen müssen und ich mit Beginn der neuen Regeledition nicht einfach einen Band mit allen Zaubersprüchen kaufen kann. Meinetwegen kann man ja bei einigen obskuren lokalen Zaubern so verfahren, aber muss das bei Allgemeinplätzen wie dem Foramen (öffnet Schlösser) oder dem Attributo (erhöht kurzzeitig eine Eigenschaft) auch so sein?
Passender wird da schon der ganz neue Regelzusatz der Wesenszüge eingebaut. Diese neue Fokusregel gibt den Spielern die Möglichkeit ihre Helden mit regionalen Besonderheiten auszustatten, die sich regeltechnisch in kleineren Erleichterungen oder Erschwernissen widerspiegeln. Auch die weiter oben beschriebenen nostrischen Ahnenzeichen werden hier nun in Regelform vorgestellt. Die vorgestellten Zeichen passen vom Zweck her gut zur Region und verstärken zum Beispiel Angeln und Bögen.
Ebenfalls neu: Nach dem Index ist der Band noch nicht vorbei, sondern es kommen noch siebzehn Seiten mit mehr oder weniger streng geheimen Mysteria & Arcana zum Vorschein. Hier finden sich traditionsgemäß Verweise auf ungeklärte Mysterien und verborgene Intrigen in der Region. So gibt es auch in den Streitenden Königreichen geduldige Ränkeschmiede, die nur auf den richtigen Moment warten, um aus dem Schatten zu treten. Es gibt also genug Anregungen für Abenteuer in dieser ansonsten bodenständigen Region, die hinter den Kulissen der Macht stattfinden. Ausflüge in die Wildnis zu geheimnisvollen Orten mit potenziell vielen Schätzen sind aber auch möglich, keine Sorge.
Zudem findet sich hier eine offizielle Erklärung, warum Nostrier und Andergaster seit Jahrhunderten einander an die Gurgel zu gehen. Dieses Geheimnis möchte ich hier nicht lüften, aber anmerken, dass die Erklärung doch etwas holprig wirkt. Irgendwie habe ich den Eindruck, als sei aus zwei Ideen eine Art Kompromisslösung geschaffen worden, die mir etwas zu abstrus scheint, aber das ist ja letztlich auch Geschmackssache. Etwas bedenklich finde ich jedoch den Vorschlag, Figuren aus den Streitenden Königreichen einen entsprechenden regeltechnischen Vorteil zu geben, durch den sie mehr Schaden an Angehörigen der anderen Nation machen. Warum nicht einfach angemerkt werden konnte, dass Nostrier und Andergaster in der Regel den Nachteil Vorurteile gegen den jeweils anderen haben, bleibt mir schleierhaft. Zudem stellt sich mir hier wie schon so oft bei DSA5 die Frage, wer bei diesen ganzen regeltechnischen Extrawürsten den Überblick behalten soll und wer sie überhaupt braucht.
Preis-/Leistungsverhältnis
Hier bekommt der geneigte Rollenspieler einiges für sein Geld: knapp 200 vollfarbige Seiten mit Lesebändchen und eine beiliegende Karte der Region. Leider fehlt eine Kartentasche und generell waren früher auch noch als Extra die Stadtkarten mit dabei, aber die werden nun gesondert als Kartenset verkauft. Ganz generell versucht Ulisses hier noch einiges zusätzlich zu verkaufen, denn neben dem Kartenset gibt es noch einen Ausrüstungsband, einen Soundtrack, ein Spielkartenset, ein sogenanntes Heldenbrevier (also In-Game-Texte) und ein begleitendes Abenteuer. Deswegen wäre es vermutlich sinnvoller, die grundlegende Spielhilfe 5 bis 10 EUR günstiger anzubieten, denn ich für meinen Teil würde dann eher auch noch den Ausrüstungsband holen.
Wer das Geld hat und es ausgeben möchte, darf übrigens gerne nochmal 30 EUR mehr auf den Tresen legen und sich die limitierte Sonderausgabe mit Kunstledereinband und einem goldenen Motiv auf dem Buchdeckel besorgen. Sieht von außen wunderschön und stilvoll aus, hat aber den gleichen Inhalt.
Erscheinungsbild
Das Layout ist wirklich sehr, sehr gut. Sicher kann man über das Titelbild diskutieren, das einen vollgerüsteten Ritter in Platte und eine ebenfalls schwer beladene Kämpferin auf den dicken Stämmen eines uralten Baumes zeigt, aber im Innern erwarten den Leser außerordentlich stimmige Landschaftsbilder und Charakterporträts. Ich persönlich mochte zwar den Charme der schwarz-weißen Seiten der vorherigen DSA-Bücher lieber, kann mich aber so langsam mit dem neuen bunten Aventurien anfreunden. Gut gelungen sind auch die neuen Stadtpläne, lediglich das neue Design der Landkarten sagt mir nicht zu. Hier war der alte Stil einfach übersichtlicher und ich persönlich werde wahrscheinlich auch weiterhin die alten Karten nutzen.
Fazit
An der Beschreibung der Region gibt es nur wenig zu bemängeln. Die Streitenden Königreiche werden trotz ihrer Nähe zum Standard-Fantasy-Kleinkönigreich als interessante Orte beschrieben, an denen ich gerne Abenteuer durchspielen oder leiten möchte. Dem Spielleiter wird genug Inhalt geliefert, um die Spieler bis zur nächsten Regeledition und darüber hinaus zu beschäftigen. Auch wer noch in der vierten Edition steckt, kann bedenkenlos zugreifen, da die meisten Beschreibungen zeitlos sind. Hier gibt es in der Tat nur sehr, sehr wenig zu meckern.
Was den Regelteil angeht, folgt nun allerdings ein sehr, sehr großes ABER. Natürlich sind manche Regelungen nützlich, um einem Helden schärfere Konturen aufgrund seiner Herkunft zu verleihen, aber wer soll da den Überblick behalten? Wenn mein Held x Sonderfertigkeiten oder meinetwegen Wesenszüge hat, artet der Spielabend schnell in Herumblättern und Charakterbogenverwaltung aus, falls diese wirklich mal zur Anwendung kommen.
Auch stellt sich mir die Frage, wieso hier allgemeine Regeln zu finden sind, die ich eigentlich in einem der Grundregelwerke erwarten würde. Zudem ist auch hier das Problem das viele hin und her blättern, da zum Beispiel die Werte für Tiere und Pflanzen nicht im Regelteil zu finden sind, sondern im allgemeinen Kapitel zur regionalen Flora und Fauna.
Ich verbleibe also mit gemischten Gefühlen, aber da ich von einer Regionalspielhilfe in erster Linie nützliche Informationen und Beschreibungen erwarte, mit denen ich das Abenteuer am Spieltisch lebendiger gestalten kann, ist der Gesamteindruck doch eher positiv. Denn in diesem Punkt haben die Autoren eine sehr gute Arbeit abgeliefert.
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Dead Reign ist ein Spiel um die Zombie-Apokalypse. Eine spannende und lebendige Idee, die mich als Leser natürlich sofort an Genreklassiker wie 28 Days Later und Resident Evil denken ließ. Und tatsächlich, im Hause Palladium hat man sich reichlich Kreatives zum Thema einfallen lassen. Herausgekommen ist ein Spiel, dessen Stärke im Umgang mit der Zombie-Thematik liegt. Hier wird teilweise sehr innovatives Gedankengut erkennbar. Die Schwächen sind aber nicht zu übersehen. Sie liegen für mich vor allem in einem völlig unlogischen Aufbau des Regelwerkes, gepaart mit einer Spielmechanik, die deutlich an längst vergangene Rollenspieltage erinnert.
Die Spielwelt
Gespielt wird in einer - wie könnte es anders sein - postapokalyptischen Welt. Die Verteidigungskräfte der Menschheit sind einer Zombieplage anheimgefallen. Das gilt für Militär und Polizei genauso wie für Krankenhäuser, Versorgungseinrichtungen und Informationsdienste. In einem Zeitalter, das wie das unsere von Erreichbarkeit und Information geprägt ist, befinden sich die Menschen plötzlich in einer Situation der Isolation. Rundfunk und Internet sind tot und die Notrufhotlines geben nur noch ein trauriges Fiepen von sich. Aber nur, sofern das nun nutzlose Smartphone überhaupt noch über Strom verfügt.
In dieser Trostlosigkeit wandeln die Toten, von einem klaren Ziel angetrieben: den Menschen die Lebenskraft zu nehmen. Denn diese Zombies nagen nicht einfach an Fleisch oder Gebeinen, und sie haben es auch nicht auf die Hirne ihrer Opfer abgesehen. Sie dürsten nach Leben. Sie hungern nach der Kraft, die vergleichbar einer Seele durch die Leiber der Lebenden fließt. So verwandeln sich auch „Gebissene“ nicht binnen Sekunden selbst in Zombies. Nur die, deren Lebenskraft zur Gänze von einem Wiedergänger aufgezehrt wurde, kehren Minuten später zurück. Sie werden zu einem Wesen der zahllosen Schar. Und das ist auch die Stärke der Untoten. Getrieben vom Hunger jagen sie, wie die Tiere. In Scharen versuchen sie ihre Beute einzukesseln und zu zerreißen. Dabei gehen sie sehr unterschiedlich vor.
Dead Reign bietet sieben verschiedene Arten von Zombies an. Von den Humplern über die Kriecher geht es bis zum stumpfen Gewohnheits-Zombie, der dazu verdammt ist stets die gleiche, sinnlose Bewegung zu machen. Aber wirklich gruselig sind die intelligenten Denker, die Zombies mit Verstand und Taktik.
Zombies sind aber nicht die einzigen Gefahren, die die Spieler in dieser Welt erwarten. Nicht alle Überlebenden sind gut, und so finden sich Wegelagerer, Todeskultisten und anderer Abschaum unter denen, deren Körper noch warm sind.
Woher die Bedrohung kommt, ist unklar. Es muss wohl einmal, in einer Vorabversion oder Ankündigung des Spiels im Rifter 40, eine klare Antwort gegeben haben. Demnach soll ein Dämon die Seuche bewusst ausgelöst haben. Da diese übernatürliche Erklärung jedoch bei den Lesern gemischte Gefühle auslöste, entschied man sich, diese in der Endversion nur als eine Möglichkeit von vielen anzubieten. Alternativ könnte ein Pharmakonzern, ein Todeskult, eine einfache Seuche oder die Regierung dahinter stecken. Diese Offenheit begrüße ich, weil sie dem Spielleiter die Möglichkeit offen lässt, ganz nach seinem persönlichen Geschmack, Abenteuer über die Ursache der Bedrohung zu leiten, egal, ob er blanken Realismus oder eine übernatürliche Verschwörung favorisiert.
Und der Job der Spieler in dieser Welt aus leeren Gebäuden und eingefallenen U-Bahn-Tunneln?
Überleben!
Die Regeln
Die Regeln wirken, mit ihrem klaren Fokus auf W20 und ihren endlosen Prozentlisten zu Dingen wie Geisteskrankheiten, Charaktererschaffung und mehr, eher altertümlich. Am leichtesten lässt sich die Schlichtheit, und aus meiner Sicht mangelnde Eleganz des Systems, recht deutlich an den Grundregeln des Kampfes zeigen. Zunächst wird Initiative gewürfelt. Dabei entscheidet, sofern nicht gerade einer von zwei möglichen Skills eingesetzt wird, in der Regel der W20. Die höhere Zahl gewinnt. Anschließend wirft der Angreifer seine Attacke. Bei 1-4 auf W20 geht der Angriff daneben, ansonsten wird automatisch von einem Treffer ausgegangen. Nun kann der Verteidiger entweder parieren, was ihm in seiner Phase den Angriff bewahrt, versuchen auszuweichen oder sich die gegnerische Waffe zu schnappen. Bei letzteren beiden Aktionen verliert er jedoch seine folgende Angriffsrunde. Gelingt ihm das alles nicht, wird Schaden ermittelt. Mich erinnert dies sehr stark an Rollenspiele vergangener Jahrzehnte. Es ist sicherlich, wie die Autoren angeben, ein erprobtes System. Aber es ist meiner Meinung nach nicht mehr zeitgemäß. Wer Retro-Charme jedoch etwas abgewinnen kann, wird auf seine Kosten kommen. Viel simpler kann ein System kaum gestrickt sein.
Charaktererschaffung
Ich habe etwas gebraucht, bis ich die Charaktererschaffung überhaupt gefunden habe, denn sie taucht, wie alle Regeln, ungewöhnlich spät im Buch auf. Tatsächlich erfährt der Unkundige sogar erst auf Seite 144 was ein Rollenspiel ist. Er ist bis dahin aber schon mit Charakterklasse, Ausrüstungslisten und dem Setting bombardiert worden.Das wirkt wenig durchdacht.
Wie das ganze Regelsystem, mutet auch die Charaktererschaffung altmodisch und wenig zeitgemäß an. So werden zunächst acht Attribute mittels 3W6 bestimmt. Ist das Gesamtergebnis des Wurfes höher als 16, gilt das Attribut als außergewöhnlich und es wird ein weiterer W6 dazu gerollt. Eine 6 bei diesem Wurf führt zu einem weiteren Bonus.
Auch einige, vor allem physische Skills, führen zu Bonuspunkten bei den Attributen. So erhöht zum Beispiel die Fähigkeit „Ringen“ gleich zwei Attribute um jeweils zwei Punkte.
Im zweiten Schritt werden die Trefferpunkte und die strukturellen Schadenspunkte ermittelt. Während ein Schaden an den Trefferpunkten eine ernst zu nehmende Wunde darstellt, sind die strukturellen Schadenspunkte nur vorübergehende Blessuren.
Dann ist wildes Blättern angesagt (weil entsprechende Querverweise schlicht fehlen), denn nun geht es von den 150er Seiten plötzlich zur Seite 70, wo uns die Charakterklassen präsentiert werden. Hier sind einige sehr schöne Ideen vorhanden. Es finden sich die schnittigen, nicht ganz ausgeleerten Halbzombies, natürlich Soldaten und Plünderer, aber auch Hundeführer, Reaper (waffenstarrende Desperados auf einem persönlichen Kreuzzug), oder die Hirten der Verlorenen, also solche, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, den Überlebenden Schutz und Hilfe angedeihen zu lassen. Sehr spannend sind auch die Bürger von der Straße (Ordinary People), deren Berufsfelder von Automechaniker bis Haushälterin, von Landschaftsgärtner bis Bauarbeiter oder von Medienillustrator bis Koch reichen können. Die Klasse bestimmt die Skills und sonstige Boni des Charakters.
Nun noch schnell eine der drei Gesinnungen gewählt, also Gut, Böse oder Egoistisch, und fertig ist der Charakter. Es sei denn, man verspürt in sich den Drang, zurück in die 150er Seiten zu blättern und den Familienstand, die Lebensverhältnisse und den Geburtsrang, oder sonstige Hintergründe, auf den ausgefeilten Prozenttabellen zu erwürfeln.
Preis-/Leistungsverhältnis
Das PDF wurde zunächst mit 22,95 USD angeboten. Für ein Spiel mit Retro-Charme, dessen Regelwerk ich persönlich nicht stimmig finde, aus dem sich aber für den geneigten Leser sicherlich einige Ideen für andere Systeme herleiten lassen, ist das recht viel. Zumal im Innenteil keine Vollfarbigkeit vorzufinden ist. Mittlerweile liegt der Preis des PDF im Angebot bei 11,49 USD. Diese wäre ich zu zahlen bereit.
Erscheinungsbild
Hier kommen wir zu den absoluten Schwachpunkten dieses Spiels. Bei Dead Reign erwartet den Spielleiter und die Spieler bei der Lektüre des Regelwerkes der wahre Albtraum. Sind Cover und Rücken noch farbig gestaltet, versetzt das Schwarz-Weiß-Artwork im Innenteil auch von seiner mangelnden Qualität den Leser in die frühen Zeiten der 1990er Jahre. Schriftarten und Layout sind mehr als schlicht und dienen weder dem Ambiente des Spiels noch der Orientierung des Lesers. Es gibt keine verzierten Seitenränder und keine passenden Schriftarten, anstelle dessen trostloser Blockdruck und sperrige Buchstaben.
Der innere Aufbau ist völlig unlogisch. So bekommt der Leser zunächst das Setting beschrieben, dann die Werte der Zombies, Charakterklassen und Ausrüstung geboten. Erst dann erfährt er, was ein Rollenspiel ist und was es denn nun mit diesen Werten auf sich hat. Dazu kommen dröge, einfach nur heruntergetippte, Tabellen ohne optischen Zierrat oder unterstützende Unterlegungen. Ein Inhaltsverzeichnis ist zwar vorhanden, dafür fehlt aber ein Glossar bzw. ein alphabetischer Index völlig. Stattdessen erhält man eine sehr kurze Quickfind Tabelle. Alles wirkt lieblos und altbacken.
Fazit
Dead Reign ist ein Zombie-Apokalypse-Spiel, in dem sehr viele schöne Ideen Einzug gehalten haben. Wer es mag, sich dem nackten Kampf ums Überleben zu stellen, kann sich hier gegen die Heerscharen der Untoten stellen und seine Lebensenergie verteidigen oder Häschern der Todeskulte entrinnen. Dabei erwartet den Spieler ein schönes Setting, das sich aber im Kleid eines völlig antiquierten Regelsystems und vor allem eines albtraumhaft schlechten Layouts und Designs verbirgt.
Mag das Regelsystem noch Geschmackssache sein und unter Rollenspielern der alten Schule vielleicht sogar positiv aufgenommen werden, so ist die Handhabung und die mangelnde innere Logik des Buches an sich nicht akzeptabel. Gerne würde ich für das Setting eine positivere Wertung geben. Vielleicht lässt sich das Buch als Inspirationsquelle für andere Systeme nutzen. Alleinstehend taugt es aus meiner Sicht nicht viel.
Der Ersteindruck basiert auf der Lektüre des Regelwerks.
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Seattle ist eine Stadt der Zukunft. Softwarefirmen beschäftigen übernächtigte Arbeiterdrohnen auf zu viel Koffein, während in der lebendigen Independent-Szene neue Gesellschaftskonzepte ausprobiert werden. In den Chronicles of Darkness herrscht hier die Gottmaschine. Doch ein Programm, das eine Sicherungskopie der Stadt erstellen sollte, machte sich selbstständig. Seitdem entstehen Splitter-Wirklichkeiten, die die Stadt überlagern. In ihnen hat die Maschine kaum Zugriff. Dämonen lieben diese Splitter, verbergen sich dort und versuchen sie zu ihrer persönlichen Hölle zu verwandeln. Da wäre 1887 mit Seattle als Boomtown am Ende des Cowboy-Zeitalters, 1932 auf der Höhe der Wirtschaftskrise, 1969 zur Weltausstellung und 1999 in Panik vor dem Y2K-Virus und dem Ende der Welt. Die Splitter resetten sich nach einer bestimmten Laufzeit, nur die Dämonen in ihnen behalten ihre Erinnerungen.
Seattle ist die Signatur-Stadt von Demon: the Descent. Dadurch ist sie eng an die Ideen und Themen der God-Machine Chronicle gebunden und deutlich futuristischer und abgedrehter als andere Städte der Chronicles of Darkness. Das Konzept der Splitter ist Daumen4maennlichNeureizvoll und zahlreiche kreative Plothooks des Städtebandes drehen sich um sie. Der regelmäßige Szenenwechsel macht den Ort sehr abwechslungsreich, wobei der Hintergrund der Anomalien Zeitparadoxa vorbeugt. Hier kann man gefahrlos Elvis umbringen und Marylin Monroe verführen! Doch ohne Splitter hat Seattle nicht so viel zu bieten und es mangelt an coolen Locations und Gruppierungen, abseits der Dämonen. Die Kapitel zu anderen Kreaturen der Nacht (Vampiren, Prometheanern, Magiern etc.) sind kaum mehr als grobe Skizzen mit ein paar Ideen und Namen. Hier muss ein Spielleiter etwas Arbeit investieren.
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Prometheans sind ewig rastlos wie Frankensteins Monster. Bleiben die künstlichen Menschen zu lange an einem Ort, verwandelt sich die Umgebung allmählich in ein „Wasteland“. Logisch, dass es daher auch keine Signature-City im Grundregelwerk und keinen Städteband für den Ableger der Serie gibt, oder? Nun, nicht ganz. Im (eh hervorragenden) Erweiterungsband Saturnine Night findet sich tatsächlich die Beschreibung von Detroit, einer sterbenden Stadt nach der amerikanischen Autokrise …
Einst war Detroit das maschinelle Herz Amerikas und produzierte Autos und Waffen. Heute findet man hier nur brach liegendes Potential. Überall fehlt Geld, etwa zum Abriss der zahllosen, leerstehenden Wohnhäuser und Fabriken. Einige davon werden bereits wieder von der Natur überwuchert und lassen die Stadt wie eine Ruine wirken. Zehntausende verarmte Arbeiter vegetieren Daumen4maennlichNeudahin. Offene Gewalt und Verbrechen machen Detroit zur „gefährlichsten Stadt Amerikas“ und die ausgedehnte Salzmine unter der Stadt ist wie eine bizarre Welt für sich. Die alten Monster haben die Stadt längst verlassen und einem Carthian-Prefekt die Macht übergeben. Forsaken und Pure-Werwölfen fehlt die Kraft zum offenen Krieg. Selbst die magische Struktur der Stadt ist bizarr: ganze Viertel werden spontan resistent gegen Magie und auf den Straßen streifen Rudel wilder Hunde und brutale Gangs umher. Detroit ist ein Hauch von Postapokalypse in der Chronicles of Darkness, bestens geeignet für besonders düstere Abenteuer.
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Das Boston der Chronicles of Darkness steht ganz in der Tradition der Hexen von Salem und ist eine richtige Magierstadt. Ein dutzend Kabalen ringen hier um die Macht und versuchen das Erbe der verschwundenen Freimaurer anzutreten sowie ihre noch immer verborgenen Geheimnisse aufzudecken. Der Frieden wird von einem magischen Vertrag erhalten, über dessen genauen Inhalt sich die höchsten Magier ausschweigen. Doch Boston ist dabei nur ein Teil einer mystischen Landschaft Neu Englands, samt fanatischer Magierjäger, Tremere-Lichs und einem mächtigen Abyss-Dämon, dessen düsterer Ursprung in den frühesten Tagen der Stadt liegt. Wer in Boston träumt, kann dazu auf ein mysteriöses Boot treffen, das neugierige Seelen in Abbilder alternativer Zeiten Amerikas entführt, etwa eine archaische Pirateninsel oder die Gewalt des Unabhängigkeitskrieges.
Boston ist die Signatur-Stadt von Mage: the Awakening und sicher nicht jedermanns Fall. Der Städteband legt den Schwerpunkt Daumen4maennlichNeuauf das Übernatürliche (samt Blick ins Astral- und Shadow Realm) und nicht auf eine umfassende Vorstellung der Stadt für Touristen. Überhaupt bildet die Erweiterung das Stadtbild etwa zur Jahrtausendwende ab. Spielleiter mit einem Hang zu Historie, Mystik und Magie finden hier trotzdem viele Ideen. Mage-Spielrunden dürften sich über das gelungene Einführungsabenteuer Beast of Burden, um die Jagd auf einen seelenfressenden Geist, freuen
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Die Rocky Mountains sind die letzte große Wildnis Nordamerikas. Im Schatten von uralten Bergen finden sich hier abgelegene Siedlungen und Jagdhütten. Die große Stadt am Fuß der Berge ist Denver. Doch auf der Seite der Geisterwelt herrscht in der Gegend pures Chaos. Erst vor kurzem wurde ein mächtiger Urzeit-Geist besiegt, der die Rockies im Griff hatte. Nun kämpfen die niederen Geister im Machtvakuum um spirituelle Vorherrschaft. Die überlebenden Werwolfrudel erobern sich das Gebiet zurück und streiten um die besten Jagdgründe. Nur einer von ihnen versucht aus den Rivalen um Beute und Boden eine echte Nation zu schmieden, um sich auf den unweigerlich nächsten Angriff der „Pure“ vorzubereiten.
The Rockies ist die Signatur-Region für Werewolf: the Forsaken 2nd Edition, und passt zum Spiel wie die Faust aufs Auge. Ein Daumen5maennlichNeuGroßteil des Buches dient dabei der Beschreibung von insgesamt elf Werwolf-Rudeln, die sich um Einfluss streiten und leicht in andere Orte verschoben werden können. Jedes Rudel hat zwei Varianten als Verbündete oder Feinde mit passenden Motivationen. Dazu bietet der Regionalband interessante neue Gegner für die Forsaken, etwa uralte Dinosaurier-Geister oder verdrehte Geister-Werwölfe (Su'ur) als Experimente des Idigam. Einige Ideen sind etwas trashig, etwa eine Werwolf-Rockband auf Vampirjagd. Das solide aber kurze Einsteiger-Abenteuer Stalking Disease um ein verdorbenes Werwolfrudel rundet den Band ab.
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Das New Orleans der Chronicles of Darkness ist das schwarze Herz des Südens. Einst war diese Gegend das Revier eines uralten indianischen Vampirs der Coctaw. Heute jagen die Blutsauger in Jazzclubs des alten French Quarters, während in den Bayous auf der anderen Seite des Mississippi noch Voodoo praktiziert wird. Die Macht hier gehört Prince Vidal, einem müden Ventrue-Ahn mit düsterem Geheimnis, der sich weigert, Nachkommen zu erschaffen. Er gehört der Lancea et Sanctum an, deren bizarre Religiosität im Kontrast zur vorherrschenden Sündhaftigkeit der Stadt steht. Einmal im Jahr entlädt sich die Spannung der Stadt im rauschenden Fest des Mardi Gras, wenn alle Regeln der Nacht aufgehoben sind. Dann werden die wohl bekanntesten Orte der Stadt, die Friedhöfe mit ihren weißen Grabmälern, Schauplatz von hervorbrechender Gewalt. Und der uralte Indianer-Vampir streift noch immer unbemerkt durch die Region…
New Orleans ist die Signatur-Stadt von Vampire: Requiem 2nd Edition, doch präsentiert der Regionalband eine Stadt, die es heute nicht mehr gibt. Dieses New Orleans wurde vom Wirbelsturm Katrina verschont (makaberes Detail: das Eingangskapitel heißt Daumen3maennlichNeu„The Coming Storm“) und trieft vor Südstaaten-Charme. Kampagnen mit den Themen Rassismus, Voodoo oder Fanatismus haben hier einen perfekten Schauplatz. Aber auch sonst ist diese Vampirstadt bestens für Intrigenspiel geeignet. Manche Details werden hier bewusst offengelassen und laden zur eigenen Interpretation ein. Dafür ist das Schauplatz-Abenteuer The Dead Travel Fast, um einen beobachteten Mord an einem Vampir, eher dürftig und manche Tippfehler, und an einigen Stellen sogar Inkohärenz (etwa Rückbezüge zum veralteten Grundregelwerk der ersten Edition), plagen das ansonsten solide Buch.
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http://www.teilzeithelden.de/2016/06/25/ersteindruck-earthdawn-the-age-of-legend/
Earthdawn: The Age of Legend erscheint als eigenständiges englisches Regelwerk bei Vagrant Workshop. Dabei setzt es auf dem frei verfügbaren Regelleichtgewicht Freeform/Universal von Nathan Russell auf, das es um verschiedene Elemente des ursprünglichen Earthdawn-Regelwerks erweitert. Vagrant Workshop plant für 2017 die deutsche Fassung Earthdawn: Das Zeitalter der Legenden. Das klassische Earthdawn erscheint in seiner 4. Edition derzeit weiterhin bei Fasa Games und in deutscher Lizenz bei Ulisses Spiele.
Die Spielwelt
Auf wenigen Seiten wird der Hintergrund der Welt von Earthdawn knapp präsentiert. Durch den Anstieg des Magieniveaus war es den sogenannten Dämonen möglich, die Barriere zwischen Astralraum und physischer Welt zu durchdringen, so dass sich die Bewohner der beschriebenen Provinz Barsaive für Jahrhunderte in unterirdischen Kaers verstecken mussten. Nun ist diese Plage vorbei und man kehrt an die Oberfläche zurück. Das titelgebende Zeitalter der Legenden steht an, in dem die letzten Dämonen vertrieben werden.
Das Vorstellungskapitel geht aber kaum ins Detail. Die einzelnen Spezies der Namensgeber erhalten jeweils einen eigenen Absatz, das Konzept der beruflichen Disziplinen, in denen Charaktere ihre intuitiv magischen Fertigkeiten erlernen, wird nur knapp angesprochen. Auch zur Magie werden nur die wichtigsten Stichworte genannt: Der Leser erfährt etwas über die Bedeutung von Namen und magischen Mustern sowie den astralen Ebenen jenseits der physischen Welt oder Blutmagie. Magische Fäden, auch regeltechnisch ein Herzstück in der klassischen Fassung von Earthdawn, kommen nicht vor. Auch die Plage durch die Dämonen wird nur kurz zusammengefasst und nur ein kurzer Text mit allen wichtigen Orten und einer Übersichtskarte beschreibt die Lande der Provinz Barsaive. Leser, die mit Earthdawn: The Age of Legend zum ersten Mal in Kontakt mit diesem Hintergrund kommen, werden so zahlreiche Lücken selbst füllen müssen.
Stattdessen präsentiert das Regelwerk ein Beispielsetting im Kleinen: Das gesetzlose Dorf Spencer Hill in den Kaukaviabergen lockt Abenteurer wegen seiner alten Minen mit dem magischen Metall Orichalcum. Neben kurz umrissenen wichtigen Orten, wie den Tavernen oder einem Geisterfelsen, sind auch die wichtigsten Personen des Ortes knapp beschrieben.
Leser, die ihr Wissen um die Welt von Earthdawn vertiefen wollen, finden im Anhang einen ausführlichen Überblick aller bisherigen Publikationen. Diese sind sortiert nach der jeweiligen Edition und übersichtlich unterteilt in Regelwerke, Quellenmaterial und Abenteuer.
Die Regeln
Earthdawn: The Age of Legend übernimmt die narrativen Ansätze seiner Vorlage Freeform/Universal. Kernmechanismus ist dabei der sogenannte Beating-the-Odds-Wurf. Ist das Resultat einer Aktion unklar, so stellt der betreffende Spieler eine einfache Frage, die sich mit Ja oder Nein beantworten lassen muss; so etwa „Schaffe ich es, den Graben zu überspringen?“ oder „Kann ich den Trollkrieger einschüchtern?“ Anschließend würfelt er mit seinem Hauptwürfel, dessen Ergebnis die Antwort darauf bestimmt. Entscheidend ist neben der Höhe des Wurfs, ob das Ergebnis gerade oder ungerade ist:
6 Ja, und …
5 Nein, aber …
4 Ja …
3 Nein …
2 Ja, aber …
1 Nein, und …
Dem Spielleiter obliegt es allein, das Ergebnis eines Wurfs zu interpretieren und die Geschichte am Spieltisch entsprechend weiterzuspinnen. Er selbst stellt weder Fragen über einen Aktionsausgang, noch würfelt er.
Damit aber das Resultat einer riskanten Handlung nicht willkürlich von nur einem Würfel abhängt, können Spielleiter und Spieler Modifikatoren hinzufügen. Bonuswürfel erhält man beispielsweise, wenn man eine passende Fertigkeit (z. B. Springen oder Einschüchtern) vorweisen kann, ein passendes Talent (die Sonderfertigkeiten der Charaktere) einsetzt oder die Situation einfach günstig ist. Maluswürfel können durch die Kompetenz der Gegner, deren Fertigkeiten oder ungünstige Umstände vergeben werden.
Vor dem eigentlichen Würfelwurf werden die Bonus- und Maluswürfel gegeneinander aufgerechnet, sodass – wenn überhaupt – nur eine von diesen beiden Würfelarten übrigbleibt. Jedes Ergebnis von 5 oder 6 auf einem solchen Würfel zählt als ein [+] bzw. [-] und ändert das Ergebnis entsprechend:
Genau ein [+] erhöht ein ungerades zum nächsthöheren geraden Ergebnis, macht also aus einem „Nein“ ein „Ja“.
Genau ein [-] senkt ein gerades zum nächstniedrigeren ungeraden Ergebnis, macht also aus einem „Ja“ ein „Nein“.
Ein zweites [+] beziehungsweise [-] fügt dem Ergebnis ein weiteres „und …“ hinzu, weitere [+] und [-] bleiben ohne Effekt.
Das alles klingt furchtbar abstrakt, insbesondere der Wechsel ungerade/schlecht und gerade/gut wirkt beim ersten Lesen sehr unintuitiv. Ein Beispiel macht aber deutlich, dass die Abwicklung in der Praxis tatsächlich schnell vonstattengehen kann.
Feines Artwork ziert das Innenleben des Bandes
Feines Artwork ziert das Innenleben des Bandes
Der Windling-Dieb Fennigo versucht einem Händler die Geldbörse zu stibitzen. Als Dieb erhält er einen Bonuswürfel, einen weiteren durch seine unauffällige geringe Größe und einen dritten, weil sich der Händler im Trubel eines Marktplatzes aufhält. Der Spielleiter vergibt einen Maluswürfel, da der Händler in Begleitung eines aufmerksamen Leibwächters ist. Gegeneinander aufgerechnet verbleiben zwei Bonuswürfel, die Fennigos Spieler zusätzlich zum Hauptwürfel werfen darf.
Sein Ergebnis ist eine niederschmetternde 1 auf dem Hauptwürfel (Nein …) sowie eine 5 und eine 2 auf den Bonuswürfeln, also ein [+]. Dieses [+] macht aus der 1 eine 2, das endgültige Ergebnis lautet also „Ja, aber …“.
Bei ungünstigen Konditionen kann der Spielleiter als Konsequenz Zustände („Conditions“) und Wunden („Wounds“) vergeben. Charaktere halten mehrere davon aus, bei zukünftigen Proben können diese Effekte der Grund für Maluswürfel sein.
Zusätzlich verfügen Charaktere über Karmapunkte, mit denen sie ihre Chancen verbessern können. Für einen Karmapunkt erhält man einen Bonuswürfel, darf den gesamten Wurf neu würfeln oder aktiviert die Sondereffekte von Talenten, Zaubern oder legendären Gegenständen. Karma erhält der Spieler zurück für gutes Rollenspiel, eine freiwillige Wunde durch sogenannte Blutmagie vor einer Probe, oder indem sein Nachteil (dazu mehr bei der Charaktererschaffung) ausgespielt wird und ihm Ärger einbringt. Einmal pro Spieltag kann ein Charakter auch ein Karmaritual durchführen, das seinen gesamten Vorrat wieder auffüllt.
Talente sind besondere Fähigkeiten, die einem Charakter von seiner Disziplin verliehen werden können. So kann ein Tiermeister mit den Tieren sprechen, ein Schamane mit seiner Umgebung verschmelzen oder ein Bogenschütze die Reichweite seines Schusses erhöhen. Dabei wird unterschieden zwischen Aktionen („Actions“) und Unterstützung („Support“). Erstere sind eine Handlung für sich, die einen eigenen Beat-the-Odds-Wurf benötigen, letztere geben einfach nur einen Bonuswürfel für eine anstehende Probe.
Auch die magischen Kräfte von Zaubern bedürfen grundsätzlich eines Karmapunkts und einer Probe. Zudem kann man die Kraft einiger Sprüche erweitern: Ist die Wirkungsdauer oder der Wirkungsbereich nur mit einem X angegeben, so kann der Spieler diese erhöhen, indem er Karma einsetzt oder zusätzliche Runden zur Vorbereitung verstreichen lässt. So kann der feurige Drachenatem eines Elementaristen plötzlich alle Gegner in Sichtweite betreffen, oder die magischen Kiemen eines Schamanen verbleiben bis zum Ende einer Szene.
Die Regeln schlagen dabei einen guten Spagat zwischen schlanken, erzählerischen Regeln und konkreten Sonderfertigkeiten und Zaubern. Das Gefühl der Welt von Earthdawn wird dadurch gut transportiert; die Beschreibungen der Talente und Sprüche sind trotz ihres Umfangs schlicht genug gehalten, um dem narrativen Kernmechanismus aus Freeform/Universal nicht im Weg zu sein.
Charaktererschaffung
Der Bau einer eigenen Figur geht recht schnell vonstatten. Earthdawn: The Age of Legend unterscheidet vier Kreise, die die Erfahrung des Charakters wiederspiegeln, und man kann problemlos schon auf einem höheren Kreis anfangen. Am Anfang steht die Wahl des Konzepts, das die Spezies und die Disziplin bestimmt. Das Regelwerk bietet fünfzehn Berufungen, die in drei Obergruppen zusammengefasst sind: Krieger wie der Luftsegler oder Schwertmeister, Wanderer wie der Dieb oder der Waffenschmied, und Zauberer wie der Elementarist oder der Schamane.
Durch die Namensgeber-Spezies erhält der Charakter noch eine Bonuseigenschaft, wie den Echsenschwanz der T’skrang oder die Flügel der Windlinge. Die ausgewählte Disziplin bestimmt, welche der mannigfaltigen Sonderfertigkeiten, in Form von Talenten oder Zaubersprüchen, die Figur wählen kann.
Die nächsten beiden Schritte bestimmen frei formulierte Schlagworte und –sätze, auf deren Basis man im Spiel Bonuswürfel für Proben ergattern kann. Für die Motivation des Charakters muss der Spieler Antworten auf die vier Fragen „Woher kommst Du?“, „Was willst Du?“, „Was hält Dich auf?“ und „Was wirst Du tun?“ finden. Die Eigenschaften werden mit den vier Schlagworten Körper („Body“), Persönlichkeit („Personality“) sowie einem Vorteil („Edge“) und einem Nachteil („Flaw“) festgelegt.
Mit seinen Beziehungen („Relationships“) darf ein Spieler auch drei Figuren definieren, die die eigene Runde bereichern sollen und als Aufhänger für kommende Abenteuer dienen können: einen Freund, einen Feind und einen neutralen Kontakt.
Informationen werden übersichtlich und gut verständlich an den Mann gebracht
Informationen werden übersichtlich und gut verständlich an den Mann gebracht
Danach darf der Spieler für seinen Charakter eine bestimme Anzahl Talente abhängig vom Erfahrungskreis aus der entsprechenden umfangreichen Liste heraussuchen. Einen Teil davon darf er zudem als Disziplintalente kennzeichnen, die bei Einsatz in einer Probe einen automatischen Bonuswürfel vergeben. Statt eines Talents dürfen die magisch begabten Disziplinen je einen Zauberspruch aussuchen.
Dazu kann man, auch hier abhängig vom Erfahrungskreis, eine bestimmte Anzahl von Fertigkeiten bestimmen. Eine Fertigkeit muss dabei eine Kunstfertigkeit wie Tätowieren oder Poesie sein – durch sie beweist man anderen, dass man nicht von Dämonen besessen ist – die anderen sind frei wählbar. Eine genaue Auswahlliste gibt es nicht, hier kann ein Spieler frei entscheiden.
Mit langwierigen Ausrüstungslisten halt sich Earthdawn: The Age of Legend nicht auf, nur besondere Gegenstände sind einen Eintrag auf dem Charakterbogen wert. Tatsächlich verfügt sogar jede Figur zu Spielbeginn über einen legendären Gegenstand mit einer Vorgeschichte und einer selbst definierten Sondereigenschaft.
Zuletzt bestimmt man das Karma und die Anzahl der maximal verkraftbaren Wunden des Charakters. Während Ersteres nur vom Erfahrungskreis abhängt, kommt bei Letzterem auch die gewählte Disziplin ins Spiel. Krieger halten grundsätzlich am meisten aus, Zauberer am wenigsten.
Dank der narrativen Natur der Vorlage Freeform/Universal geht die Charaktererschaffung flott vonstatten. Ein Spieler muss sich vor allem Gedanken über das Konzept und die Eigenheiten seiner Figur machen. Nur die Einarbeitung in die Effekte der zahlreichen Talente und Zaubersprüche mag etwas länger dauern, bis ein Spieler eine für ihn zufriedenstellende Wahl getroffen hat.
Änderungen zu Freeform/Universal
Das originale Freeform/Universal (F/U), auf dem Earthdawn: The Age of Legend aufsetzt, ist bis auf wenige Ausnahmen identisch. Einige wesentliche Unterschiede fallen aber dennoch auf. In F/U wird bei einer Probe der gesamte Wurf inklusive Bonus- und Maluswürfeln betrachtet. Je nachdem, ob nach Gegenrechnung Boni oder Mali verbleiben, wird der beste bzw. schlechteste Würfel für das Ergebnis genommen; wegen des Wechsels gerade/ungerade für positive/negative Folgen muss dies nicht unbedingt der höchste/niedrigste sein. Ein kleiner Kommentar im Regelbuch begründet die Entscheidung bei Earthdawn: The Age of Legend nur Ergebnisse von 5 und 6 zu werten: Die Wahrscheinlichkeit, dass schon der erste Würfel das Endergebnis verändert, sinkt so von 25% auf etwa 10%, auch der Einfluss weiterer Würfel wird so zurückgeschraubt.
Während Earthdawn: The Age of Legend ausschließlich die Ergebnisleiter mit ihrem Wechsel von gerade/ungerade für Erfolg/Misserfolg verwendet, bietet F/U optional eine Leiter an, bei der die 1 das schlechteste und die 6 das beste Ergebnis darstellt, somit resultieren 1-3 in einem „Nein“ und 4‑6 in einem „Ja“.
Zudem kennt F/U nur Zustände („Conditions“) für den Fall, dass Charakteren ein Leid zustößt, während Earthdawn diese zusätzlich um Wunden („Wounds“) ergänzt. Die ausgiebig beschriebenen Talente und Zauber werden in F/U nur angedeutet, nur kurz wird dort die optionale Möglichkeit von Sonderfertigkeiten vorgeschlagen, die so funktionieren sollen.
Preis-/Leistungsverhältnis
Für 24,95 USD für die PDF-Fassung erhält der Käufer ein umfangreiches und vollständiges Regelwerk in sehr guter Aufmachung. Ähnlich umfassende Produkte auf DTRPG liegen etwa im selben Rahmen. Bei einem gedruckten Exemplar, das nur über DTRPGs Print-on-Demand-Service verfügbar ist, sollte man genau abwägen, auf welche Qualität man für den jeweiligen Preis wert legt.
Zum Erscheinen dieses Artikels ist das PDF von Earthdawn: The Age of Legend auf DTRPG aber auf einen Preis von 14,95 USD reduziert, auch die Kombination von PDF und Druckfassung ist entsprechend vergünstigt.
Erscheinungsbild
Earthdawn Age of Legend Cover 3DDie Optik von Earthdawn: The Age of Legend macht einen hervorragenden Eindruck. Statt der vorherrschenden rechteckigen Maße präsentiert sich dieses Regelwerk in einem ansehnlichen Quadratformat von 21,6 x 21,6 cm. Der Text ist zweispaltig gesetzt und mit großzügigen Überschriften versehen, sodass man sich bei der Lektüre gut zurechtfindet. Mehrere Anhänge vereinfachen zudem die Verwendung dieses Regelbandes: Auf einen Charakter- und Settingbogen folgt eine Liste aller bisherigen Earthdawn-Veröffentlichungen über alle Editionen, um den Hintergrund weiter vertiefen zu können. Eine Kurzfassung der Regeln fasst alle Mechanismen und Stichworte übersichtlich zusammen, enthält aber einige Details wie Zustände oder Wunden nicht. Ein ausführlicher Index schließt das Buch ab.
Der Band ist vollfarbig gehalten und enthält neben einem dezenten beigen Papierhintergrund auch schmückende Randornamente, die den Lesefluss nicht stören. Besonders gut hat mir gefallen, dass die Illustrationen in einem mesoamerikanischen Stil gehalten sind, für die das Titelbild ein gutes Beispiel ist. So erhält die Welt von Earthdawn ein individuelles Aussehen, das dem Setting zusätzliches Flair verleiht.
Die PDF-Version des Regelbands besitzt nur rudimentäre Lesezeichen für jeden Kapitelbeginn. Dafür punktet die digitale Fassung mit ausgiebigen Verknüpfungen. Jeder einzelne Seitenverweis, sei es im Index oder im Fließtext, führt sofort auf die entsprechende Seite. Das würde ich mir so von mehr digitalen Rollenspielwerken wünschen. Die PDF-Version umfasst allerdings keine Ebenen, so dass man bei eigenem Druck einiges an Tinte verbrauchen wird.
Zum Glück gibt es aber auch die Möglichkeit Earthdawn: The Age of Legend in gedruckter Fassung zu erstehen. Diese bietet Vagrant Workshop nur noch über DriveThruRPGs Print-on-Demand-Service an, auch bei zukünftigen Produkten will man es so halten. Hier hat der Kunde die Wahl zwischen Soft- und Hardcover sowie Standard- und Normaldruck. Obwohl die Qualität des mir für diese Rezension vorliegenden Softcoverdrucks von der Schärfe und Farbe sehr gut ist, ist die Leuchtkraft der Farben beim verwendeten Standardpapier doch merklich stumpf. Ob man deswegen auf die kostspieligere Premiumversion umsteigen möchte, muss jeder für sich selbst entscheiden.
Bonus/Downloadcontent
Auf der Internetseite von Vagrant Workshop zu Earthdawn: The Age of Legend werden neben einem kurzen Beispiel-PDF für einen Blick ins Buch sämtliche Bögen – Charakter, Setting, Gegenspieler und Vehikel – zum Download angeboten. Auch eine Zusammenfassung der Regeln ist dort zu finden.
Fazit
Earthdawn: The Age of Legend hält sein Versprechen, Abenteuer in der Provinz Barsaive mit einem zugänglichen und schnell erlernbaren Regelsystem zu erleben. Gerade für mich persönlich war das umständliche Würfelsystem des Originals stets ein Stolperstein, der hier gut umgangen wird. Dennoch sind typische Elemente, die Earthdawn auszeichnen, so etwa die Disziplinen und ihre magisch-intuitiven Fertigkeiten, ansprechend eingearbeitet.
Auch die optische Präsentation ist hervorragend, man merkt sofort, dass hier langjährige Liebhaber von Earthdawn am Werk waren. Nur ein Element bleibt auf der Strecke: Die faszinierende Hintergrundwelt dieses Spiels, die in meinen Augen seine größte Stärke ist, wird nur äußerst knapp angedeutet und kann dessen Faszination kaum vermitteln. Veteranen von Earthdawn sollten auf jeden Fall einen Blick auf The Age of Legend werfen; Neulingen in diesem Setting könnte sich aber dessen wahrer Reiz allein durch diese Lektüre womöglich nicht erschließen.
Grundlage dieses Ersteindrucks waren neben der Regellektüre auch mehrere Hangout-Runden zur Charaktererschaffung sowie ein zur Hälfte vollendetes Kurzszenario. Der Kernmechanismus soll in geplanten Sitzungen noch weiter ausgetestet werden, darauf wird ein separater ausführlicher Spielbericht folgen.
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Im aventurischen Pantheon der Zwölfgötter heißt es, dass sich die ehrenvolle Göttin des Krieges Rondra den löwenköpfigen Hohen Drachen Famerlor zum Gemahl auserkor. In einer stürmischen Gewitternacht, als das Brüllen der Löwin wie Donner über den Himmel rollte, gebar sie einen Sohn – Kor.
In den Adern Kors fließt das aufrechte Kriegsblut seiner Mutter, jedoch hat er auch das kalte Karfunkel-Herz seines Vaters geerbt und kennt daher keine Gnade. Er ist der unbarmherzige Wächter über das göttliche Wort und der erste Streiter in den Heerscharen seiner Mutter. Söldner, Gladiatoren und Scharfrichter haben ihn sich zum Gott erwählt und ihm Beinamen, wie Herr der neun tödlichen Streiche, Geifernder Schnitter, Donnernder Himmelsreiter oder Bruder des Blutes verliehen.
Neben den Aspekten des „guten Kampfes“, des Sieges und der Kampfeslust werden ihm aber auch die Aspekte des „guten Goldes“, der Vertrags- und Worttreue, der Beute und des Soldes zugeschrieben.
Außer dem astrologischen Göttersymbol des Schwertkreuzes werden Kor vor allem der Mantikor, eine Mensch-Löwe-Skorpion-Chimäre, der schwarze Panther und die Farben Schwarz und Blutrot zugeordnet.
Inhalt
Das Kor-Vademecum bietet auf 160 Seiten, inklusive Anhang und Vakatseiten zum selber Ergänzen, zehn Kapitel über den blutigen Gott der Schlacht. In den ersten Kapiteln kann der Leser einiges über das Wesen des Schwarzen Mantikors erfahren, etwas über Kors blutige Streiter lesen oder mehr über die heiligen Orte und Waffen des Gottes herausfinden. Da es sich bei Kor um einen Halbgott handelt, fällt die Anzahl an Gefolgsleuten und besonderen Orten oder Artefakten verhältnismäßig gering aus. In den nachfolgenden Kapiteln lassen sich Informationen über die Gemeinschaft des Blutes finden und neben liturgischem Wirken auch Gebete und Anrufungen. Abschließend widmet sich das Brevier mit einem umfangreichen Kapitel der Umsetzung eines Kor-Geweihten am Spieltisch.
Der Schwarze Mantikor und seine Streiter
Schon im Vorwort weist Autorin Nicole Euler darauf hin, dass das Vademecum „zur lebendigen Ausgestaltung“ eines Geweihten genutzt werden soll. So ist es nicht verwunderlich, dass auch das Kor-Vademecum, als erstes Halbgott-Vademecum, zum größten Teil aus aventurischen In-Game-Texten besteht. Als Autor der Erzählungen dient dabei die fiktive Gestalt des Kor-Geweihten Karmal ibn Dajin.
Karmal ibn Dajin durchbricht mit seinen Texten ganz bewusst das Klischee eines blutrünstigen, metzelnden Kor-Söldners. Stattdessen zeigt er in seinen Schriften oft eine humorvolle Seite und bietet einen tollen Einblick in eine Gottverehrung, die auf alten Traditionen und einem unumstößlichen Ehrenkodex fußt.
Das erste Kapitel hebt sich vom restlichen Werk ab, da es ausschließlich aus Zitaten von Aventurieren besteht. Die Auswahl der Zitierten, vom Scharfrichter bis zum Gladiator, zeigt bereits die vielfältige Auslegung des Korglaubens.
Das zweite Kapitel, „Kors blutige Streiter“, ist dem Gefolge des Geifernden Schnitters gewidmet. Während sich um die Zwölfgötter allerdings eine große Menge an Heiligen und Alveraniaren scharen, sind dem Halbgott Kor nur wenige zugeordnet. Ein Heiliger, den man in der Not anruft, entspräche nicht den Aspekten eines Gottes, der den Mut des Einzelnen auf den Schlachtfeldern lobt.
Die strafende Blutrichterin Raskorda, die besonders den Scharfrichtern eine Begleiterin ist, findet dennoch in den Schriften Karmals Platz. Ebenso kennt die Gemeinschaft der Korgläubigen Kar’Arnoth, die Riesenechse. Schon ihre donnernden Schritte lehren ihre Feinde auf dem Schlachtfeld das Fürchten. Und auch über Ghorio von Khunchom, den ersten Kor-Geweihten und Schöpfer des „Khunchomer Kodex“ stehen ein paar Zeilen geschrieben.
Das dritte Kapitel entführt den Leser an verschiedene heilige Orte. Es verwundert wohl kaum, dass es sich dabei ausschließlich um Schauplätze mehr oder weniger berühmter Schlachten handelt. So ist zum Beispiel der Kriegsschauplatz der zweiten Dämonenschlacht, in der Nähe von Brig-Lo, ein heiliger Ort für Korgläubige. Viel Blut wurde vergossen, als das vereinte Heer der mittelreichischen Provinzen auf die Legionen der bosparanischen Kaiserin Hela-Horas traf.
Als heilige Artefakte des Kor sind fast ausschließlich Waffen bekannt. Der Khunchomer Kodex, das heilige Buch der Kor-Kirche, stellt eine große Ausnahme dar und wird im Brevier sogar mit einem eigenen Kapitel gewürdigt.
Während der Schwarze Speer und die blutige Lanze Dschadra al’Zul auch den Kor-Geweihten zugänglich sind, beschreibt Karmal ibn Dajin mit Sokramor, der Schwarzen Sichel, auch eine Waffe, die allein ein Gott zu führen vermag.
Kapitel Vier beschreibt ausführlich „die Gemeinschaft des Blutes“, womit im Grunde die Kirche des Kor gemeint ist. Immer wieder wird in diesen und nachfolgenden Beschreibungen auf die unterschiedlichen Auslegungen und Ausprägungen des Korglaubens innerhalb Aventuriens hingewiesen. Die Beziehung zur Rondrakirche spielt dabei ebenso eine Rolle wie das Söldnertum und die verschiedenen Kulturen des Kontinents. Allen gemein ist jedoch, dass sie den „Prinzipien des Blutes“ folgen. Wenngleich jeder nach eigenen Idealen strebt, so sind auf dem Schlachtfeld alle gleich, und wer unter dem Banner des Mantikors kämpft, der strebt in jedem Fall nach dem Sieg, bevor er seinen Kampf auf dem ewigen Schlachtfeld antritt.
Besonders die vergleichsweise flachen Hierarchien und die geringe Anzahl an Kor-Geweihten fallen in der Darstellung der Kor-Kirche auf. Sehr detailliert beschreibt Karmal ibn Dajin das Wirken der Korgläubigen in den verschiedenen aventurischen Regionen. In den südlichen Gefilden ist der Korglaube dabei deutlich stärker vertreten. In den Städten Al’Anfa, Khunchom und Fasar sind nicht nur Tempel des Mantikors errichtet worden, sondern auch die drei höchsten Geweihten des Halbgottes beheimatet.
Im Norden Aventuriens ist nicht nur das Verhältnis zur Rondrakirche ein anderes, auch die Wurzeln des Korglaubens, die im Bornland zu finden sind, spielen eine große Rolle. Und die Korgläubigen der Schattenlande, die den Versuchungen der blutig-wütenden Dämonen widerstehen müssen, sind eine Klasse für sich.
Unter den Orden und Gemeinschaften, die Karmal ibn Dajin auflistet und detailliert beschreibt, finden sich auffallend viele Söldnergruppen. Die Ritter des Immerwährenden Kampfes, welche als Akademiewächter der Drachenei-Akademie zu Khunchom dienen, und die zwergischen Kor-Knaben, die unter anderem als Leibgarde dem Hochkönig zur Seite stehen, sind wohl die ausgefallensten unter ihnen.
Den Abschluss des Kapitels bildet ein kurzer Text zu den „Opfergaben und Gottesdiensten“ der Korgläubigen. Der Herr der Schlachten sieht eigenes Blut, Tieropfer und das Blut der Feinde ebenso gern als Opfer wie eine Waffe oder eine Beute, die nur durch einen harten Kampf auf dem Schlachtfeld errungen werden konnte.
Gebete, Schlachtgesang und Liturgien
Das fünfte Kapitel ist die Grundlage für den gesamten Korglauben, befasst es sich doch mit dem „Khunchomer Kodex“. Karmal weist explizit darauf hin, dass das gesammelte Wissen des Kodexes jedoch nur eine Leitlinie sein kann, da jeder Mensch seinen eigenen Idealen folgt. Als besonders wichtig und ehrenhaft gilt aber die Treue zum Wort und die unabdingbare Einhaltung von Verträgen. Das gilt besonders, wenn es um die Festlegung des Soldes geht.
So sind neben „Hinweisen zum Vertragsabschluss“ auch „Hinweise zum Vertragsbruch“ beschrieben, und nicht selten wird ein Kor-Geweihter das Urteil über einen Vertragsbrüchigen selbst vollstrecken.
Das Kapitel „Gebete und Anrufungen, Schlachtgesang und Rituale“ befasst sich auf acht Seiten mit verschiedenen Liedern und Versen, welche der Korgläubige vor, während und nach der Schlacht zur Lobpreisung seines Gottes rezitieren kann.
Liturgien des Gottes Kor gibt es nur wenige, und so werden im siebten Kapitel zunächst die Segnungen vorgestellt, welche allen Geweihten zugänglich sind. Karmal ibn Dajin geht dabei präzise auf deren Nutzung innerhalb der Kor-Kirche ein und lässt somit ein authentisches Bild eines Kor-Geweihten entstehen. Besonders auffällig ist die Anrufung der verschiedenen Zwölfgötter, die mit den Segnungen einhergeht.
Neben den allgemeinen Liturgien, wie „Tiergestalt“ oder „Prophezeien“, sind es nur zwei Liturgien und ein Stoßgebet, welche ausschließlich Kor zugeordnet werden. Dabei handelt es sich zum einen um die Liturgie „Der über das Schlachtfeld schreitet“, einen furchteinflößenden Marsch tausender Soldatenstiefel, und zum anderen um „Neun Streiche in Einem“, eine Liturgie, welche die Kraft eines Kämpfers in einer Reihe von neun Schlägen sammelt, um sie im letzten todbringend zu entladen. Das Stoßgebet „Das schwarze Fell durch das rote Blut“ dient hingegen zum Schutz des Geweihten, indem es ihm eine unsichtbare Rüstung verleiht.
Der Kor-Geweihte im Spiel
Das achte und längste Kapitel beinhaltet auf 34 Seiten ausführliche Beschreibungen, Anregungen und Ideen zum Ausgestalten und Spielen eines Kor-Geweihten.
Mit den „Geboten, Tugenden und Idealen“ werden die vier wichtigsten Aspekte des Kor-Geweihten aufgezeigt. Der „Aspekt des Guten Kampfes“ gebietet dabei besonders dem Klischee des Hack-and-Slay-Geweihten Einhalt. Ein Kampf ist nur dann ein guter Kampf, wenn er eine Herausforderung ist. Karmal ibn Dajin beschreibt aber nicht nur den Aspekt an sich, sondern auch die damit verbundenen Auswirkungen auf den Spielstil. Die somit erschaffenen Einblicke in die Lebensphilosophie der verschiedenen Ausprägungen eignen sich hervorragend für den Spieltisch.
Als zweiter Hauptaspekt der Korgläubigen wird der „Aspekt des Guten Goldes“ aufgeführt, welcher besonders bei den Söldnern die vertragliche Niederschrift von Rechten, Pflichten und Sold beinhaltet. „Gnadenlosigkeit“ und „Söldnerehre“ sind die anderen beiden Aspekte, die den Korgläubigen komplettieren.
Mit der Beschreibung der verschiedenen Strömungen innerhalb der Gemeinschaft kommen weitere Alternativen und für den Spieltisch relevante Aspekte zum Portfolio des Breviers hinzu. Wer sich als Spieler und Spielleiter gleichermaßen Gedanken über die Ausgestaltung eines Charakters macht kommt hier voll und ganz auf seine Kosten.
Die typischen Fragen, wie: „Wie ist das Verhältnis der Kor-Kirche zu den anderen Zwölfgöttern?“ oder „Wie wird der Korgläubige in den Augen des Volkes wahrgenommen?“, werden ebenso geklärt wie die Motivation und Konzeption eines Helden als Kor-Geweihten.
Ob als Söldnerführer, Gladiator oder Rebellin, für jeden wird der passende Spielstil beschrieben. Und auch an die Spielleitenden wurde gedacht und die möglichen Einbindungen eines Kor-Geweihten in die Heldengruppe erläutert.
Sieht man von den Vakatseiten und dem Anhang als zehntem Kapitel ab, welches einen beispielhaften Söldnervertrag beinhaltet, so endet das Vademecum mit einem – leider recht kurzen – Absatz über den „liturgischen Alltag in der Gemeinschaft“. Kritisch gesehen hätten an dieser Stelle etwas weniger leere Seiten und eine ausführlichere Beschreibung des Kor-Geweihtenalltags dem ansonsten hervorragenden Gesamteindruck des Werkes keinen Abbruch getan.
Preis-/Leistungsverhältnis
Für 14,95 EUR erhält der Leser ein hilfreiches und informatives Vademecum, das ganz dem Stil seiner Vorgänger entspricht. Besonders für die Ausgestaltung eines Korgläubigen und für die authentische Darstellung am Spieltisch wird es mit den vielen Texten aus aventurischer Sicht seinem Preis gerecht.
Erscheinungsbild
Das Vademecum mit seinem blutroten Leder-Look eröffnet hervorragend die Reihe der halbgöttlichen Gebetsbücher. Den Einband prägen Pantherkopf und Schwertkreuz-Symbol, welche von Janina Robben stimmungsvoll gestaltet wurden. Innenillustratorin Katharina Niko trägt maßgeblich zum authentischen Flair des Breviers bei, indem sie ihre Abbildungen mit angedeuteten Blutflecken ziert. Eine korgefällige Kopf- und Fußzeile rundet das Gesamtbild erstklassig ab. Lediglich die geringe Schriftgröße, die wie immer in der Vademecum-Reihe der Größe der Publikation geschuldet ist, bleibt ein Dorn in der Pranke des Panthers.
Bonus/Downloadcontent
Es ist kein Bonus oder Downloadcontent enthalten.
Fazit
Man muss keine Koryphäe auf dem Gebiet der Rollenspielanalytik sein, um zu erkennen, dass das Kor-Vademecum ein gelungenes Werk ist. Es bietet für Spieler und Spieleiter gleichermaßen Informationen, Anregungen und Ideen zur Gestaltung eines Korgläubigen, ganz gleich ob Geweihter, Söldner, Gladiator oder einfacher Schlachtfeldtourist. Mit dem Klischee des blutgierigen, brutalen Schlägers wird aufgeräumt, und auch die Konflikte mit der Rondrakirche und den anderen Zwölfgöttern werden ins rechte Licht gerückt. Mit den hilfreichen Beschreibungen für die Ausgestaltung am Spieltisch wird aus dem einstmals als Außenseiter geltenden Kor-Geweihten ein fest integrierter Bestandteil der Gruppengemeinschaft. In einem Satz: Das Kor-Vademecum ist ein hervorragend gelungener Einstieg in die Vademecum-Reihe der Halbgötter.
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http://www.teilzeithelden.de/2016/07/11/ersteindruck-shadow-of-the-demon-lord/
Über eines lässt Rob J. Schwalb, Autor von Shadow of the Demon Lord, den Leser von Anfang an nicht zweifeln. Sein Spiel ist nicht nett. Es ist ein Rollenspiel, dass, ähnlich wie seinerzeit Call of Cthulhu, unter anderem von seiner Tödlichkeit, aber auch von seiner moralischen Zwiespältigkeit lebt. Dies vorausgeschickt mache ich mich auf in eine finstere Welt, in der der Dämonenlord naht!
Die Spielwelt
Shadow of the Demon Lord ist in der Welt Urth angesiedelt, einer dunklen Fantasywelt, bevölkert von Wesen wie Menschen, Orks und Zwergen, aber auch Changelings, also Wechselbälgern, die Feen in den Wiegen der Menschen zurückgelassen haben, als sie deren Kinder stahlen, aus dem Feenreich verbannten Goblins oder steampunkigen, belebten Maschinen namens Clockworks. Besonderer Fokus liegt auf dem Kontinent Rul mit all seinen diversen Regionen. Der Kontinent wird von einem Imperium dominiert, dass sich im Niedergang befindet. Seine einzelnen Glieder sind so divers wie die Handelsregion der neun unabhängigen Städte oder die Jotun-Heimat Blötland. In den Beschreibungen der einzelnen Regionen wird ausreichend Material geboten, um sich ein Bild des Kontinents und seiner Kulturen zu machen, das Korsett wird aber bewusst nicht sehr eng geschnürt, um ein Einsperren von Spielleitern und Spielern in einen allzu engen Kanon der Spielwelt zu vermeiden. Dennoch gibt es einige klare Prämissen, die die Welt definieren.
Während es offen bleibt, ob Götter tatsächlich existieren, ist völlig klar, dass Magie eine allseits bekannte Realität ist. Zaubersprüche und Artefakte sind allgegenwärtig, aber auch wissenschaftliche Forschung entwickelt sich. So sind Schießpulver und Dampfkraft bereits entwickelt und tragen ein festes Steampunk-Element in die Spielwelt. Zudem ist klar, dass es parallele Welten wie das Feenreich oder die Unterwelt gibt, wenngleich kaum ein Sterblicher sie je betreten hat.
Der Verfall ist überall gegenwärtig. Nicht nur befindet sich das Imperium derzeit in freiem Fall, seit der Ork-König den Kaiser ermordet und sich den Alabaster-Thron unter den blutigen Nagel gerissen hat. Auch der Schatten des Dämonenlords droht aus seinem Gefängnis im Nebel zwischen den Welten, aus dem er sich zu entwinden versucht.
Die Regeln
Die Regeln sind relativ einfach. Das Grundsystem basiert auf W20 plus Attributsmodifikator plus weiteren Modifikatoren gegen Zielzahl, hier ist wenig Spektakuläres auszumachen. In der Praxis erweist sich dieses altbekannte System immer noch als nützlich und es benötigt nicht viel Erklärzeit für einigermaßen erfahrene Spieler. Am Anfang spielen Attributsmodifikatoren kaum eine Rolle. Dies verändert sich im Laufe des Spiels, wenn Charaktere Erfahrung sammeln und sich ihre Attribute weiter ausprägen. Der Wertebereich schwankt zu Beginn von 8 bis 12, was einem Modifikator von -2 bis +2 entspricht. In vielen Fällen hat man eine glatte 10, also gar keinen Modifikator. Diese Werte sind durch die Rasse fest vorgegeben, nur einmalig darf eines der Attribute um 1 gesenkt, dafür ein anderes erhöht werden.
Besondere Erwähnung sollte das Magiesystem finden. Immerhin lassen sich Zauber aus dreißig magischen Schulen, also magischen Stilrichtungen, erlernen. Ob Telepathie oder Teleportation, ob Technomantie, magische Musik oder Runen - der Vielfalt der Magie scheinen kaum Grenzen gesetzt. Unter den dreißig Schulen finden sich auch dunkle und verbotene Pfade der arkanen Mächte. Strebt man an, diese zu lernen, so erhält man Korruptionspunkte, die sich ähnlich wie bei einer Chaosverseuchung bei Warhammer auf den Charakter und seine Umgebung auswirken können. Solche Korruptionspunkte können auch durch moralisch völlig verwerfliches Handeln eingeheimst werden. Der Charakter kann durch Korruption von der Dunkelheit gezeichnet werden und weist fortan seltsame Eigenheiten auf, die auf einer kleinen Tabelle ausgewürfelt werden können. Vielleicht besitzt er nun kein Spiegelbild mehr oder redet in einem heiseren Flüstern. Vielleicht erscheinen aber auch die Namen der Götter umgekehrt als blasse Schriftzeichen unter seiner Haut oder es stirbt regelmäßig ein neugeborenes Kind in seiner Nähe.
Ähnlich verhält es sich beim Wahnsinn, denn auch hier können zunächst Punkte anfallen, indem Grauenhaftes beobachtet wird. Haben sich genug Punkte gesammelt, setzt der Wahnsinn voll ein. Auch hier darf gewürfelt werden und die Ergebnisse sind in der Regel keineswegs erfreulich. Denn sie können von Wahnvorstellungen über selbstverletzendes Verhalten bis hin sogar zum sofortigen Herzstillstand führen. Der Warhammer-Einfluss ist hier wieder deutlich zu spüren, wenngleich die Bandbreite möglicher Abscheulichkeiten bei Warhammer vielfältiger und größer war.
In den optionalen Regeln findet sich eine kleine, charmante Besonderheit. Der Schatten des Dämonenlords kann hin und wieder stärker auf die Welt fallen und eine Reihe von Zufallseffekten hervorrufen. Diese lassen sich mit einem W20 bestimmen und können gegebenenfalls sogar Aufhänger für ganze Szenarien sein. Mal färbt sich die Sonne pechschwarz, mal rebelliert die Pflanzenwelt und verschlingt Menschen und Dörfer, mal erheben sich Scharen von Untoten oder die Wilde Jagd reitet durch die Lande. Es bleibt dem Spielleiter überlassen zu entscheiden, ob das Event dem Zufall oder dem bewussten Anwachsen der dämonischen Macht entspringt. Ist also der Schatten des Dämonenlords gerade zufällig auf einen Friedhof gefallen oder ist der Nekromant, der sich im Dorf befand, unter den Einfluss des Lords geraten? Es sollte für die Spieler schwer sein, einen Effekt des Schattens aufzuheben und zu bekämpfen. Im Prinzip ist dieses kleine Stückchen Zusatzregel für mich etwas, das den eigentlichen Reiz des Settings widerspiegelt.
Charaktererschaffung
Generell ist die Charaktererschaffung recht einfach, macht aber auch den wesentlichen Reiz des Spieles aus. Wie oben bereits erwähnt, stehen dem Spieler auf der Spielwelt eine Reihe von Rassen zur Verfügung. Neben Klassikern wie Menschen, Zwergen und Orks haben uns besonders die Exoten wie die Clockworks, die Changelings und die Goblins fasziniert. Diese ungewöhnlichen Völker spiegeln stark die Atmosphäre des Spiels zwischen düsterem Märchen und Steampunk-Dystopie wider. Ist nun die Rasse, hier „Ancestry“ genannt, erst einmal gewählt, stehen zu jeder Rasse eine Vielzahl hübscher und fluffiger Tabellen zur Verfügung, mit denen man optional die Charaktereigenschaften, den Hintergrund und einige Besonderheiten der jeweiligen Rasse erwürfeln oder wählen kann. Einige Tabellen wie die Bauart eines Clockworks gehören aber nicht nur zum Fluff, sondern zum Crunch, da sie die Attributwerte verändern. Durch die hübschen Ideen, die jeder Ancestry zugrunde liegen, macht das Abarbeiten der Tabellen jedoch sehr viel Spaß.
Dann werden Klassen gewählt, zunächst zwischen Krieger, Magier, Priester und Schurke. Hier zeigen sich die Einflüsse von Warhammer recht deutlich, denn während die Klassenauswahl am Anfang extrem platt erscheint, wird der Charakter im Laufe des Spiels die Möglichkeit erhalten, Prestigeklassen und später sogar Meisterklassen zu wählen. Beide sind in dem Spiel vielseitig und variantenreich. Das Entwickeln des Charakters wird somit entsprechend spannend, was die Tödlichkeit des Spiels umso bedauernswerter macht. Eine Meisterklasse zu erreichen wird damit zu einem lohnenswerten Spielziel.
Preis-/Leistungsverhältnis
Shadow of the Demon Lord wird als PDF für 19.99 USD. Für diesen Preis erhält der Käufer ein schönes, vollfarbiges Rollenspiel mit interessantem Flair, das mit einer ganzen Menge an Zusatzinformationen zum eigenen Spielansatz daher kommt, die nicht nur für Neulinge interessant sind. Ich halte den Preis für angemessen.
Eine deutsche Fassung ist in Vorbereitung. Man darf also gespannt sein.
Erscheinungsbild
Shadow of the Demon Lord Review CoverLayout und Design haben mich sehr angesprochen. Vollfarbig und üppig illustriert, wirkt das Regelwerk, das mir als PDF vorlag, durchdacht aufgebaut. Das Inhaltsverzeichnis erschreckt erst einmal etwas durch die sehr vielen hier aufgeführten Überschriften, die Navigation durch die fast 280 Seiten gelingt tatsächlich besser mit dem Index.
Fazit
Shadow of the Demon Lord ist ein atmosphärisch dichtes Dark Fantasy System mit Steampunk-Elementen. Es gelingt dem Spiel, eine eigenständige Welt anzubieten, die zu Streifzügen einlädt. Durch die sehr dunklen Thematiken und die Tödlichkeit der Spielwelt ist dies kein Spiel für zart besaitete Spielerseelen. Mir persönlich gefiel das Spiel sehr gut und ich freue mich, tiefer in die Geheimnisse der Spielwelt vordringen zu können.
Leider fehlt dem Spiel jedoch etwas die Eigenständigkeit. Elemente, die als besonders innovativ gelten könnten, vermisst der Leser. Viel zu sehr wurde auch an einigen Punkten bei bekannten Systemen nach Inspiration gesucht. Gerade die Elemente, die regelmechanisch die Dunkelheit des Settings transportieren sollten, kennt man aus Klassikern wie z. B. Warhammer ausgefeilter und besser. Positiv ist hier aber die optionale Regel über den Dämonenlord und seinen Einfluss noch einmal herauszustreichen. Diese bietet, sofern der Spielleiter davon gezielt und wirklich bewusst Gebrauch macht, einen Aufhänger für überzeugende und stimmungsvolle Spielmomente.
Insgesamt ist das Spiel also durchwachsen, lehnt sich an große Vorgänger an und versucht, vor allem durch Setting und Düsternis zu überzeugen. Ob dies gelingt, wird der Käufer entscheiden müssen.
Der Ersteindruck basiert auf einer einmaligen Probespielsitzung.
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