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Nostria und Andergast sind wie Pech und Schwefel. Jahrhunderte der Zwietracht und viele Kriege haben beide Länder geprägt. Ewiger Hass umschreibt das Verhältnis sehr gut. Diese Abscheu voreinander sitzt tief und auch im Wald, wie die Waldwildnis zwischen den beiden Königreichen schlicht genannt wird, kocht dieser Hass über.
Die Streitenden Königreiche tragen ihren Namen mehr als zurecht, ist doch der Streit das Element, das beide Königreiche und deren Bewohner einerseits eint und andererseits so sehr entzweit. Dieses Element und auch das ritterliche und ländliche Leben, welches sehr ans Mittelalter erinnert, machen wahrscheinlich den Reiz dieser Region für Spieler und Spielleiter aus.
Mir persönlich haben Abenteuer dort immer sehr gut gefallen, weshalb ich das DSA-Abenteuer Ewiger Hass sehr gerne rezensieren wollte. Als ich die PDF dann hatte und die Kurzbeschreibung las, hat das dort angekündigte Geheimnis mein Interesse noch verstärkt, auch wenn ich dank der Rezension des Regionalbandes Die Streitenden Königreiche schon einen recht guten Einblick hatte.
Inhalt (Achtung Spoiler!)
Die Kurzbeschreibung fängt harmlos an. Ein düsteres Waldabenteuer im Wald zwischen Andergast und Nostria wird versprochen. Die Helden sollen einige Vermisste finden und erleben dabei mehr, als sie erwarten. Das klingt harmlos, aber beim genauen Hinsehen finden wir im Informationskasten zum Abenteuer das Wort „Feenglobule“. Da kann man getrost überlesen, dass das Abenteuer für drei bis fünf erfahrene bis meisterliche Helden ausgelegt ist.
Im Buch selbst sehen wir im Einband das Bild eines kleinen wehrhaften Dorfes und einer nicht mehr ganz so wehrhaften Burganlage. Auf der Einstiegsseite erhalten wir das knappe Inhaltsverzeichnis, welches vier Kapitel und den Anhang ankündigt. Auf dieser Seite erhalten wir auch Informationen zum allgemeinen Abenteueraufbau und zu Qualität und Preisen der Schlafplätze. Den Abschluss bildet ein grober Abenteuerüberblick.
In der Einleitung geht es dann direkt ans Eingemachte. Das große Geheimnis der beiden Königreiche wird gelüftet und es wird gezeigt, wie sich dieses Geheimnis auf die aktuelle politische Situation auswirkt. Sind wir auf dem aktuellen Stand, erhalten wir die Vorgeschichte des Abenteuers inklusive einer Einführung in die Auswirkung des Hasses auf die Feen in einer Feenglobule, die sich, dank eines dauerhaft geöffneten Tores, permanent in beiden Ebenen befindet. Dabei wird auch die Fee vorgestellt, die im Abenteuer neben den Helden die Hauptrolle spielt. Lyranides, so ihr Name, ist vom Hass überwältigt und hat nur eines im Sinn: Krieg. Diesen Krieg lässt sie durch Menschen, Goblins und andere Wesen in der Globule täglich austragen. Da sie immer wieder frische Kämpfer benötigt, entführt sie diese Lebewesen in die Globule. Die letzten Opfer waren, unter anderen, der Druide Seffel und ein nostrischer Soldat. Letzterer konnte nach wenigen Tagen dank Seffel entkommen und befindet sich nun in Beilstatt.
Die Helden erhalten, je nachdem für welche Seite sie tätig sind oder tätig sein wollen, unterschiedliche Aufträge. Für Nostria sollen sie herausfinden, was mit einem Spähtrupp passiert ist, für Andergast erhalten sie einen Auftrag von Arbogast, dem Obersten Druiden Andergasts, der sie bittet, etwas über Seffel herauszufinden. In beiden Fälle ist Beilstatt als Startort vorgesehen.
Bei Beilstatt werden die Helden Zeuge eines erbitterten Kampfes zwischen Jungen und Mädchen, Nostriern und Andergastern, um einen kleinen Hügel. Auch diese Kinder und Jugendlichen spüren den Hass aufeinander und kennen keine Gnade. Genau das führt bei dieser Schlacht zum Tod zweier Kinder. Trotz des Hasses sind die Kinder vom Tod ihrer Freunde tief getroffen und seelische Unterstützung durch die Helden kann da viel Gutes tun.
In Beilstatt selbst, übrigens das Dorf aus dem Einband, gibt es einige interessante Örtlichkeiten, neben dem Gasthaus und der Schänke sind vor allen Dingen der Firunschrein und der Tsatuaraschrein zu nennen. Alle diese Orte sind gute Anlaufstellen, um mit der Suche zu beginnen. Früher oder später werden die Helden dann von einem verletzten nostrischen Spion erfahren, der letzte Nacht irgendwie aus seiner Gefangenschaft entkommen konnte. Mit seinen Verletzungen, das dürfte den Helden schnell klar werden, kann er nicht weit gekommen sein und so bleiben schlussendlich genau zwei Orte im Dorf, wo man den Nostrier suchen könnte: die beiden Schreine. Die Helden werden, sobald sie die beiden Schreine im Blick haben, schnell fündig und Kasparlion, der Soldat, der aus der Globule entkommen konnte, wird ihnen dann von seiner Flucht aus einem dichten Wald und auch von Seffels Hilfe berichten. Nun haben die Helden bereits ein Ziel. Bevor sie aber aufbrechen können, erleben sie den Zwist zweier Sumen und können gerade noch verhindern, dass die beiden Männer, Kladur und Melanor (letzterer ist ein Gefolgsmann Yehodans) aufeinander losgehen. Dankbar zeigt sich jedoch nur Kladur, der den Helden dann auch noch mit Rat zur Seite stehen und ihnen einige offene Fragen zu Kasparlions Geschichte beantworten kann. Sein wohl wichtigster Rat ist jedoch, dass die Helden sich vor den Goblins hüten müssen, deren Gebiet sie durchqueren müssen.
Jetzt steht der Weiterreise nichts mehr im Weg, außer eben die Goblins, aber da gibt es einige Möglichkeiten, mit diesem Problem umzugehen. Spieler sind einfallsreich und werden am Ziel ankommen. Je nachdem, was der Spielleiter so plant, könnten sie auch noch die Holzfäller kennenlernen, die Kasparlion gefunden hatten.
Nach spätestens vier Tagen werden die Helden dann den Ort erreichen, den ihnen Kasparlion beschrieben hat. Dort werden sie direkt von einem Marwold in Empfang genommen. Nach dem Kampf können sie schließlich mit der Fee des Sees sprechen und erfahren, dass Seffel oder die Nostrier, je nach Auftrag, in der Anderswelt sind, wo sie sich von ihren Verletzungen erholen. Einen kurzen Tauchgang später sind die Helden dann in der Anderswelt, wo sie sich frei bewegen können, aber schnell feststellen, dass der Ort alles andere als ein Ort der Erholung ist.
Die Fee Lyranide sieht sich selbst als Inkarnation der Göttin Rondra und lässt die Gefangenen, Nostrier, Andergaster, Goblins und einen Ork, täglich gegeneinander oder gegen ihre Herolde kämpfen. Das Ziel ist immer ein Hügel. Diesen gilt es in der Schlacht zu erobern.
Neben den kämpfenden Personen finden sich auch noch ein Rondrageweihter, ein Al'Anfaner und Seffel in der Globule. Allesamt stehen unter einer gewissen Macht, Seffel kann sich an gar nichts erinnern und der tapfere Rondrageweihte ist auch irgendwie zu nichts zu gebrauchen.
Die Helden erfahren schnell, wie die Welt funktioniert und können in den Nostriern und/oder den Andergastern neue Freunde finden. Beide menschlichen Gruppen benötigen nämlich immer neue Streiter und neue Taktiken. Natürlich ist das Ziel der Helden nicht der Sieg in der Schlacht, sondern das Befreien und das Bewerkstelligen der Flucht der anderen Gefangenen, allen voran natürlich der von ihren Auftraggebern gesuchten Person(en).
Zähe Verhandlungen oder eine andere gute Idee können dabei die Grundlagen schaffen, die man dafür benötigt, denn so einfach kann man dem Ort des Hasses nicht entkommen. Damit das gelingen kann, muss man die Fee und den Hass selbst besiegen. Dieser Hass hat sich in der Globule als Avatar manifestiert und auch hier sind Taktiken und Planungen äußerst nützlich, denn der Avatar hat viele Jahrhunderte Erfahrung in solchen Dingen. Die Helden werden schlussendlich aber gewiss siegen und die Globule damit vom Hass befreien. Lyranide, ebenfalls ein Opfer des Hasses, wird ihre Gefangenen ziehen lassen und das Abenteuer ist damit beendet.
Im Anhang finden sich aber noch eine Zeittafel, gute Regeln zum Hass, Informationen zu den Feenfähigkeiten und fünf Karten des Feentals beziehungsweise des Schlachtfelds im Feental. Dieser Anhang rundet das Buch wirklich ab, liefert er dem Spielleiter doch die letzten nötigen Informationen.
Hass oder Liebe?
Tatsächlich hält das Abenteuer was es verspricht. Es enthüllt viele Geheimnisse und verlangt nicht nur erfahrene oder meisterliche Helden, sondern auch erfahrene Spieler. Das gibt es heute nicht allzu oft, meistens können Anfänger Abenteuer einfach runter spielen. Hier jedoch braucht man einige Ideen, um erfolgreich zu sein und nicht sofort zu scheitern oder in einer Endlosschleife stecken zu bleiben. Das heißt aber nicht, dass der Spielleiter hier zu viel Eigenleistung zeigen muss, ganz im Gegenteil: Das Abenteuer ist zwar für ihn detailliert be- und geschrieben, trotzdem haben die Spieler viele Freiheiten. Kurzum, ich liebe das Abenteuer Ewiger Hass und hoffe sehr, dass bald noch mehr der Geheimnisse der Streitenden Königreiche aufgedeckt und vielleicht endgültig gelöst werden.
Erscheinungsbild
Neben dem eigentlichen Abenteuer gehört ja auch immer ein optischer Eindruck und auch ein Blick auf den sonstigen Inhalt des Buches dazu. Auch da habe ich nichts zu meckern. Die Illustrationen sind absolut gelungen, die Seiten auch beim Zoomen nicht zu pixelig und gut lesbar.
Die Suchfunktion funktioniert im vorliegenden PDF sehr gut, ich hätte mir nur einen Index oder zumindest ein Inhaltsverzeichnis gewünscht, welches mich mit einem Klick zur gewünschten Seite hätte weiterleiten können. Aber das ist Meckern auf hohem Niveau und schmälert keineswegs das tolle Produkt.
Fazit
Ewiger Hass ist rundum ein tolles Produkt. Das Abenteuer selbst kann vollends überzeugen. Der Spielleiter hat kaum Arbeit und dennoch haben die Spieler so viel freie Hand wie selten. Die Antagonisten haben es in sich, aber auch die Verbündeten sind interessant, auch wenn sie nicht alle sie selbst sind. Illustrationen, Regeln und zusätzliche Informationen überzeugen ebenfalls.
Wäre die PDF noch mit bestimmten Funktionen wie einem Index ausgestattet, wäre das Abenteuer an Perfektion nicht mehr zu überbieten, so ist es nur fast perfekt.
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http://wp.me/p1Hoys-8FR
Die harten Kämpfe um das Blaue Buch sind überstanden, die Wunden wurden versorgt und der Sieg gefeiert. Zeit für die Helden, sich bei einem simplen Auftrag für einen norbardischen Händler zu entspannen. Doch es kommt anders als gedacht, tief im Schwarzen Forst...
Über viele aventurische und irdische Jahre war im Bornland nicht viel los. Gut, es gab da mal einen hässlichen Bruderkrieg und ein Kaiser verirrte sich angeblich im Wald – aber ansonsten? Nur hier und da boten exzentrische Adlige, leidende Bauern und intrigante Pfeffersäcke einige nette Abenteueraufhänger, die meistens aber nie die Provinz verließen oder gar etwas am bornländischen Alltag änderten. Mit DSA5 wird nun aber alles anders zwischen Born und Walsach. Dies hat allerdings nur bedingt mit dem neuen Regelwerk zu tun, sondern damit, dass Ulisses Spiele endlich die lang erwartete Theaterritter-Kampagne herausgebracht hat. Mehr über das Bornland erfahrt ihr hier, und für mehr zu den sagenumwobenen Theaterrittern schaut hier mal rein.
An dieser Stelle möchte ich mich gerne dem dritten Teil dieser Kampagne widmen. Geht dem ambitionierten Großprojekt zwischenzeitlich die Luft aus, oder wird noch genügend Spielspaß generiert? Ist dieser Teil vielleicht sogar das geheime Juwel der Reihe? Finden wir es heraus!
Inhalt
Nachdem Das Blaue Buch, der zweite Teil der Kampagne, mit einem dramatischen Finale endete, schickt Der Schwarze Forst die Helden erst einmal wieder zurück in die spielerische Provinz. Den Einstieg bildet dieses Mal der ordinäre Auftrag eines norbardischen Händlers, ihn in den Ort Irberod zu begleiten. Dort soll ein Wettbewerb entscheiden, welcher Händler würdig genug ist, eine Stahllieferung zum Rondra-Tempel in Irberod zu bringen. Durften die Helden im letzten Teil also noch ein mächtiges Artefakt im Auftrag der Efferd-Kirche transportieren, können sie nun einen etwas volkstümlicheren Auftrag wahrnehmen. Dies sorgt leider für einen kleinen Bruch, wenn die Kampagne am Stück gespielt wird: Eben noch kreuzten die Helden mit einem übermächtigen und undurchsichtigen Feind vor finsterer Kulisse die Klingen, eine Woche später rumpeln sie mit einem norbardischen Händler und seiner bornländischen Freundin die Feldwege entlang, zu einem rustikalen Volksfest in der Provinz.
Hier muss der Spielleiter zur Not etwas Überzeugungsarbeit in Form von Geldmangel oder altbekannten Meisterpersonen leisten, um die Spieler davon abzuhalten, all ihre Energie in weitere Recherche zum Feind aus dem vorhergegangenen Teil zu stecken. Bei gemütlichen Runden dürfte hingegen der Hinweis genügen, dass nach all dem Drama ein Urlaub im Wald nicht verkehrt ist. Ein Vorteil ist, dass das Abenteuer dank des beschaulichen Einstiegs auch außerhalb des Rahmens der Kampagne spielbar ist. Hier werden dem Spielleiter dementsprechend viele nützliche Tipps an die Hand gegeben, wie er die Handlung entsprechend anpassen kann. Leider gilt aber auch hier, dass Der Schwarze Forst als Teil der Theaterritter-Kampagne deutlich mehr Tiefe erreicht und es fast schon verschenkt wäre, diese nicht auszuloten.
Wie ihr euch aber sicher denken könnt, ist es mit dem Wettbewerb und dem Transport der Ware noch nicht getan. Die Helden werden ordentlich unter Feuer genommen, während sie mal wieder ein uraltes Geheimnis enthüllen. Das letzte Drittel des Abenteuers wird dementsprechend etwas mystisch und verlässt gewohnte Pfade, was der ansonsten etwas flachen Handlung guttut und den Spielspaß deutlich erhöht. Klar, im Finale klirren dann nochmal ordentlich die Schwerter, aber dies ist ein Abenteuer, in dem ansonsten vor allem die Wildniskundigen und Magiebegabten glänzen können.
Dadurch, dass das Abenteuer ziemlich eigenständig ist, könnten sogar ein paar der Helden ausgetauscht werden. Ebenso darf der Meister ebenfalls gewechselt werden, da die weitreichenden Pläne der Gegenspieler im Hintergrund ohnehin wenig im Detail Erläuterung erfahren. Die Zusammensetzung der Spieler sollte sich aber nicht ändern, da sonst einige Zusammenhänge zu den anderen Abenteuern der Kampagne nur erahnt werden können.
Ihr seid neugierig und wollt noch mehr von der Story erfahren? Gut, dann klickt bitte hier:
[spoiler]
Der norbardische Händler Alriksej, den die Helden beim Wettbewerb in Irberod unterstützen und auf seiner Reise nach Firunen begleiten, ahnt nicht, dass seine neue Geliebte Ricarda eine Hexe mit finsteren Absichten ist. Sie gehört nämlich zu einer kleinen Gruppe Hexen, die den Riesen Milzenis, den ein alter Fluch mitten im dichten Bornwald bindet, befreien und gleichzeitig für ihre Ziele gewinnen möchten. Angeführt von der alten Zelda von Ilmenstein brauchen sie für ihr Ritual noch eine letzte Zutat: Einen uralten Baum, der in Wahrheit eine verwandelte Hexe ist. Ricarda soll ihn beschaffen und sorgt dafür, dass Alriksej ihn unwissentlich in das Floß einbaut, mit dem er den gewonnenen Stahl nach Firunen transportieren wird.
Kaum sind die Helden mitten im Wald, tauchen dementsprechend auch die Hexen auf und schnappen sich das Floß. Noch kommt es aber nicht zum Showdown mit Zelda, sondern die Helden müssen sich erst einmal aus den Träumen des Riesen Milzenis befreien, in denen sie auf einmal gefangen sind. Hierbei handelt es sich um ein schönes, außergewöhnliches Szenario in einer waldigen Traumwelt, die man gerne näher erkunden würde, wäre da nicht dieser verdammte Zeitdruck. Denn auch die Hexen wandern durch Milzenis Träume und wollen ihn so erzürnen, dass sein Hass und sein antimagisches Brüllen (Ja, anscheinend hat er da eine passende Sonderfertigkeit gelernt) den Fluch brechen, er den Bornwald verlassen kann und von ihnen gelenkt über die Bewohner des Bornlands hereinbricht.
Es ist charmant, dass die Autoren hier bedacht haben, dass die Helden scheitern könnten. Milzenis wird dann tatsächlich, zumindest für einige Monate, das Bornland verwüsten und den Helden gegebenenfalls noch weitere Male begegnen. Die Hexen fliegen dann triumphierend von dannen und hinterlassen wahrscheinlich etwas frustrierte Helden.
Dennoch können diese am Ende des Abenteuers einen kleinen Sieg feiern. Denn die wahren Endgegner warten noch außerhalb des Waldes. Der Rondra-Tempel zu Firunen, für den die Stahllieferung aus Irberod bestimmt war, wurde nämlich von einem Geheimbund unterwandert, der bereits im zweiten Teil der Kampagne den Helden das Leben schwergemacht hat. Die Korsmal-Jünger wollen sich für die Niederlage im Kampf um Das Blaue Buch rächen und sind nicht auf Gefangene aus. Wird Der Schwarze Forst als Einzelabenteuer gespielt, wartet hier stattdessen eine feindliche Norbardensippe.
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Erscheinungsbild
Ich habe es schon oft geschrieben und wiederhole mich gerne: DSA 5 ist bisher erfreulich frei von optischen Totalausfällen und besticht durch hochwertige Illustrationen und klar strukturierte Kapitel. Meckern auf ganz hohem Niveau möchte ich an dieser Stelle aber trotzdem. Langsam wird es mir nämlich ein wenig zu bunt, womit ich aber tatsächlich nicht die Farbe meine. Aventurien wirkt mir inzwischen an manchen Stellen zu freundlich und zu harmlos. Wenn ich mir die kauzigen Antagonisten im Wald so ansehe, möchte ich ihnen eigentlich nur ungerne den Kopf abschlagen, aber leider wird es sehr wahrscheinlich zu dieser Situation kommen. Schade. Auf meine Bewertung des Abenteuers hat diese Feststellung aber nur unwesentlichen Einfluss genommen.
Fazit
Zusammengefasst ist Der Schwarze Forst ein solides Abenteuer mit einigen netten Ideen, die der ganzen Handlung etwas mehr Fantasie und Epik verleihen. Aus einem gemütlichen Ausflug, mit Einsteigerabenteuerfeeling, entwickelt sich nach und nach eine Reise tief ins uralte, waldige Herz des Bornlands. Dies passt insgesamt zur Kampagne und wirkt nach dem turbulenten Finale von Das Blaue Buch wie Balsam auf die Nerven geplagter Spielerhelden, wirkt aber auch wie eine erzählerische Vollbremsung. Zudem funktioniert es nach dem gleichen Schema wie die ersten beiden Teile der Kampagne: Zunächst geht es durch ein friedliches Bornland, das den Helden in all seinen urigen und rustikalen Facetten im Rahmen zahlreicher Wirtshausrunden und kauziger Meisterpersonen nähergebracht werden soll. Doch dann zerreißt ein Paukenschlag diese Idylle und lenkt die Handlung in eine völlig unerwartete finstere Richtung.
Lenken ist ein gutes Stichwort. Die Spieler werden durch diese Handlung hindurch navigiert, wie durch eine Ausstellung. Zwar dürfen sie sich an einzelnen Exponaten austoben, werden nach einiger Zeit aber dazu angehalten ihre Reise fortzusetzen. Immerhin, die Handlung macht Spaß und unterhält beim Zusehen. Wer jedoch lieber auf Sandkasten-Abenteuer steht, sollte die Finger von diesem Heft lassen, oder das dort beschriebene Szenario vollkommen umschreiben, und daraus eine Expedition in den Bornwald oder ähnliches machen.
Das liest sich jetzt härter als es ist. Denn ich denke, mit diesem gut strukturierten und gleichzeitig fantasievollen Abenteuer, werden vor allem Einsteiger gut abgeholt, die mit einem vergnüglichen Abend im finsteren Wald vollends zufrieden sind.
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http://www.teilzeithelden.de/2017/02/25/rezension-shadow-of-the-demon-lord-uncertain-faith-schwalb-entertainment/
Religionen haben die Macht, die Welt zu formen. In Augenblicken der Not und der Verzweiflung oder in Momenten größten Triumpfes wenden die Sterblichen ihre Augen oft gen Himmel. Und in einer Welt wie Urth, die unter dem Schatten des Dämonenlords leidet, kann der Glauben Seelenfrieden bringen…oder Kriege entfesseln.
Urth ist eine dunkle und bedrohliche Welt, in der die Völker der Sterblichen sich stets mit Tod und Hoffnungslosigkeit konfrontiert sehen. Sie leben ein Leben umgeben von finsteren, undurchdringlichen Wäldern oder zusammengedrängt in heruntergekommenen und windschiefen Hütten.
Entbehrungen und die Erkenntnis, dass alles Leben endlich ist, prägen den Alltag. In einer solchen Welt klammern sie sich an den kleinen Strohhalm der Hoffnung, den ihnen die Religion bieten kann.
Religionen in Urth
Die sterblichen Völker Urths haben eine Vielzahl an Religionen entwickelt, zu denen sie Zuflucht nehmen können. Eine Theorie besagt, dass die Religionen überwiegend entstanden, um mit dem Makel der Sterblichkeit zurecht zu kommen. Im Angesicht des stets präsenten Todes stellen sich natürlich die üblichen Fragen: Wo komme ich her? Was kommt danach? Wer bestimmt mein Schicksal.
Dabei haben die Völker Urths Antworten gefunden, die ungemein an popkulturell aufgearbeitete Versionen real existenter, irdischer Religionen erinnern. Denn auf knapp sechzig Seiten Quellenband findet sich ein Göttersammelsurium, das dem Leser seltsam bekannt vorkommt. Und dennoch gibt es immer wieder kleine überraschende Elemente.
Den Einstieg bilden die Alten Götter, die vor allem in ländlichen Regionen verehrt werden. In ihnen verehren die Menschen animistische Naturgestalten wie etwa den Gevatter Tod, Väterchen Frost, die Mondjungfer oder den Gehörnten. Diese urtümliche Religion erinnert an irdisches Druidentum, sie bietet den Gläubigen einfache Erklärungen für die Abläufe der Welt. So wechseln beispielsweise die Jahreszeiten, weil sich Väterchen Frost in einem Krieg mit der Sommerkönigin befindet. Die einzelnen Fraktionen sind jedoch stark zersplittert und auch unter den Anhängern einzelner Alter Götter kann es zu starken Auseinandersetzungen kommen.
Daher hat sich auch eine weitere Religion entwickelt, die der Hexen. Sie verfügt über eine eher geringe Anhängerschaft und vereint die einzelnen Alten Götter zu einem harmonischen Gesamtbild. In unserer realen Welt würden wir sie als neopaganistische Religion bezeichnen, die aus alten, traditionellen Überlieferungen ein komplexes und überlebensfähiges Ganzes zimmern möchte.
Dies ist natürlich auch notwendig, bedenkt man, dass diese Religionen sich gegen den Neuen Gott behaupten müssen, der das Imperium fest in seinem Griff hat. Dieser Neue Gott hat einst seine Gesandte Astrid (eine Figur, die grob an Johanna von Orleans erinnert) mit Visionen beglückt, die der religiösen Zwietracht und der Korruption im Imperium Einhalt gebieten sollten. Wurde Astrid auch von ihren Widersachern vernichtet, so gelang es ihr dennoch, den Glauben an den Neuen Gott mit seinen vier elementaren Wahrheiten im Imperium zu verbreiten.
Der Glaube lehrt, dass jedes Lebewesen eine Seele hat und sich in einem ewigen Rad der Wiedergeburten befindet. In dieser Religionsdarstellung wurde das Christentum mit einigen Lehren der großen fernöstlichen Religionen gekreuzt. Da Astrid, die Gesandte des Neuen Gottes, weiblichen Geschlechts war, ist auch der „Papst“ dieser Religion eine Matriarchin, die das Geschick der Kirche und ihrer Anhänger lenkt. Zur Seite stehen ihr dabei sieben Ritterorden.
Auch die nichtmenschlichen Völker haben ihre eigenen Religionen entwickelt. Das Volk der Zwerge kommt beispielsweise völlig ohne Götter aus. Stattdessen verehren sie die Geister ihrer verstorbenen Ahnen und bereiten ihnen besondere Altäre und Opferstätten. Der Ahnenkult ist so hoch angesehen, dass ein Priester dieses Kultes die gleiche Macht innehat, wie etwa ein Gildenmeister oder Fürst.
Der Glauben der Orks und Jotun erinnert an die nordische Mythologie. Der Allvater herrscht hier über das Pantheon der Dunklen Götter, denn er hat damals die Welt aus dem Schädel der kosmischen Kuh geformt. Blutkult und Opfergaben sind bestimmende Elemente des Glaubens an die Dunklen Götter.
Eine Reihe von kleineren und unbedeutenderen Gottheiten wird noch erwähnt. Unter ihnen findet sich der Teufel genauso wie der Dämonenlord, aber auch der Gott der Gnome. Außerdem findet der Spielleiter eine kleine Anleitung zum Entwickeln eigener Religionen und Kulte. Die Fluff-Texte sind insgesamt stimmig und atmosphärisch dicht.
Die Zauber
Neben den Beschreibungen der Religionen erwarten den Leser in Uncertain Faith auch eine ganze Reihe von Zaubern zu den Göttern und ihren Einflusssphären. Dabei wird aber enttäuscht, wer allzu viel erwartet. Denn zwischen praktischen und allgemein verwendbaren Zaubern wie Weihe oder Magie unterdrücken finden sich auch allzu viele Zauber, die stets den Titel Anrufung des… tragen und damit auf eine einzige Gottheit festgelegt sind.
Im Bezug auf die Machtbalance wirken die Zauber nicht übertrieben, sodass nicht zu befürchten ist, dass dieser Band das Gleichgewicht am Spieltisch massiv stört.
Artefakte
Ein weiterer zentraler Abschnitt des Buches beschäftigt sich mit Artefakten. Hier wird dem Spielleiter mit einer erschlagenden Vielzahl von Reliquien ein Schatz an Abenteuerideen an die Hand gegeben. Die Artefakte passen stimmig zu den jeweiligen Gottheiten und reichen vom prophetischen Auge des Sehers über den Speer der Dämmerung, mit dem einst der Hexenkönig getötet wurde und den Hammer des Steinkönigs, den die Zwerge zutiefst verehren, bis zum Kelch der Tugend, den die heilige Astrid einst vom Neuen Gott erhielt und der wohl dem heiligen Gral sehr nahekommt.
Abenteuer
Den Abschluss des Buches bildet ein Kurzabenteuer, dass mich von seiner Thematik und Atmosphäre sehr angesprochen hat. Denn es zeigt, wie trügerisch das Verständnis von Religion und ihren Phänomenen in einer Welt sein kann, die so massiv wie Urth von dunkler Magie und dämonischen Mächten durchzogen ist. Das Abenteuer richtet sich an Einsteiger. Die Charaktere werden auf ein Wunder aufmerksam, denn in einem Tempel des Neuen Gottes beginnt die Statue der heiligen Astrid plötzlich, Blut zu weinen. Die Gläubigen schweben zwischen Verunsicherung, Angst und Euphorie. Es ist nun an den Spielercharakteren, dieses Phänomen zu untersuchen und den Dämon zu enttarnen, der sich in der Maske der Heiligen auf der Jagd nach den Seelen der Sterblichen befindet. Das Abenteuer ist sehr schön geschrieben und entbiehrt auch nicht des gewissen Augenzwinkerns, dass Shadow of the Demon Lord so sympathisch macht.
Erscheinungsbild
Grundlage der Rezension ist die elektronische Ausgabe des Bandes Uncertain Faith. Die sechzig Seiten, die das Werk umfasst, sind durchweg ansprechend gestaltet und vollfarbig. Als Hintergrund des Textes dient altes Pergament, was sicherlich nicht neu, aber in diesem Kontext stimmig ist. Die Illustrationen, mit denen das Buch immer wieder angereichert ist, sind qualitativ sehr hochwertig, effektvoll und passend eingesetzt. Struktur und Gliederung des Buches sind klar, die Unterteilung in die einzelnen Abschnitte deutlich. Ein Glossar am Ende des Buches hilft beim schnellen Nachschlagen. Einzig die gebrochene Fraktur als Überschriftentyp sagt mir nicht zu. Hier leidet die Lesbarkeit zu Gunsten des Designs.
Fazit
Uncertain Faith bietet einen tiefen Einblick in Religion und Götterkult der Welt Urth. In einer Welt voller Krieg, Magie und Verzweiflung bietet der Glauben den Sterblichen einen kleinen Schimmer der Hoffnung. Die Religionen von Urth werden dem Leser vielfach bekannt vorkommen, da sie in erster Linie eine Neukombination oder popkulturelle Überspitzung bekannter, irdischer Glaubenssysteme sind. Diese Kombination ist aber sehr gelungen und passt zur Atmosphäre von Shadow of the Demon Lord.
Der 60-seitige Band bietet zudem neue, auf die Religionen abgestimmte Zauber, sowie einen reichen Schatz an Reliquien und Artefakten. Das durchaus gelungene kleine Einstiegsabenteuer, das Uncertain Faith abrundet, ist für niedrigstufige Charaktere gedacht und lässt den Einfluss, den Religion auf das Leben in Urth hat, spürbar werden.
Uncertain Faith bietet nichts bahnbrechend Neuartiges, das den Rollenspielbereich revolutionieren wird, sondern kombiniert altbekannte Elemente geschickt neu. Damit reiht es sich perfekt in die Publikationen von Shadow of the Demon Lord ein, die eher durch inhaltliche Stimmigkeit als durch größte Kreativität zu bestechen wissen.
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http://www.teilzeithelden.de/2017/02/20/rezension-kuro-tensei-cubicle-7/
Von japanischer Geistergeschichte zu Kami-Action. Der dritte Band der Kuro-Reihe verändert das Setting grundlegend und spart nicht mit Feuerwerk und Superkräften. Nun müssen die Helden ganz Neo-Japan retten. Dirk Walbrühl fragt sich: Ist das ein würdiger Abschluss der Reihe oder der Patzer am Ende?
Es ist das Jahr 2047, und etwas Düsteres ist nach Japan zurückgekehrt. Eine internationale Blockade versperrt seit sechs Monaten jeden Ausweg und immer deutlicher tritt das Übernatürliche zutage. In dieser Zukunft mischen sich die Elemente uralter Sagen mit moderner Technologie. So jedenfalls lernen Spieler wohl das Setting des Cyberpunk-Rollenspiels Kuro kennen, das Tim 2013 für die Teilzeithelden besprochen hat. Doch Kuro ist im Kern als Trilogie mit starkem Metaplot angelegt, und bereits der zweite Teil, Makkura, entwickelte das Spiel drastisch weiter. Die Spielercharaktere jagten einer mysteriösen Liste mit „Potentialen“ nach, auf der sich auch ihre eigenen Namen wiederfanden. Am Ende geht es um weit mehr als nur um futuristische Geistergeschichten.
Der Trend zur Veränderung setzt sich auch mit dem letzten Teil, Kuro – Tensei, fort. Dafür gibt es an dieser Stelle eine dicke Spoilerwarnung. Wer sich nicht alle Überraschungen in Shin-Edo nehmen lassen will, sollte hier aufhören zu lesen. Noch da? Gut, denn es kommt alles ein wenig anders.
Inhalt
„In Tensei enthüllen wir die finale Wahrheit über den uralten Kampf zwischen den Kräften der Kami und dem Schrecken des dämonischen Magagoto.“ Der Satz stammt aus der Einleitung zu Kuro - Tensei und beschreibt programmatisch, worum es im letzten Band der Rollenspiel-Trilogie geht: Alle Geheimnisse aufdecken, die zu den Ereignissen in Kuro und Makkura geführt haben – und das nicht nur für neugierige Spielleiter. Denn die Spielercharaktere sind seit dem zweiten Teil mittendrin im Geschehen eines okkulten Krieges. Doch alles der Reihe nach.
Zu Beginn des Rollenspiels waren die Spielercharaktere noch ahnungslose Alltagsgestalten auf der Spur von Geheimnissen und Geistern. Doch das änderte sich am Ende von Makkura schlagartig. Nun stehen sie in den Diensten des wahren Kaisers. Der hat ganz Japan mit der Kraft der Sonnengöttin Amaterasu in eine andere Dimension verschoben und damit von der Außenwelt und den eindringenden Kreaturen der Finsternis abgeschirmt. Die Spielercharaktere sind nun „Keshin“, Kami-Krieger, besessen von der Seele eines Ahnengeistes und ausgestattet mit mystischen, übernatürlichen Fähigkeiten. Der Settingband macht ihre Rolle deutlich klar: „Sie sind wahre Helden […], damit beauftragt, die Tore zum Yomi zu schließen und seine Monster ein für alle Mal zu vernichten.“
Dafür durchlaufen alle Charaktere eine neue Charaktererstellung, bei der sie einen eigenen Ahnengeist wählen, von denen sechs ausführlicher im Regelwerk beschrieben sind – etwa Miyamoto Musashi oder Himiko. Durch diese erhalten alle Charaktere nun Ki, eine mystische Macht, die die menschlichen Fähigkeiten erhöht und etwa erlaubt, über Häuserdächer zu springen, Geisterwaffen zu beschwören, Extra-Handlungen zu bekommen oder superschnell zu reagieren. Hierfür werden zahlreiche neue Begriffe und Konzepte eingeführt, die die Verständlichkeit des Regelwerkes nicht gerade erhöhen. Ein Beispiel: „Kuji-Kiri ist eine rohe Form von Kuji-In. Es nutzt Ko, das geheime Mudra der neun Schnitte, um einen furchtbaren Energieangriff zu erschaffen.“
Ebenfalls in Kuro - Tensei mit eigenen Regeln neu eingeführt:
Die neue Option, als beseelter Androide (Onimachine) zu spielen
Mystischer Schaden
Heilige Gegenstände und Talismane (z.B. O-fuda, O-mamori)
Verderbnis (Taint)
Orakelsicht, um in die Zukunft zu sehen oder mit Geistern zu sprechen
Das Verschieben von Schauplätzen in eine andere Dimension
Schutzpuppen (Kagenie), die Schadenspunkte aufnehmen
Beschwören von hilfreichen Kami
Geister-Vertraute (Shikigami) als Begleiter
Illusionärer Schaden durch Illusions-Angriffe (Maboroshi)
Ki-Verstärkte Waffen
Körperwaffen aus Androiden-Teilen
Nippon retten in 3 Abenteuern?
Nach vollen 76 Seiten neuer Regeln präsentiert sich das Ende der Geschichte in 3 Abenteuern. In Kürze geht es um den Kampf gegen Magagoto, die Verkörperung der Verderbnis, und seine 99 Generäle. Nur, wenn sie alle bezwungen werden, lässt sich der Oberbösewicht stellen. Das ist nicht gerade originell (inklusive einiger Rollenspiel-Klischees: „Kommt mit uns, wenn ihr leben wollt!“, „Bitte, beschützt meine Tochter!“), aber immerhin abwechslungsreich: vom epischen Kampf gegen ein Seemonster über gedankenkontrollierte Attentäter bis hin zu einer Armee besessener Androiden und dem Kampf gegen ein Stahl-Ungetüm. Die Abenteuer führen jedoch nur in das veränderte Setting ein – das weitere Vorgehen gegen die Generäle und Magagoto wird nur kurz mit Kampagnen-Ideen skizziert.
Um die Geschichte von Kuro also zu einem würdigen Ende zu führen, ist Mehrarbeit des Spielleiters angesagt. Kuro – Tensei glänzt dafür immerhin darin, die Schauplätze des Spiels und wichtige Charaktere detailliert und übersichtlich zu beschreiben. Der Kampf gegen die Truppen des Bösen führt schließlich aus der Stadt Shin-Edo hinaus und an viele Orte des futuristischen Japans. Ein Großteil davon wurde verwüstet und steht nun unter der Kontrolle der Dämonen. Von diesen werden 16 mögliche Gegnertypen einzeln mit Werten vorgestellt.
Der Horror im Detail
Moment mal, wo ist da denn der Horror, der in den beiden vorgehenden Bänden noch eine so große Rolle gespielt hat? In Kuro – Tensei soll er aus der Besessenheit durch den Ahnengeist entstehen. Denn um mächtiger zu werden (und mehr Ki zu erhalten), muss jeder Charakter seine Persönlichkeit opfern und sich dem Geist anpassen. Dafür gibt es auch gleich einen neuen Zähler als Mechanik: Menschlichkeit. Fällt dieser, etwa durch die häufige Verwendung von Ki-Kräften oder durch die Erforschung des Ahnengeistes, vergisst ein Charakter Teile seiner Erinnerung, seiner Bezugspersonen und sogar Fähigkeiten, wie etwa die, moderne Technologie zu verwenden. Menschlichkeit kehrt niemals zurück, und verlässt der Geist den Wirtskörper wieder, bleibt dieser im schlimmsten Fall als leere Hülle zurück. Kuro – Tensei stellt dabei die Frage: Wie viel Menschlichkeit bist du bereit, für den Sieg gegen das Böse aufzugeben?
Das klingt in der Theorie interessant, wird aber durch die tatsächliche Handlung unterlaufen. Darin kämpfen die Charaktere als Superhelden gegen Monster, werden von einer Katastrophe in die nächste geworfen. Zwischenüberschriften wie „Kicking Ass in the High Seas“ und tatkräftige Unterstützung von legendären Helden und Göttern tun ihr Übriges, um Gruseln durch Action zu ersetzen. Das passt zwar zur Idee von Kuro – Tensei, knüpft aber kaum an die Themen und Stimmungen der vorgehenden Bände an und landet trotz düsterer Zeichnungen doch irgendwo zwischen Exalted und Shadowrun.
Erscheinungsbild
Kuro – Tenseis 144 Seiten sind mit klarem Aufbau und einem sauberen Layout sehr angenehm zu lesen. Insbesondere die Zeichnungen der Ahnengeister sind ein Highlight der Trilogie. Ein vorbildlicher Index mit Hyperlinks und detaillierte Lesezeichen machen die PDF-Version zum brauchbaren Nachschlagewerk am Spieltisch.
Bonus/Downloadcontent
Cubicle 7 bietet keine speziellen Inhalte für Kuro – Tensei an. Für Kuro gibt es jedoch den Charakterbogen und zwei atmosphärische Musikstücke zum Download.
Fazit
Kuro – Tensei hat ein grundlegendes Problem, mit dem auch die Auflösungen von Horrorfilmen zu kämpfen haben: Macht jemand das Licht an und erklärt alle Mysterien, ist es einfach nicht mehr gruselig. Als Folgeband zu Kuro und Makkura verändert sich dabei der Ton des Spiels zu stark, weg von Geistergeschichten und hin zu knallharter Action. Wer die die ersten beiden Bände wegen dem Gruseleffekt mochte und auf einen schaurigen Abschluss der Kampagne hofft, dürfte hier enttäuscht werden und sollte die Wertung deutlich absenken. Auch der Cyberpunk-Anteil des Settings kommt bei den starken mystischen Elementen einfach zu kurz.
Für neue Spieler ohne Vorwissen ist Kuro – Tensei deutlich besser geeignet. Der letzte Band der Trilogie spielt sich am besten in Verbindung mit dem Grundregelwerk als eigenständiges Action-Rollenspiel mit einigen mystischen Elementen – dafür ist aber das Kuro-Grundregelwerk Voraussetzung. Wer also japanische Mythologie interessant und den epischen Kampf gegen Dämonen cool findet, sollte zugreifen.
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Dichte Wälder, trutzige Burgen und hochprozentiger Schnaps – so kennt man das Bornland in Aventuriens Nordosten. Doch es ist auch ein Land voller uralter Mysterien, von denen eines in diesem Abenteuer enthüllt wird. Wer wagt es, das Blaue Buch zu öffnen...?
„Was ist das?“ - „Ein blaues Buch.“ - „Und was macht es?“ - „Es leuchtet blau!“ - zwei Wortwitzakrobaten im Rollenspielladen, Bochum, neuzeitlich
Wer die Theaterritter erfunden hat, wissen wahrscheinlich nur besonders weise DSA-Gelehrte mit mindestens 16 Punkten in Geschichtswissen und einer Spezialisierung auf deutsche Rollenspiel-Systeme.
Eine kreative Glanzleistung mag es damals nicht gewesen sein, eine leichte Kopie der irdischen Tempelritter in den DSA-Kanon zu schreiben, aber im Laufe der Jahre wurden die Theaterritter sorgfältig mit der aventurischen Historie verwoben und faszinieren heute viele Spieler. Deswegen werden Abenteuer, die sich mit der Geschichte und den Geheimnissen dieses untergegangenen Ritterordens beschäftigen, immer mit Spannung erwartet.
Pünktlich zur fünften DSA-Regeledition hat Ulisses Spiele dann auch eine ganze Kampagne rund um die Theaterritter abgeliefert, die auch richtungsweisend für das Bornland sein soll, in dem sie vor ihrem Untergang ihren Hauptsitz hatten. Über diesen aventurischen Landstrich hat euch Patrick ja schon in der Rezension zum ersten Teil informiert. Wer den Artikel noch nicht gelesen hat, kann dies gerne hier nachholen.
Und wer sich fragt, wer diese Theaterritter genau waren, der wird im Folgenden aufgeklärt.
Inhalt
Die Theaterritter wurden vor vielen aventurischen Jahrhunderten gegründet, um nervende Goblins in die Wildnis zu treiben. Als diese Aufgabe in ihrer Heimat im Lieblichen Feld, gelegen im westlichen Aventurien, so gut wie beendet war, zogen die Ritter nach Nordosten, wo es noch reichlich rotpelzige Widersacher zu verprügeln gab. Im späteren Bornland eroberten die Theaterritter auf diesem Wege viel eigenes Land, wurden reich und durch umtriebigen Handel noch reicher. Gerüchteweise verdankten sie diesen Reichtum nicht nur der Gunst der Götter, sondern auch geheimen Bündnissen mit Dämonen. Es kam wie es kommen musste, und als die fanatischen Priesterkaiser an die Macht kamen, die ohnehin nicht viel für rondragläubige Ritter übrig hatten, wurde der Orden vollständig vernichtet.
Gut, nicht ganz vollständig. Ein paar überlebende Theaterritter sollen über das Meer ins Riesland geflohen sein. Bevor sie verschwanden, hinterließen sie den Efferd-Geweihten in Neersand ein rotes Buch, das alle Geheimnisse des Ordens enthalten sollte, aber leider niemand öffnen konnte, ohne dabei furchtbare Schmerzen zu erleiden.
Trotzdem fanden es fiese Schurken attraktiv, das Buch vor einigen Jahren zu stehlen. Im charmanten Abenteuer „Zeit der Ritter“ von 2001 – da gab es noch die D-Mark, Gerhard Schröder war Kanzler und Harald Schmidt beinahe jeden Abend im Fernsehen zu sehen – durften die Helden die Diebe jagen, das Buch retten und dann, etwas unbefriedigend, in einen großen heiligen Wasserstrudel werfen, damit es auf keinen Fall wieder in falsche Hände gerät.
Irgendwann holten die Geweihten es dann aber doch wieder an Land und stellten fest, dass sich der Einband langsam blau verfärbt. Dabei handelt es sich natürlich um den titelgebenden Gegenstand, den die Helden zur Untersuchung ins bornländische Hinterland zu einem weisen Magier und Historiker eskortieren sollen. Gut, warum sollte man dieses obskure und begehrte Buch auch nicht einer Gruppe wildfremder Abenteurer anvertrauen. Hier sollte man dringend auf den Rat des Autoren hören und diesen Auftrag den Helden nur aufgrund eines guten Leumunds verschaffen, den sie gegebenenfalls im ersten Abenteuer dieser Kampagne erlangt haben.
Gestandene Recken werden nun bereits ahnen, dass diese Reise nicht ohne unangenehme Überraschungen stattfinden wird. Immerhin haben aventurische Magier die ärgerliche Angewohnheit, gerade dann ihre Schreibstube zu verlassen und in gefährlichen Ruinen umherzustolpern, wenn sie dringend gebraucht werden. Außerdem gibt es natürlich noch finstere Gegenspieler im Hintergrund, die das Buch an sich reißen wollen.
Wenn ihr dieses Abenteuer als Spieler erleben wollt, dann solltet ihr bei der Wahl eurer Gefährten darauf achten, dass sie sich gut in der Wildnis zurechtfinden, zumindest halbwegs in bornländischen Mythen gebildet sind und sich ihrer Haut in teils wahnwitzigen Kämpfen erwehren können. Habt ihr so eine Truppe versammelt, dürft ihr euch auf eine Reise durch beschauliche Landstriche freuen, während der ihr so manches uralte Geheimnis im Vorbeigehen lüftet und euch mit spektakulären Gegnern prügelt. Hierbei handelt es sich also um ein klassisches Reise-und-entdecke-und-kämpfe-um-dein-Leben-Szenario, das gemächlich beginnt, zwischendurch aber ziemlich an Fahrt aufnimmt. Was ich damit genau meine, erfahrt ihr dann als Spieler im Laufe des Abenteuers. Wer es leiten möchte, oder einfach nur neugierig ist, erfährt im Spoilerkasten mehr.
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Als du den Spoilerkasten öffnest, läuft ein unangenehmes Kribbeln durch deinen Körper, dass sich zu einem schneidenden Schmerz steigert. Von Krämpfen geschüttelt rutscht du vom Stuhl und erleidest 2W6 Schadenspunkte... Sorry.
Dafür darfst du dich nun über schockierende Enthüllungen aus dem Blauen Buch freuen! Yeah! Also, nicht aus dem richtigen Buch, sondern aus dem Abenteuer. Das beginnt erst einmal unglaublich langweilig. Die Reise zum Magier ist unterfüttert mit viel bornländischem Flair und bierseliger Gasthausromantik. Zum Glück stehen in einem Wertekasten einige fiese Sumpfranzen bereit, welche etwas Abwechslung in die Reise bringen sollten. Der Magier Thezmar Alatzer von Hinterbruch, gleichzeitig Graf und Grundherr, ist natürlich nicht da und muss erst einmal in der Ruine Pilkamm gefunden werden. Diese war einst Hauptburg der Theaterritter und verwandelt sich in diesem Abenteuer schnell von einer leicht gruseligen aber auch ziemlich interessanten Ruine zum Schauplatz eines der wahnwitzigsten Kämpfe, die man im Schwarzen Auge in letzter Zeit erblicken konnte. Es greift ein Drachenreiter die Helden an, der... Was? Ja, ihr habt richtig gelesen: ein Drachenreiter. Genau, ein Ritter in voller Rüstung, der einen Drachen reitet. Viele Puristen werden so etwas hassen, aber ich finde der Autor erklärt diesen Gegner ganz gut als exotisches und bewusst schockierendes Ereignis für die Helden. Mit diesem Augenblick wandelt sich das Abenteuer auf drastische Art und Weise vom ruhigen Reise-Szenario zu einem bedrückenden Konflikt mit einem gnadenlosen und undurchsichtigen Gegner. Unterstrichen wird dies vom Tod der vom Tempel gestellten Begleiterin der Helden, einem verheerenden Angriff auf das Dorf des Magiers und dem Verlust des Blauen Buches.
Die Gegenspieler entpuppen sich als fehlgeleitete Kor-Anhänger, die, ohne es zu wissen, eigentlich schon lange einen Dämon verehren. Das Blaue Buch und ein Widderhorn aus Alatzers Besitz brauchen sie für ein abscheuliches Ritual am Ende des Bandes. Aber woher wissen sie, dass sie dafür jenes Buch brauchen und was darin steht? Das ist schnell erklärt: Sie sind Nachfahren der Theaterritter, von denen einige tatsächlich nicht mehr Rondra, sondern den Namenlosen verehrten. Seit ihrer Vertreibung hausen sie in den kargen Walbergen und wollen nun endlich ihr Exil verlassen. Die blutdurstigen Kor-Anhänger kommen ihnen dabei ganz gelegen.
Das Widderhorn hingegen ist ein uraltes goblinisches Artefakt. Dessen Hintergrund hat es in sich und erklärt, warum die Goblins im heutigen Aventurien beklagenswerte, meist feige und unselbstständige Geschöpfe sind, vor Jahrhunderten aber weitreichende Landstriche beherrschten. All ihre kämpferischen und machtbewussten Tugenden wurden von ihrer obersten Schamanin kollektiv ausgelöscht, damit die Rotpelze niemals den Einflüsterungen des Namenlosen erliegen sollten. Das Horn ist eines von vier Insignien, welche die damals gebannte Macht in sich tragen und nun von den Kor-Anhängern in einem blutigen Ritual gemeinsam mit Versen aus dem Blauen Buch verwendet werden sollen.
Das klingt ziemlich verrückt und passenderweise spielt der letzte Abschnitt des Abenteuers größtenteils in einem abgelegen Praios-Kloster, in dem geisteskranke Adlige gepflegt werden. In dessen Nähe liegt auch der Ritualplatz der Kultisten, deren Ränke bis in das Kloster reichen. Inmitten Wahnsinniger und Besessener müssen die Helden schließlich die Pläne der Ketzer aufdecken und verhindern, dass sie ihr Ritual ungestört vorbereiten und durchführen können. Dabei handelt es sich um eine blutige Massentaufe, die tatsächlich dazu führen könnte, dass der Namenlose nach den Seelen dutzender abtrünniger Ritter, Krieger und Geweihter greifen könnte – wenn die Helden tatenlos rumstehen. Spannend ist, dass es unterschiedliche Möglichkeiten gibt, wie das Ritual ausgehen kann, was schließlich auch den Rest der Kampagne beeinflussen wird.
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Erscheinungsbild
Wunderschöne und stimmige Illustrationen in Farbe sind inzwischen eine Selbstverständlichkeit in der fünften Regeledition von Das Schwarze Auge. Hier findet nur jemand was zu meckern, der gezielt danach sucht – zum Beispiel, dass man einigen Bildern die digitale Nachbearbeitung beim zweiten Hingucken zu deutlich ansieht. Auch die Pläne und Karten sehen gut aus, sind übersichtlich und dienen als nützliche Spielhilfen. Ein zweischneidiges Schwert sind die eigentlich ganz praktischen Einzelkästen, in denen einige Themen gesondert beschrieben werden. Leider nehmen sie manchmal etwas Überhand, wodurch aufmerksamskeitsschwache Personen wie ich, leicht abgelenkt werden können und dann vom Haupttext in den Einzelkasten rutschen.
Zur Verarbeitung kann ich leider nichts sagen, da mir nur die PDF-Version vorlag.
Fazit
Unterm Strich ist Das Blaue Buch ein solides Abenteuer mit einer sehr linearen Handlung nach Schema F, aber vielen tollen Ideen, die davon ablenken. Sicher, einige dieser Ideen sind vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig, aber bei einem Abenteuer, das in eine Kampagne eingebettet ist, die eine komplette aventurische Region – nämlich das Bornland – nachhaltig verändern soll, dürfen meiner Meinung nach ruhig auch mal einige überzeichnete und außergewöhnliche Elemente vorkommen.
Hierbei muss der Spielleiter aber aufpassen, dass sich die Spieler wegen dieser großen Knaller und dramatischen Wendungen nicht irgendwann resignierend zurücklehnen und die Handlung passiv geschehen lassen. Gerade der letzte Abschnitt erfordert von den Spielern auf einmal wieder sehr viel Eigeninitiative, nachdem sie in der Mitte des Abenteuers eher von den Ereignissen getrieben wurden.
Als Einzelabenteuer funktioniert es wegen der weitreichenden Geschehnisse nur bedingt, weswegen ich empfehle, es am besten im Rahmen der gesamten Kampagne zu spielen. Dennoch ist es eigenständig genug, dass der Spielleiter wechseln kann und nicht zwingend der sein muss, der auch schon das erste Abenteuer geleitet hat.
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http://www.teilzeithelden.de/2017/02/10/ersteindruck-nova-praxis-ein-intelligentes-cyberpunk-setting-fuer-fate/
Noch ein weiteres transhumanes Science-Fiction-Setting für Fate? Nova Praxis spielt mit seinem Schwerpunkt auf Wirtschaftsspionage und actionreiche Intrigen wie ein Shadowrun des 22. Jahrhunderts! Was das Setting so interessant macht, und was ihr von dem augmentierten PDF erwarten könnt, erfahrt ihr in unserem Ersteindruck.
Mit Mindjammer gibt es bereits ein hervorragendes Science-Fiction für Fate, das sich mit den moralischen und politischen Verwicklungen einer transhumanistischen Gesellschaft beschäftigt und dabei planetenübergreifende Geschichten verschiedenster Art ermöglicht. Welche Abenteuer können Spielrunden im Universum von Nova Praxis erleben, die sie nicht auch im Universum von Mindjammer erleben könnten?
Allerdings bietet Nova Praxis ein sehr fokussiertes Setting, das anders als Mindjammer in der sehr nahen Zukunft liegt und zahlreiche Plothooks für spannende Geschichten bietet, die sich um Wirtschaftsspionage und -sabotage drehen. Das Setting erscheint mir wie ein konsequent weitergedachtes und aktualisiertes Shadowrun, das im Spiel neben Action und Spionage Platz für die Auseinandersetzung mit Transhumanismus und dem Konflikt zwischen Freiheit und Sicherheit lässt.
Die Spielwelt
Nova Praxis spielt in der Mitte des 22. Jahrhunderts. Die technologische Entwicklung ist im Vergleich zur heutigen Zeit weit fortgeschritten: Menschen können ihre biologischen Gehirne durch synthetische ersetzen und infolgedessen ihre Persönlichkeit und Erinnerungen in künstliche Körper oder virtuelle Realitäten hochladen. Auch die menschlichen Körper selbst können durch synthetische Elemente, sogenannte „Sleeves“, ersetzt werden. Der politisch gewollte „Humanity Preservation Act“ sorgt jedoch dafür, dass der unmodifizierte Mensch zumindest momentan noch nicht von seinen transhumanen Artgenossen bedroht wird.
Ein technologisches Utopia
Produktion im herkömmlichen Sinne ist in diesem Utopia nicht mehr notwendig, seit Compiler erfunden worden, die in der Lage sind, aus nahezu beliebig recycelten Rohstoffen neue Produkte zu kompilieren. Dementsprechend ist in vielen Bereichen menschliche Arbeit nicht mehr nötig, oder kann durch fortgeschrittene künstliche Intelligenzen ersetzt werden, sodass Geld als wirtschaftliche Währung ihre Bedeutung verloren hat. Jeder Bürger verfügt ab Geburt über eine gesicherte Existenz mit grundlegenden Annehmlichkeiten und kann seinen Lebenszustand durch Aufstieg in einer Reputations-Ökonomie, also durch positive Bewertungen sozialer Interaktionen durch andere Bürger oder Organisationen, verbessern.
Möglich wurde dieser technologische Fortschritt durch Erreichen der Singularität: Etwa 25 Jahre in der Zukunft erschufen Wissenschaftler und Ingenieure „Mimir“, eine echte künstliche Intelligenz, die sich innerhalb von Wochen nach ihrer Entstehung selbst modifizieren konnte. Innerhalb der ersten drei Monate erfand Mimir so viele menschenfreundliche technologische Errungenschaften, wie die Menschheit vielleicht in mehreren Jahrhunderten geschaffen hätte. Dann schaltete sich Mimir jedoch selbst ab – und ließ sich seitdem nicht mehr hochfahren. Ein Jahrhundert später rätseln Wissenschaftler noch immer, wieso sich Mimir selbst abschaltete. Fest steht jedoch, dass die Entwicklung weiterer echter KIs aufgrund des enormen Gefahrenpotentials nicht mehr verfolgt wird. Stattdessen durchstöbern Wissenschaftler und Ingenieure nun Mimirs Archive und versuchen, diejenigen Technologien nachzubauen und zu rekonstruieren, die Mimir in den drei Monaten erfunden hat.
Schöne, neue Welt?
Die neue Weltordnung wurde Ende des 21. Jahrhunderts von sechs Großkonzernen erdacht, als die Staaten der Erde in einem groß angelegten Krieg einen Großteil der Bevölkerung vernichteten und den Planeten unbewohnbar machten. Die Menschen, welche die Hoffnung in ihre Regierungen verloren hatten, wurden von den Konzernen auf bewohnbare Planeten des Sonnensystems evakuiert, und sind ihren Rettern noch heute dankbar. Ihr Leben klingt ja auch paradiesisch: Wo früher Hunger und Armut in vielen Gegenden der Welt geherrscht haben, lebt jeder Bürger friedlich und erfüllt in von einem der sechs Konzerne bewirteten Komplexen. Dass diese Konzerne sich mittlerweile Häuser nennen, und faktisch das Sonnensystem regieren, ist den meisten Menschen egal, solange für ihre Sicherheit und Erfüllung gesorgt sind. Auch von dem Schattenkrieg, der verborgen zwischen den Häusern tobt, und dem Ringen um wirtschaftliche Dominanz ahnen die meisten Bürger nichts.
Einige wenige entscheiden sich jedoch, die von Konzernen regierte Zivilisation zu verlassen, und leben in technologisch weniger fortgeschrittenen Siedlungen. Als Rückzugsorte für Freiheitsliebende, Außenseiter und Transhumanisten bieten diese Siedlungen größtmögliche Freiheit für den Preis der Bequemlichkeit des bürgerlichen Lebens. Fern von der Herrschaft der Konzerne sind ihre Bewohner zwar frei, nach ihren eigenen Regeln zu leben, kämpfen jedoch täglich um ihr Überleben und darum, nicht von einem der Häuser entdeckt zu werden.
Die Regeln: Strands of Fate
Die Regeln sind eine Adaption von Strands of Fate und entsprechen damit im Großteil den etwas neueren Fate Core-Regeln, weswegen ich an dieser Stelle auf Marcs hervorragende Regelübersicht verweise, anstatt sie selbst noch einmal zusammenzufassen. Im Unterschied zu Fate Core gibt es eine etwas längere Fertigkeitenliste, welche die im Cyberpunk-Setting benötigten Fertigkeiten meiner Meinung nach etwas zu detailliert abbildet. So wird beispielsweise zwischen Hardware- und Software-Entwicklung als Fertigkeiten unterschieden, auch wenn die meisten Ingenieurs-Charaktere vermutlich ohnehin beide Fertigkeiten wählen würden.
Neben den üblichen Handlungen sieht das System noch ausgedehnte und kombinierte Handlungen vor. Ausgedehnte Handlungen ziehen sich über einen längeren Zeitraum, in dem eine bestimmte Zahl von Erfolgsgraden angesammelt werden muss. Kombinierte Handlungen geben Boni oder Mali auf einen Wurf, wenn für eine Handlung neben der Hauptfertigkeit noch eine zweite Fertigkeit benötigt wird, die höher oder niedriger als die Hauptfertigkeit ist.
Schließlich sieht das System nicht vor, dass man Ziele bei schlechten Würfelwürfen doch noch erreichen kann, dafür aber einen Haken in der Geschichte hinzuerzählen muss. Diesen Mechanismus finde ich in Fate Core sehr schön, und würde ihn hier sehr vermissen. Alles in allem ist das System Fate Core jedoch sehr ähnlich, und lässt sich auch problemlos durch dieses ersetzen. Erfahrenen Fate-Spielern würde ich raten, das schöne Setting einfach mit Fate Core zu bespielen, während unerfahrene Fate-Spieler hier ein vollständiges Regelwerk erhalten, mit dem sie ohne größere Probleme direkt losspielen können.
Charaktere: Agenten im Schattenkrieg
Das Regelwerk geht davon aus, dass die Spieler Agenten im Schattenkrieg zwischen den Konzernen spielen, die durch Sabotageaktionen, Infiltrationen und Spionage den Einfluss ihrer Auftraggeber mehren. Jeder Charakter verfügt über fünf Aspekte: eine Ambition, eine Überzeugung, eine Verbindung, einen Nachteil und eine Expertise. Ich halte fünf Aspekte für eine gute Zahl, um die wichtigsten Ecken und Kanten eines Fate-Charakters abzubilden.
Je nachdem, ob Spieler einen unmodifizierten Menschen, einen Cyborg, oder gar eine virtuelle Entität, einen „SIM“, spielen, erhalten sie eine unterschiedliche Zahl an Fertigkeitspunkten, die sie auf körperliche und geistige Fertigkeiten verteilen können. Mir gefällt diese Entscheidung zu unterschiedlichen Fertigkeitspunkten in Abhängigkeit von den Lebensumständen nicht besonders gut, weil Fate meiner Meinung nach einen Charakter durch seine Aspekte und Stunts, und nicht durch seine Fertigkeiten charakterisiert. Allerdings kann ich nachvollziehen, dass sich Mike McConnell dazu entschlossen hat, auf diese Weise die Eigenheiten der Spielwelt stärker herauszuarbeiten. Meine Designvorstellungen trifft es aber nicht.
Zum Abschluss der Charaktererstellung wählen die Spieler drei passende Stunts und Ausrüstung aus (das Regelwerk liefert für beides zahlreiche Beispiele), außerdem entscheiden sie über die Zugehörigkeit ihrer Charaktere zu einem der sechs Häuser, und bestimmen die Reputation, also den sozialen Status, ihrer Charaktere.
Das Layout des augmentierten PDF-Regelwerks ist genial: Es ist darauf ausgelegt, auf dem Tablet oder Laptop gelesen zu werden, und füllt in der Diagonale den gesamten Bildschirm aus. Das Regelwerk nutzt die technischen Möglichkeiten eines PDFs auf, und verlinkt bei zahlreichen Themen auf Wikipedia-Artikel zum Nachlesen. Eine Linkleiste auf der linken Seite des Dokuments ermöglicht die schnelle Orientierung im Dokument. Auf der rechten Seite befinden sich Pfeile, die vermutlich zum Blättern gedacht sind, die ich aber recht redundant finde – ich kann ja einfach an der Tastatur/am Touchscreen blättern – und die auch nur mit dem PDF-Viewer meines Laptops, aber nicht mit dem PDF-Viewer meines Tablets funktioniert haben.
Jedes Kapitel beginnt mit einer äußerst schick aufgemachten Titelseite mit Hyperlinks zu den wichtigsten Unterabschnitten. Die zahlreichen Artworks im Regelwerk unterstreichen das Cyberpunk-Thema des Settings sehr schön. Andere Verlage können sich von der Aufmachung dieses digitalen Regelwerks einiges abschauen! Einen Eindruck vom augmentierten PDF bekommt ihr hier.
Fazit: Ein konsequent weitergedachtes und intelligentes Cyberpunk-Setting
Ich bin von der Spielwelt von Nova Praxis begeistert. Die technischen Entwicklungen sind nachvollziehbar, und die politischen Spannungen zwischen Häusern und Aussteigern aus der Gesellschaft, sowie zwischen Transhumanisten und unmodifizierten Menschen, bieten einen spannenden Hintergrund für ein Cyberpunk-Setting. Davon kann sich Shadowrun eine Scheibe abschneiden!
Das Spielsystem ist sehr nah an Fate Core, zu dem man auch einfach beruhigt greifen kann. An der vorgeschlagenen Fate-Variante gefallen mir die unterschiedlichen Fertigkeitspunkte für verschiedene Charaktertypen nicht besonders gut, und auch der Auflösungsgrad einiger Stunts und Ausrüstungsgegenstände ist für mich zu hoch. Aber das scheint ein Problem aller Science-Fiction-Settings zu sein – Mindjammer besitzt ebenfalls eine unnötig lange und detaillierte Ausrüstungsliste.
Schließlich hätte ich mir ein Beispielabenteuer oder -szenario gewünscht, das skizziert, wie sich ein derart herausforderungszentriertes Setting wie Cyberpunk sinnvoll mit einem narrativen System bespielen lässt. Im Regelwerk befinden sich zahlreiche interessante Plothooks, aber ein Beispielszenario würde den Einstieg in das Setting sicherlich vereinfachen.
Das augmentierte PDF am Tablet zu lesen ist eine wahre Freude, und ich würde jedem, der mit Nova Praxis liebäugelt, dazu raten, die 10 USD mehr für das augmentierte PDF auszugeben. Ich würde mir wünschen, dass andere Verlage die technischen Möglichkeiten digitaler Produkte ähnlich gut ausnutzen würden!
Dieser Ersteindruck basiert auf dem Lesen des Regelwerks.
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Das beliebte Pen-&-Paper-Rollenspiel Das Schwarze Auge hat sich schon vor vielen Jahren einen Namen gemacht. Weshalb bringt Ulisses nun aber ein Buch über aventurische Namen heraus? Und was, in aller Götter Namen, steht darin geschrieben? Wir wissen es! Redakteur Torben hat nämlich einen Blick hineingeworfen und seine Meinung hier niedergeschrieben.
[quote]Was wär‘ ich ohne Namen bloß?
Wahrscheinlich wär‘ ich namenlos![/quote]
Namen sind ein wichtiger Bestandteil unserer Welt und selbstverständlich auch im Rollenspiel von großer Bedeutung. Mit Aventurische Namen hat Ulisses nun ein Produkt auf den Markt gebracht, welches sich diesem wichtigen Thema widmet. Aber ist das Thema Namen wirklich umfangreich genug, um ein eigenes Buch zu verdienen?
Philosophisch gesehen sind Namen von essentieller Bedeutung für uns, weil wir alles, was wir wahrnehmen, benennen. Alles Unbekannte muss einen Namen erhalten, um „be-/erkannt“ zu werden. Wenn wir unsere Phantasie spielen lassen und uns etwas ausdenken, wie etwa neue Kreaturen in einem Rollenspiel, dann können wir Anderen dies nur vermitteln, indem wir den Dingen Namen geben. Je bekannter der Name, desto eher wissen wir daher auch, was gemeint ist.
Das Tiger-Chamäleon können wir uns besser vorstellen als den Schnösipuckeldöpper. Wir verbinden also etwas mit Namen. Für viele Spieler ist es daher auch ungemein wichtig, dass ihre Helden Namen tragen, die etwas über sie aussagen, mit denen sich etwas verbinden lässt. Es muss ein Name sein, der in den Kontext passt. An dieser Stelle setzt das Buch Aventurische Namen
Inhalt
Das Buch liefert eine große Menge von Namen aus allen Kulturkreisen und Lebensschichten Aventuriens, geht aber dabei aber nicht in die philosophische oder etymologische Tiefe. Es als „aventurisches Telefonbuch“ zu bezeichnen, wäre allerdings auch nicht gerecht.
Schon das Inhaltsverzeichnis verspricht ein umfangreiches Paket. Auf insgesamt 96 Seiten sind Namen aus verschiedenen Bereichen zu finden, unterteilt in die Abschnitte „Namen der Menschen“ (alphabetisch nach Kultur sortiert), „Zwölfgötternamen“, „Namen anderer Spezies“ und „Regeln & Anhänge“.
Das Buch ist allerdings nur halb so gut strukturiert, wie es auf den ersten Blick scheint. Leider wurde nicht darauf geachtet die alphabetische Sortierung durchgehend aufrechtzuerhalten. Stattdessen wird die Sortierung immer wieder durch Einschübe unterbrochen. Diese kleinen Artikel zu verschiedenen Themen, wie beispielsweise „Künstlernamen“, „Alles über Alrik“, „Magiernamen“ oder „Anagramme“, wären in einem eigenen Kapitel sicherlich besser aufgehoben.
Nichtsdestotrotz sind es diese Einschübe, die das Lesen des Werkes durchaus interessant gestalten. Sie wiegen auf, was dem Buch an Tiefe und Hintergrundinformationen zur Namensentstehung fehlt. Gerade bei dem gebotenen Umfang hätte mehr Platz für derartige Informationen genutzt werden sollen.
Für die Darstellung der verschiedenen Namenslisten wurde ein durchgängig recht ähnlicher Aufbau verwendet. Nach einem Ingame-Zitat folgt ein Einleitungstext zur entsprechenden Namensregion und den Besonderheiten der Namensgebung. Hier sticht besonders hervor, dass bei einigen Regionen auch auf die Aussprache der Namen geachtet wurde. Teilweise sind kleine Aussprachehilfen optisch hervorgehoben, um den Leser darauf hinzuweisen, dass ein J bei al’anfanischen Namen beispielsweise eher als „dsche“ gesprochen wird, oder ein fjarninger R kehlig, wie in „Gurgel“, klingen muss.
Des Weiteren fällt sehr positiv auf, dass zusätzlich zu einfachen Vor- und Familiennamen auch die Namen verschiedener Helden und Heiligen aufgelistet wurden. So können Spieler bei der Heldenerschaffung auch auf die Namen großer Vorbilder zurückgreifen, oder der Spielleiter kann noch etwas mehr über die Region erfahren. Und wenn man dann Raidri Conchobair, Waldemar der Bär, Hlûthar von den Nordmarken oder Leomar von Baburin liest und sich an die gute, alte Zeit zurückerinnert, dann werden auch die Herzen der Alteingesessenen erwärmt.
Besonderes Augenmerk verdient auch die Tatsache, dass bei den Namen der Mittelreicher zwischen den Familiennamen der Gemeinen und den Adelsnamen unterschieden wird. Wer beispielsweise aus dem Hause Goldweiler, Sturmfels oder Ulmenhain stammt und zudem noch den ein oder anderen Zweitnamen trägt, ist vermutlich adlig. Im Gegensatz dazu zählt ein Karon Bachental oder eine Roana Galdifei eher zu den Gemeinen. Ein Silbenbaukasten für Adelsnamen ermöglicht zudem die Erschaffung weiterer, gebräuchlicher oder ungebräuchlicher, mittelreichischer Vornamen, wie beispielsweise Barnulf, Waidelaus oder Eichburga.
Ebenfalls erwähnenswert ist es, dass für verschiedene menschliche und nicht-menschliche Kulturen auch Sippen- oder Stammesnamen aufgeführt werden. So ist Drechan vielleicht ein Trollzacker aus dem Stamme der Koro’warh und Phelica eine Zahori der Nevasca-Sippe.
Das Kapitel „Zwölfgötternamen“ ist etwas kürzer gehalten und befasst sich ausschließlich mit Namen, die den Zwölfen oder den Halbgöttern zugeordnet werden, wie etwa Praiodan, Perainfried oder Golgarion. In diesem Kapitel ist bemerkenswert, dass die Namen diverser Heiliger separat Erwähnung finden. Der Sohn des Dorfvorstehers mit Namen Argelion ist also eventuell sehr belesen, da er den Namen St. Argelions, eines Heiligen der Hesindekirche, trägt. Und ob es eine kluge Entscheidung des Wirtes war, seinen Sohn Valpo nach St. Valpo, einem Heiligen der Rahjakirche, zu benennen, das wird er selbst am besten wissen. Aber auch nicht jeder Rondrigan ist zum Kampfe gemacht, und nicht hinter jeder Phexandra steckt eine gerissene Diebin.
Das dritte Kapitel, welches sich mit nicht-menschlichen Namen befasst, unterscheidet sich nicht grundlegend vom ersten. Wie dort gibt es Hinweise zur Aussprache, beispielsweise die Nutzung des Tremas (ein Doppelpunkt auf e oder i) bei Elfennamen, wie Olimonë oder Elayoë. Es gibt verschiedene Silbenbaukästen, zum Beispiel für Zwergennamen, wie Gandrammox (Gandr-am-mox) oder Halixgrotosch (Hal-ix-gro-tosch). Zudem sind auch Stammes- und Sippennamen aufgeführt, sodass man einen Korogai-Ork namens Elgork Blutauge aus dem Stamm Gravachai erschaffen kann oder den Troll Knopphold aus der Sippe Trampeldatsch vom Stamm der Tonkerompf.
Neben den bereits zuvor erwähnten Einschüben gibt es in Aventurische Namen aber auch Informationen zu den Namen früherer Reiche und Kulturen, wie etwa des Bosparanischen Reiches, der Hochelfen oder des Diamanten Sultanats (Ur-Tulamidische Namen). Auch diese sind nicht in alphabetischer Reihenfolge im Inhaltsverzeichnis zu finden, sondern reihen sich dort ein, wo die historisch nachfolgende Kultur ihren Platz hat. So findet man beispielsweise den Bosparaner Hydrosius Drusus dem Absatz über die Namen des Horasreiches nachgestellt, oder die Haranija Mandara sâlâ Fahimja auf den Seiten nach den Namen der Tulamiden.
Das letzte Kapitel befasst sich schließlich mit den Regeln der Namensgebung und bringt ein paar neue Vor- und Nachteile sowie Sonderfertigkeiten mit sich. Dank des neuen Regelwikis muss man an dieser Stelle auch nicht mehr darüber streiten, ob es sinnvoll ist, dass mit jeder Publikation neue Regeln auftauchen, da diese nun im Regelwiki gebündelt werden.
Vor- und Nachteile wie „Allerweltsname“, „Gutes/Schlechtes Namensgedächtnis“ oder „Böser Namensvetter“ können am Spieltisch sicherlich für einige lustige oder auch spannende Szenen sorgen. Wenn der arme, gebeutelte Held zum dritten Mal in dieser Woche von einem Gardisten festgesetzt wird, weil er doch den gleichen Namen wie der gesuchte Verbrecher Answin Degenhart trägt, dann sollte er jedoch vielleicht über einen Namenswechsel nachsinnen.
Im Anhang befindet sich ein kurzweiliger Text über den Umgang mit Aberglaube in Bezug auf Namen. Das Highlight ist jedoch ein zweiseitiger Generator für Mittelreicher und Tulamiden, der Spielleitern ein schnelles Auswürfeln von Namen ermöglicht.
Erscheinungsbild
Der erste und durchaus auch gute Eindruck, den man vom Werk hat, trügt hier keinesfalls. Das gelungene Covermotiv, welches einen Künstler oder Heraldiker bei der künstlerischen Gestaltung eines berühmten Stammbaumes zeigt, ist gut gewählt und ausdrucksstark gemalt. Das trifft ebenso auf viele der Bilder und Grafiken im Inneren des Buches zu. Die verwendeten Illustrationen wurden auf die jeweilige Kultur abgestimmt, sodass man genauso Orks und Echsenmenschen findet wie Thorwaler oder Kemi. Leider sind viele der gewählten Darstellungen bereits aus anderen Publikationen bekannt. Besonders bemerkenswert sind allerdings die kleinen Aventurienkarten, die am Anfang eines jeden Abschnittes zu finden sind und die Region markieren, aus der die Namen stammen. Dies ist eine ebenso gute Idee wie die große Karte ganz am Anfang des Buches, die eine Übersicht über diese Sprachregionen bietet.
Das Lektorat hat, wie in den vorangegangenen Publikationen auch, wieder sehr gute Arbeit geleistet, wenngleich nicht alle Fehler ausgebügelt wurden. Aber wer ist schon perfekt? Noch dazu, wenn man sich als Lektor durch so viele Namen lesen muss.
Ansonsten entspricht das Produkt der gewohnt guten Qualität eines DSA5-Hardcovers.
Bonus/Downloadcontent
Es ist kein Bonuscontent enthalten.
Fazit
Aventurische Namen muss man wohl oder übel aus zwei verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Auf der einen Seite bekommt man ein tolles Buch mit einer großartigen Auswahl von zahlreichen menschlichen und nicht-menschlichen Namen, mit diversen zusätzlichen Inhalten wie Namen für Tierbegleiter, Waffennamen oder Namen von Hochelfen, und auf der anderen Seite ist es dann doch nur das aventurische Telefonbuch. Es ist zwar verständlich, dass man für die Qualität eines Hardcovers einiges zuzahlt, aber es stellt sich hier die Frage, ob bei einem banalen Thema wie Namen nicht doch ein Softcover genügt hätte. Für die Summe an Dukaten, die das Hardcover kostet, hätten auch deutlich mehr Tiefe und mehr Informationsmaterial zur Namensentstehung ihren Platz finden können.
Die Ingame-Texte und -Zitate, die Namen von Helden und Heiligen, und auch der Namensgenerator werten das Werk insgesamt aber etwas auf. Mich persönlich hat es natürlich besonders positiv gestimmt, meinen eigenen Namen in der thorwalschen Namensliste zu finden.
Nichtsdestotrotz ist diese Publikation eher ein Nice-to-have denn ein Must-have.
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Mit dem Adventurer‘s Companion wird das Tischrollenspielsystem The One Ring um viele neue Optionen zur Charaktererstellung erweitert. Doch nicht alles, was Gold ist, glänzt und ob das Buch ein treuer Gefährte wie Samweis Gamdschie oder ein übler Begleiter wie Gollum ist, stellt sich in dieser Rezension heraus.
Ein treuer Reiserucksack für den ohnehin schon mit Büchern überladen Spieler soll der Adventurer‘s Companion für das Mittelerde-Rollenspiel The One Ring sein. Doch hat er ein kluges Packsystem und bietet dem Spieler spannende Optionen oder wird hier einfach alte Ausrüstung in einen neuen Beutel geschnürt?
Inhalt
Der Kern dieses Bandes sind die dreizehn zusätzlich spielbaren heroischen Kulturen, die es sich auf fast einhundert Seiten gemütlich machen. Jedoch erhalten die freien Völker tatsächlich nur sechs echte kulturelle Neuzugänge als Verstärkung im Kampf gegen den Schatten. Die übrigen sieben wurden bereits in anderen Quellenbüchern eingeführt. Es folgen etwas über fünfzig Seiten Regelzusätze, die fast jeden reglementierten Bereich optional modifizieren.
Hörnerklang – Verstärkung im Kampf gegen den Schatten
Das erste und längste Kapitel widmet sich der Charaktererstellung. Auf eine Zusammenfassung des Ablaufes der Charaktererschaffung folgen einige archetypische Vorschläge zur Motivation der Heldin ihre Heimstatt zu verlassen und in die weiten Lande Mittelerdes zu ziehen. In der Tradition des Systems, dicht an Tolkiens Primärtexten zu arbeiten, orientieren sich diese Vorschläge zur Hintergrundgeschichte an den Charakteren der Bücher. Folgend werden kurz Schablonen zum Schmieden einer Gemeinschaft bereitgestellt.
Kommen wir nun zum Herz des Bandes - den heldenhaften Kulturen. Dreizehn Stück an der Zahl, verstärken sie die sechs Optionen des Grundbandes, womit stolze neunzehn Wahlmöglichkeiten erreicht sind. Damit sind fast alle Kulturen der freien Völker abgedeckt, die zum Ende des dritten Zeitalters in Mittelerde existieren. Wie erwähnt sind aber weniger als die Hälfte wirklich neu, nämlich nur sechs Kulturen. Das sind: Zwerge aus den Ered Luin, Elben Loriens, Bree-Menschen, Menschen aus Minas Tirith, Eigensinnige Elben des Düsterwaldes und die wilden Hobbits der Anduintäler. Die anderen sieben wurden schon in den Quellenbüchern zu Bruchtal, Rohan und dem Erebor sowie dem Supplement-Heft des Spielleiterschirmes eingeführt.
Der Aufbau der Kulturbeschreibungen behält die bisherige Grundstruktur bei. Nach kurzer Beschreibung des Lebensraumes, seiner Bewohner und ihrer Meinungen über einige der anderen freien Zivilisationen folgt der Regelteil. Jedes Volk bringt einen Cultural Blessing genannten Vorteil mit und liefert sechs Hintergründe, die sowohl Geschichte als auch Werte des frisch gebackenen Helden beeinflussen. Abgerundet wird jede Kultur durch eine Anzahl an Cultural Virtues, also charakterlichen Stärken, und Cultural Rewards, also materiellen Belohnungen, aus denen die Heldin mit wachsender Erfahrung wählen kann. Hier liegt leider die größte Schwäche der neuen Kulturen, denn nicht alle neuen Streiter dürfen voll aus dem Krug der Vorteile schöpfen. Stattdessen orientieren sich beispielsweise alle Zwergenkulturen an den Zwergen des Erebors und erhalten lediglich je einen materiellen und charakterlichen Vorteil, während sie für die übrigen Wahlmöglichkeiten auf die Optionen ihrer Verwandten vom Erebor zurückgreifen müssen. Damit wird auch die Chance vertan, die bestehenden Charakteroptionen aus den Quellenbüchern sinnvoll zu erweitern. Die sieben bereits bekannten Kulturen werden unverändert übernommen. Allein durch diese Ergänzung hätte der Band so viel interessanter werden können. Schlussendlich ist damit über die Hälfte dieses Kapitels aus anderen Quellenbüchern recycelt. Zwar sind alle Kulturen stimmig beschrieben und bieten tolle Erweiterungen für die Heldenerstellung, der Mehrwert für Besitzer der anderen Quellenbücher schrumpft aber gewaltig.
Von klirrenden Klingen zu Schnur und Fischgräte
Ergänzt werden die Kulturen durch eine Vielzahl an optionalen Regeln, die an verschiedensten Schräubchen des Regel-Zahnwerks drehen. Den Einstieg bildet eine sechste Berufung, der Anführer, welche die übrigen sinnvoll ergänzt. Die folgenden erweiterten Kampfregeln bereichern das Kampfsystem und liefern ausreichend Möglichkeiten, die Aktionen der Helden oder Widersacher etwas variantenreicher zu gestalten. Zwar finden sich hier kleine Schönheitsfehler, wie die Tatsache, dass der Kampf mit zwei Einhandwaffen nur mit verschiedenen Waffentypen möglich ist, in der Gesamtheit aber präsentieren sich die zahlreichen neuen Möglichkeiten, Orks, Trollen, Spinnen und allen anderen Dienern des Feindes ihre düsteren Geschäfte mit der blanken Klinge zu vermiesen, in einem guten Licht. Außerdem werden die sogenannten Masteries als kulturunabhängige charakterliche Vorteile um einige gute Meisterschaften erweitert.
Angenehm ist, dass jede neue Regelerweiterung zusätzlich zu ihrer Beschreibung in eine Tabelle mit allen bisherigen Optionen eingebettet wird und sich zahlreiche Boxen mit Regelzusammenfassungen finden. Das ist für die Übersichtlichkeit enorm hilfreich. Selbst wenn die Regel aus der Tabelle heraus nicht verständlich wird, sind die Seitenverweise auf das Grundregelwerk immer nützlich.
Es folgt ein Teil, der sich der Fellowship Phase, also der Gefährtenphase, widmet. Eingeläutet wird er durch eine Zusammenfassung zum Ablauf dieser Ruhepause zwischen den abenteuerreichen Erlebnissen des Heldenlebens. In vollem Umfang wird als Teil dieser Phase die Steigerung der Charakterwerte durch gewonnene Abenteuererfahrung erläutert. Ob diese im Grundregelwerk beschriebenen Abläufe wirklich in ihrer vollen Länge wiederholt werden müssen, ist fraglich. Natürlich ist es praktisch, alle Abläufe zu den Charakteren in einem Buch gebündelt zu finden, aber dennoch erweckt der Band etwas zu häufig den Eindruck simpler Wiederverwertung.
Die Unternehmungen, welche die Charaktere in der Gefährtenphase beschäftigen können, werden gebündelt in einer mehrere Seiten fassenden Tabelle aufgelistet, was bei der nicht geringen Zahl an Quellenbüchern praktisch ist. Ohne das entsprechende Quellenbuch kann die Unternehmung aber nicht genutzt werden. Der Band gibt lediglich eine Zusammenfassung und liefert selbst nur zwei Unternehmungen: Beratungen mit Radagast dem Braunen und das Erwählen eines Erben. Es folgen eine Erklärung der Regeln zum Patronat, sowie eine Auflistung der Patrone, wichtiger Personen in Tolkiens Welt, wie Elrond der Halbelb oder Saruman der Weiße, die ihr Auge wohlwollend auf die Helden richten können, sollten diese sich es verdienen. Die Zahl der Patrone ist aber gering und es werden für die neuen Kulturen, die im Band vorgestellt werden, keine neuen Patrone eingeführt. An dieser Stelle ist die pure Wiederverwendung unverzeihlich geworden. Warum wurden nicht beispielsweise Ecthelion II., Statthalter Gondors, oder der Wirt des tänzelnden Ponys in die Liste der Patrone aufgenommen, wenn schon ihre Kulturen im Band vorgestellt werden?
Etwas wirklich Neues wird mit den berühmten Gesellschaften eingeführt, für die die Helden arbeiten können. Für die von Glorfindel in Bruchtal gegründete Gwarieg En-Angol beispielsweise können im Norden wichtige Artefakte und Reste des Wissens aus alten Tagen vor den Klauen der Orks gerettet werden. Im Endeffekt enttäuscht der Part, denn die Gesellschaften sind nur fünf an der Zahl und der meiste Text wird durch abstruse Gründe gefüllt, warum ein Held eines bestimmten freien Volkes die Ränge der Gesellschaft füllen könnte. Bei den Hobbits fällt jedes Mal der Name Tuk und auch alle anderen Völker benötigen oft grob konstruierte Zugänge. Am schlimmsten ist aber, dass auch hier nur die bisher in Quellenbüchern beschriebenen Regionen gefüllt werden.
Ab diesem Zeitpunkt folgen Zufallstabellen mit denen jede Menge sinnloser Kram eingeführt wird, der ausschließlich dem Flair dienen soll. Die Tabellen dürften aber dank der seltsamen Ergebnisse selten Gebrauch finden. So kann man auswürfeln, was sich grade in der eigenen Tasche befindet. Eine nette Anspielung auf die Rätsel in der Dunkelheit, aber kaum eine praktische Regelergänzung. Auch die Zufallstabelle zur Reiseausrüstung ist wenig sinnvoll, da diese nicht mit Regeln verbunden ist und ein rein zufällig bestimmtes Sammelsurium an Reisegegenständen vor allem eine sinnlose Sammlung ergibt, mit der sich kein Held auf den Weg machen sollte. Der Band schließt mit schrittweisen Zusammenfassungen zu den Abläufen von Kämpfen, Reisen und sozialen Begegnungen. Übersichtlich, aber nicht neu.
Erscheinungsbild
Die Qualität der Illustration ist bis auf wenige Ausnahmen hoch und bleibt dem Stil des Systems treu. Die bildnerische Darstellung ist bei The One Ring etwas eigentümlich, prägt für meinen Geschmack aber ein sehr schönes Bild Mittelerdes und ermöglicht damit einen Zugang fernab der ausgetretenen Filmdarstellung. Die Schrift ist gut leserlich, ein Index ist für die Übersichtlichkeit vorhanden. Im Allgemeinen ist der Band gut gegliedert.
Fazit
Der Band nimmt leider eine ungünstige Position in einem sonst wundervollen System ein. Er will einerseits altes Material aus den Quellenbüchern sowie dem Grundregelwerk zusammengefasst darstellen und gleichzeitig heroische Kulturen spielbar machen, deren Regionen noch keinen eigenen Quellenband bekommen haben oder in den bisherigen nicht erwähnt wurden. Damit wirkt der Band wie eine Zusammenfassung, die man schon nach der Hälfte eines gelesenen Buches schreibt. Alle neuen Ideen sind nur angeschnitten und bekommen abseits der Kulturen keine sinnvollen Ergänzungen. Statt die Kulturen an sich zu überarbeiten und die bestehenden Lücken zu füllen, hat man es sich lieber leichtgemacht und die Inhalte kopiert. Die Regelergänzungen havarieren zwischen sinnvoll und bereichernd bis hin zu unnötig und niedlich.
Im Endeffekt ist der Adventurer‘s Companion eine Spielhilfe, die eine Menge Zusammenfassungen bietet und damit das Spiel erleichtert, die zusätzlichen Quellenbücher an allen Ecken und Enden dennoch voraussetzt. Den Preis von 37.95 EUR für das Print PDF Bundle ins Kalkül gezogen, würde ich den Band nur bekennenden Fans, die ein paar extra Kampfregeln und Zugang zu den weiteren Kulturen wünschen, nahelegen. Allen anderen würde ich einen Start mit anderen Quellenbüchern empfehlen.
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http://www.teilzeithelden.de
Das erste Quellenbuch zur zweiten Edition von 7th Sea liefert 80 Charaktere zur freien Verfügung am Rollenspieltisch und nimmt es sich zum Ziel, dem Leser Theah durch die Augen dieser sowohl niederträchtigen als auch edelsinnigen Individuen zu zeigen. Dabei beschreibt es großartig, hat aber ein paar blinde Punkte im Sichtfeld.
Was der Band an Großartigem liefert, liegt in der tollen Beschreibung seiner Helden und Schurken, die allesamt interessante Subjekte sind. Durch ihren Blick gewinnt die Spielwelt Farbe. Die grauen und farblosen Stellen finden sich dagegen in den Regelzusätzen wieder.
Inhalt
Der Inhalt des Bandes ist schnell erklärt: Es bietet jeweils 40 ausgearbeitete Helden und Schurken, wobei die zusätzlichen Regeln auf drei bis vier Seiten passen: Das Quellenbuch konzentriert sich also rein auf die vorgestellten Charaktere, die es aber in schlecht durchdachtem Rahmen präsentiert.
Der hässliche Rahmen
Bevor wir zum Lob des Inhalts kommen, streift der Blick erst über die Fassung, die doch recht hässlich geraten ist. Helden sowie Schurken sind in fünf Typen unterteilt, die sich an den Traits orientieren. Das heißt, die Helden des Indomitable-Typs richten sich ebenso wie ihr dunkles Ebenbild, die Beast-Schurken, am Trait Brawn aus. Darüber hinaus soll diese Unterteilung aber auch den Charakter definieren. So sollen die Heroinnen des Indomitable-Schlages besonderes draufgängerisch und wagemutig sein, während ihre bestialischen Gegenspielerinnen ihre Ziele wütend und brachial verwirklichen. Die Typus-Beschreibungen füllen ihre zwei Seiten durch übertriebene und sich wiederholende Phrasen. Einzig die Hinweise auf typische Intrigen der Schurken sind sinnvoll.
Warum diese Abschnitte so schlecht erscheinen? Das hat drei Gründe:
Die Werte der nachfolgenden Heroen passen meist nicht in die Kategorie und erzeugen so einen Widerspruch.
Zumindest auf Seiten der Helden lassen sich die Geschichten der Charaktere nicht in diesen Rahmen fassen. Die Zuordnung wirkt, wenn man die Tatsache hinzunimmt, dass selbst die Werte nicht passen, völlig willkürlich.
Die Praxis der Einteilung legt wenigstens auf Heldenseite unnötige und einengende Maßstäbe fest. Schlimm ist das vor allem, weil die Heroen nicht nur als NSCs gedacht sind, sondern ausdrücklich auch gespielt werden können. Das System leistet aus diesen Gründen, zumindest auf der Protagonisten-Seite, nichts Positives. Im Feld der Bösewichte sieht das etwas anders aus. Der Werteaspekt fällt hier weg, da die Schurken bei 7th Sea abstrakte Werte erhalten. Die Geschichten wirken größtenteils passend, und die Schurken fallen eher in die zusammenhängenden Muster der übergeordneten Einteilung in die verschiedenen Typen.
Das schöne Bild
Die vorgestellten Charaktere sind dagegen gut gezeichnet. Fast jede Geschichte ist spannend geschrieben, häufig nachvollziehbar, und in sehr vielen Fällen erfrischend ungewöhnlich. Der gesamte bisher bekannte Kontinent wird abgedeckt, und jedem Winkel dieser Welt entspringen interessante Charaktere. Die große Stärke der Beschreibungen ist ihre Diversität und ihre Kreativität. Es ist schon keine schlechte Leistung, 80 Personen zu erschaffen, und sich dabei nicht nur in Klischees zu ergehen und zu wiederholen. Vom sarmantischen Husaren in Rente, der sich den Schutz seiner Stadt vor einer übernatürlichen Schurkin zur Aufgabe genommen hat, zur Bierbrauerin aus Eisen, die nahezu besessen vom perfekten Bier ist - der Band bietet viel. Ungewöhnlicher wird es beim giftmischenden Apothekarius, der durch seinen Glauben an eine omnibeseelte Welt, von sich selbst nur in der dritten Person Plural spricht.
Natürlich werden auch klischeehafte Stereotypen verwendet, dabei aber gut präsentiert, oder in ungewöhnliche Umgebungen versetzt. Es gibt ihn hier nicht, den simplen guten Retter ohne eigenen Ballast. Viele Themen unserer modernen Gesellschaft, die sonst in Tischrollenspielbücher keinen Eingang finden, wie Homosexualität oder die Selbst-Identifikation mit dem anderen Geschlecht, werden hier mühelos integriert, ohne dabei jedes Mal zum großen Aufhänger der jeweiligen Geschichte stilisiert zu werden. Die Vorgestellten haben in einigen Fällen Beziehungen zueinander und ineinander verstrickte Geschichten. Jede Heldin und Schurkin bekommt zu ihrer grundlegenden Beschreibung noch Hinweise zur Darstellung beigelegt und drei Ziele bzw. Intrigen, die sie verwirklichen will. Es wird also eine breite Palette an Möglichkeiten geboten. Besonders für den Spielleiter kann sich dieses Buch als wahre Goldgrube an potenten Plot-Ideen und einsetzbaren Charakteren erweisen. Die Schurken bieten schon für sich genommen 40 Ideen zu 40 Abenteuern.
Für die Spieler sieht das ein wenig anders aus. Die Heroen und Heroinnen haben eine sehr klar ausdefinierte Geschichte, mit klarer Einbindung in die Welt, definierten Zielen und häufig schwerwiegenden Verpflichtungen wie Kinder. Das macht sie wenig variabel im Einsatz. Ein guter Weg wäre mit Sicherheit, wenn Charaktere gewählt werden würden, die eine Verbindung zueinander haben, oder der erste Plot um einen vorgefertigten Spielercharakter konzipiert wird, während die anderen Spieler selbsterstellte Helden oder Heldinnen verwenden. So ließe sich beispielsweise um die Familientragödie der ussurischen Zwillinge Viktor und Agafya Markovich ein wunderbarer Plot stricken, wenn ein Spieler die Rolle Viktors übernimmt. Den jungen ussurischen Tierfreund aber in ein anderes Szenario zu verschiffen, wäre sowohl schwierig als auch wenig fruchtbar.
Die rechtschaffenden Charaktere gefallen am Ende doch noch ein wenig besser, da ihre Geschichten stärker divergieren und in vielen Fällen nachvollziehbarer sind. Das ist allerdings Kritik auf wirklich hohem Niveau. Denn weder die brutale Kapitänin der menschenfressenden Piratencrew im hohen Norden, noch der insektenbeherrschende, intrigante Hofnarr sind in irgendeiner Weise langweilig oder uninteressant. Die Hinweise zur Erlösung der Widersacher fallen ebenfalls erstaunlich sinnvoll aus. Sie wirken nicht konstruiert, und häufig besteht die Einsicht in die simple Unmöglichkeit eines solchen Versuches.
Ein paar Seiten Regelzusätze
Die wenigen Mechaniken, die hinzukommen, sind fast zu vernachlässigen. Die Zusammenfassung der vier neuen Advantages des neuen Hintergrundes zur Charaktererstellung, des kurz angerissenen Fechtstils, des neuen Typus einer Gegnergruppe, und der zwei neuen Zaubereien füllen gerade mal eine Seite. Einzig eine neue Regel, die ihr Pendant im Grundregelwerk ersetzen soll, verdient eine nähere Betrachtung. Die Intrigen der Schurken und Schurkinnen funktionieren nun wie die Storys der Helden und sollen parallel dazu den Fortschritt des Bösewichts abbilden und regeln. Prinzipiell gilt nun schon die gleiche Kritik, mit der ich diese Mechanik in meinem Ersteindruck zum Grundregelwerk versehen habe, aber damit ist es nicht genug. Prinzipiell kann die Spielleiterin einen gewissen Satz an Einflusspunkten ausgeben, um eine neue Intrige zu kreieren. Die Anzahl der Schritte, die benötigt wird, um die Intrige zum Erfolg zu bringen, ist gleich der Anzahl an investierten Einflusspunkten. Aber hier kommt nun der große Haken. Im Gegensatz zu den Geschichten der Helden schreiten diese Intrigen nicht durch erreichte Handlungsziele voran, sondern ganz simpel am Ende einer Spielsitzung. Wieder zeigt sich, dass das Regelwerk an vielen Stellen enorm wenig durchdacht ist. Eine Spielrunde ist eine völlig inadäquate Einheit zum Messen von im Spiel verstrichener Zeit. Viele von euch haben mit Sicherheit schon mal einen oder sogar mehrere Abende ohne großen Zeit- und Handlungsfortschritt verbracht. Durch selbsteingefügte Stufen lässt sich das Problem vielleicht leicht lösen, doch dass das Spieldesign mit der einzigen größeren Regelneuerung in diesem Band aber dermaßen schlecht verfährt, ist einfach enttäuschend. Somit setzt sich der Trend des Grundregelwerkes fort: Wo die Weltbeschreibung in Kreativität erglänzt, rostet das Räderwerk der Regeln vor sich hin.
Erscheinungsbild
Das gesamte Layout und die Illustrationen sind bis auf zwei seltsame Ausnahmen, in denen der kulturelle Kleidungsstil ohne Erklärung komplett verfehlt wurde, gelungen. Ein Index ist vorhanden, und das Buch wurde zu großen Teilen sinnvoll strukturiert.
Fazit
Machen wir es kurz: Der Band ist gut. Das, was er leisten möchte, nämlich eine Vielzahl von Einblicken in die Spielwelt durch die Augen ihrer Bewohner zu liefern, erfüllt er mit Bravour. Die Geschichten sind abwechslungsreich, spannend geschrieben, und häufig kreativ gestaltet. Es wird ein sehr breites Spektrum an Personen abgedeckt. Eine Menge Abenteuerideen und viel Rohmaterial zur Ausgestaltung werden dem Spielleiter in die Hände gelegt. Soweit wäre alles gut, wäre da nicht der unnötige Rahmen und die nicht durchdachte Regelergänzung.
Doch dies sind leidlich kleine Wermutstropfen, welche die klare Essenz des Buches kaum zu trüben vermögen, denn das Quellenbuch leistet am Ende das, was es soll. 19.99 USD sind für dieses PDF gut verwendetes Geld, wenn man ein Sammelsurium von 80 interessanten Charakteren haben möchte.
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Seit einigen Monaten gibt es mit dem Scriptorium Aventuris eine Plattform, auf der DSA-Begeisterte ihre Kreationen zum Verkauf und Download anbieten können. Wir haben uns exemplarisch eine kleine Spielhilfe zur Brust genommen, in der Christian Gross einen exotischen Mix aus Rondra-Verehrung und Rastullah-Glauben präsentiert.
Wusstet ihr eigentlich, dass ich studierter Religionswissenschaftler bin? Nein? Ist nicht schlimm und auch nicht so wichtig, mag aber erklären, warum ich die Darstellung von Religionen in Rollenspielsystemen immer ganz besonders interessant finde. So auch bei diesem kleinen Werk, das uns ein interessantes Beispiel dafür liefert, dass religiöse Traditionen nicht nur friedlich nebeneinander existieren können, sondern dazu neigen, sich bei allzu enger Nachbarschaft in Teilen miteinander zu verbinden.
Der Fachmann spricht hier von Synkretismus, der durchschnittliche Aventurier von Ketzerei, und derjenige, der der Mischtradition anhängt, von der einzig gültigen Wahrheit. Doch genug von der kleinen Lehrstunde und ab nach Mhanadistan.
Inhalt
Bei dieser Spielhilfe von Christian Gross handelt es sich um die Beschreibung einer novadischen Sippe, in der Rondra, die Kriegsgöttin der Zwölfgöttergläubigen, und Rastullah, der Eingott der Novadis, als göttliches Löwenpaar verehrt werden. Dementsprechend nennt sich diese sehr kleine und noch sehr junge Gruppierung Uled al'Assadra – Nachkommenschaft der Löwin. Damit steht diese Gruppe natürlich zwischen allen Stühlen und ist gerade deswegen um Ausgleich zwischen Rastullah-Anhängern und Zwölfgöttergläubigen bemüht.
Ein friedfertiges Leben als Diplomat wäre aber natürlich nicht rondragefällig, weswegen sich viele Mitglieder der Uled al'Assadra als Söldner verdingen, die ihre Aufträge aber mit Bedacht wählen und gegen religiöse Fanatiker, Heuchler und Unterdrücker auch mal ohne Kontrakt ins Felde ziehen. Hinzu kommen einige gelehrte Mitglieder, die den mythologischen Überbau ausarbeiten und den Willen der göttlichen Löwen ergründen.
Neben dem Glauben der Uled al'Assadra und ihren Bräuchen, sowie ihrem alltäglichen Leben, wird beschrieben, wie diese sich in ihr Umfeld einfügen, und wie Außenstehende sie wahrnehmen. Abgerundet wird das Ganze von einer Beschreibung ihres Hauptsitzes, sowie einigen Abenteuerideen. Zudem gibt es ein neues Professionspaket und einige neue Sonderfertigkeiten für alle Spieler, die gerne ein Mitglied der Uled al'Assadra spielen wollen.
Die Uled al'Assadra werden dabei durchgehend als progressiv ausgerichtete und gleichsam ehrenvolle wie gebildete Kämpfer beschrieben, was nach einigen Seiten zwar etwas kitschig wirkt, bei einer jungen und idealistischen religiösen Gemeinschaft aber gar nicht einmal so unrealistisch ist. Hier liegt es wohl auch am Spielleiter oder Spieler selbst, wie er die Gruppierung darstellen will. Platz für einen verblendeten Irren, der in seinem Hass auf Fanatiker selbst fanatisch wird, ist immer da, auch wenn der Autor solche Figuren nicht explizit erwähnt.
Erscheinungsbild
Die zwanzig Seiten der Spielhilfe sehen ziemlich professionell gestaltet aus und stecken voller schöner Illustrationen, die größtenteils aus den Bildpaketen stammen, die Ulisses Fan-Autoren zur Verfügung stellt. Hier gibt es nichts zu beanstanden!
Fazit
Hier und da wirken die weisen und unerschütterlichen Kämpfer, die moralisch einwandfrei handeln, leider etwas klischeehaft. Aber gut, es handelt sich immer noch um ein Fantasy-Rollenspiel, das auch immer von seinen Klischees lebt.
Wer die Uled al'Assadra langfristig in eine seiner Kampagnen einbinden möchte, sollte sich trotzdem Gedanken über ein paar Ecken und Kanten machen, damit die Gruppe interessant bleibt. Dazu liefert die Spielhilfe auch – den göttlichen Löwen sei Dank! - genügend Ansatzpunkte. Richtig gut eignet sie sich jedoch für Spieler, die auf der Suche nach einem originellen Hintergrund für ihren Helden sind. Sie können sich damit gut einen ideologischen und geographischen Heimathafen basteln, der ihnen während ihres wilden Abenteurerlebens als Zuflucht dient.
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Mit dem Erebor-Quellenband bekommt das The One Ring-System langbärtige Verstärkung. Doch nicht nur der einsam thronende Berg liegt im Fokus dieses Bandes. Auch von mutigen Nordmenschen und schuppigen Würmern wird berichtet. Doch kann der Inhalt in den Wirren des ausgehenden Dritten Zeitalters Mittelerdes bestehen?
Während die letzten großen Quellenbände des The One Ring-Rollenspielsystems jeweils große Gebiete Mittelerdes bespielbar machten, wendet sich der Erebor-Band wieder gen Norden. Doch wer hier schon den glockengleichen Klang der Zwergenhämmer aus ihren tiefen Hallen emporschallen hört, der wird sich vielleicht wundern, denn lauteres Geläut steigt vor dem Einsamen Berg in die klaren Himmel der nördlichen Welt.
Inhalt
Der Titel dieses Bandes leitet fehl, denn hier wird nicht nur Material zum Einsamen Berg und seinen Einwohnern geboten. Die Informationen zur Menschenstadt Thal im Schatten des Berges nehmen nur eine unwesentlich kleinere Anzahl an Seiten ein. Außerdem werden die umliegenden Gebiete, im Norden bis zum Grauen Gebirge, im Osten bis zu den Eisenbergen, und im Süden die Lande zwischen dem Rotwasser und dem Eilend beschrieben. Davon abgesehen bleibt das Quellenbuch seinem Zwergen-Thema treu, denn sowohl die jüngere Geschichte der zähen Langbärte, als auch allerhand zusätzliche Möglichkeiten für zwergische Abenteurer wurden zwischen den Buchdeckeln untergebracht. Abgerundet wird das Ganze mit einem Kapitel über die schuppigen Erzfeinde der Zwerge: die Drachen.
Von klingenden Hämmern in tiefen Hallen
Die Inhalte zum Erebor an sich sind ein wenig enttäuschend: Es werden zwar einige interessante Orte beschrieben, die abgebildete Karte ist aber unübersichtlich bis zur Unbrauchbarkeit, und es werden nur drei Personen vorgestellt, die nicht Teil von Thorins Abenteuerfahrt waren. Die Informationen zu den überlebenden Mitgliedern werden dagegen auf sechseinhalb Seiten ausführlich breitgetreten, und jeder davon wurde mit einer blassen und nichtssagenden Zeichnung versehen, was für den extremen Seitenbedarf sorgt. Wenigstens sind die Informationen hier spannend, da sie die Möglichkeit bieten, die zwergischen Helden des Hobbit-Romans in ihrer neuen Stellung in die Geschichte zu integrieren.
Das nachfolgende kurze Kapitel kann hingegen mehr überzeugen. Es widmet sich ganz der hohen Schmiedekunst der eifrigen Zwerge. Konkret bedeutet das zusätzliche Optionen zu den Regeln aus dem Rivendell-Quellenband, und eine spezielle Regel für das Schmieden einer einmaligen Waffe durch einen zwergischen Abenteurer. Die Ergänzungen sind zwar kurz, aber stimmig gehalten. Die Mechaniken des Schmiedens dürften Spieler eines Handwerkers wirklich erfreuen, denn eine Waffe oder Rüstung aus der Esse zu heben, die eines wahren Meisters würdig ist, dürfte einen Höhepunkt im Leben eines Helden darstellen. Der Rivendell-Band ist hier allerdings Voraussetzung. Unschön, wenn man bedenkt, dass dies nirgends kenntlich gemacht wird.
Von neuerstandener Stadt und wilden Landen
Das Material zu Thal ist umfangreich und detailliert. Die Stadt und ihre Bewohner werden ausgiebig beschrieben, und die Karte ist hier tatsächlich brauchbar. Gerade die sehr ausführliche Beschreibung der neuerrichteten Stadt lässt das Material zum Erebor etwas mager erscheinen. Während hier dem Spielleiter viel in die Hand gegeben wird, um seine Spieler durch die Stadt der vielen Glocken zu führen, muss für das effektive Erleben des Königreiches unter dem Berg noch einiges an eigener Arbeit einfließen. Das ist natürlich der Vielschichtigkeit der zahlreichen Stollen und Hallen im Berg und der schieren Größe der wiedergewonnen Zwergenfeste geschuldet, aber von dem Quellenband, der den Namen eben jenes Berges trägt, hätte ich doch mehr erwartet. Thal bietet ebenfalls mehr Ansätze, um Konflikte und Orte handlungsrelevant in die eigene Geschichte einzubauen, und somit gelingt dieses Kapitel besser als das namensgebende.
Die Seiten zu den Landen, die den Berg umgeben, bilden einen sinnvollen und schön geschriebenen Komplex, angereichert mit einer Menge guter Ideen und vielen Anreizen. Von den unter der Herrschaft König Bards wiederbesiedelten Gebieten nördlich und südlich der Stadt, über die Einöde, so krank durch Smaugs Verwüstung, dass der Boden nie mehr geheilt werden kann, bis hin zu den unteren Marschen, in denen man Menschen aus dem Osten und Dorwinion begegnet - überall lockt spannender Inhalt. Auch die verlassenen Zwergenfesten des Grauen Gebirges und die harten Waffen-und Rüstungsschmiede der Eisenberge laden zu einem Besuch ein. Zu jedem dieser Gebiete werden relevante Personen und Feinde sowie besondere Orte präsentiert. Dieser Teil bringt viel Abwechslung und zählt zu den Stärken des Bandes. Zu bemängeln ist allerdings, dass ein paar Materialien aus dem Abenteuerband Tales from Wilderland, dem Quellenband The Heart of the Wild und dem Kampagnenband The Darkening of Mirkwood recycelt werden, beziehungsweise dass ohne nähere Beschreibung auf diese Bände verwiesen wird. Das mag so üblich sein, bei den kurzen Beschreibungen zur jeweiligen Region kann so aber ein merklicher Teil schon bekannt oder aber unzureichend beschrieben sein. Ein kleines, aber unschönes Detail.
Über Drachen – Concerning Dragons
Den großen Würmern des Nordens ist ein eigener Abschnitt zugedacht worden. Dieser ist hinreichend umfangreich: Von Regeln zur Erstellung eines wahrlich gefährlichen Antagonisten, über die mögliche Ausgestaltung des Hortes, bis zu Gerüchten über Drachen wurde an alles Nötige gedacht. Zwei ausgearbeitete Drachen liegen vorbildhaft auf ihrem Schatzhaufen bereit, um direkt ins Spiel zu kriechen oder aber als Inspiration zu dienen. Gerade hier wird wieder der Aspekt, den ich an The One Ring besonders schätze, deutlich: der respektvolle Umgang mit Tolkiens Welt. Bereits die Verdeutlichung der Besonderheit der schuppigen Ungetüme, und die Mahnung, sie angemessen zu verwenden, machen dies deutlich. Die Drachen werden durch die Persönlichkeit, die ihnen während der Erstellung verliehen wird, keine tumben Monster, sondern zu wirklichen Widersachern mit ausgefeiltem Charakter. Allein schon die Möglichkeit, ein Gespräch mit diesen Scheusalen zu führen, birgt die Chance auf großartige Momente am Spieltisch. Smaug der Goldene mag zwar in den Langen See gestürzt sein, aber dank dieser Spielhilfe wird einer seiner gepanzerten Verwandten den Norden wieder unsicher machen können.
Insgesamt gefällt dieser Teil also sehr gut, nur die Häufigkeit, in der diese Regeln am Spieltisch zum Einsatz kommen, wird wohl ziemlich gering sein. Da ein Drache der große Gegenspieler einer ganzen Kampagne sein sollte, nicht aber die schnelle Feuerbringerin für zwischendurch, bleiben diese Mechaniken toll ausgearbeitete, aber eben auch sehr spezielle Ergänzungen.
Der große Rachekrieg und die neuen Optionen für zwergische Helden
Die folgenden Passagen beschäftigen sich mit der Geschichte des Krieges zwischen den Zwergen und den Orks des Nebelgebirges, der mit der Ermordung Thrórs durch die Klaue Azogs beginnt und in der Schlacht von Azanulbizar gipfelt. Der Lesestoff ist hier dicht und spannend gewebt. Auch die gewonnenen Informationen können für die Ausgestaltung eines zwergischen Abenteurers, der aufgrund der Langlebigkeit seines Volkes selbst an diesem Krieg teilgenommen haben kann, von Nutzen sein. Der Abschnitt schließt mit einer Mechanik zum Groll der Zwerge auf ein anderes der freien Völker Mittelerdes. Diese kann genutzt werden, um Schattenpunkte effektiver abzubauen.
Die neuen heldenhaften Kulturen sind die martialischen Zwerge aus den Eisenbergen und ihre immer noch vertriebenen Verwandten aus dem Grauen Gebirge, die seit der Wiedergewinnung Erebors neue Hoffnung mit Blick auf ihre alten Festen schöpfen. Beide Kulturen bekommen den üblichen Satz an Hintergründen. Bei den kulturellen Belohnungen und Vorteilen erhalten beide Völker aber nur jeweils eine Option, die eine Wahlmöglichkeit der Zwerge Erebors aus dem Grundbuch ersetzt. Das ist ein wenig dünn, und so bilden die beiden neuen Langbartkulturen zumindest auf Regelebene keine vollwertige Alternative.
Erscheinungsbild
Das Erscheinungsbild bleibt dem Stil des Systems treu. Die Druck- und Papierqualität ist hoch, der Einband ein Hardcover, und die 112 Seiten sind übersichtlich gestaltet, wobei ein Index unnötiges Blättern verhindert. Die Illustrationen sind solide bis gut, bis auf oben genannte Zeichnungen von Thorins Gefährten. Leider reichen weder die Qualität noch die Anzahl der Bebilderung an frühere Bücher des Regelwerkes heran. Nichtsdestotrotz gehört der Band zu den besseren Gestaltungen im Tischrollenspielbereich, auch wenn man hier vielleicht nicht die ganze Pracht des Königs unter dem Berg erblicken kann.
Fazit
Das Erebor-Quellenbuch, das zu wenig vom Einsamen Berg an sich bietet, dafür aber die Lande östlich des Düsterwaldes sowie die Stadt Thal gut beschreibt, gibt dem Leser ein solides Werk in die Hände. Der Anteil an wirklich interessantem und neuem Material hätte höher ausfallen können. Die Höhepunkte des Bandes stellen die Beschreibungen und Regeln zu den Drachen, sowie einige spannende Ideen im Abschnitt zu den Regionen um den wiedererstarkten Erebor dar. Was Regelergänzungen anbelangt, sind diese für den Spieler eines zwergischen Heroen eine Bereicherung zur Ausgestaltung seines Charakters. Der Preis für die digitale Variante allein fällt zu hoch aus.
Das Paket-Angebot von Hardcover und PDF bedient aber jeden The One Ring-Spieler gut, der Interesse an Zwergen im Allgemeinen und den Gebieten östlich und nördlich des Düsterwaldes im Speziellen hat. Dieser Quellenband ist mit Sicherheit kein Machwerk der alten Zwergenschmiede aus Belegost und Nogrod, aber auch die jüngeren Arbeiten der Meister des Dritten Zeitalters können sich ja durchaus sehen lassen. Im Klartext: Das The One Ring-System hat stärkere Bände hervorgebracht, trotzdem ist dieser hier ein gutes Tischrollenspielbuch.
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Ich weiß, das Abenteuer ist schon eine Weile draußen. Aber - jetzt mal ganz unter uns - wolltet ihr es wirklich vor Einbruch des Winters spielen? Klingen der Nacht führt euch immerhin ins ewige Eis und nicht in den sonnigen Süden. Sicher, ihr könnt es auch mit einem Cocktail in der Hand und bei 30 Grad im Schatten genießen, aber so richtig gut wirkt es nur dann, wenn die Sonne am Nachmittag schon untergeht, Kerzen euren Tisch erhellen, ihr euch mit heißem Kakao oder Glühwein aufwärmen müsst und einfach mal die Heizung abschaltet. Na gut, ganz so weit müsst ihr nicht gehen, denn Klingen der Nacht sollte von sich aus für genug Gänsehaut sorgen.
Inhalt
Erst einmal ganz spoilerfrei: Das Abenteuer spielt im hohen Norden Aventuriens, wo beinahe immer Schnee liegt, Nivesen ihre Herden durch die weiten Steppen treiben und Firnelfen arglose Robben jagen. Im beschaulichen Dorf Frisov, das an der Bernsteinbucht liegt und von umtriebigen Händlern bewohnt wird, stolpern die Helden über ein uraltes Mysterium, aber auch über die topaktuellen Ränke undurchsichtiger Gegner.
Es folgt eine tatsächlich ziemlich epische Reise, die zu verschiedenen Schauplätzen im verschneiten Nordland führt. Hier darf der Spielleiter sich gerne richtig austoben und bekommt viele stimmige Vorschläge geliefert, mit denen er das Abenteuer um weitere kleine Szenarien bereichern kann. Dabei dürfen zwar Kämpfer, Wildniskundige und Gelehrte gleichermaßen glänzen, aber Grundkenntnisse im Nahkampf sind unverzichtbar für einen Helden, der sich gegen die Klingen der Nacht stellen will.
Wer dieses Abenteuer schließlich vernarbt übersteht, darf sich zufrieden auf die schmerzende Schulter klopfen und wird sicher noch lange an viele erinnerungswürdige Szenen und Meisterpersonen denken. Dazu muss aber auch, wie angedeutet, der Spielleiter einiges an gründlicher Vorarbeit leisten. Das liegt nicht nur an der unnötig komplizierten Hintergrundgeschichte, sondern auch an dem Potenzial, das einzelne kleine Handlungsschnipsel beinhalten, wenn man sie richtig schön vorbereitet. Zudem führt das Abenteuer, abgesehen von einem relativ frei gestaltbarem Mittelteil, stellenweise etwas schlauchig von A nach B, wofür eine gute Inszenierung aber völlig entschädigen kann.
Natürlich kann der Spielleiter auch einfach so die Helden durch die Botanik jagen und nur das Nötigste erzählen, aber das würde dem Abenteuer nicht gerecht werden und bei den Spielern den Eindruck einer umständlichen Eisenbahnfahrt mit vielem Umsteigen hinterlassen. Wenn ihr also einen Spielleiter kennt, der sich vor dieser Aufgabe nicht scheut, dann schenkt ihm das Abenteuer nachträglich zu Weihnachten. Als Belohnung dürft ihr euren Nordlandreisenden auf ein unvergessliches Abenteuer schicken. Weiterlesen solltet ihr nun aber nicht mehr.
[spoiler]
Wäre ich eine aventurische Siedlung, in der sonst nicht viel los ist, so hätte ich langsam Sorgen um mein weiteres Überleben. Nachdem bereits Tiefhusen niedergebrannt und vor einem guten Jahr Arivor vom Erdboden verschlungen wurde, muss nun auch Frisov dran glauben. Die kleine Siedlung im höchsten Norden wird zu Beginn des Abenteuers von einer Armee Dunkelelfen gebrandschatzt. Dunkelelfen? Diese unscheinbaren Handlanger Pardonas, die im DSA-Metaplot bisher so gut wie keine Rolle spielten? Genau! Es geht um die blassen Typen, die vor Jahrtausenden von Pardona erschaffen wurden und seitdem fröhlich unterseeischen Städtebau betreiben. Auf alle Ewigkeit Aufbau-Strategie spielen und stumpf die eigene Erschafferin zu verehren gefällt einigen Dissidenten unter den Dunkelelfen nun aber nicht mehr. Sie verehren inzwischen direkt Pardonas Herren, den Gott ohne Namen, und wollen nun in seinem Namen Aventurien erobern.
Zu ihrem Glück ist das aventurische Nordland übersät von hochelfischen Ruinen und omnipotenten Artefakten, die anscheinend nur darauf warten, dass jemand nach ihnen greift. Ich fasse mich hier trotz Spoilerwarnung aber lieber kurz, denn der altvordere Hintergrund zum Abenteuer ist ein wenig sperrig, was ich bei dieser Gelegenheit auch direkt kritisieren möchte. Hier wäre weniger mehr gewesen, zumal die meisten Spieler wahrscheinlich nur mit vielen Hinweisen aus dem Off den kompletten Zusammenhang begreifen werden.
Es geht jedenfalls um einen an zwei Orten eingesperrten Dämon, den die Dunkelelfen befreien wollen. Zum Glück gibt es aber auch eine Ansammlung hochelfischer Relikte, die Himmelslichter genannt werden. Diese – ihr ahnt es – müssen von den Helden gesammelt werden. Dabei müssen aber nicht unbedingt alle Helden zu Trägern dieser Artefakte werden. Das Abenteuer setzt genug andere Träger fest, die von den Helden gesucht und vereint werden müssen. Hierbei spielen übrigens auch die nomadischen Nivesen eine größere Rolle und dürfen somit das erste Mal seit Jahren wieder etwas mehr tun, als vor dem nahenden Unheil zu warnen – dieses Mal ist das Unheil bereits da!
Was etwas ausgelutscht klingt, erweist sich als potenziell sehr epische Reise durch Aventuriens Norden, gespickt mit abwechslungsreichen Schauplätzen und sehr interessanten Meisterpersonen. Der Autor hat hier ein fantasievolles Händchen bewiesen und vielen bunten Stoff in die kühle Landschaft gewebt. Da dieser Stoff auch die Spieler erreichen muss, sei dieses Abenteuer aber wirklich nur erfahrenen Spielleitern ans Herz gelegt.
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Typisch für die ersten Abenteuer einer neuen Regeledition gibt es in diesem Band auch grundlegende Infos zur Region. Das ist ganz gut so, denn den Spielern werden für diese Reise Helden aus dem Nordland empfohlen. Dementsprechend gibt es hier auch wieder, teilweise munter im Abenteuer verteilt, neue Sonderfertigkeiten und Berufsgeheimnisse. Etwas unpraktisch, aber leider typisch für die neuesten DSA-Veröffentlichungen.
Preis-/Leistungsverhältnis
24,95 EUR sind für diesen Band völlig in Ordnung. Wer mag, kann das Abenteuer nämlich massiv ausgestalten und sich eine kleine Kampagne für Aventuriens Norden basteln. Hier stecken gefühlt dutzende Spielstunden drin, wenn der Spielleiter etwas Mühe nicht scheut. Aber auch das Grundgerüst an vorgeschlagenen Szenen bietet sicherlich sehr viel Spielzeit am Tisch.
Auch in Anbetracht der guten Verarbeitung und der qualitativ hochwertigen Illustrationen erscheint mir der Preis gerechtfertigt.
Erscheinungsbild
Das vorab: Für die Rezension hatte ich leider nur eine PDF-Datei, durfte den Band aber bei einem Bekannten mal in der Hand halten. Also kann ich euch zumindest meinen ersten Eindruck zur Verarbeitung mitteilen. Das Buch wirkt stabil, das Papier ist sehr reißfest und sogar zu einem gewissen Grad wasserabweisend, was ich aber eher unbeabsichtigt getestet habe.
Das Innere überzeugt mit wunderbaren Illustrationen der Landschaft und der Meisterpersonen, die im Gedächtnis bleiben und den Spielern keinesfalls vorenthalten werden sollten. Gerade die Antagonisten haben einprägsame Porträts bekommen und erhalten somit etwas mehr Leben.
Auch die Karten sind gut gelungen und bieten übersichtliche Orientierungshilfen für den Spielleiter und die Spieler. Hier hat Ulisses mal wieder nicht gegeizt und hält das optisch sehr hohe Niveau der DSA 5-Produktreihe.
Fazit
Hut ab! Dieses Abenteuer ist trotz kleinerer Mängel ein rundum gelungenes Paket, um eine spannende und epische Reise kreuz und quer durch Aventuriens Norden zu erleben. Dadurch, dass der große Mittelteil modular aufgebaut ist und die einzelnen Stationen in beliebiger Reihenfolge abgehakt werden können, wirkt Klingen der Nacht sehr dynamisch, obwohl Anfang und Ende vorab bereits feststehen. Alles dazwischen kann der Spielleiter frei nach Belieben und abhängig von den Entscheidungen seiner Spieler anpassen.
Und die dürften – meinetwegen auch erst im Frühling – einen frostig-kalten Spaß an diesem Abenteuer haben, das in seinen besten Momenten wohlige Erinnerungen an Klassiker wie die Phileasson-Saga oder auch neuere Werke wie die Quanionsqueste weckt. Hier sollten aber nur Rollenspielveteranen zugreifen, die größere Vorarbeit nicht scheuen. Dafür bekommen neugierige alte Hasen, die keine Lust auf überschaubare Einsteiger-Abenteuer haben, aber auch einen guten Eindruck von DSA 5. Kleinere Mängel verzeiht man da sehr gerne.
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Gerade erst ist das Universum aus einem tiefen und dunklen Schlaf erwacht, und mutige Abenteurer machen sich auf, um die Wunder der alten Zeit wiederzuentdecken. Im Rollenspiel Fragged Empire von Wade Dyer ist das Zeitalter der Menschen schon lange vorbei. Sie haben das Universum erobert, Planeten terraformt und das überlichtschnelle Reisen möglich gemacht, aber dann kam es, wie es kommen musste, und das Imperium brach in sich zusammen.
Warum? Das ist Legende.
Mit fast 400 Seiten und einer Vielzahl erklärungsbedürftiger Regelmechaniken würde eine übliche Rezension schnell den Rahmen sprengen. Darum haben wir uns entschlossen, euch erst einmal in die Welt und die Regeln einzuführen. Im zweiten Teil erfahrt ihr dann, wie sich das System spielt.
Die Spielwelt
Um ihre Nachfolge zu sichern, züchtete die Menschheit die Archonten (engl. Archons). Diese Rasse war weniger an Technik interessiert, als an der Erschaffung der perfekten Rasse mit Hilfe hochentwickelter Genetik. So besiedelten die Archonten das Universum mit ihren Geschöpfen, darunter ihre geliebten Kaltoraner, aber auch Misserfolge wie die Vargarti, die sich später Corporation nennen sollten. Schlussendlich schufen sie die zwölf X’ion, die umgehend wieder vernichtet werden sollten, da man sich über ihre Perfektion nicht einig war. Nur ein einzelner X’ion entkam, flüchtete ins Dunkel des Alls und kam Jahrhunderte später mit den biotechnischen Nephilim wieder, um die Archonten zu vernichten. Auch der Versuch, eine kriegerische Superrasse zu schaffen, die Legion, rettete die Archonten nicht mehr. Nach getaner Arbeit verließ X’ion seine Geschöpfe und verschwand dortin, woher er gekommen war.
Das alles ist nun hundert Jahre her, und die Rassen erholen sich vom Großen Krieg und entdecken die Raumfahrt wieder. Durch ihre Geschichte und hohe genetische Spezialisierung hat jede der vier im Grundbuch enthaltenen Spezies (Corporation, Kaltoraner, Legion und Nephilim) ihre Stärken, aber auch deutliche Schwächen. Und nur zusammen können sie die Prüfungen der Zukunft bestehen.
Die Regeln
Das Regelwerk von Fragged Empire lässt sich in drei große Bereiche einteilen: Fertigkeitsproben, Kampf und Erwerbungen.
Proben werden im System mit 3W6 gegen eine feste Schwierigkeit gewürfelt. Diese kann von der SL festgelegt werden oder zum Beispiel durch Verteidigungswerte definiert sein. Zum Wurf werden die Werte in der passenden Fertigkeit addiert. Untrainierte Fertigkeit erhalten einen Malus (-2), doch hat ein Charakter Zeit in das Training investiert, so erhält er einen Bonus von +1. Dazu kommen Boni durch Eigenschaften oder passende Werkzeuge. Gute oder schlechte Attribute spielen an dieser Stelle erstmal keine Rolle, können aber in den Beschreibungsbonus eingerechnet werden. Hier darf die SL je nach Beschreibung und Herangehensweise noch mal +/-2 vergeben. Würfelt man eine natürliche Sechs, erhält man einen Starken Treffer; diese können Effekte auslösen oder beispielsweise genutzt werden, um einen anderen Würfel erneut zu werfen.
Insgesamt geht das Probensystem sehr schnell von der Hand, auch wenn die Wahrscheinlichkeit durch die Starken Treffer nicht einfach einzuschätzen ist. Der Beschreibungsbonus gibt der SL recht viel Macht, da nur sie entscheidet, ob eine Beschreibung einen Bonus wert war. Dies kann beispielsweise weniger redegewandte Spieler benachteiligen.
Das Kampfsystem unterscheidet sich in gleich zweimal zwei Untersysteme: Persönlicher Kampf und Raumkampf, jeweils in einer taktischen und einer erzählerischen Variante. Während die erzählerische Version aus Beschreibungen und einer Anzahl zu schaffender Erfolge besteht, beinhaltet die taktische Version ungleich mehr Optionen. Auf dem Charakterbogen finden sich alleine 15 Grundtypen von Aktionen, diese reichen von "Volle Bewegung" und "Analyse" über "Gezielter Schuss" bis zum "Wachmodus". In jeder Runde darf ein Charakter zwei dieser Aktionen in beliebiger Reihenfolge ausführen. Eine gewürfelte Initiative kennt Fragged Empire nicht, hier bestimmt das Attribut Intelligenz oder der Überraschungsfaktor. Das Regelwerk bietet eine sehr große Auswahl an Möglichkeiten, wie Feuerraten, Waffenoptionen/-modifikationen und vor allem die unabdingbare Deckung. Angerichteter Schaden wird abzüglich der Rüstung von der Ausdauer abgezogen. Ist diese auf null reduziert, nimmt ein zufälliges Attribut Schaden. Ist eines der Attribute auf null, bzw. bei Spielern auf -5, ist der Kämpfer aus dem Spiel. Durch verschiedene Aktionen, aber auch durch Starke Treffer, kann man Einfluss auf den Schaden und das getroffene Attribut nehmen. Gerade gegen starke Gegner ist dies oftmals die einzige Möglichkeit, die sehr hohen Ausdauerwerte schnell zu überwinden.
Alle Regeln sind einfach verständlich, wenn man sie einmal gespielt hat. Die rein theoretische Beschäftigung lässt den Leser dagegen oftmals mit Fragezeichen zurück. Ganz klar muss man aber sagen: Fragged Empire ist ein Spiel für Miniaturen und Battlemaps und damit für Spieler, die gerne über taktische Möglichkeiten grübeln.
Der erzählerische Kampf wirkt in dem System wie ein Fremdkörper. Hier werden Aktion und Gegenaktion in einem Wurf abgehandelt. Misslingt der Wurf, nimmt der Charakter automatisch Attributschaden. Gleichzeitig spielen Ausdauer, Attribute, Starke Treffer und vor allem Ausrüstung keine Rolle mehr. Das ist auch verständlich, weil ansonsten Aktionen wie Automatikfeuer indirekt vor der Reaktion des Gegners schützen. Gleichzeitig negiert das System aber viele Entscheidungen des Charakters, wenn es keine Rolle mehr spielt, ob die für wertvolle Ressourcen erkaufte Waffe in seinen Händen nun gut ist oder nicht.
Das Raumkampfsystem ist ähnlich wie der persönliche Kampf aufgebaut. Da jeder Charakter mindestens in zwei von vier Raumschiffsystemen trainiert ist, hat auch jeder etwas zu tun und legt nicht nur dem Piloten sein Schicksal in die Hände.
Eine Besonderheit von Fragged Empires ist definitiv das Erwerbungssystem. Jedem Spieler stehen gleich mehrere Erwerbungen zur Verfügung: Schicksal, Ressourcen, Einfluss und Freizeitpunkte. Alle Erwerbungspunkte sind über die Stufe limitiert.
Schicksal wird verwendet, um pro Session Würfe zu wiederholen. Mit dem permanenten Verzicht auf einen Punkt kann man sogar dem Tod von der Schippe springen.
Einfluss stellt die Verbindungen und Kontakte eines Charakters dar. Dies kann zum Beispiel ein Gefallen sein, den die Spieler einfordern können, um ihr Raumschiff zu unterhalten. Einflusspunkte sind die einzigen Erwerbungen, die von der ganzen Gruppe in einem Pool gesammelt werden können, um beispielsweise ein Raumschiff zu erhalten oder auszubauen.
Fragged Empire kennt keine Währungen als Regelmechanik. Diese werden durch die Ressourcen abstrahiert. Maximale Ressourcen stellen dar, was ein Charakter aufbringen kann, um seine Ausrüstung dauerhaft zu unterhalten. Alle Gegenstände, die innerhalb eines Auftrags gefunden werden, können natürlich genutzt werden. Wenn diese aber zu ressourcenintensiv sind, muss der Spieler sie zurücklassen bzw. in Handelswaren umformen. Auf diesen Gedanken muss man sich einfach einlassen, denn es kann für einen Spieler unbefriedigend sein, eine erstklassige Waffe zu finden, diese kurz zu nutzen und dann wieder abzugeben.
Freizeit ist das wahre Glück ... so scheint es in Fragged Empire zu sein. Anstatt kleiner Beträge erhalten die Spieler Freizeitpunkte bzw. -würfe. Diese Freizeit kann beispielsweise genutzt werden, um Ausrüstung zu besorgen, Forschung zu betreiben, eine Werkstatt zu mieten, sich zu heilen oder eine Modifikation zu verbauen. Teilweise erlauben diese Punkte sofortigen Zugriff, teilweise auch nur eine Chance via Würfelprobe.
Zu diesen Grundressourcen kommen noch Handelsgüter oder Forschungsfortschritte, die man nutzen kann, um eine Erwerbungsart in eine andere umzuwandeln. Insgesamt erfordert das Erwerbungssystem einen guten Anteil an Buchhaltung, dies aber meistens in der Off-Zeit, also zwischen den Sessions.
Charaktererschaffung
Der erste Blick auf den Charakterbogen schreckt ab. Nicht weniger als vier eng bedruckte Seiten erwarten den Spieler. Bei genauerem Hinsehen entpuppen sich diese aber als Zusammenstellung über den Charakter und das Raumschiff, jeweils mit einer Übersicht und einem Kampfbogen, der die für den Kampf notwendigen Informationen enthält. Insgesamt bleibt ein einseitiger Charakterbogen, wenn auch klein bedruckt und schwer zu beschriften.
Wenn man die Charaktererstellung einmal praktisch durchführt und nicht nur theoretisch liest, dann stellt sie sich als schnell und einfach heraus. Sie lässt sich auf wenige Schritte reduzieren:
Wähle eine Spezies
Verteile 18 Punkte auf Attribute
Verteile zehn Punkte auf drei Fertigkeitskategorien
Wähle Eigenschaften
Hole dir Ausrüstung
Mit nur vier Spezies ist die Auswahl schnell getroffen. Zwar unterscheiden sich die Rassen stark vom geschichtlichen Hintergrund, die regelmechanischen Auswirkungen sind aber eher gering und beschränken sich auf kleinere Boni oder Mali, wie „Wohlstand -1“, „Kleine Waffen +1“ oder „Legion haben Vorurteile".
Die sechs Attribute können jeweils einen Wert von 0 bis 5 erhalten. Lediglich zwei der Spezies haben Maximalwerte, in denen diese nicht mehr als einen Wert von 3 erhalten können. Da Attribute keinen direkten Einfluss auf Proben haben, kann man seine Punkte recht frei verteilen. Attribute sind aber auch Teil des kritischen Treffersystems. So könnten Dumpstats schnell gefährlich werden. Des Weiteren kann man sie als Argumentation für einen Beschreibungsbonus benutzen.
In Schritt drei verteilt der Spieler zehn Punkte auf Fertigkeiten, davon sechs auf Primärfertigkeiten (wie Wohlstand, Mechanik oder Kultur), zwei auf die vier Kampffertigkeiten, und schlussendlich zwei weitere auf die vier Fahrzeugsystemfertigkeiten. Durch diese Verteilung ist garantiert, dass jeder Charakter in der Lage ist, eine Rolle im Boden- und Raumschiffkampf einzunehmen. Jede Fertigkeit, der ein Punkt zugeteilt wurde, gilt als trainiert, was einen Bonus von +1 gibt; untrainierte Fertigkeiten erhalten -2. Mit Speziesvorteilen kommt man in der Regel auf Werte zwischen -3 und +2.
Jeder Fertigkeit, aber auch den Ressourcen, dem Einfluss, der Stufe und den Attributen sind Eigenschaften, vergleichbar mit Perks, zugeordnet. Pro Stufe darf der Charakter eine Eigenschaft besitzen. So kann man die Fertigkeit Astronomie spezialisieren auf Astrometrie, Ionisierung, Strahlung oder Zeit verzerren. Einige der Eigenschaften sind indes beschränkt auf Spezies oder Besonderheit, wie Psioniker oder Roboter. Dabei kann jede Fertigkeit nur eine bis zwei Spezialisierungen erhalten.
Als Besonderheit muss hier erwähnt werden, dass der Charakter bei jedem Stufenaufstieg ein sogenanntes "Zurücksetzen" (engl. Retro) erhält. Damit können Attribute, Fertigkeiten oder Eigenschaften umverteilt werden. Neben dem Einsatz des Zurücksetzen-Punktes muss dies In-Game ausgespielt werden.
Zu guter Letzt folgt der umfangreichste Schritt: die Auswahl der Ausrüstung. Entsprechend seiner Stufe erhält der Charakter einige Punkte Einfluss, Ressourcen und Freizeit. Während der Einfluss nur genutzt wird, um mit der ganzen Gruppe ein Raumschiff zu kaufen, sind die anderen zwei für den persönlichen Gebrauch. Einige Gegenstände und Dienstleistungen erhält man über Ressourcen, andere über das Aufbrauchen von Freizeitpunkten. So weit, so einfach, aber in Fragged Empire gibt es kaum Gegenstände von der Stange, sondern diese werden individuell zusammengebaut: Eine einfache Pistolenbasis wird schnell zur "Personalisierten Gyro-Jet-Pistole mit verlängertem Schaft und übergroßem Magazin". Dies kann zur Herausforderung für Optimierungsspezialisten werden, da man schnell bemerkt, dass beispielsweise Option A bei Ausrüstung A die Option B der Rüstung B überflüssig macht, und damit dann wieder Ressourcen frei werden, die man in etwas anderes investieren kann.
Erscheinungsbild
384 Seiten können wohl kaum eine Textwüste sein. Im Fall von Fragged Empire ist der Anteil der Illustrationen recht hoch, vor allem sind diese meistens halb- oder ganzseitig. Die Qualität der Zeichnungen ist hervorragend und unterstützt das Setting gut.
Alle Inhalte sind zweispaltig, was die Lesbarkeit des PDF deutlich verbessert. Wichtige Passagen sind schwarz unterlegt, Beispiele hellblau. Zusätzlich wird jedes Kapitel nochmals mit einer durch Icons zusammenfassenden Seite abgeschlossen.
Sehr auffällig sind die vielen Seiten-Verweise: Fast jedes Kapitel beginnt mit etlichen Hinweisen, wo man weitere Informationen zu diesem Thema findet. Das führt schnell zu Blätterorgien. Einige Informationen, wie detaillierte Beschreibungen der Eigenschaften, Waffen, Rüstungen, Modifikationen und so weiter, finden sich ausschließlich im Tabellen-Teil. Hat man sich aber einmal mit den Mechanismen des Spiels angefreundet, reicht dieser Tabellenteil aus, um Charaktere, Ausrüstungen oder Raumschiffe zu erstellen. Das vorliegende deutsche PDF verfügt nicht über Verlinkungen, anders als das englische Original.
Kommen wir zum größten Kritikpunkt am Grundregelwerk. Anders als die vielen spannenden Kurzgeschichten, ist das eigentliche Regelwerk kein wirkliches Lesevergnügen. Regeln sind sehr trocken präsentiert, nicht immer intuitiv zu begreifen, und durch die Begrifflichkeiten unnötig verklausuliert.
Beispiel: Sich im Kampf einen Überblick zu verschaffen, erfordert eine Analysieren-Aktion mit der Taktischen Waffe: Verstand [àS. 109] (Haupteffekt: Angriff [àS. 78]; Haupteffekt: Erholen [àS. 93]; Nebeneffekt: Schub.[ àS. 88])
Klartext: Würfel gegen Taktik; wenn es erfolgreich ist, kannst du bei der nächsten Attacke den kritischen Treffer modifizieren. Unabhängig vom Erfolg erhältst du Ausdauer zurück.
Zur Ehrenrettung sei erwähnt: Auf dem Charakterbogen alle Aktionen kurz zusammengefasst.
Die vorliegende Übersetzung ist soweit gut, auch wenn ein wenig die englische Sprachdynamik durchschimmert, oder Formulierungen, die ungewöhnlich wirken. Im Deutschen ist es möglich, nahezu endlos Begriffe aneinanderzureihen, wodurch schwer lesbar Wortmonster wie "Prototypschusswaffenvariationen" oder "Fahrzeugsystemfertigkeitseigenschaften" entstehen.
Ulisses hat seinen Backern die Chance gegeben, das deutsche Buch zu lektorieren, und noch Hinweise einzureichen. Viele grammatikalische und orthographische Verbesserungen haben es auch in die finale Version geschafft. Die Chance, unklare Regel-Formulierungen zu überarbeiten, wurde dagegen nicht genutzt, obwohl entsprechende Hinweise aus der Community kamen. Bei Redaktionsschluss dieser Rezension lag bereits die Druck-Version vor. Immer wieder stolpert man im Regelwerk über Fehler. Besonders oberhalb der Seite 100 häufen sie sich. Teilweise sind Übersetzungen sinnverzerrend (Cripple als Lähmen anstatt Verkrüppeln), oder Inhalte sind verschoben, so dass Spezies plötzlich falsche Boni erhalten. Ärgerlich, denn hier hätten Backer und Fans sicherlich lieber etwas länger auf das Buch gewartet, um eine noch weiter bereinigte Version zu erhalten.
Insgesamt ist Fragged Empire ein Buch, das man gerne durchblättert, mit tollen Kurzgeschichten, die das Setting lebendig werden lassen, aber einer holprigen Regelvermittlung.
Bonus/Downloadcontent
Im Rahmen des Crowdfundings wurde von Ulisses ein Schnellstarter veröffentlicht. Mit 78 Seiten ist dieser umfangreich und führt in die grundlegenden Regeln ein. Das mitgelieferte Abenteuer „Geisterschiff Karthago“ ist für eine Einführungsrunde empfehlenswert und kann mit bis zu vier vorgenerierten Charakteren gespielt werden.
Vorläufiges Fazit
Spielbericht und die Beurteilung aus Spieler bzw. Spielleiter-Sicht erscheinen erst später im zweiten Teil, aber ich will mich schon an ein Zwischenfazit wagen.
Fragged Empire ist keine Liebe auf den ersten Blick! Aber wer sich auf das Spiel einlässt, erkennt schnell, dass die Mechaniken und das Setting ein schnelles und intuitives Spiel unterstützen. Aber diese erste Hürde muss man eben nehmen. Das Setting basiert auf einer guten Idee, wird aber sein Potential wohl erst mit den Erweiterungsarchiven voll ausspielen können. Im Grundbuch wirkt es einfach zu stereotyp mit seinen flachen und regelrecht farbcodierten Spezies. Das macht den Einstieg einfach, kann aber schnell dazu führen, dass das Überraschungsmoment abflacht - wichtig bei einem auf Exploration aufgebautem Hintergrund.
Optisch und inhaltlich ist das Buch sein Geld wert, auch wenn es zu einem uneingeschränkten Top-Produkt nicht ganz reicht. Anders sieht es aber mit der vorliegenden Übersetzung aus. Die Häufung von Fehlern und Ungenauigkeiten machte es immer wieder notwendig, auf das englische Original zu schauen, um den ursprünglichen Sinn zu erfassen. Das steht dem normalen Käufer des deutschen Buchs aber nicht zur Verfügung. Laut Aussage des Verlages werden Errata und Hinweise auch nicht in das PDF eingefügt, solange es keine zweite, überarbeitete Auflage gibt.
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Dieses Jahr erschien mit Exalted 3rd Edition eines der langersehntesten Kickstarter-Rollenspiele der letzten Jahre. Dessen eingenommene Summe von 684 755 Dollar war im Jahr 2012 ein neuer Rekord. Nach über drei langen Jahren des Wartens, der Erkrankung eines Autors, Skandälchen um das plagiierte Artwork eines Zeichners und immer neuer Verschiebungen war es diesen Sommer endlich soweit – das Rollenspiel wurde tatsächlich ausgeliefert. Und was für eines!
In einer Zeit, in der der schlanke Regelwerke im Trend liegen, die Beliebtheit von narrativen Spielen wie FATE weiter wächst, und sogar Rollenspiel-Urväter wie Shadowrun mit Anarchy nachziehen, wirkt Exalted 3rd Edition seltsam fremd. Alleine der Umfang! 658 Seiten machen Exalted zu einem Schwergewicht unter den Grundregelwerken. Aber was genau steckt zwischen den Seiten? Lohnt sich das Umsteigen von der zweiten Edition? Und wie fühlt es sich überhaupt an, wiedergekehrte Götter zu spielen?
Die Spielwelt
Exalted 3rd Edition spielt auf der Welt Creation. Diese ist stark nach den fünf magischen Elementen strukturiert (Erde, Feuer, Wasser, Luft, Holz) und lehnt sich damit an fernöstliche Mythologie an: Jahreszeiten spielen kaum eine Rolle, und die jeweilige Himmelsrichtung gibt gleichzeitig Thema und Bewohner vor. So durchstreifen im heißen Süden Nomadenstämme eine endlose Wüste zwischen dem Feuer-Pol und reichen Handelsstädten wie aus Tausendundeiner Nacht. Auf den westlichen Meeren bewohnen Piraten und Seefahrer einen kleinen Inselgürtel und durchfahren den gewaltigen Ozean bis zum Wasser-Pol. Und im Norden versammelt sich eine Horde aus Barbaren in der eisigen Weite nahe des Luft-Pols. All das gehört zum Standard-Repertoire jedes Fantasy-Settings, doch Exalted 3rd Edition verwendet die Himmelsrichtungen nur als grobe Schubladen und trumpft mit ganz eigenen Elementen auf:
Creation ist riesig: Die Spielwelt wurde in der 3rd Edition noch einmal erweitert und ist auf die zwölffache Größe Europas angelegt. Das ermöglicht lange und epische Reisen ans andere Ende der Karte, wie in antiken Heldenmythen (diese Karte hilft bei der Errechnung der Reisedauer). Außerdem ist zwischen den beschriebenen Regionen und den wenigen ausgearbeiteten Städten enorm viel Platz für eigene Länder, Königreiche und Ideen einer Spielrunde.
Ruinen ergeben Sinn: Überall auf Creation findet man Überbleibsel eines vergangenen Zeitalters. Diese stammen aus dem Ersten Zeitalter der Schöpfung, in dem die ganze Spielwelt von fortschrittlicher Magie-Technologie durchdrungen war: Mechas, Energie-Kanonen, genmanipulierte Völker. Die Spuren dieser untergegangenen Zeit spielen in Exalted eine große Rolle und stecken hinter manchen Mysterien. (Mit Dreams of the First Age gab es für die zweite Edition sogar eine Settingbox dazu.) Spuren davon finden sich noch in einigen Kulturen Creations: So befehligt die Stadt Lookshy noch Kriegsschreiter, und die Nation der Haslanti League befehligt eine Flotte von Luftschiffen.
Etwas Asia-Flair schadet nie: Ganz Creation wurde einst vom Realm eingenommen, dem Reich auf dem Insel-Kontinent im Herzen der Karte. Dort herrschen die Familien der Dragonblooded, mächtiger Erben der Macht der Elementar-Drachen. Sie pflegen eine asiatische Kultur mit Kampfkunst, Samurai-Ehre und Drachen-Glauben. Das merkt man auch in den einstigen Vasallen-Staaten. Hier trifft Fantasy auf Wuxia. Der Fernost-Anteil wurde in der 3rd Edition etwas zurückgenommen.
Leben in einer Umbruchs-Zeit: Das mächtige Realm ist seit dem Verschwinden der eigenen Kaiserin in Aufruhr und verliert rasch Einfluss in den Randstaaten. Alte Feinde und neue Rebellen erheben sich, und die großen Häuser rüsten zum Krieg. Überall in der Spielwelt spürt man, dass große Ereignisse bevorstehen. Was, das können die Spieler selbst mitentscheiden – schließlich spielen sie selbst die wiedergekehrten Seelen von Heroen aus dem ersten Zeitalter.
Die Welt ist eine Scheibe: Creation ist eine Scheibenwelt, und jenseits davon lauert das ungeformte Chaos. In den Grenzregionen wandern schreckliche Monster umher, und immer wieder dringen die Feen in die Spielwelt ein. Sie sind die schrecklichsten Antagonisten des Spiels – und es gibt noch zahllose weitere. Doch anders als noch in der zweiten Edition spielt der größere Kosmos im Grundregelwerk nur eine untergeordnete Rolle.
Auf den ersten flüchtigen Blick erscheint die Spielwelt von Creation simpel und ist in Exalted 3rd Edition nur oberflächlich beschrieben. Bezieht man aber das verfügbare Hintergrund-Material aus der 2nd Edition mit ein, erschlägt es den Leser aber fast mit Details, und das Setting erweitert sich vor allem um fantastische Elemente wie Parallel-Welten (die Maschinenwelt Autochthon, die Unterwelt, die Götterstadt Yu-Shan). Damit zwingt Exalted 3rd Edition den Spielleiter zur Nacharbeit, und dazu, die Regionen auszuwählen und auszudesignen, die für eine Kampagne eine Rolle spielen.
Abwechslung gibt es in Creation also mehr als genug. Vor allem die neue Region im Südosten um die Dreaming Sea, mit einer Dynastie abtrünniger Dragonblooded, und der neue Kontinent Caul, auf der das Realm und Lunar-Exalted einen Krieg um uralte Tempel führen, sind stimmige Erweiterungen. Interessant ist die Umdeutung der westlichen Inseln. Sie liegen nun weiter vom Rest Creations entfernt und sind ein sagenumwobenes Land exotischer Reichtümer. Das alles freut vor allem Veteranen der ersten beiden Editionen. Doch Einsteiger dürften sich bei den vielen Namen und Fraktionen erst einmal ein wenig verloren fühlen.
Moment mal, was spiele ich denn?
In Exalted 3rd Edition verkörpern Spieler ausschließlich Solar-Exalted, also vom vergessenen Gott The Unconquered Sun erwählte Helden mit magischen Kräften. Andere Exalted-Typen gibt es auch, etwa die wilden Lunar-Exalted mit ihren Gestaltwandel-Fähigkeiten, oder die Dragonblooded des Realms mit ihren Elementar-basierten Kräften. Doch diese sind im Grundregelwerk nur als Antagonisten beschrieben und angedacht. Es wurde jedoch bereits bekannt gegeben, dass Onyx Path auch in weiteren Publikationen der 3rd Edition neue Exalted-Typen zugänglich macht.
Die Regeln
„Nimm zwei Handvoll W10 und würfele. Dann beginne herumzurechnen und diskutiere mit dem Spielleiter über Regellücken und Spielbalance.“ So beschrieb mal ein Freund von mir die Spielerfahrung der 2nd Edition. Diese hatte einige Regelprobleme und schreckte Spieler mit einer hohen Komplexität ab. Kann die 3rd Edition hier alles ausbügeln?
Exalted 3rd Edition basiert – wie schon die Vorgänger – auf einem klassischen Poolsystem. Attribute und Fähigkeiten von 1 bis 5 ergeben mit zusätzlichen Bonuswürfeln die Menge 10-seitiger Würfel. Wer einen besonders coolen Stunt dabei ausführt, erhält Bonuswürfel – klassisch Exalted eben. Alle Ergebnisse von 7, 8 und 9 sind ein Erfolg, 10er zählen direkt als zwei Erfolge. Je schwerer die Aktion, desto mehr Erfolge benötigt man – logisch. Ansonsten ist aber alles anders, und Kenner der zweiten Edition müssen sich häufig umstellen. Hier die größten Unterschiede:
Neu: Cineastischer Kampf: Exalted 3rd Edition versucht sich an einem brandneuen Kampfsystem. Es ist auf epische Kämpfe zwischen gleichwertigen Gegnern ausgelegt. Unwichtige Gegner werden als Trivial Opponents abgehandelt und sterben meist so schnell, wie sie auftauchen. In einem ernsthaften Kampf nimmt die Initiative eine zentrale Rolle ein. Sie bestimmt die Abfolge in Runden (nicht mehr Ticks wie noch in der 2. Edition) und spielt mit den beiden unterschiedlichen Angriffs-Typen des Systems zusammen: withering und decisive.
Withering-Angriffe verschieben die Initiative zu den eigenen Gunsten, verursachen aber keinen Schaden am Feind. Decisive-Angriffe verursachen Schaden und setzen die eigene Initiative zurück. Da bei einem Decisive-Angriff die eigene Initiative als Schadensbonus gilt, sie anschließend aber zurückgesetzt wird, ist ein solcher Angriff immer ein Risiko, und Spieler müssen sich die Frage stellen: „Wann versuche ich die Oberhand zu gewinnen (withering), und wann lohnt sich ein finaler Stoß (decisive)?“ Das sorgt einerseits dafür, dass sich die Initiative häufig verändert und Kämpfe dynamisch bleiben – erfordert aber auch mehr Buchhaltung und verkompliziert den Kampfablauf (klicke hier für eine genaue Rundenübersicht). Besonders für Taktiker interessant: Wer bei Initiative 0 ist, erhält zusätzliche Nachteile und kann gar keinen Decisive-Angriff durchführen.
Gruppenkampf: Ebenfalls neu ist die Abwicklung von Massenschlachten. Dabei werden Truppen automatisch als Battle Group zusammengefasst und agieren zusammen als Einheit. Diese erhält dann je nach Anzahl der Mitglieder, Training und Moral bessere Werte. Nehmen sie Schaden und haben keine Lebenspunkte mehr, müssen sie gegen Willenskraft testen oder werden aufgerieben und fliehen. Einzelne Charaktere oder Helden können durch ihre Handlungen einer solchen Battle Group enorme Boni verleihen und den Schlachtenverlauf verändern. Das ist elegant und vereinfacht große Kämpfe.
Sozialer Einfluss: Exalted 3rd Edition hat anders als der Vorgänger kein Social Combat-System. Stattdessen können Charaktere außerhalb von Kämpfen Einfluss gewinnen, was eine Interaktion mit dem Gegenüber und das Verstehen seiner Motive erfordert. Diese werden in Exalted 3rd Edition als Intimacy beschrieben und repräsentieren entweder die Haltung eines Charakters zu etwas (z. B. „Ich hasse die Unterwelt“) oder eine feste Moral des Charakters (z. B. „Mein Heimatland geht über alles“). Sie können auch unterschiedliche Intensitäten haben und werden durch Sozialen Einfluss möglicherweise verändert.
Zauberei: Auch am Zauber-System von Exalted verändert die 3rd Edition einiges. So müssen Zauberer nun Essenz aus der Umgebung ansammeln, die einen Zauber speist – und diesen nicht mehr teuer aus der eigenen Reserven bezahlen. Außerdem lassen sich nun permanente Magische-Verzauberungen herstellen – eine Magische Barriere ums eigene Anwesen? Mit genug Aufwand und Zeit ist das kein Problem.
Kampfkunst: Bisher hatte jeder Exalted-Typ eigene Kampfkunst-Stile. Auch das ist mit der 3rd Edition vorbei. Nun können alle (auch Sterbliche!) alle Kampfkunst-Stile erlernen und schalten je nach eigenem Typ nur besondere Effekte frei. Allerdings muss dies erst einmal durch eine eigene Fähigkeit freigeschaltet werden. Der normale unbewaffnete Nahkampf – Brawl – bleibt für unelegantes Draufhauen für jedermann.
Streitpunkt Handwerk: Statt Ressourcen-Management ist Handwerk in Exalted 3rd Edition mit eigenen Sonderfähigkeiten in einen Handwerks-Baum eingebunden. Der bedient sich bei typischen Computer-Rollenspielen und wirkt wie ein eigenes Mini-Spiel im Spiel. Das System hier zu erklären, würde wahrscheinlich diese Rezension sprengen. Nur so viel: Um ein Meisterwerk zu erschaffen, müssen erst einmal mehrere niedrigstufigere Ausrüstungsteile hergestellt und daraus eine besondere Form von Erfahrung gewonnen werden. Das muss man nicht mögen, und es spaltet auch die Fan-Basis – die einen finden den Ansatz logisch und fair, die anderen umständlich und unintuitiv.
Charaktererschaffung
In der 3rd Edition von Exalted verkörpern die Spieler Solar-Exalted und wählen bei Spielbeginn eine der fünf Kasten aus. Dawn sind Krieger und Generäle, Zenith sind Priester und spirituelle Anführer, Twilight sind mysteriöse Handwerker und Magier, Night sind Attentäter und Spione, und Eclipse sind Diplomaten und Bürokraten. Die Wahl der Kaste gibt besondere Sonder-Fähigkeiten, die teilweise dann automatisch aktiviert werden, wenn ein Charakter keine Essenz mehr hat. Außerdem erhält jeder Charakter eine Auswahl an Favoured-Abilities (als Auswahl von 5 aus 8), die er einfacher steigern kann.
Wie bisher auch, so wird während der Charaktererstellung nicht gewürfelt, und das Start-Powerlevel ist für ein Rollenspiel ungewöhnlich hoch. Die Auswahl von Attributen, Fähigkeiten und Merits geht recht schnell von der Hand. Deutlich länger dauert die Zusammenstellung der 15 magischen Charms. Diese einzigartigen Solar-Fähigkeiten muss man sich umständlich im hinteren Teil des Grundregelwerkes aus Dutzenden Seiten mit Beschreibungen suchen – wovon ein Großteil von anderen Charms abhängig ist und nacheinander freigeschaltet werden muss (unter diesem Link gibt es eine übersichtlichere Darstellung als im Regelwerk). Damit nimmt eine Charaktererstellung insgesamt locker einen ganzen Spielabend ein – auch das ist Tradition bei Exalted.
Spielbarkeit aus Spielleitersicht
Exalted 3rd Edition ist für Spielleiter eine klare Verbesserung zum Vorgänger. Die Regeln sind an den richtigen Stellen verändert und klarer formuliert. Battle Groups lassen sich auch in Scharmützeln hervorragend zur Darstellung ganzer Schwärme schwacher Feinde verwenden. Allerdings ist das Regelwerk auch ein Brocken, der erst einmal studiert werden muss. Auspacken, überfliegen und losspielen? Nicht mit Exalted! Alleine die Zusammenfassung der wichtigsten Regeln ist satte neun Seiten lang. Für Spieler, die an FATE gewohnt sind, ein wahrer Alptraum, doch DSA-Veteranen zucken nur die Schultern. Dafür ist Creation in dieser Variante ein Ort zum Austoben. Gewaltige wandernde Festungen auf dem Rücken von Vorzeit-Behemoths? Kein Problem. Luftschiff-Schlachten mit Eis-Elementaren? Aber ja doch. Komplexe Dungeons mit atemraubender Beute und tödlichen Magie-Tech-Fallen? Unbedingt!
Alleine die beiden neuen angedeuteten Exalted-Typen verändern das Kräfteverhältnis auf Creation und stellen auch für erfahrene Exalted-Gruppen neue und interessante Feinde dar. Liminal Exalted sind Frankenstein-hafte Monster in einem Dasein zwischen Leben und Tod (Sie wurden bereits in Masters of Jade der 2nd Edition erwähnt). Sie sind enorm zäh und an einen gefallenen Sternenhohen gebunden. Exigents wiederum sind persönliche Exalteds niederer Götter, die dabei einen großen Teil der eigenen Macht aufgeben. Sie sind Verteidiger ihrer Städte und Landstriche und haben einzigartige Fähigkeiten.
Auch die neuen Länder fügen sich nahtlos in die Spielwelt ein. Diese ist durch den enormen Platz und die klare Struktur wie für eigene Geschichten gemacht, von epischen Erzählungen eines Record of Lodoss War bis zu persönlichen Intrigen eines Game of Thrones. Das macht es allerdings auch zur Herausforderung, einen roten Faden oder Spielstil zu etablieren. Exalted kann alles sein, was eine Spielrunde daraus macht – nur episch ist es immer.
Spielbarkeit aus Spielersicht
Für Spieler der Vorgänger-Versionen ist Exalted 3rd Edition erst einmal ein Rückschritt. Zwar sind viele Balance-Schwächen verschwunden, doch das ging auf Kosten von Fan-Lieblingen wie perfekte Ausweichen-Charms oder Mehrfach-Angriffen. Sie existieren noch, sind aber stark abgeschwächt worden und nicht mehr häufig in einem Kampf einsetzbar. Auch fühlen sich Charaktere nun etwas schwächer an, da Willenskraft nicht mehr durch Stunts regeneriert, und damit deutlich mehr wert ist. Das ergibt mehr Sinn und balanciert viele Charms besser aus, und ist damit typisch für Exalted 3rd Edition: Die Vorteile für Spieler finden sich erst in den Details und erschließen sich im Spiel.
So stört auf den ersten Blick die Vereinfachung der Ausrüstung: Alle Waffen gehören den Klassen Light, Medium oder Heavy an und unterscheiden sich nur durch unterschiedliche Schlüsselwörter, die besondere Angriffe ermöglichen. Dafür kommen mit magischen Waffen neue Optionen ins Spiel. Stimmt sich ein Charakter auf eine magische Waffe ein, kann er mit der Zeit einzigartige Soner-Charms erlernen.
Auch das Initiative-System wirkt auf den ersten Blick unhandlich, entfaltet in der Spielpraxis aber einen eigenen Reiz. Kämpfe dauern zwischen ernstzunehmenden Kontrahenten meist nur noch drei bis fünf Runden. Durch das Initiative-System bleiben sie spannend, und jeder Spieler hat vor Augen, wenn es ihm an den Kragen geht. Langweilige und eintönige Kämpfe, wie noch in der zweiten Edition, gibt es damit kaum noch.
Ebenfalls wirken die Charms auf den ersten Blick schwächer, sind aber abwechslungsreicher geworden. Verschmähte Charm-Bäume der Vorgänger-Editionen sind nun nützlich und können zu neuen Charakter-Konzepten führen. So dient etwa Lore nun dazu, Fakten über die Spielwelt zu erschaffen – was ein wenig an FATE erinnert. Besonders nützlich ist die neue Regel, eine Fähigkeit als „Supernal Ability“ zu wählen und deren Charms frei kaufen zu können (als habe man Essenz 5). Alleine das macht Charaktere zu Beginn eher stärker als schwächer.
Ein kurzer Spielbericht
Seit Erscheinen der 3rd Edition im Sommer habe ich als Spielleiter eine Gruppe von Solar-Exalted von Kirighast in die Herzen der Aaslande und in die verfluchte Stadt Denandsor geführt. Dabei mussten wir zu Beginn das neue System erst erlernen und verbrachten die ersten Abende mit Regel-Wälzen und Sätzen wie „In der 2nd Edition war es aber anders.“ Auch das Herumblättern im Regelwerk, und das Nachlesen von Charms mit Aha-Effekt („Oh, so ist das gemeint!“) gehörte am zweiten Spielabend dazu. Da hilft es auch nicht, dass sich einige Sonderregeln und Ausnahmen in Kästen am Rand von Kapiteln befinden.
Nach zwei Spielsitzungen gab sich das Phänomen aber, und alle Teile des Regel-Puzzles klickten ineinander. Beim Hintergrund war der Systemwechsel schwieriger. Während wir bei der uns wohlvertrauten 2nd Edition auf eine Vielzahl von Quellen zurückgreifen konnten, musste ich hier als Spielleiter stark improvisieren. Besonders, dass Onyx Path die Spielwelt nicht nur erweitert, sondern an einigen Stellen auch umgebaut hat, sorgte immer wieder für Unsicherheiten („Wo kommen denn diese Exigents her? Warum gab es sie nicht früher?“) und war in der Planung der Kampagne eine Herausforderung – die Neueinsteiger in Exalted aber nicht haben dürften. Besonders hilfreich für mich war die neue Exalted-Wiki als Sammlung von Informationen und Diskussionen darüber. Nach etwa 1,5 Wochen intensiver Arbeit fühlte ich mich mit etwa 20 Seiten Hintergrundnotizen deutlich fester im Spielleiter-Sattel.
Die Spieler nahmen diese Unsicherheiten aber positiv auf - alles wirkte neu und gleichzeitig vertraut, und bald stellte sich das gewohnte Exalted-Spielgefühl ein. Gerade das Fehlen von übermächtigen Ausweich-Charms sorgte jedenfalls dafür, dass die Spieler sehr viel vorsichtiger an Kämpfe herangingen, diese dafür umso mehr genossen. Wirklich kürzer im Vergleich zur 2nd Edition waren sie dann aber nicht. Ein Wehrmutstropfen: Unser Twilight-Exalted wurde mit den Crafting-Regeln nicht warm und lernte auf Magie um – was im Gegensatz zu Handwerk hervorragend funktionierte. Insgesamt ist die Spielrunde bisher sehr zufrieden und beginnt von ihrer neuen Festung Denandsor aus die Eroberung der Aaslande.
Erscheinungsbild
Exalted 3rd Edition ist ein Wälzer in schön. Das Grundregelwerk mit seinen 686 Seiten ist schwer wie ein Backstein im Rucksack – hier hätten es auch gerne eine Box mit mehreren Einzel-Bänden sein können. Die Deutsche Version von Numenera macht es vor. Das Layout der 3rd Edition sticht die vorgehenden Editionen locker aus, und das Artwork ist solide und um einen einheitlichen Stil bemüht. Das Gesamtbild gefällt und ist eine deutliche Verbesserung zu den Vorgänger-Versionen, reicht aber nicht an optische Leckerbissen wie Degenesis, The One Ring oder Legend of the Five Rings heran. Als PDF ist Exalted 3rd Edition ebenfalls gut zu gebrauchen und hat einen guten Index und ausführliche Lesezeichen. Mit Hyperlinks im Dokument wäre es noch besser gewesen.
Ein Manko ist der Preis. Mit knapp 30 EUR alleine für’s PDF und satten 60 EUR für das Hardcover steht Exalted in Zeiten von Kickstarter-Offensien mit dutzenden Bonus-Goodies nicht gut dar. Außerdem fehlt schmerzlich eine ausfaltbare Karte der Spielwelt Creation. Die Mini-Version im Buch am Anfang der Weltbeschreibung muss man mit der Lupe absuchen.
Bonus/Downloadcontent
Seit Erscheinen des Grundregelwerkes im Sommer sind Charm-Cards zur besseren Übersicht, der lesenswerte Comic Tale of the Visiting Flare, die Geschichtensammlung Tales From the Age of Sorrows und neue Charms der Kickstarter-Backer in Miracles of the Solar-Exalted erschienen. Sie alle sind nützlich, kosten aber zusätzlich zum Grundregelwerk.
Fazit
Exalted 3rd Edition ist mit Abstand die beste Version von Onyx Path‘s Fantasy-Wuxia-Heldenspiel. Die Erweiterungen der Spielwelt ergeben Sinn und sorgen auch bei Veteranen der Serie für Abwechslung. Besonders wichtig: Die Balance der Spielmechanik ist um Welten besser als noch bei den Vorgängern. Dabei bleibt sich Exalted auch in Zeiten von FATE und Co. treu. Das Regelwerk ist kein Leichtgewicht und schreckt mit dutzenden Sonderregeln Einsteiger und Gelegenheits-Spieler ab. Spielrunden, die sich einarbeiten, finden hier aber ein gut zusammenspielendes und innovatives Spielsystem.
Das wohl größte Manko der 3rd Edition ist die Einschränkung der Charakterwahl auf Solar-Exalted – und das, obwohl in dem Buch mit Exigents und Liminals gleich zwei neue Exalted-Arten eingeführt werden. Zusatz-Bände mit geupdateten Regeln für andere Exalteds sind zwar in der Mache, bis dahin heißt es für Spielrunden aber: improvisieren, oder auf das Material der zweiten Edition zurückgreifen. Wer aber Hausregeln nicht scheut, souverän mit Powergaming am Spieltisch umgeht und komplexe Regeln mag, der dürfte großen Spaß am neuen Exalted haben.
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[quote] "Nichts ist trügerischer als eine offenkundige Tatsache." [/quote] -Sherlock Holmes
Ein Mordfall erschüttert die High Society der Hafenstadt Grangor. In einer klassischen Detektivgeschichte werden die Helden zunächst auf das Opfer aufmerksam gemacht und mit der Untersuchung des Falls betreut. Es beginnt eine typische Mordermittlung mit Spurensuche, falschen Fährten, Finten, Fallen und letztendlich einer finalen Aufklärung.
Die Struktur der Publikation wirkt schon von vornherein etwas chaotisch. Das Handout befindet sich auf der ersten Seite, es folgen Einleitung, Hintergründe und Regelergänzungen, sowie eine Stadtbeschreibung, bevor das Abenteuer überhaupt, auf Seite 16, beginnt.
Die optionalen Regelmechanismen sind hervorragend an das Detektivabenteuer angepasst und werden im Abenteuerverlauf immer wieder zum Einsatz kommen. Der Gebrauch dieser Regeln ist allerdings keine Pflicht, denn es werden immer wieder auch Alternativen angeboten.
Die sechsseitige Beschreibung von Grangor und dessen einzelnen Stadtteilen eignen sich gut, um als Spielleiter den Hintergrund lebendig gestalten zu können. Dennoch sind einige der Textpassagen überflüssig, da sie an den entsprechenden Stellen im Abenteuer wiederholt werden. Dies trifft leider auch auf mehrere andere Beschreibungen zu.
Das geschäftige Treiben der fleißigen Bürger Grangors und ihr biederes Dasein wird allerdings hervorragend beschrieben und bildet, neben den vielen kleinen Anmerkungen zum Waffenverbot, Zöllen und Bootsverkehr, die Grundlage für eine tolle städtische Atmosphäre.
Inhalt
Mord! Wird man wohl bald im „Grangorer Comercien Anzeiger“ lesen. Der, durch den Uthuria-Handel zu Reichtum und Ansehen gelangte, Kaufmann Sumudan de Vries wurde offenbar aus dem Fenster seines Grangorer Kontors gestürzt. Da sich die städtische Garde aber nur wenig um diesen Vorfall schert, bitten der Kontorleiter des Toten und eine Geschäftspartnerin kurzerhand die Helden um die Aufklärung des Mordes.
Ins Fadenkreuz der Ermittlungen gelangen schnell die üblichen Verdächtigen – Sumudans Kinder, welche beide nicht ohne Fehl sind. Gilt sein Sohn doch als Taugenichts und seine Tochter als fehlgeleitet, da sie einen Künstler ehelichte.
Aber auch ein entlassener Mitarbeiter, der sich an den uthurischen Schätzen bereicherte, und nicht zuletzt die niemals schlafende Konkurrenz werden schnell mit in die Ermittlungen einbezogen.
Auf der Suche nach Hinweisen, Indizien und Motiven – ganz klassische Detektivarbeit – verfolgen die Helden jede nur mögliche Spur. Dabei stellen sie halb Grangor auf den Kopf und nicht jede Spur führt zu einer Lösung. Viele Spuren verlaufen im Sande, führen in einer Sackgasse oder gehen gar ins Leere. Wobei Letzteres tatsächlich meint, dass die im Abenteuer dargelegte Spur nicht genug ausgearbeitet ist. So müssen die Helden beispielsweise Informationen in einer Spelunke sammeln, bevor es in dieser zu einer Schlägerei kommt. Ein alternativer Weg, bei Misslingen, wird leider nicht aufgezeigt.
Einerseits verläuft der Handlungsstrang nicht besonders linear, um den Spielern eine möglichst große Freiheit in ihrer Vorgehensweise zu ermöglichen. Dem Spielleiter werden andererseits aber auch immer wieder Möglichkeiten an die Hand gegeben, die Ermittlungen der Spieler angemessen zu beeinflussen. Besonders gelungen ist die Möglichkeit die Probenwürfelei durch rollenspielerische Elemente zu ersetzen. So lassen sich regelmäßig konkrete Angaben zu diversen Aussagen und Untersuchungsergebnissen finden, die der Spielleiter einfließen lassen kann. Eine vollständige Seite mit „Gerüchten“, stellt die Beteiligten ebenfalls lebendig und interessant dar.
Für die Spieler entsteht ein spannendes Rätselraten, da die meistenteils non-lineare Führung nur wenig Chancen bietet vorauszuahnen, ob eine Spur richtig oder falsch ist. Dennoch sind die Verstrickungen nicht so schwierig zu entzerren, dass findige Spieler nicht die richtigen Schlussfolgerungen ziehen können. Letztlich sind die gefundenen Beweise der durchgeführten Recherchen belastend genug, um den Schuldigen zu konfrontieren und ihn in einem finalen Kampf zu stellen.
Dramatis Personae
Alle Nichtspielercharaktere wirken gut durchdacht und spiegeln ein lebendiges Bürgertum in Grangor wider. Vom Unterwelt-Schläger bis zum reichen Handelsmagnaten sind alle Schichten vertreten. Die Ziele der Einzelnen sind gut ausgewählt, ausführlich beschrieben und durchaus zu ihren Wesenszügen passend. Wenngleich das Hauptmotiv des Täters, angesichts der vielen Möglichkeiten, schon fast zu banal wirkt.
Leider lässt sich häufiges hin und her blättern nicht vermeiden, da es an einer Übersicht aller Beteiligten fehlt. Hilfreich wäre zum Beispiel eine Tabelle gewesen, welche die Beweggründe und Alibis der einzelnen Personen auflistet.
Regeltechnisches und Fehlerhaftes
Wenn auch die diversen Regelmechanismen an das Abenteuer angepasst wurden und Dank der angebotenen Alternativen nicht immer zum Einsatz kommen müssen, so gibt es doch einiges an ihnen zu bemängeln.
Die Sammelprobe, welche beispielsweise gewürfelt werden kann um Spuren zu finden, ist schlecht durchdacht. Auf die Zeitintervalle, welche mit solchen Proben zusammenhängen, wurde in der Regel nicht genug eingegangen. Mal ist es egal wie lange gewürfelt wird, das Ergebnis ist immer dasselbe. Ein anderes Mal muss nur lange genug gewürfelt werden, bis genug Qualitätsstufen erreicht werden, ohne dass in der verstrichenen Zeit etwas passiert. Eine Konsequenz ergibt sich weder aus der Häufigkeit des Würfels, noch aus der verstrichenen Zeit – höchstens, dass den Spielern langweilig wird.
Auch der Handlungsstrang zeigt einige Fehler, obgleich das Abenteuer ansonsten einen gelungenen Kriminalfall abwickelt. Bestimmte Indizien sollen den Helden ins Auge fallen und zur Lösung beitragen, sind aber situationsbedingt nicht als Indizien erkennbar. Einige Rückschlüsse sind auch nach mehrmaligem Überlegen nicht wirklich logisch zu begründen.
[spoiler]Eine der ersten Fragen in unserer Runde war: „Wie herum liegt der Körper des Toten?“ Zu dieser Frage gibt das Abenteuer keine Antwort. Ein Bild auf Seite 16 zeigt einen Toten, der auf dem Rücken liegt, doch damit entwickelt sich schnell ein logischer Fehler. Da die Helden davon ausgehen müssen, dass de Vries ermordet wurde – also aus dem Fenster gestoßen wurde – ist es wahrscheinlich, dass er rückwärtsfiel. Da er aber gesprungen ist, wäre es logischer, wenn er auf dem Gesicht gelandet wäre.
Des Weiteren bleiben einige der Details nicht lange in den Köpfen der Spieler. Beispielsweise der Tintenfleck auf dem Schreibtisch des Opfers, der später auch auf einer Bluse gefunden werden kann. Es erschließt sich einem vor allem nicht, warum eine Magd mit schmutziger Wäsche die Aufmerksamkeit der Helden auf sich zieht. Ebenfalls unlogisch erscheint, dass die Dame Odina alle gestohlenen Waren aus dem Lager von de Vries erstehen kann. Die Waren sind hoch begehrt und es muss schon an ein Wunder grenzen, dass nichts davon anderweitig verkauft wurde. [/spoiler]
Preis-/Leistungsverhältnis
Für nur 14,95 EUR erhält man ein spannendes Detektivabenteuer, welches sich mit ein wenig Fleiß und Anpassungsarbeit sogar in jede andere Hafenstadt verlagern lässt. Die Kriminalgeschichte ist gut ausgearbeitet und mit vielen lebendigen und auch humorvollen Erzählpassagen ausgeschmückt.
Erscheinungsbild
Das Lektorat hat gute Arbeit geleistet und ist fast jedem Fehler auf die Schliche gekommen. Das düstere Cover lässt bereits erahnen, dass die Helden nicht nur bei Tage ermitteln müssen und auch die Innenillustrationen sind teilweise gut gewählt. Der häufige Einsatz der ikonischen Helden verwirrt ein wenig, da sie mit dem Abenteuer nichts zu tun haben. Einige Illustrationen sind zudem sehr grob gehalten oder überzeichnet und gehen damit eher in Richtung Karikatur denn Charakterdarstellung. Anstelle der durchwachsenen Bilder wären spielrelevante Abbildungen, wie zum Beispiel das mehrmals erwähnte Symbol des Handelshauses de Vries sinnvoller gewesen.
Die vielen Spezialregeln und Hintergrundinformationen machen die gesamte Struktur leider sehr unübersichtlich und da ein ordentliches Inhaltsverzeichnis fehlt, verliert man schnell den Überblick über die wichtigen Informationen. Auch auf die Eigenwerbung für den Aventurischen Boten oder den Meisterschirm hätte, zugunsten der Übersichtlichkeit, verzichtet werden können. Weder der Bote noch der Meisterschirm sind grundlegend wichtig für den Spielverlauf, sondern lediglich optional nutzbar. Im Endkampf wird hingegen direkt auf die Sonderfertigkeiten des Kompendiums verwiesen, was den Angaben „zum Spielen benötigt ihr lediglich das Das Schwarze Auge Regelwerk sowie den Aventurischen Almanach“ widerspricht.
Layout und Lesbarkeit sind allerdings auf dem für DSA5 gewohnten, guten Level, wenn man sich nicht an den vielen hervorgehobenen Kästen mit Spielleiter-Informationen, Sonderegeln und nützlichen Tipps stört. Der Anteil an vorlesbaren Texten geht neben der Anzahl dieser Kästen und der vielen Bilder ein wenig unter.
Bonus/Downloadcontent
Bonus oder Downloadcontent ist nicht vorhanden.
Fazit
In dubio pro reo! Im Zweifel für den Angeklagten. Wenngleich das Abenteuer die eine oder andere Lücke im Plot aufweist und der Handlungsstrang die Helden eventuell in eine Sackgasse führt, so ist es Marco Findeisen doch gelungen eine ausgeklügelte Kriminalgeschichte zu spinnen. Ein Tod in Grangor ist ein spannendes, klassisches Detektivabenteuer, dessen Vielfältigkeit dafür sorgt, dass jeder Spieler auf seine Kosten kommt und relativ frei agieren kann.
Wer die Stadt Grangor hautnah erleben will, wird sich schnell mit der authentischen, biederbürgerlichen Atmosphäre anfreunden, die das Abenteuer erschafft. Wer sich ins Mächtespiel von Handel und Kommerz begeben möchte, dem sei angeraten ein paar Dukaten sinnvoll in den Erwerb dieses Abenteuers zu investieren. Aber Vorsicht: Die chaotischen Strukturen des Werkes haben wenig mit den gut geordneten Handelslisten eines Kaufherrn gemein.
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