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In einer düsteren Science-Fiction-Welt werdet ihr aus dem Paradies geworfen und erwacht in einem fremden Körper. Eure Erinnerung ist bruchstückhaft, doch eines ist klar: Ihr wollt zurück nach Elysium. Kommt mit in die Flame Worlds und findet heraus, ob euch das gelingt.
In Exilium erwarten die Spieler keine Helden mit hehren Zielen und Weltrettungskomplex. Die Verstoßenen wollen lediglich nach Hause. Dafür müssen sie dem „Envoy“ dienen und für ihre Verbrechen büßen.
Die Spielwelt
Die Spielwelt basiert auf dem Rollenspiel In Flames von Cubicle 7. Sie wurde überarbeitet und Exilium beinhaltet sowohl In Flames, als auch die Ergänzungsbände Uplifts und Chimera.
Der Ort des Geschehens ist ein Zwillingssternsystem namens „The Flame System“ und besteht aus fünf Planeten, die um den kleineren der beiden Sterne kreisen. Des Weiteren gibt es vier Monde um den Planeten „Steel“ und die „Splinter Moons“, auf denen sich die Piraten verkriechen. Die Erinnerung an die ersten Siedler von der alten Erde ist vage, lückenhaft und von geringem Interesse für die Bewohner der „Flame Worlds“. Die Bevölkerung der Planeten besteht aus genetisch veränderten Menschen, Tieren, die ebenfalls durch genetische Modifikation vermenschlicht wurden („Uplifts“) und Künstlichen Intelligenzen („Puppets“).
Parallel dazu existiert eine nicht-physische Welt namens Elysium, in der die Numina leben. Die Numina träumen sich in ein Lebewesen der Flame World und erleben, ohne dessen Wissen, alles mit, was der „Host“ erlebt. Das dient ihrer Erholung und ihrem Vergnügen, soll aber auch böse Einflüsse fernhalten, indem Gelüsten wie Gier und Neid in der materiellen Welt nachgegangen werden kann, wodurch Elysium davon befreit bleibt. Einige werden süchtig, übertreiben es und gefährden bzw. destabilisieren die Flame World – die „Shadows“. Der Envoy, eine Art Führer für die Numina in der materiellen Welt, ist dafür verantwortlich, die Flame World zu sichern und das Träumen zu gewährleisten. Hierfür bedient er sich der „Exiles“, deren Rollen die Spieler übernehmen. Die Exiles sind Numina, die ein Verbrechen in Elysium begangen haben und dafür in die Flame World verbannt wurden – gefangen in Hosts. Der Ausweg aus dem Gefängnis ist die Jagd auf Shadows. Um befreit zu werden, muss ein Shadow eine starke Stresssituation erfahren, die direkt mit seinem Host zusammenhängt. Ein gewalttätiger Host muss vielleicht getötet werden, bei einem Mechaniker muss eventuell die Maschine zerstört werden, die er so obsessiv gebaut hat.
Die Spielwelt ist vielfältig und umfangreich beschrieben. Es gibt flüssige Atmosphären, Null-Schwerkraft-Gebiete, kleine, große, kalte und heiße Orte. Jeder Planet hat eine eigene Geschichte, Flora, Fauna sowie technologische Besonderheiten und besondere zivile Begebenheiten. Das politische Gesamtgefüge wird genauso beschrieben, wie dessen Zusammensetzung. So gibt es einzelne Regierungen, die sich übergreifend von einer Institution namens „Fire Council“ vertreten lassen, deren Hauptsitz die Raumstation „Ember“ ist. Auch die militärischen Kräfte sowie die technologischen Errungenschaften sind aufgerührt, differenziert und erklärt. Alles in allem nimmt die Spielweltbeschreibung den größten Teil des Regelwerkes ein und liefert genügen Material, um die Welt lebendig und vielgestaltig wahrnehmen und bespielen zu können.
Negativ fällt auf, dass durch die Beschreibung vieler einzelner Aspekte, der große Zusammenhang verloren geht. Während der Lektüre verliert man sich zunehmend in Details und an einigen Stellen fehlt Crunch, um die Beschreibung im Spielverlauf gut umsetzen zu können. Hier ist ein erfahrener Spielleiter gefragt. Außerdem muss man feststellen, dass während einige Informationen oft wiederholt werden, es an anderen Stellen nur wenige gibt. Ein Beispiel dafür ist das Fehlen von Städtenamen auf einigen Planeten.
Die Regeln
Die Regeln basieren auf dem Open D6 System von West End Games. Früh im Regelwerk wird darauf hingewiesen, dass ein höherer Detailgrad der Spielmechanik erreicht würde, wenn man sich das Open D6 Space-Regelwerk ansähe. Das ist verwirrend und die 145 zusätzlichen Seiten sind, auch wenn sie gratis sind, nicht unbedingt hilfreich.
Es fällt schnell auf, dass die Anordnung der Regelerklärungen nicht ganz durchdacht ist. Viel zu oft finden sich Verweise auf spätere Stellen, alle ohne genaue Seitenangaben, und insgesamt wirkt vieles recht vage. Die Empfehlung, nur zu würfeln, wenn Erfolg und Misserfolg des Wurfes eine signifikante Änderung der Situation bewirken, was auf einen eher erzählorientierten Stil hinweist, hilft sicherlich dem einen oder anderen Spieler. Dafür spricht auch, dass Zeit sehr variabel gehandhabt wird.
Zum Spielen benötigt man lediglich sechsseitige Würfel, davon am besten einen in einer anderen Farbe. Alle Proben werden mit diesen gewürfelt. Der andersfarbige oder separat gewürfelte Würfel ist ein so genannter „Wild Dice“, der bei einer Sechs weiter gewürfelt werden darf. Alle Augen werden zusammengerechnet und mit den „Pips“, den feststehenden Werten des Attributes oder der Fähigkeit addiert. Daraus ergibt sich das Würfelergebnis, das mit dem Schwellenwert verglichen wird. Dieser liegt zwischen fünf (sehr leicht) und 30 (sehr schwer).
Es gibt zwei Arten von Würfelwürfen: „Standard Tasks“ sind Handlungen, die gegen Dinge gerichtet sind oder bei denen keine Gegenwehr zu erwarten ist. Ein Schloss knacken oder einen unaufmerksamen Gegner überraschend mit dem Knüppel K.O. schlagen können hier als Beispiele dienen. Der Spieler beschreibt dabei seine Absicht und der Spielleiter legt dafür eine Schwierigkeit zwischen sehr leicht und sehr schwer fest. Außerdem werden die Konsequenzen für einen Misserfolg benannt. Möchte der Spieler dann trotzdem handeln, wird gewürfelt.
Ein Beispiel: Der Straßenjunge möchte eine schlafende Wache bestehlen und der Spieler beschreibt, wie er hinschleichen und den Schlüssel aus der Tasche fischen möchte. Dafür verlangt der Spielleiter Proben auf „Stealth“ und „Pickpockets“ und teilt dem Spieler mit, dass bei einem Scheitern, die Wache geweckt wird und Alarm schlägt. Das Hinschleichen ist sehr einfach, weil die Wache schläft, womit der Mindestwurf bei fünf liegt. Da der Straßenjunge auf seinem Charakterblatt einen Stealth-Wert von drei Würfeln und zwei Pips hat, schafft er diese Probe in jedem Fall, weswegen auf den Wurf verzichtet wird. Der Schlüssel ist aber schwer und klimpert, außerdem ist er an dem Gürtel der Wache befestigt. Der Mindestwurf hierfür wird mit 25 als schwere Probe festgelegt. Der Spieler stimmt zu und würfelt. Für die Pickpockets-Probe hat er fünf Würfel zur Verfügung. Er würfelt insgesamt 21 Augen, wobei der Wild Dice eine Sechs zeigt und noch einmal gewürfelt werden darf. Beim zweiten Wurf zeigt er eine fünf. Insgesamt erreicht der Straßenjunge damit eine 26 und der Spieler darf nun beschreiben, wie sein Charakter das Kunststück fertigbringt, den Schlüssel zu entwenden. Wäre der Straßenjunge gescheitert, hätte der Spielleiter die negativen Konsequenzen geschildert.
„Resisted Tasks“ funktionieren prinzipiell genauso wie Standard Tasks und kommen immer dann zum Einsatz, wenn zwei gegensätzliche Aktionen stattfinden. Das kann eine Diskussion sein, ein Angriff, oder auch ein Wettbewerb im Kampftrinken. Der Schwierigkeitsgrad der Probe hängt hier vom Wurf des Verteidigers oder der „Static Defense“ ab, die während der Charaktererstellung berechnet wird.
Das Regelwerk befasst sich auch mit Mehrfachaktionen, verschiedenen Schwerkraft- und Atmosphärenzuständen, sowie Heilung und Fahrzeugherstellung. Sogar Größenunterschiede werden behandelt. So erhalten größere Wesen und Objekte einen Bonus auf ihren verursachten Schaden und ihre Widerstandskraft, wohingegen kleinere Ziele ihre Gegner besser treffen und ihnen leichter ausweichen können.
Das Belohnungssystem läuft über „Characterpoints“, von denen pro Auftrag drei bis sieben erhalten und die zur Weiterentwicklung des Charakters ausgegeben werden können. Zusätzlich verteilt der Envoy manchmal schwarze Pillen, die einen Punkt auf der „Dislocation Scale“ wiederherstellen, die ein Indikator für die Verbindung zwischen Numina und Host ist. Sollte diese Skala null erreichen, bedeutet das den Tod für den Numina. Eine besondere Belohnung sind die langsam zurückkehrenden Erinnerungen an Elysium. Das große Ziel, die Senkung der „Guilt Scale“ und damit der Weg zurück in die Heimat, erreicht man darüber, dass man einen anderen Numina in seinen Körper einlädt. Das kann die Dislocation Scale senken und den Tod des Charakters herbeiführen, aber auch die Schuld verringert sich. Kein Sieg ohne Risiko...
Charaktererschaffung
Charaktere werden in sechs Schritten erstellt, eine Zufallserstellung durch Würfeln gibt es nicht. Man beginnt mit einem grundsätzlichen Charakterkonzept inklusive Namen, Vorlieben und Vergangenheit. Daraufhin werden die vier Attribute („Might“, „Agility“, „Wit“ und „Charm“) mit einem Wert von einem bis fünf Würfeln versehen. Die Würfel werden im Folgenden mit „D“ für „Dice“ abgekürzt. Insgesamt stehen dafür zehn Würfel zur Verfügung. Wie oben beschrieben, können auch Werte mit Pips gewählt werden, wobei ein Würfel drei Pips ergibt. Uplifts können, durch ihre besonderen physischen oder mentalen Eigenschaften, andere Limits für gewisse Attribute haben. Ein Jakkar zum Beispiel hat einen Might-Wert zwischen 4D und 7D, kann aber maximal eine Agility von 3D+2 erhalten.
Im dritten Schritt verteilt man die „Skills“ auf die gleiche Weise, wofür man 7D zur Verfügung hat und maximal 2D auf einen Skill verteilt werden dürfen. Das wirkt anfangs viel, doch wird der 7D-Pool auch für Spezialisierungen und „Perks“ verwendet. Für Spezialisierungen darf man 1D gegen drei Spezialisierungswürfel tauschen. Diese zählen nicht zu den maximalen 2D pro Skill. Die Spezialisierungen können nicht für Kampftalente gewählt werden und wie spezifisch sie sein müssen, ist nur grob beschrieben. Perks sind Vorteile, die ein bis zwei Würfel kosten und dem Charakter ein besonderes Gedächtnis oder ein Quäntchen Glück bescheren. Im Gegensatz zu den Perks sind die „Complications“ gratis, bringen aber signifikante Nachteile. Als Gegenstück zu den Perks stammt das Alter Ego dann vielleicht aus der Unterschicht oder folgt einem „Personal Code“. Abgesehen davon, dass es den Charakter lebendiger erscheinen lässt, wenn er Fehler hat, erhält man für jedes Mal, wenn der Nachteil zum Tragen kommt, einen Character Point. Zuletzt werden in diesem Schritt statische Werte errechnet: „Block“, „Dodge“, „Parry“ und „Soak“. Soak wird später noch einmal überarbeitet, weil der Panzerungswert dazugerechnet wird und die Ausrüstung erst später folgt.
Schritt vier ist interessant, weil man sich bei diesem das erste Mal richtig in die Welt hineinversetzt. Es wird der erste Teil des Verbrechens bestimmt, das einen zum Exile gemacht hat. Dieser Anfang à la „Ich stahl ...“ oder „Ich tötete...“ wird im Laufe der Spielgeschichte zum vollständigen Satz.
Danach befasst man sich mit der Ausrüstung. Die ziemlich frei gehaltenen Richtlinien geben wenig vor. Man wählt also aus, was zum Charakter passt und der Spielleiter absegnet.
Den Abschluss bildet die Bestimmung der Werte für die beiden Scales und die Verbesserung mit „Hacks“ und „Loci“. Hacks sind DNA-Veränderungen, mit denen man Attribute steigern oder Perks erhalten kann. Implantierte Computer, die Loci, verbessern einzelne Skills.
All das trägt man fein säuberlich auf dem durchaus überschaubaren Charakterbogen ein, auf dem es übrigens weder Lebenspunkte noch eine anders geartete Verwundungsskala gibt.
Zwar versteht man das Konzept recht schnell, doch muss man unglaublich viel hin- und herspringen, um selbst einen einfachen Charakter zu erstellen. Puppets und Uplifts sind dann noch einmal eine ganze Ecke komplizierter.
Für einen menschlichen Charakter braucht man zu Beginn also unnötig lange und erlebt ein Déjà-vu, wenn man sich das erste Mal an einer Puppet oder einem Uplift versucht. Über 30 Minuten zu Beginn, für eine wirklich überschaubare Anzahl an Möglichkeiten, können mit etwas Übung und Kenntnis des Systems jedoch auf wenige Minuten gesenkt werden.
Das Powerlevel der Charaktere variiert unglaublich stark. Das liegt zum einen an den unterschiedlichen Voraussetzungen der Völker, vor allem der Uplifts, zum anderen an der völlig frei wählbaren Verteilung von Ausrüstung.
Spielbarkeit aus Spielleitersicht
Als Spielleiter hat man in Exilium viele Freiheiten. Das ist Segen und Fluch zugleich. Ein Segen ist es, weil man die Welt an die Gruppe anpassen und „aus der Hüfte schießen“ kann. Zum Fluch wird es dann, wenn das Regelwerk keine Anhaltspunkte für wichtige Situationen des Spielgeschehens gibt. Tabellen und Werte sind unübersichtlich verteilt und nicht immer vollständig. Anfänger dürften sich hier überfordert fühlen, doch ein erfahrener Spielleiter kann das als reizvoll empfinden und durchaus Spaß daran haben.
Spielbarkeit aus Spielersicht
Die Spieler jeder Runde beschreiben Elysium vor dem ersten Spielabend gemeinsam. Jeder trägt einen Aspekt dazu bei. Dadurch, und durch ihr Verbrechen, gestalten sie einen wichtigen Teil des Spielhintergrundes mit. So sind sie eingebunden und haben einen schnellen Bezug dazu. Die Regeln sind für Spieler leicht umsetzbar und sehr einfach, wodurch auch Spieleinsteiger schnell Freude am System entwickeln. Würfelwürfe sind flott gemacht und verschiedenartig einsetzbar, dabei aber nicht zu häufig. Durch Puppets, Uplifts und vor allem die, zur Eigeninitiative ermutigende, Charaktererstellung, können ganz unterschiedliche Charakterkonzepte verwirklicht werden. Nur die Grundmotivation aller ist immer dieselbe, nämlich der Wunsch nach Elysium zurückzukehren.
Spielbericht
Das System wurde mit einem One-Shot getestet. Die Gruppe bestand aus fünf Charakteren, die jeweils eine Funktion erfüllten. Der kriegerische Jakkar spielte den Kugelfang, ein menschlicher Soldat den Taktiker. Ein Straßenjunge war das soziale Chamäleon und die Pilotin wurde von einem medizinisch gebildeten Roboter unterstützt. Gemeinsam wurde Elysium beschrieben und nach einer kurzen Einführung in die Flame World hatte der Envoy auch schon einen Auftrag parat: Eine Piratengruppe würde von einem Shadow geführt, welcher ausgeschaltet werden sollte. Die Gruppe hat sich sehr schnell eingefühlt. Während der Straßenjunge seine kriminellen Kontakte aktivierte und die anderen sich Karten und Ausrüstung besorgten, waren nur wenige Würfelwürfe nötig. Die Spieler sammelten Informationen, verfolgten Spuren, handelten sich ungewollt Ärger ein und erpressten den Standort der geheimen Basis. Diese Basis infiltrierten sie dann mehr oder weniger geschickt. Wenige tote Feinde später hatten sie den Shadow aufgetan und stellten fest, dass ein Gegner mit viel Soak auch viel Arbeit bedeutet. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten alle am Tisch unglaublich Spaß, viel mehr als erwartet. Durch eine kleine Improvisation konnte die beginnende Frustration, die durch den stark gepanzerten Gegner entstand, aber getilgt werden.
Das Fazit des langen und lustigen Spieltages war einstimmig: Die angenehme und simple Würfelmechanik ist ein großer Pluspunkt für das System. Die Schadensberechnung aber wirkt unausgereift und seltsam. Genauso fehlten den Spielern Kernfähigkeiten, allen voran Wahrnehmung. Besonders die sozialen Möglichkeiten des Spiels wurden aber hervorgetan.
Erscheinungsbild
Das Regelwerk wurde mit der deutlich erkennbaren Intention gestaltet, direkt und klar aufzutreten. Das ist ein Konzept, das durchaus aufgehen kann, in diesem Fall aber schiefgelaufen ist. Über viele Seiten hinweg wird man von Text erschlagen, die wenigen Tabellen sind nur manchmal hilfreich und teilweise sogar verwirrend. Das spärlich gesäte Artwork schwankt zwischen düsterer Science-Fiction und comicartigen Zeichnungen, trägt aber durchaus zur Atmosphäre bei. Auf dem simplen Charakterbogen fehlen Felder für die Verletzungszustände und einiges mehr. Immerhin ist ein Index vorhanden, der erstaunlich durchdacht daherkommt. Auf knapp unter 160 Seiten bekommt man zwar visuell nicht viel geboten, für den geringen Preis sollte man die Latte aber auch nicht zu hoch hängen.
Bonus/Downloadcontent
Ein Verweis auf das Open D6 System im Regelwerk ist vorhanden, insbesondere die D6 Space-Variante (DriveThruRPG) wird zur Erweiterung empfohlen.
Es gibt Charakterbögen zum download (DriveThruRPG) und einen kostenlosen Kurzüberblick für Spieler (DriveThruRPG).
Für je 1.29 USD können bereits drei Missionen im Sandboxstil erworben werden: Ruyang, the Shattered City (DriveThruRPG), HX11, Forward Observation Bunker (DriveThruRPG) und Blue Veil Union (DriveThruRPG).
Fazit
Exilium ist ein kurzes Regelwerk ohne Pomp und Gloria. Weder durch eine exklusive Gestaltung, noch durch extrem detailliert ausgearbeitete Regeln tut es sich hervor. Doch wird eine schöne, abwechslungsreiche Science-Fiction-Spielwelt beschrieben, die in den richtigen Händen begeistern kann. Das Regelsystem hat zwar seine Lücken, lässt sich aber schnell begreifen und macht gerade durch die Einfachheit unglaublich viel Spaß. Für wenig Geld bekommt man ein Grundlagenwerk, nicht mehr und nicht weniger, das mehr Spaß macht, als man anfangs denkt.
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http://www.teilzeithelden.de/2017/08/19/rezension-clockwork-and-chivalry-2nd-edition-geschichte-mit-einer-prise-fantasy-cakebread-walton/
Historische Systeme sind euch zu dröge, aber von Fantasy habt ihr auch die Nase voll? Ihr interessiert euch für Steampunk, möchtet aber auch mächtige Zauber wirken und Drachen bekämpfen können? Dann stattet doch den britischen Inseln von Clockwork and Chivalry einen Besuch ab!
Clockwork and Chivalry versucht zu vereinen, was dem passionierten Rollenspieler zunächst als Widerspruch erscheint: ein historisches Szenario und Magie sowie andere Fantasy-Elemente. Na, seid ihr interessiert? Dann kommt mit auf eine Reise ins England des 16. Jahrhunderts, wo sich Parlamentarier und Royalisten im erbitterten Bürgerkrieg gegenüberstehen und versuchen, sich gegenseitig mit Magie und modernsten Maschinen aus dem Land zu jagen.
Die Spielwelt
Wer im Geschichtsunterricht aufgepasst hat, weiß unter Umständen, dass England im 16. Jahrhundert vor allem durch einen Bürgerkrieg geprägt wurde. Gegenüber standen sich die Armeen und Verfechter der englischen Monarchie unter König Charles I. und die Unterstützer des Parlamentarismus um Sir Oliver Cromwell. König Charles I. war der festen Überzeugung, dass die königliche Macht gottgegeben wäre und diese Macht wollte er unter keinen Umständen teilen. Als er dann eine französische Prinzessin heiratete, die obendrein noch katholisch war, fühlten sich die größtenteils anglikanischen Bürger Englands verraten und versammelten sich zum Widerstand. Auch das britische Parlament fühlte sich betrogen und jagte den König kurzerhand aus London. Der König floh gen Norden, und erklärte den Abtrünnigen am 22. August 1642 den Krieg. Dieser beginnende Bürgerkrieg liefert das Grundsetting für Clockwork and Chivalry.
Als Spieler nimmt uns Clockwork and Chivalry mit in diese spannende Zeit englischer Geschichte und lässt uns auf Seiten der Royalisten, der Parlamentarier oder irgendwo dazwischen an den Geschehnissen des Bürgerkriegs teilhaben. Das System orientiert sich hier im Großen und Ganzen an den historischen Ereignissen, was die Recherche vereinfacht. Gleichzeitig bietet das Grundregelwerk einen sehr gelungenen Abriss der Geschehnisse und man fühlt sich als Leser direkt hineingezogen in den englischen Bürgerkrieg. Dabei schafft es das Regelwerk, alle wichtigen historischen Fakten zu liefern, ohne einem Geschichtsvortrag zu gleichen.
Doch wie schon vorher erwähnt, würzt Clockwork and Chivalry die historischen Geschehnisse mit einer gehörigen Prise Fantasy. Sowohl die Royalisten als auch die Parlamentarier entwickelten neue Waffen, um im Krieg die Oberhand zu gewinnen. Königstreue Alchimisten gründeten die Unsichtbare Universität und vertieften sich in ihre Forschungen. Mit der Erschaffung eines sogenannten „Steins der Weisen“ war es den Alchimisten möglich, potente magische Tränke zu brauen und sogar Magie selbst zu wirken. So entstanden in den Reihen der Armee der Royalisten Kampfalchemisten, welche den Armeen der Parlamentarier mit ihren neuen Fähigkeiten zusetzen konnten.
Auf der anderen Seite zogen sich die Parlamentarier in Werkstätten zurück, um ihrerseits neues Kriegsgerät zu entwickeln. Mithilfe von Zahnrädern und einem neu entwickelten Uhrwerkantrieb, entwarfen die parlamentarischen Ingenieure verschiedene Kampfmaschinen: vom stählernen Pferd bis hin zu großen Landschiffen, die frappierende Ähnlichkeit zu frühen Panzerfahrzeugen aufweisen.
Neben Alchemie und modernen Fahrzeugen, bringt Clockwork and Chivalry zusätzlich noch mystische Wesen wie Drachen und Hexen in das Setting. Diese nahezu perfekte Mischung zwischen Geschichte und Fantasy führt dazu, dass jede Spielgruppe selbst entscheiden kann, wo sie ihren Fokus setzen will. Soll es eher historisch sein? Dann werft euch ins Chaos des Bürgerkriegs. Mehr Fantasy gefällig? Warum dann nicht mit Alchemisten auf Drachenjagd gehen? So ist die Welt von Clockwork and Chivalry extrem variantenreich und bietet sehr viel Potenzial für interessante Abenteuer.
Schön ist außerdem, dass man als Spielleiter schon viele Hintergrundinformationen im Basisregelwerk serviert bekommt. Neben allen wichtigen Akteuren des Bürgerkrieges, findet man im Buch eine knackige Beschreibung der einzelnen englischen Provinzen und Zusatzinformationen zu Schottland und Irland. Nur das Bestiarium hätte etwas umfangreicher ausfallen können.
Die Regeln
Das Regelwerk hinter Clockwork and Chivalry basiert auf dem sogenannten „Renaissance System“, einer Weiterentwicklung des Runequest-Regelwerks. Das System basiert auf einem W100 Würfelwurf und ist durch seine einfache Struktur sehr übersichtlich und gut für Einsteiger geeignet. Die Fähigkeiten eines Charakters werden in Basisfähigkeiten, also Fähigkeiten, die man als Mensch mit normalen Fähigkeiten können sollte (z.B. Ausweichen, Schießen, Erste Hilfe etc.), und in fortgeschrittene Fähigkeiten, also Wissen oder Fertigkeiten, die man als Mensch in einem Beruf oder Ähnlichem erlernt (z.B. Alchemie, Medizin, Ingenieurswesen o.Ä.) eingeteilt. Jede der Basisfähigkeiten hat einen Grundwert, der sich aus den Attributen (Stärke, Konstitution, Geschicklichkeit, Größe, Intelligenz, Willenskraft und Charisma) zusammensetzt. Zum Beispiel ist der Grundwert im Ausweichen der doppelte Geschicklichkeitswert und der Grundwert im Schießen setzt sich aus Intelligenz und Geschicklichkeit zusammen. So wird jeder Fertigkeit ein Wert zwischen 0 und 100 zugeordnet. Bei einer Probe gilt es dann, diesen Wert mit einem W100 zu unterschreiten, um die Probe zu bestehen. Zusätzlich kann der Spielleiter Proben erschweren oder erleichtern, sobald z.B. besondere Umwelteinflüsse (starker Wind, eingeschränkte Sicht o.Ä.) die Probe beeinflussen. Auf diesem Prinzip basieren im Endeffekt alle Proben, die in Clockwork and Chivalry durchgeführt werden.
Eine Besonderheit stellen die Regeln für Magie und das Planen und Bauen von Maschinerie dar.
Magie existiert in zwei verschiedenen Ausprägungen: der eher wilden Hexerei und der eher wissenschaftlichen Ausprägung der Alchemie. Beide Ausprägungen ermöglichen es einem Helden, potente Tränke zu brauen und Magie zu wirken. Allerdings unterscheiden sich die Ausprägungen im Detail sehr stark. Alchemisten müssen zunächst einen „Stein der Weisen“ erschaffen, um Magie wirken zu können. Je mehr Energie und Zeit in diesen Stein investiert wird, desto mächtigere Zauber kann der Alchemist später wirken. Eine Probe auf „Elemente formen“ zeigt dann an, ob der Zauber geglückt ist oder nicht. Die Konsequenzen eines Misserfolgs (entweder beim Erstellen des Steins oder beim Wirken des Zaubers) sind teilweise gewaltig. Sollte eine der Probe misslingen, würfelt der jeweilige Spieler auf einer Patzertabelle und unter Umständen jagt der Spieler sich und seine gesamte Gruppe in die Luft. Mit Alchemie sollte man eben nicht leichtfertig umgehen.
Hexen haben es da etwas einfacher. Sie verzichten komplett auf die Verwendung eines „Stein der Weisen“ und müssen sich lediglich darum kümmern, dass passende Zutaten zu den magischen Ritualen vorhanden sind. Beide Ausprägungen der Magie bieten jeweils eine eigene Liste an Zaubern, die sich erlernen lassen.
Der Bau von Maschinen ist etwas komplizierter und aufwendiger. Erfinder können entweder mithilfe einer Blaupause versuchen, etwas zu bauen oder sich eigene Designs ausdenken. Haben sie endlich eine Blaupause, so müssen erstmal die entsprechenden finanziellen Mittel aufgetrieben werden, bevor die Maschine konstruiert werden kann. Leider ist dieser Prozess nicht nur in der Spielwelt sehr zeitaufwendig. Vor allem sobald der Erfinder eigene Designs entwickeln will, muss der Spielleiter viel improvisieren und der Held wird im Spiel wahrscheinlich mehrere Wochen nicht mehr aus seiner Werkstatt herauskommen. Dies kann zwar auch ein interessanter Aufhänger für Abenteuer sein (z.B.: Ein reicher Mäzen will dem Erfinder eine große Summe zugänglich machen, wenn die Gruppe ihm den lästigen Drachen aus dem Garten schafft.), aber im Spiel erweist sich das Ganze leider als sehr zeitaufwendig und die Regeln als zu starr.
Charaktererschaffung
Die Charaktererschaffung in Clockwork and Chivalry ist - wie der Großteil des übrigen Systems - ebenfalls sehr einfach und einsteigerfreundlich. Nachdem man sich ein ungefähres Bild davon gemacht hat, was man eigentlich erstellen möchte, würfelt man zunächst die Attribute aus. Aus diesen errechnen sich dann weitere abgeleitete Werte wie Lebenspunkte, Schadensbonus etc. sowie die Basisfertigkeiten.
Als nächstes entscheidet man sich für eine soziale Kaste des eigenen Helden. Soll es ein Bettler sein oder doch eher ein aufstrebender Adliger? Vielleicht ein edler Ritter oder doch ein Bauerntölpel? Zur Auswahl stehen insgesamt fünf Kasten, die alle einen unterschiedlichen Bonus auf Grundfertigkeiten bieten und den Zugang zu unterschiedlichen fortgeschrittenen Fähigkeiten ermöglichen. Zusätzlich unterscheiden sich die Klassen im Hinblick auf das Startkapital jedes Spielers und bei den zur Verfügung stehenden Berufen.
Bei den Berufen kann der Spieler zwischen vielen unterschiedlichen Professionen auswählen. Von Alchemisten über einfache Holzarbeiter und Bauern bis hin zu Rittern und Musketieren stehen den Spielern viele Möglichkeiten offen, solange sie die passende soziale Klasse ausgewählt haben. Jeder Beruf bringt wiederrum unterschiedliche Boni in den Fertigkeiten mit sich und bestimmt außerdem die Startausrüstung des jeweiligen Helden.
Zuletzt dürfen sich die Spieler noch einer bestimmten Fraktion anschließen. Neben unterschiedlichen Unterfraktionen der Royalisten und Parlamentariern stehen auch neutrale Gruppierungen zur Verfügung. Hier muss man als Spielleiter etwas vorsichtig sein, da viele der Fraktionen sich feindlich gegenüberstehen und Gruppen aus Parlamentariern und Royalisten unter Umständen sehr schnell auseinanderbrechen können. Zusätzlich bestimmt jeder Spieler die Anzahl der sog. „Rechtschaffenheits-Punkte“. Diese Punkte stellen die Loyalität der Spieler zu einer Organisation dar. Hat ein Held eine hohe Anzahl der Punkte, wird er zum glühenden Fanatiker der Ideologie der Fraktion, während eine geringe Anzahl an Punkten dazu führt, dass der Held öfter an den Idealen seiner Vorgesetzten und Brüdern/Schwestern zweifelt. Die Anzahl an Punkten variiert stetig und sobald die Punkte auf 0 sinken, bricht der Held mit seiner Fraktion. Zusätzlich können die Punkte auch von NPCs oder anderen Spielern beeinflusst werden. Mit einer Probe auf diese „Rechtschaffenheits-Punkte“ können andere Spieler per Würfelwurf von ihren Idealen abgebracht werden und sogar den Bezug zu ihrer Fraktion verlieren. Aber warum sollte ich meinen Helden plötzlich mit anderen Werten spielen, nur weil jemand gut gegen mich würfelt? Hier haben sich die Autoren leider etwas in den Regeln verloren und man sollte sich gut mit den einzelnen Spielern abstimmen, ob man diese Regeln nutzen will oder nicht.
Erscheinungsbild
Mit knapp über 400 Seiten ist das Grundregelwerk von Clockwork and Chivalry relativ umfangreich. Das Buch ist komplett in Schwarz-Weiß gedruckt und macht leider einen etwas biederen ersten Eindruck. Die wenigen Illustrationen sind zudem in einem Stil gehalten, der zwar passend zum 16. Jahrhundert Erinnerungen an zeitgenössische Kupferstiche weckt, allerdings dem Vergleich mit modernen vollfarbigen Regelwerken nicht standhält. Viele der Illustrationen kommen einem eher wie Kinderzeichnungen vor und vor allem bei den Waffen kann man teilweise nicht viel erkennen. Das führt dazu, dass der Ersteindruck des Regelwerks leider nicht sehr einladend ist. Im Laden würde man das Buch nach einem ersten Durchblättern wahrscheinlich nicht mit nach Hause nehmen.
Sieht man aber von den Illustrationen ab, ist das Grundregelwerk sehr übersichtlich sortiert und in einer angenehmen Schrift geschrieben. Neben einem übersichtlichen Index stehen dem Spielleiter auch Kurzreferenzseiten zur Verfügung, die das Nachschlagen von Regeln während des Spiels deutlich erleichtern. Außerdem bietet das Grundregelwerk gleich zwei komplette Abenteuer und mehrere Ideen für weitere Abenteuer.
Fazit
Clockwork and Chivalry schafft den schwierigen Spagat zwischen einem unverbrauchten historischen Setting und klassischer Fantasy. Wenn man sich nicht von der etwas biederen Präsentation abschrecken lässt, bekommt man ein vielseitiges und dennoch einfaches Regelsystem und eine spannende Spielwelt, in der man sich sofort zu Hause fühlt. Auch über so manche Regeln, wie z.B. das System zum Bauen von Maschinen oder die Fraktionen, kann man hinwegsehen.
Für rund 80 EUR bekommt man zusätzlich noch mehrere Abenteuer zum sofort Losspielen und Regeln, um das Renaissance System auch selbst für eigene Rollenspiele zu verwenden.
Die Rezension basiert auf einem eigenen Spieltest sowie mehreren erstellten Charakteren.
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Es müssen nicht immer Drachen sein: Mit dem Monsterhandbuch IV bietet Pathfinder erfahrenen Spielleitern sowie Neueinsteigern bereits zum vierten Mal ein umfassendes Begleitwerk, welches das Repertoire an möglichen Begegnungen in verfallenen Ruinen, überwucherten Wildnislandschaften oder auch zwielichtigen Gassen vielfältig erweitert. Hierbei gehören altbekannte Kreaturenklassiker längst der Vergangenheit an.
Bei der Vorbereitung eines Spielabends oder einer kompletten Kampagne bedürfen nicht nur der Handlungsverlauf sowie eine eventuelle finale Begegnung mit dem Antagonisten Berücksichtigung – es sind vor allem die stimmig ausgewählten Kreaturen, die dem aktuellen Szenario ein besonderes Flair verleihen. Solche finden sich auf den Seiten der Pathfinder Monsterhandbücher I bis IV, die Spielleitern in gut sortierter Manier eine Spielhilfe an die Hand geben, die eine Vielzahl von Kreaturenarten für Kampf, Begegnung oder auch als Idee für Spielercharaktere bereithält.
Inhalt
Seinem Namen macht das Monsterhandbuch IV alle Ehre: Mehr als 300 neue, oftmals sehr exotische Kreaturen werden auf den 320 Seiten des Bandes vorgestellt. Der Fokus liegt auf albtraumhaften Wesen und anderen gruseligen Gestalten, sodass eine Ideenbasis für schaurige Horrorszenarien als Alternative oder Ergänzung zu konventionellen Abenteuersituationen gegeben ist – eine Richtung, die mit dem im März 2017 erfolgreich abgeschlossenen Crowdfunding-Projekt Pathfinder: Was ewig liegt einen eigenen Abenteuerpfad erhält.
Der inhaltliche Aufbau des Monsterhandbuchs IV ist dem Kenner bereits aus den vorigen Handbüchern bekannt. Doch auch für denjenigen, der das Nachschlagewerk zum ersten Mal in Händen hält, gestaltet sich der Umgang mit diesem fast schon intuitiv. Der Grundaufbau des Buches ist klar gegliedert und die Informationen bauen in Einleitung, Hauptteil mit vorgestellten Monstern und Anhang aufeinander auf. Die Einleitung gibt im ersten Schritt vor, welche Regelwerke für die uneingeschränkte Nutzung der Inhalte noch benötigt werden – mithin das Pathfinder Grundregelwerk und die Pathfinder Ausbauregeln V: Legenden. Es schließt sich eine Leseanleitung an, die ein schnelles Verständnis und eine leichte Handhabung des Buches ermöglicht.
Mithilfe von drei kleinen Motiven beispielsweise kann der erfahrene Spielleiter auch ohne großes Einlesen eine grobe Charakterisierung des jeweiligen Monsters vornehmen. Die Motive geben Aufschluss über drei relevante Informationen – Art des Wesens („Kreaturenart“), Gebiete, in welchen das Wesen anzutreffen ist („Geländeart“), und beheimatete Klimazonen („Klima“). Auf diese Weise lassen sich auch spontan Geschöpfe in selbst erarbeitete sowie vorgegebene Abenteuer einbauen. Vorteil ist hierbei, dass keine langwierige Unterbrechung des Spielflusses notwendig ist. Somit sehen sich Spielleiter wie auch Spieler einem allgemein bekannten Problem in der Aufrechterhaltung der Spielatmosphäre weniger gegenübergestellt.
Alle Begrifflichkeiten, die zum Auslesen der Kreaturensteckbriefe benötigt werden, erfahren an nachfolgender Stelle eine Kurzdefinition. Vor allem der Herausforderungsgrad (HG) eines Monsters gibt schnell Aufschluss darüber, wie leicht oder schwer die kämpferische Auseinandersetzung ausfällt; ein hoher Wert indiziert ein entsprechend starkes Monster. Für jedes von ihnen sind Erfahrungspunkte (EP) festgelegt, die bei einer erfolgreichen Begegnung seitens der Spielleitung vergeben werden können. Viele der übrigen spieltechnischen Werte und Informationen – so beispielsweise Volk, Klasse, Stufe, Gesinnung, Trefferpunkte, Rettungswürfe, Bewegungsrate etc. – sind bereits aus der Spielercharaktererstellung beziehungsweise dem Charakterbogen bekannt. Hinzu kommen Kategorien wie Schwächen der Kreatur, besondere Eigenschaften und Schätze. Letztere Position gibt Anhaltspunkte hinsichtlich eventueller, primär materieller Belohnungen, die mit dem Erschlagen des Monsters von der Gruppe aufgefunden werden können. Diese können durchaus angepasst werden – etwa durch die in Anhang 14 behandelte Tabelle „Verbesserte Belohnungen“.
Der Mittelteil des Buches erinnert an ein Lexikon, fast schon an ein Nachschlagewerk aus der vereinfachten Biologie: In alphabetischer Reihenfolge reihen sich Monster verschiedener Gattung und Herkunft aneinander. Jedes von Ihnen wird über den Verlauf von einer Buchseite, selten zwei, dargestellt, sodass alle wichtigen Informationen ähnlich eines Charakterblattes mit dem Aufschlagen weniger Seiten vorliegen. Der Aufbau ist immer gleich, sodass eine
Orientierung innerhalb des jeweiligen Steckbriefes auch dann gegeben ist, wenn diese spezielle Kreatur erstmalig zur Anwendung gelangt.
Ein kleiner Text, zumeist ein Satz, der einem Zitat nicht unähnlich ist, leitet die jeweilige Kreatur ein und gibt die Richtung vor, in welche sich der erste Eindruck bei Sichtung beziehungsweise Begegnung entwickelt. Anschließend folgen in tabellarischer Form die spielrelevanten Werte (Herausforderungsgrad, Besonderheiten, Verteidigung, Angriff, Spielwerte wie Talente, Fertigkeiten, Modifikation und besondere Fähigkeiten). Auch ein Kurzeinblick in die Lebensweise des Geschöpfes wird hier angeboten und gibt unter anderem darüber Aufschluss, ob ein Monster alleine auftritt oder in Gruppen.
Der Steckbrief schließt mit einem Beschreibungstext, der über Ersteindrücke und nackte Werte hinausgehend eine Definition der Kreatur vornimmt. Da die Länge sich zumeist auf einige kurze Absätze beschränkt, können diese – modifiziert oder unangetastet – durchaus im Spiel als Informationen angeboten oder gar vorgelesen werden.
Neben den individuellen Kreaturen werden auch unterschiedliche Monstervarianten – so zum Beispiel die ektoplasmische Kreatur (Seite 66), die mumifizierte Kreatur (Seite 188) oder die von Sporen besetzte und beeinflusste Pilzkreatur (Seite 202) – vorgestellt. Hierbei handelt es sich um Standardkreaturen, die aufgrund eines äußeren Einflusses (Ektoplasma- oder Pilzbefall, Mumifizierungsprozess) veränderter Natur sind. Die Modifikationen sind einfach schablonenartig auf die jeweiligen Kreaturen anwendbar.
Der Anhang beinhaltet im ersten Abschnitt die Informationen, die zur Erschaffung eigener Monster benötigt werden. Hierfür wird das Monsterhandbuch I gebraucht. Es schließen sich ergänzende Regeln zur Verbesserung von Kreaturen an, die aufgrund der Nutzung von Schablonen einfach erlern- und anwendbar sind. Ein Glossar gibt darüber hinaus Aufschluss über alle spieltechnischen Werte, Regeln und Fähigkeiten. Diese sind nämlich nicht in den eigentlichen Steckbriefen erklärt, sondern an dieser Stelle zusammengefasst. Das Monsterhandbuch IV führt auch Regelgrundlagen aus anderen Regel- und Nachlagewerken, beispielsweise aus den Ausbauregeln V: Legenden, auf. Der Vorteil hieran ist, dass ohne die Hinzuziehung des Buches ein Verständnis des jeweiligen Aspektes gegeben ist. Für Leser allerdings, die sich sicher innerhalb des Regelkontextes bewegen, könnten die zusammenfassenden Wiederholungen durchaus störend sein – dies vor allem, da man sich von dem Erwerb ergänzender Nachschlagewerke einen Zugewinn erhofft. Die Kreaturenarten und -unterarten, die zu Beginn des Buches kurze Erwähnung finden, sind innerhalb des Glossars tiefergehend erklärt.
Der vierte Abschnitt des Anhanges – Monster als SC – beinhaltet einzig einen Verweis auf das Pathfinder Monsterhandbuch I und klammert die regeltechnische Verwendung eines der vorgestellten Monster als Spielercharakter komplett aus dem Band aus. Eleganter ist dies im sechsten Abschnitt – Monster als Gefolgsleute – gelöst: Hier ist eine Erklärung, unter welchen Voraussetzungen und wie Monster als Gefolgsleute genutzt werden können, zu finden. Für weitergehende Informationen hierzu wird ergänzend, nicht aber ausschließlich, auf das Pathfinder Monsterhandbuch I hingewiesen. Die Verwendung von ausgewählten Monstern als Tiergefährten ist, bezogen auf die in diesem Band vorgestellten Monster, allumfassend in dem Monsterhandbuch IV erläutert.
Überdies lassen sich im finalen Abschnitt des Buches eine Auflistung der Monstertalente finden, die in Teilen auch für Spielercharaktere nutzbar sind, sowie Auflistungen der Monster nach Art, Herausforderungsgrad, dem entsprechenden Gelände, in welchem die jeweilige Kreatur beheimatet ist und der Monsterrolle, welche Aufschluss über die Charakterklasse des Geschöpfes gibt. Dies ermöglicht beispielsweise, im Rahmen einer improvisierten Spielsituation zeitnah atmosphärisch die richtigen Begegnungen für die jeweilige Szene zu identifizieren und einzusetzen. Auch die legendären Kreaturen werden, alphabetisch und nach Legendengrad aufgelistet, auf einem Blick zusammengefasst.
Zudem sind an dieser Stelle die Monstervarianten, die eine modifizierte Version einer Kreatur darstellen, und eine Kurzerklärung der Monsterfähigkeiten zur besseren Orientierung innerhalb der verschiedenen Regelwerke aufzufinden.
Das Monsterhandbuch IV richtet sich wie auch seine Vorgänger an den Spielleiter. Es nimmt hierbei in der Planung eines Spielabends viel Arbeit ab, indem durch bequemes Aufschlagen bereits sämtliche, auf ein Monster bezogene Informationen zur Verfügung stehen. Dies reduziert die anzufertigenden Notizen im Vorfeld und stellt sicher, dass keine Unübersichtlichkeit durch ein zu großes Maß von Notiz- und Informationsblättern beim Leiten besteht. Der zu erbringende Rechercheaufwand ist drastisch reduziert und eine einfache Verwendung der zur Verfügung gestellten Informationen ist möglich.
Die Inhalte des Bandes sind insofern nicht spielrelevant, als dass einem erfolgreichen Spielabend beziehungsweise einer gesamten Kampagne auch ohne Verwendung der hier vorgestellten Kreaturen und ergänzenden Regeln nichts im Wege steht. Das Material erweitert die Kreaturenpalette, sorgt für entsprechende Abwechslung und ermöglicht gemeinsam mit den Vorgänger-Bänden für jede Situation und jedes Terrain den Einsatz eines passenden Monsters. Repetitive Begegnungen gehören hiermit der Vergangenheit an. Vor allem für Gruppen, die bereits viel erlebt und gesehen haben, ist das Monsterhandbuch IV deshalb ein Zugewinn.
Erscheinungsbild
Das Monsterhandbuch IV - hier als PDF-Datei vorliegend – stellt sich dem Leser in gewohnter, farbenfroher Pathfinder-Manier dar. Es folgt in seiner äußeren wie inneren Gestaltung den bisherigen Spuren früherer Regelwerke. Auf 320 Seiten stellt es neben einer Vielzahl von Kreaturen wissenswerte Informationen sowie ergänzende Regeln zugänglich zusammen und bedient sich zur Veranschaulichung spieltechnischer Werte tabellarischer Darstellungsformen. Insbesondere innerhalb der Monstersteckbriefe trägt dies zur Übersichtlichkeit bei und verleiht dem Band einen aufgeräumten Eindruck.
Ergänzend zu dem anfänglichen Inhaltsverzeichnis stellen vor allem die in den Anhängen 8 bis 10 enthaltenen Übersichten „Monster nach Art“, „Monster nach HG“, „Monster nach Gelände“ eine praxisorientierte Hilfe für ein vereinfachtes Zurechtfinden innerhalb des Buche dar.
Zur optimalen Veranschaulichung verfügt jede der über 300 vorgestellten Kreaturen, mit Ausnahme der vorgestellten Monstervarianten, über eine Illustration. Schnell entsteht somit ein Eindruck von dem Wesen und auch die Beschreibung kann mithilfe einer solchen Bildvorlage schnell und sicher erfolgen und hat auch beim späteren Aufrufen noch Validität, da die Vorlage unverändert im entsprechenden Steckbrief des jeweiligen Monsters verbleibt. Die Illustrationen sind farbenfroh und vielfältig; verschiedene Stile und Darstellungsweisen machen das Betrachten interessant, sodass keinesfalls ein Eindruck von Monotonie entsteht.
Fazit
Mit dem vierten Band des Monsterhandbuches offeriert Pathfinder vor allem Gruppen, die schon einiges erlebt haben, eine breite Auswahl neuer Kreaturen, erweitert somit das Repertoire für Begegnungen kämpferischer oder freundlicher Art und bietet überdies neue Gefährten oder sogar Spielercharaktere an. Der Schwerpunkt liegt auf albtraumhaften und schaurig anmutenden Kreaturen, womit der Horroraspekt verstärkt Einzug hält und konventionelle Abenteuersituationen ablöst beziehungsweise eine erfrischende Alternative zu diesen darstellt. Der strukturierte Aufbau erinnert an ein Lexikon und ermöglicht aufgrund der Übersichtlichkeit der Kreaturensteckbriefe sowie der im Anhang enthaltenen Indices „Monster nach Art“, „Monster nach HG“, „Monster nach Gelände“ auch unerfahrenen Spielleitern eine zügige Orientierung innerhalb des Bandes. Die farbenfrohen Illustrationen vermitteln eine Impression der Kreaturen und werten überdies die übersichtlich verpackten, spielrelevanten Werte optisch auf.
Mit EUR 39,95 für die Hardcover-Variante des Monsterhandbuches IV ist dieses für begeisterte Pathfinder-Spieler, die den Horizont ihrer Spielwelt und ihre Sammlung erweitern wollen, durchaus eine attraktive und lohnenswerte Investition. Für Neulinge innerhalb des Pathfinder-Universums ist dieser Band aufgrund des speziellen Fokus kein Muss; eine Investition in die früheren Monsterhandbücher, vor allem in das Monsterhandbuch I, ist aufgrund der hierin enthaltenen grundlegenden Regeln sowie der Monsterklassiker fruchtbarer.
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Revolutionäre und Ränkeschmiede, Freiheit oder Knechtschaft – die erste groß angelegte Kampagne aus der eigenen Feder von Georg Pils und Michael Prammer widmet sich den ganz großen politischen Themen. Ein Hauch von Vormärz-Geschichte und hohe kreative Anforderungen machen diese Kampagne zu einer Perle. Was ist mächtiger: die Feder oder das Schwert?
Nachdem die erste lange Kampagne Dracolith als Fanprojekt von den Finsterland-Machern übernommen wurde, bringt das Team um Georg Pils nun eine Kampagne aus eigener Feder auf den Markt. In Zeiten von „fake news“ und „Lügenpresse“, in denen das gedruckte Wort einerseits an Glaubwürdigkeit verliert, andererseits wie nie zuvor in rasantem Tempo zur Meinungsbildung beiträgt, entführt Freiheit für Schwarzenbrück in eine dem Vormärz (1815-1848) ähnliche Ära, in welcher die Presse einerseits ihr Selbstbewusstsein ausbildete, andererseits mit staatlicher Zensur zu kämpfen hatte. An der Seite des mutigen Zeitungsverlegers Erich Dwořak versuchen die Helden, der strategisch wichtigen Stadt Schwarzenbrück zu Freiheit und Frieden zu verhelfen. Aber Vorsicht: Kaum jemand ist hier der, der er zu sein vorgibt!
Inhalt
Insgesamt ist die Kampagne in fünf Bände unterteilt, von denen bisher nur der erste als Digitalversion erschienen ist. Der vorliegende erste Band beinhaltet auf 90 Seiten die ausführlichen Informationen zu Schwarzenbrück und Umgebung, sowie zwölf kleinere Geschichten, welche als Aufhänger oder zur Auflockerung zwischen den Abenteuern genutzt werden können. Abgeschlossen wird der Band durch die einleitende Geschichte zu den folgenden Abenteuern. In den weiteren vier Bänden werden jeweils drei Abenteuergeschichten vorgestellt, welche lose zusammenhängen und beliebig miteinander kombiniert werden können. Allerdings sollten laut Empfehlung nicht mehr als drei der Geschichten parallel gespielt werden.
Da nur der erste Band erschienen ist, lässt sich zu der logisch aufgebauten Abfolge der Ereignisse keine Aussage treffen. Dadurch, dass die zwölf kleineren Geschichten bereits viel Raum im ersten Band einnehmen, ist wenig wirklich kampagnenrelevantes Spiel zu finden Bei einer regelmäßig spielenden Gruppe müsste also unbedingt das Erscheinen des zweiten Bandes abgewartet werden, bevor mit der Kampagne begonnen wird, um Stagnation zu vermeiden. Die sehr ausführlichen Informationen zu Schwarzenbrück nehmen ebenfalls vergleichsweise viel Raum ein. Damit erscheint der erste Band weniger als ein Auftaktband zu einer Kampagne denn als Materialienband zur Hintergrundwelt.
Die Ankündigungen über den Verlauf der Kampagne setzen ein hohes Niveau an, was die Komplexität des Plots und die Anforderungen an die Spieler betrifft. Ob dieses hohe Niveau in den eigentlichen Abenteuern durchgehalten wird, bleibt mit Spannung abzuwarten.
Für Spieler: die Macht des Wortes
Wer gerne subtil agiert, Geheimnisse aufdeckt und überdies noch eine kreative Ader beim Schreiben besitzt, für den ist Freiheit für Schwarzenbrück eine wunderbare Spielwiese. Detektive und Journalisten als Charakterkonzept kommen sehr auf ihre Kosten. Sobald die Helden in die Dienste Erich Dwořaks getreten sind, sind sie beauftragt, für seine Zeitung (in einem sinnigen Wortspiel „Schwarzbrücker Freiheit“ genannt) Geschichten aufzuspüren, welche dann veröffentlicht werden. Wenn die Spieler daran Spaß haben, dürfen sie diese Artikel selbst im Detail verfassen, aber auch nur auf ihre Erfolge würfeln und den Tenor nebst dem Inhalt des Artikels festlegen. Das ist eine wirklich schöne Idee, andererseits steht und fällt die gesamte Kampagne auf diese Weise damit, wie gerne sich die Spieler auf die Möglichkeit zur journalistischen Betätigung einlassen, denn die Autoren warnen vor, dass die Reichweite der Zeitung und die Art, wie die Ereignisse im Print vermittelt werden, unmittelbare Auswirkungen auf die Kampagne haben.
Zwar wird in Aussicht gestellt, dass für kämpferisch ausgelegte Charaktere genügend Betätigungsfelder gegeben sein werden, allerdings lässt sich diese Vorhersage bisher nicht bestätigen. Ob die Fans der Steampunk-Elemente Finsterlands ebenfalls auf ihre Kosten kommen werden, ist bisher ebenso wenig absehbar. Die politisch-literarische Ausrichtung der Kampagne und ihre eventuellen weitreichenden Folgen je nach Ausgang mögen nicht jedermanns Fall sein, heben die Kampagne dadurch jedoch reizvoll von vielen bisherigen Abenteuern ab.
Für Spielleiter: kompakte Infos bei engem Korsett
Die beiden großen Kampagnen Dracolith und Freiheit für Schwarzenbrück sind sich in einer Sache recht ähnlich: Dem Spielleiter wird eine Fülle von Hintergrundinformationen zur Verfügung gestellt, auf die er sich berufen kann. Nicht nur die einzelnen Stadtteile und Organisationen von Schwarzenbrück sind in gewohnter Detailtiefe (30 von 88 Seiten) vorhanden, sogar die Druckerei der Zeitung ist mit einem genauen Grundriss versehen. Bei der Beschreibung der einzelnen Stadtviertel wird sinnvoll vom Allgemeinen ins Detail geführt, und die Viertel selbst sind bereits mit wichtigen, ebenfalls detailliert beschriebenen, einflussreichen Nichtspielercharakteren ausgestattet, welche dort Einfluss besitzen und welche in den einzelnen Abschnitten auftauchen können. Somit ist vom Spielleiter wenig Eigenleistung gefordert, was die Ausgestaltung der Spielwelt betrifft. Wer allerdings gerne eine freiere Hand hat, der wird sich von den detaillierten Beschreibungen vielleicht weniger unterstützt als vielmehr bevormundet fühlen.
Die zwölf einführenden Geschichten folgen dem üblichen Aufbau der Finsterland-Abenteuer in der Unterteilung in fünf Szenen. Diese sind jedoch ebenfalls um einiges detailreicher als bisher ausgestaltet und lassen wenig Raum für eigene Ideen.
Insgesamt erkennt man in den detaillierten Beschreibungen der Szenen eine Liebe zur Atmosphäre, die jedoch eher für ein lesendes denn ein spielendes Publikum interessant sein könnte. Dem Spielleiter wird zu stark vorgegeben, wie er Atmosphäre erzeugen könnte und welche Wege die Spieler unbedingt gehen sollten. Rollenspiel-Kampagnen lassen sich jedoch nur selten mit einer romanhaften Stringenz und Detailtiefe vereinbaren, da Spieler immer auch eigene Ideen einbringen. Im Versuch, möglichst viele Alternativen abzudecken, wie Spieler reagieren könnten, werden die Beschreibungen wieder sehr detailliert und lassen zu wenig Raum für das eigene Ermessen des Spielleiters (so wird bei jeder noch so kleinen Alternative genau vorgegeben, wie viele Erfolge von Spielerseite benötigt werden und welche Gegenwürfe Nichtspielercharaktere zu tätigen haben). Als Spielleiter hat man dadurch vielleicht eher das Gefühl, einen Roman nachzuspielen - und die nicht geringe Aufgabe, die Spieler dieses enge Korsett nicht spüren zu lassen.
Ein Spielleiter sollte seine Spieler also gut kennen, um zu wissen, ob sie die geeigneten Kandidaten für diese Kampagne darstellen und gleichzeitig von einer gewissen Charakterwahl von vornherein abraten, um Enttäuschungen zu vermeiden.
Der große Zusammenhang (Spoiler!)
Wie bereits erwähnt kommen in Freiheit für Schwarzenbrück größere politische Zusammenhänge zum Tragen, die jedoch erst einmal aufgedeckt werden müssen. Wer sich als Spieler für die Kampagne interessiert, sollte das Folgende nicht lesen.
[spoiler] Vordergründig haben die von den Spielern aufgedeckten und in der Zeitung veröffentlichten Geschichten nur denselben Schauplatz gemein. Mit jeder weiteren Geschichte zeichnet sich jedoch ein tiefgründigeres Bild für die Spieler ab. Hinter den Vorkommnissen stecken vier Agenten, welche im Auftrag des mächtigen Kurfürstentums Leonid Schwarzenbrück unterwandern sollen, um politische Institutionen auszuschalten und die Stadt unter leonidische Kontrolle zu bringen. Der Grund hierfür: Schwarzenbrück liegt strategisch günstig, um von dort aus das Kurfürstentum Madjas zu erobern, ein etwaiges langfristiges Ziel Leonids im Falle eines weiteren großen Kriegs.
Die Agenten treten dabei in unterschiedlichen Verkleidungen immer wieder in den Abenteuern auf und haben zudem noch ihre ureigensten persönlichen Agenden. Dem Spielleiter stellt sich dabei die Herausforderung, die detailliert beschriebenen unterschiedlichen Rollen einerseits gut darzustellen, andererseits aber auch Hinweise fallen zu lassen, damit die Spieler irgendwann herausfinden, dass es sich stets um einen oder mehrere der vier Agenten handelt. Wie genau die Enttarnung funktionieren kann oder soll, wird in den folgenden Bänden beschrieben werden.
Die Ouvertüre
Die letzten 20 Seiten widmen sich dem Auftaktabenteuer der Kampagne. Die Helden werden unversehens Zeugen, wie ihre spätere Bezugsperson Erich Dwořak „laternisiert“, also an einer Laterne aufgehängt werden soll und müssen sich etwas einfallen lassen, um ihn zu retten. Sobald der Gerettete sie zu sich in seine Druckerei einlädt, bietet sich ihnen dort ein Bild der Verwüstung. Das Ziel des Auftaktabenteuers ist es, die Zeitung wieder in den Umlauf zu bringen. Dazu müssen die beschädigten und gestohlenen Utensilien wiederhergestellt und die versprengten Mitarbeiter wieder gefunden werden, womit sich die weiteren Szenen des Abenteuers beschäftigen. Zu Beginn der folgenden Abenteuer ist die Druckerei einsatzbereit und wartet nur darauf, Dwořaks hehren Zielen zu dienen, Schwarzenbrück von Korruption und Unterwanderung zu befreien. [/spoiler]
Erscheinungsbild
Der erste Band ist bisher nur als PDF auf DriveThruRPG.com zu erwerben, daher lassen sich über die Haptik und den Druck keine Aussagen treffen. Das Cover erinnert im Stil an die übrigen Bände des Systems und fügt sich damit gut ein. Die dargestellte Szene weist mit einem Zeitungsverkäufer auf offener Straße und einem Mob im Hintergrund stimmungsvoll auf den Tenor der Kampagne hin. Ein besonderer Hingucker ist der Rückendeckel des Bandes, gestaltet als Titelseite ebenjener Zeitung, um die die Kampagne kreist.
Das Design im Inneren ist eine Mischform aus ansprechenden Randzeichnungen, detaillierten Personenporträts und stimmungsvollen Kapitelbildern auf der einen Seite und relativ krude anmutenden Grundrisszeichnungen, die Zweckmäßigkeit vor Optik stellen, auf der anderen.
Wenige Flüchtigkeitsfehler fallen störend ins Auge, das Layout orientiert sich gewinnbringend an Kampagnenbänden anderer Systeme.
Bonus/Downloadcontent
Spezieller Bonuscontent zur Kampagne liegt nicht vor, allerdings kann nicht genug auf das umfangreiche Downloadmaterial zu Finsterland allgemein auf der offiziellen Homepage hingewiesen werden. Wie viel die Macher potentiellen Spielern kostenlos zur Verfügung stellen, ist keinesfalls selbstverständlich.
Fazit
Mit der richtigen Spielergruppe, die eine Vorliebe für Revolutionsstimmung, Journalismus und einen hohen Einsatz an Kreativität mitbringt, kann das Spielen dieser Kampagne zu einem denkwürdigen Erlebnis werden. Der Ansatz hebt sich wohltuend von stereotypen Handlungsgeschehen um Dämonen, schwarzmagische Umtriebe und dergleichen ab und erinnert an Intrigen-Abenteuer im Horasreich in DSA. Die Chance, selbst journalistisch tätig zu werden, ist ein innovativer Ansatz, der in dieser intensiven Ausprägung recht selten vorkommt.
Allerdings werden sich Spielleiter mit dem Problem konfrontiert sehen, irgendwie vermitteln zu müssen, wie viel auf dem Spiel steht, damit die Spieler der Zeitung die nötige Aufmerksamkeit schenken, ohne die gesamte Kampagne im Vorhinein schon zu spoilern.
An manchen Stellen will die Vorlage zu viel, ist zu viel in Detailtiefe investiert worden, die die Vorbereitung des Spielleiters eher erschwert als erleichtert. Wenn sogar schon die Warnung seitens der Autoren ausgegeben werden muss, dass Ergänzungen durch Spielleiter zwar möglich sind, aber akribisch auf Vereinbarkeit mit der Vorlage überprüft werden sollten (S. 12), sollte sich eher die Frage gestellt werden, ob seitens der Vorlage nicht weniger Details zum selben Ergebnis führen. Somit ist, wie der Vorgänger Dracolith, auch Freiheit für Schwarzenbrück weniger etwas für Sandbox-Spieler, jene werden aber dafür bei der Fülle an Kurzabenteuern, die Finsterland sonst zu bieten hat, fündig werden.
In jedem Fall macht der Einführungsband Appetit auf die weiteren Bände der Kampagne, die hoffentlich rasch folgen werden.
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Der Dritte Horizont endet nicht an den Docks der Raumstation Coriolis. Vielfältige Sternensysteme und uralte Geheimnisse warten dort auf wagemutige Entdecker und neugierige Forscher. Doch auch gefährliche Gegenspieler und mysteriöse Wesen lauern im Dunkel zwischen den Sternen auf unvorsichtige Raumfahrer...
Im letzten Monat durfte ich euch das neue SciFi-Rollenspiel Coriolis vorstellen. Das Regelwerk ist schon ziemlich dick und umfangreich, aber der Blick auf Details fehlte noch. Das Coriolis Atlas Compendium liefert nun etwas Stoff zu einzelnen Sternensystemen und bisher nur angerissenen Mysterien des Dritten Horizonts. Für alle, die sich nicht die ganze Rezension zum Grundregelwerk durchlesen möchten: Der Dritte Horizont ist eine Ansammlung von Sternensystemen, die durch Sprungportale miteinander verbunden sind – ganz ähnlich wie bei Mass Effect. Das Zentrum dieser Region, die seit einem Krieg von Horizont Eins und Zwei abgeschnitten ist, ist die Raumstation Coriolis. Einst war sie ein gigantisches Kolonieschiff, die Zenith. Vor Jahrhunderten war die Zenith von der Erde gestartet, nur um schließlich Welten vorzufinden, die bereits durch Portalreisende besiedelt worden waren. Die Neuankömmlinge behaupteten sich allerdings selbstbewusst gegenüber den „Firstcome“ und sorgten durch ihren Ehrgeiz für umfassende gesellschaftliche Veränderungen im Dritten Horizont. Handelsnetze und Allianzen entstanden, die für mehr als sechzig Jahre den Frieden garantierten. Doch dieser Frieden ist brüchig und das Coriolis Atlas Compendium führt euch auch an jene Orte, an denen erste Risse zu spüren sind.
Inhalt
Der Band bietet auf gut 60 Seiten Infos zu sechs ausgewählten Sternensystemen im Dritten Horizont. Diese werden auf den ersten 20 Seiten vorgestellt, auf die etwa zehn Seiten folgen, auf denen die Geschichte des Dritten Horizonts ausführlicher beschrieben und ein paar seiner Geheimnisse gelüftet werden. Der Rest des Bandes, also ungefähr die Hälfte, besteht aus Zufallstabellen und detaillierten Regeln zum Reisen im Dritten Horizont.
Die Sternensysteme
Erster Halt: Algol. Das Sternensystem mit den zwei Sonnen ist ein raues Pflaster mit schlechtem Ruf. Wer hier lebt, hat meistens keine andere Wahl. Die meisten Bewohner in diesem System stehen im Dienste des Handelsconsortiums. Die einen schuften in klimatisierten Fabriken, die anderen riskieren im tiefen Dschungel oder in dunklen Minen ihr Leben, um dort für ihre Dienstherren Ressourcen zu fördern. Zerstreuung finden die überarbeiteten Massen in den Vergnügungsvierteln der Städte auf Algol, die dank der zwei Sonnen tatsächlich niemals richtig schlafen. Wer es aber gar nicht mehr erträgt, verlässt das Hamsterrad und schließt sich den Rebellen an, die im Hinterland ihre Freiheit verteidigen.
Mira ist dagegen ein völlig friedliches System. Es wurde durch die Portalkriege, die den Dritten Horizont vom Rest der Menschheit abschotteten, am wenigsten in Mitleidenschaft gezogen. Mira beherbergt noch einige Bauwerke aus der Zeit der ersten Siedler, darunter unzählige alte Tempel zu Ehren der Neun Ikonen, den von den Bewohnern des Dritten Horizonts verehrten Göttern, weswegen das System Pilgern nur so wimmelt.
Fromm sind auch die Bewohner Sadaals, doch tragen diese ihren Glauben wie Schild und Speer vor sich. Von einem selbsternannten Auserwählten der Neun Ikonen geführt, schotten sie sich vom Rest des Dritten Horizonts ab und gewähren nur wenigen Händlern und Reisenden Zutritt zu ihrem System. Die gesellschaftlichen Umwälzungen der letzten Jahrzehnte sind also weitestgehend an ihnen vorbeigegangen und es gibt kaum Zenithianer in diesem System. Sadaal bietet ein schönes Setting für beklemmende Abenteuer in einer restriktiven Diktatur, in der Weltfremdheit auf Paranoia trifft.
Das chaotische Gegenstück zu Sadaal ist Zalos, das ebenfalls von sehr gläubigen Menschen bewohnt wird. Hier haben allerdings strenge Asketen das Sagen, die gnadenlose Fanatiker ungehindert blutige Jagd auf Andersdenkende machen lassen. So verwundert es nicht, dass auf einem der Planeten des Systems ein, bereits Jahre andauernder, Bürgerkrieg zwischen Fanatikern und Abweichlern tobt.
Dabaran hingegen ist ein sicheres System mit eigener Adelskaste, deren Titel, wie so vieles bei Coriolis, Erinnerungen an den Orient wecken. Emire, Paschas, Sultane und so weiter residieren in prächtigen Palästen, von denen aus sie über fruchtbare Landstriche herrschen.
Unsere Rundreise endet schließlich in Odacon, einem völlig gebrochenen System, das sich niemals von den Verwüstungen des Portalkrieges erholt hat. Dennoch locken unerforschte Ruinen und wertvolle Ressourcen immer wieder Abenteurer in das System.
Damit sind die Systeme zwar nur grob umrissen, aber ihr habt einen Eindruck davon bekommen, welche Szenarien in Coriolis möglich sind. Dabei sticht ins Auge, dass auch hier, wie schon im Grundregelwerk, der Fokus auf Wirtschaft und Religion gelegt wurde. Dementsprechend bieten sich Abenteuer im Dienste von Handelshäusern oder religiösen Gruppen an. Theoretisch sind aber zum Beispiel auch klassische Detektivabenteuer denkbar.
Die Mysterien
Im Gegensatz zum Historienkapitel im Hauptregelwerk erfahren wir in diesem Band ganz ausführlich und ungeschönt die wahre Geschichte des Dritten Horizonts. Die spoilerfreie Version der Geschichte des Dritten Horizonts findet ihr in unserem Artikel zum Grundregelwerk.
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Nachdem die Zenith die Erde verlassen hatte, wurden die Sternenportale entdeckt. Zuerst wurden damit die Systeme des Ersten Horizonts kolonisiert und der Zweite Horizont erforscht. In den darauf folgenden Jahrhunderten wurde auch dieser besiedelt und das Imperium des Ersten Horizonts entstand. Es festigte seine Macht in den bekannten Systemen und schließlich wurde auch der Dritte Horizont ansatzweise bevölkert.
Schließlich kam es zum Konflikt zwischen dem Imperium und den freien Reichen des Zweiten Horizonts. Am Rand der Niederlage stehend wandten die Herrscher des Imperiums sich an das Dunkel zwischen den Sternen und schickten sinistre Agenten in den Dritten Horizont, um sich mit dessen Ressourcen den Sieg zu sichern. Für einen Einmarsch war das Imperium jedoch zu geschwächt und eine Art Kalter Krieg waberte für Generationen zwischen den drei Horizonten. Vor etwa 120 Jahren wagte das Imperium jedoch eine Invasion des Dritten Horizonts, dessen Fraktionen sich schließlich dadurch retteten, dass sie die Portale zum Ersten und Zweiten Horizont zerstörten. Dennoch dauerte der Krieg über 20 Jahre und die Schlacht gegen die letzten Truppen des Imperiums, die nun von ihrer Heimat abgeschnitten waren, forderte unzählige Todesopfer und verwüstete das Odacon-System.
Es gibt jedoch noch einige Nachfolger der Agenten, die einst aus dem Imperium entsandt worden waren. Im Geheimen suchen sie nach einem Weg zurück in den Ersten Horizont und verehren dabei die Bestie, einen pervertierten Aspekt des Ikons des Tänzers. Sie warten nur auf den geeigneten Moment, um sich zu erheben und den Dritten Horizont erneut ins Chaos zu stürzen.
Vor etwa 65 Jahren erreichte schließlich die Zenith den Dritten Horizont und fand ihn bereits bewohnt vor. Die Zenithianer ließen sich dennoch dort nieder, schufen die Raumstation Coriolis und sorgten für gesellschaftliche Umwälzungen, die an dieser Stelle nicht im Detail beschrieben werden sollen. Interessierte werfen einen Blick in unseren Artikel zum Grundregelwerk oder lesen direkt in der Spielhilfe weiter.
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In diesem Kapitel werden auch einige Relikte der Erbauer der Sternenportale beschrieben. Diese Wesen, deren Verbleib völlig ungeklärt ist, haben neben den Portalen auch noch andere Bauten und Geheimnisse zurückgelassen und regen damit seit jeher die Fantasie der Menschen an, die im Dritten Horizont leben. Unter ihnen gibt es Gruppen, welche die Erbauer quasi-religiös verehren, aber auch jene, die gegen jede Erforschung und Nutzung – auch der Sternenportale selbst – wettern, da sie ihnen einen verderbenden Einfluss zusprechen.
Die Zufallstabellen
Ich gestehe, dass ich Zufallstabellen mag und ab und zu gerne verwende. Sicher kommt hin und wieder totaler Nonsens dabei heraus, wenn man komplette Planeten und alle Begegnungen auswürfelt. Die Ergebnisse können aber auch die Fantasie anregen, zum Beispiel wenn man gerade ein kreatives Tief hat. Dieser Band ist deswegen die reinste Freude für mich und all jene, die es ähnlich sehen. Ihr könnt auswürfeln, was für Planeten sich in einem Sternensystem befinden, wie es auf deren Oberfläche aussieht, ob es Siedlungen gibt, wer dort lebt und so weiter und so fort. Ebenso könnt ihr den Zufall entscheiden lassen, was für Abenteueraufhänger sich dort verbergen, wer das sagen in der Kolonie hat und was aktuell die größte Bedrohung für den Planeten und seine Bewohner ist.
Damit hört es allerdings nicht auf, denn es können sogar ganze Missionen ausgewürfelt werden. Mal abgesehen davon, wie stimmig das ist, findet sich in den Tabellen somit eine übersichtliche Liste, was alles an Abenteuern in Coriolis möglich ist. Das Ergebnis einiger Beispielwürfe will ich euch deswegen nicht vorenthalten:
Zuerst legen wir fest, dass die Abenteurer von einem Auftraggeber einen ganz generellen Auftrag bekommen werden. Dies könnten wir auch noch weiter spezialisieren und festlegen, ob sie als Söldner, Kundschafter, Pilger oder Händler unterwegs sind. Wir würfeln. Die Mannschaft erwartet eine schwierige Mission in einem System, das nur ein Sprungportal entfernt liegt. Bei der Mission werden zwei Komplikationen auftreten. Ihr Auftraggeber ist ein Fabrikbesitzer, der ihnen wertvolle Ausrüstung verspricht und sie darum bittet, einem Verbündeten, der sich in einem alten Bunkerkomplex versteckt, einige Informationen (also vielleicht das Ergebnis von Industriespionage) zukommen zu lassen. Der Fabrikbesitzer will den Abenteuern zwingend einen Aufpasser mitgeben (Komplikation 1), der sich jedoch im Laufe der Reise als Doppelagent entpuppt (Komplikation 2).
Auch für Ereignisse auf Reisen gibt es solche Tabellen. Bleiben wir beim obigen Beispiel:
Sagen wir, den Reisenden passiert ein Missgeschick. Solche Missgeschicke können passieren, wenn einer der Charaktere sehr oft die Neun Ikonen um Glück und übernatürliche Hilfe bittet. Es ist regeltechnisch vorgesehen, dass solche Gebete tatsächlich positive Auswirkungen haben können. Der Spielleiter ist jedoch dazu angehalten, die Balance zu wahren und in passenden Momenten die Charaktere im Gegenzug für zuvor erteilte Boni mit Missgeschicken zu quälen. Wir würfeln also und stellen fest, dass das Missgeschick dem Ingenieur zustößt, der mit einem nicht zu reparierenden Müllschlucker konfrontiert wird, dessen Gestank bald die ganze Besatzung nervt. Während er sich mit diesem Mistding herumquält, nähert sich das Patrouillenschiff einer Kolonie. Diese ist den Abenteurern zum Glück freundlich gesinnt und unterstützt sie sogar mit Vorräten oder Informationen. Kaum sind sie jedoch an ihrem Zielort gelandet, erwartet sie ein wütender Mob, wahrscheinlich aufgestachelt von den gleichen Gegenspielern, die auch schon den Doppelagenten in ihre Reihen geschleust haben.
Sagt über Zufallstabellen was ihr wollt, aber ich habe jetzt bereits eine nette kleine Abenteueridee im Kopf.
Erscheinungsbild
Was ich zum Grundregelwerk geschrieben habe, gilt auch hier. Es enthält schöne Illustrationen, die zwar nicht durchweg erstklassig sind, aber ein wunderbar stimmiges Gesamtbild abgeben. Der orientalische Touch, den Coriolis haben soll, kommt hier deutlich besser zum Tragen, als noch im Hauptband. Zwar wirken die Bilder zu den einzelnen Sternensystemen etwas austauschbar („Wow! Auf Mira gibt es also einen Raumhafen!“), aber darüber kann man sich nun wirklich nicht beschweren. Kritisch anmerken möchte ich allerdings das fehlende Inhaltsverzeichnis. Auch einen Index gibt es nicht, was auf gut 60 Seiten zu verschmerzen ist, aber trotzdem stört. Dafür ist das PDF immerhin voll und ganz durchsuchbar.
Fazit
Wer sich das Grundregelwerk gönnt, kann sich das Atlas Compendium gleich mitbestellen! Hier finden sich tolle Systembeschreibungen und genug Abenteuer-Aufhänger, um einige Runden im Dritten Horizont zu drehen. Auch der allgemeine Hintergrund wird durch einige weitere Informationen noch einmal aufgewertet und interessanter.
Das hohe Niveau des Grundregelwerks wird dabei in allen Punkten gehalten und der Eindruck, dass Free League hier ein wunderbar rundes System entworfen hat, das durch ein interessantes Setting und mit simplen Regeln glänzt, verfestigt sich.
Unsichere werfen bitte einen kurzen Blick in die kostenfreien Schnellstartregeln, Überzeugte greifen zu!
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http://www.teilzeithelden.de/2017/08/13/ersteindruck-valherjar-the-chosen-slain-einherjer-zum-schutz-der-menschheit/
Valherjar: The Chosen Slain vermischt die moderne, reale Welt mit mythologischen Elementen. Die Spieler verkörpern dabei unsterbliche Agenten Asgards, die gegen nichts Geringeres als Ragnarök, das Ende der Welt ankämpfen. Werden die Prophezeiungen vom Untergang wahr oder sind die Krieger der Götter das Zünglein an der Waage?
Die Idee, hinter unserer vertrauten Wirklichkeit eine verborgene Welt zu erschaffen, ist nicht neu. In Büchern, Filmen, Video- und Rollenspielen ist das Prinzip bereits ausgiebig durchexerziert worden.
Trotzdem schaffen es solche Ideen immer wieder, mich zu begeistern, ungeachtet des Mediums. Ich habe Valherjar: The Chosen Slain deshalb von Anfang an mit Wohlwollen betrachtet. Im Folgenden wird sich zeigen, ob dieses Wohlwollen berechtigt ist, oder ob das System selbst zum Ragnarök für die Spieler wird. Aber gehen wir das Ganze optimistisch an - eine Götterdämmerung ist schließlich kein Weltuntergang, oder?
Die Spielwelt
Ein bisschen erinnert die Welt von Valherjar an das Konzept einer World of Darkness: An der Oberfläche gleicht sie der irdischen Realität, aber hinter den Kulissen existieren mächtige mystische Entitäten, die auf den Lauf der Welt Einfluss nehmen. Nur sind es hier keine Vampire oder Werwölfe, sondern Aesir, die Götter der nordischen Mythologie, sowie ihre Widersacher, die Jotnar. Zwischen diesen Parteien herrscht seit der Schöpfung der neun Welten ein erbitterter Zwist, dessen Ende bereits bekannt ist: Die Prophezeiungen sprechen von Ragnarök, der Götterdämmerung, in deren Verlauf alle neun Welten verheert werden und Menschen und Götter allesamt den Tod finden. Mit dieser Vorhersage im Nacken wenden die Götter enorme Anstrengungen auf, um sich auf die letzte Schlacht vorzubereiten, sie zu verzögern oder sogar zu verhindern. Es gibt sogar Stimmen, die behaupten, Ragnarök könnte überlebt werden, der Krieg gewonnen.
Kernelement dieser Bemühungen sind die Einherjer, heldenhafte Sterbliche, die im Moment ihres Todes der Walküre begegnet sind und im Gespräch mit ihr festgestellt haben, dass sie in ihrem Leben noch nicht genug getan haben. Sie werden in das Reich der Götter aufgenommen und verbringen ihre ewige Existenz von da an mit Waffenübungen, in ständiger Erwartung des Weltenendes. Einige unter ihnen werden aber dazu ausgewählt, schon vor Beginn der Schlachten in den aktiven Dienst einzutreten. Sie sind die Besten unter den Toten und sie werden “Valherjar” genannt. Von einem Gott erwählt und mit magischen Runensteinen ausgestattet, ist es ihnen möglich, nach Midgard zurückzukehren und dort einen Kalten Krieg gegen die Jotnar auszufechten, die sich hinter Konzernen und Regierungen verbergen. Dieser Krieg muss unbedingt im Verborgenen stattfinden, Geheimhaltung ist eine der obersten Pflichten eines Einsatztrupps. Die Spieler verkörpern solche Valherjar und erfüllen die Undercover-Aufträge der Götter.
Ein Trupp, der zur Erde zurückkehrt, muss sich also ausrüsten - und zwar von Grund auf, denn alles, was ein Krieger in Asgard trägt, ist auf Midgard nicht mehr vorhanden. Er muss Informationen über das Ziel sammeln und dann schnell und möglichst unauffällig zuschlagen. Zur Unterstützung stehen den Valherjar verschiedene Schlupfwinkel auf Midgard zur Verfügung, die Waffen und anderes Material stellen, Obdach bieten und monströse Gegner nach einem Kampf entsorgen (Häufig wird diese Tätigkeit von Fleischereien durchgeführt. Ob der Autor wohl Vegetarier ist?). Neben der Entsorgung toter Jotnar ist aber auch die Bergung gefallener Kameraden sehr wichtig. Ein toter Valherjar erwacht nämlich nach einem Tag als Leiche auf Erden in Valhalla wieder zum ewigen Leben. Seine Leiche in der irdischen Welt verbrennt dabei dummerweise in einem spektakulären Feuerwerk, das viele Fragen bei Polizisten und Leichenbeschauern hervorrufen dürfte. Schlimmer ist es nur noch, wenn der Körper dem Feind in die Hände fällt. Die Jotnar sind nämlich in der Lage, einen Valherjar in einen Draugr, einen mächtig bösen Untoten umzuwandeln.
Das Setting erweckt bei mir den Eindruck, Scion und Shadowrun hätten ein uneheliches Kind gezeugt. Der Vergleich hinkt natürlich, da Scion drei Jahre nach Valherjar erschienen ist, aber da mir das System vorher bekannt war, bleibt der Eindruck, hier eine Art Hybriden zu begutachten. Die verdeckten Einsätze einer Truppe von Spezialisten treffen auf den mythischen Touch antiker Götter in der Welt der Gegenwart. Der Mix der verschiedenen Genres macht Spaß, ist aber auch nicht ohne Fehler. Durch die ewige Routine von Aufträgen und Training in Asgard fehlt mir ein bisschen die persönliche Entwicklung der gespielten Charaktere. Sie haben außer ihren Kameraden keine Bezugspersonen, keine Familie oder Freunde. Außerhalb des Einsatzes scheint der Hintergrund für die Valherjar kein Leben im herkömmlichen Sinne vorzusehen. Die beiden oben genannten Systeme sind da erzählerisch einfach interessanter für ein lang angelegtes Spiel.
Was mich persönlich außerdem nicht ganz abholen kann, ist das nordische Setting. Die nordische Mythologie ist zwar interessant, reizt mich aber viel weniger als vergleichbare antike Religionen. Ein System wie Scion punktet hier mit den Wahlmöglichkeiten verschiedener Mythologien. Etwas vergleichbares fehlt in der Welt von Valherjar leider. Reine Fans der nordischen Götter werden aber voll auf ihre Kosten kommen.
Die Regeln
Das grundlegende Regelkonstrukt von Valherjar scheint bewusst einfach gehalten zu sein. Es werden zwei sechsseitige Würfel geworfen, dazu wird ein Bonus addiert, der sich aus Attributen, Fertigkeiten und Co. zusammensetzt. Es gilt, mit diesem Wurf einen vorher festgelegten Zielwert zu erreichen. Je höher der Wurf über dem Zielwert liegt, desto mehr Erfolge sammelt der Charakter, was sich zum Beispiel in höherem Schaden niederschlägt. Der Glückswert eines Charakters erlaubt es ihm hin und wieder sogar, dem Wurf automatische Erfolge hinzuzufügen. So weit, so gut.
Trotzdem werden bei jedem Wurf aber drei W6 zur Hand genommen. Der Spieler wählt aus den Ergebnissen dieser drei Würfel zwei aus, mit denen er den Zielwert ansteuert. Der Wert des dritten Würfels steht für die Geschwindigkeit, mit der der Charakter seine Aktion ausführt. Das System spricht vom “Action Opportunity Roll”, und dieses Element gibt dem ganzen Regelsystem sogar seinen Namen: “AOR Gaming System”.
In Kampfsituationen gibt der Action Opportunity Roll zusammen mit dem Initiative-Wert des Charakters die Zugreihenfolge für die laufende Kampfrunde an. Besonders hohe Werte lassen einen Charakter sogar mehr als einmal pro Runde handeln. Die Wahl des richtigen Würfels als Indikator für die Geschwindigkeit wird damit zur taktischen Komponente. Um die Wahl noch etwas schwieriger zu machen, sieht das Regelwerk vor, dass alle Spieler, nachdem sie ihre Aktionen angesagt haben, zeitgleich würfeln und danach innerhalb von drei Sekunden ihre Würfel auf Zielwurf und Geschwindigkeitswurf aufteilen.
Auch außerhalb von Kampfsituationen kann der Geschwindigkeitswürfel wichtig werden. Wann immer Aktionen unter Zeitdruck durchgeführt werden, kann der Spielleiter Zielwerte festlegen, die der Würfel erreichen muss, damit Erfolg möglich wird.
Einer der drei Würfel sollte außerdem noch farblich auffällig sein. Er ist dann nämlich zusätzlich zu seiner Funktion, die in den drei Sekunden nach dem Wurf festgelegt wird, der sogenannte Effektwürfel. Das Ergebnis des Effektwürfels bestimmt bei Angriffen den verursachten Schaden. Bei anderen Würfen bestimmt das Wurfergebnis, ob es positive oder negative Nebeneffekte zusätzlich zum eigentlichen Erfolg gibt.
[box]Ein Beispiel:
Der Charakter möchte ein Schloss knacken, bevor die patrouillierende Wache ihn entdeckt. Der Zielwert des Wurfs beträgt zwölf, die Geschwindigkeit muss mindestens drei betragen, sonst wird der Charakter auf jeden Fall entdeckt. Sein Attribut Dexterity und der Skill Larceny geben einen Bonus von insgesamt sechs auf den Wurf. Die drei Würfel werden geworfen, es fallen Sechs, Vier und Eins. Damit der Wurf erfolgreich ist, muss die Vier als Geschwindigkeit zugewiesen werden. Das restliche Wurfergebnis reicht aus, um addiert mit dem Bonus den Zielwert zu erreichen. Dummerweise zeigt der Effektwürfel die Eins. Der Charakter schafft es also, das Schloss rechtzeitig zu öffnen, es wird dabei aber so schwer beschädigt, dass den Wachen früher oder später das unbefugte Eindringen auffallen wird.[/box]
Das Regelsystem richtet sich definitiv an Narrativspieler, ist dabei aber trotzdem etwas sperrig. Ich könnte mir vorstellen, dass gerade Neulinge mit der Kombination „würfeln und in drei Sekunden die Ergebnisse zuweisen“ ihre Probleme haben könnten. Vermutlich Es wäre ein ausgiebigerer Spieltest nötig, um sich ein abschließendes Urteil zu erlauben.
Auch die relativ hohe Sterblichkeit eines Spielercharakters mag anfänglich ungewohnt erscheinen, wobei der Hintergrund hier durchaus nachhilft. In einer Spielwelt, in der der Charakter nach seinem Tod im Götterreich wieder aufwacht, ist es legitim, die Gruppe auch mal Verluste erleiden zu lassen.
Für alle, denen das hauseigene Regelsystem nicht zusagt, liefert das Grundregelwerk übrigens zusätzlich die Möglichkeit, den Hintergrund mithilfe der Open Gaming License zu bespielen.
Charaktererschaffung
Am Beginn der Charaktererschaffung steht, wie in fast jedem anderen System, natürlich zuerst einmal die Erstellung eines Charakterkonzepts. Passend zu diesem Konzept wählt der Spieler aus, welcher Gott den Charakter unter seine Fittiche genommen hat. Er wird dadurch Teil einer Aettir, einer von sechs Vereinigungen von Valherjar. Die Wahl des Gottes und damit der Aettir bestimmt die Weltsicht des Charakters und gibt ihm Zugriff auf besondere Fähigkeiten. Die sechs Aettir des Grundregelwerkes sind:
“Frigga’s Hlin”: Bekannt für ihr Mitgefühl und ihre Fürsorge, werden die Erwählten von Odins Gattin von anderen Kriegern manchmal nicht für voll genommen. Tatsächlich konzentrieren sie sich aber einfach nur auf den Schutz ihrer Gefährten und der Sterblichen, anstatt den Krieg zum Feind zu tragen. Sie verfügen außerdem über die mächtigste Runenmagie unter allen Valherjar. Ihr großes Ziel ist es, Ragnarök zu überleben.
“Heimdall’s Gjall”: Wer von Heimdall ausgewählt wurde, nimmt eine ewige Wacht auf. Die Mitglieder dieses Aettir versuchen stets, den Feind im Blick zu haben, und leiten im Notfall die angemessenen Maßnahmen ein. Sie glauben, dass Ragnarök verhindert werden kann. Sie geben hervorragende Kundschafter und Scharfschützen ab, neigen aber dazu, unnahbar und zu überzeugt von sich selbst zu sein.
“Odin’s Grimnir”: Die Agenten des Allvaters werden bevorzugt zur Infiltration der Jotnar eingesetzt. Sie verbringen, auf sich allein gestellt, lange Zeiten in Midgard, verschaffen sich Zugang zu den inneren Kreisen des Feindes und sammeln Informationen. Wenn ihre Tarnung kompromittiert wird, bevorzugen sie eine Strategie der verbrannten Erde und reißen als hervorragende Saboteure so viele Gegner wie möglich mit sich.
“Sifs‘ Gillen”: Die unkonventionellsten unter den Valherjar. Sie sind der Meinung, dass die Schlachten der Endzeit gewonnen werden können und die Prophezeiungen nicht in Stein gemeißelt sind. Es muss lediglich ein Umschwung in der Strategie stattfinden, mit der der Krieg geführt wird. Die Gillen suchen mit großer Leidenschaft nach dieser neuen Strategie und erweisen sich dabei immer wieder als geborene Anführer und Taktiker. Lediglich ihr aufbrausendes Temperament steht ihnen im Weg.
“Thor’s Mjolnir”: Was erwartet man von Kriegern, die nach dem Hammer des Donnergottes benannt sind? Subtilität ist keine Stärke der Mjolnir, aber sie übertreffen all ihre Waffenbrüder an Mut und Schlagkraft. Sie drängen darauf, dem Feind endlich im offenen Feld gegenüberzutreten und Ragnarök durch einen Präventivschlag zu verhindern. Bei anderen respektieren sie nur Stärke und Mut, weshalb sie etwas plump daherkommen.
“Tyr’s Gleipnir”: Tyr steht für die Gerechtigkeit und auch seine Erwählten folgen diesem Ideal. Die Gleipnir sind auf Ritterlichkeit und Ehre geeicht. Diese hehren Motive beschneiden ihre Eignung, verdeckt zu arbeiten. Wenn sie in Midgard eingesetzt werden, versuchen sie stets, zuerst durch Diplomatie und Verhandlungen Konflikte beizulegen. Diese Haltung wird belächelt, aber der Schein trügt. Wenn die edelmütigen Valherjar zur Gewalt gezwungen sind, erweisen sie sich als exzellente Zweikämpfer.
Jede Aettir macht dem Spieler bereits Vorschläge, wie der nächste Schritt der Charaktererschaffung durchgeführt werden soll. Als Nächstes gilt es nämlich, zwölf Prioritätspunkte unter den Kategorien Attribute, Fertigkeiten, Runenmagie und Prestige aufzuteilen. Jeder Kategorie können ein bis fünf Punkte zugewiesen werden, je mehr Punkte zugewiesen werden, desto mehr Ressourcen stehen in dieser Kategorie zur Verfügung. In den Beschreibungen der einzelnen Aettir finden sich Vorschläge zur Verteilung dieser Punkte. Ein Günstling Thors soll beispielsweise die Kategorien Attribute und Prestige priorisieren. Ein Angehöriger von Frigga's Hlin hingegen spezialisiert sich am besten auf Runenmagie.
Sobald die Punkte verteilt und die Fähigkeiten ausgewählt sind, müssen nur noch die Werte für Initiative, Glück und Gesundheit berechnet werden. Der Gesundheitswert teilt sich in Ausdauer und Vitalität auf und gewährt je nach Höhe eine feste Anzahl an Kästchen, die bei Schaden abgestrichen werden. Hier fühlt man sich gleich an das Storyteller-System erinnert. Nachdem diese letzten Berechnungen durchgeführt sind, fehlt nur noch die Ausrüstung - und dann kann der erste Auftrag auf Midgard beginnen.
Der ganze Vorgang der Charaktererschaffung ist angenehm simpel gehalten. Mit wenigen Entscheidungen entsteht ein Charakter, der sich trotzdem einzigartig anfühlt. Mit der Wahl des Gottes wird dem Spieler eine ungefähre Richtung vorgegeben, das System der Prioritäten erlaubt es aber, einen eigenen Weg zu gehen.
Der Powerlevel eines Valherjar übersteigt den eines Normalsterblichen deutlich, dieser Umstand wird durch die übernatürlichen Gegner, mit denen es die Spieler zu tun bekommen werden, aber wieder relativiert. Trotzdem gilt: Ein neu erschaffener Charakter hat schon einiges drauf und ist bereit, sich so mancher Herausforderung zu stellen.
Da der Hintergrund mich recht schnell inspiriert hat, habe ich einen ersten Charakter generiert. Grundidee war ein Rebellenkämpfer aus Südamerika, der als überzeugter Sozialist im Kampf gegen einen Diktator gefallen ist. Nach seinem Tod erkennt er die Jotnar als Strippenzieher hinter dem Establishment an und führt seinen Kampf gegen die Unterdrückung auf der nächsten Ebene weiter. Als Querdenker, der auch schon mal die Götter in Frage stellt, passt er gut in Sif's Gillen. Mit Sturmgewehr, Machete und Runenmagie ist er ein ernstzunehmender Kämpfer, der bevorzugt auf Guerilla-Taktik setzt.
Erscheinungsbild
Das PDF macht einen guten Eindruck, auch wenn leider auf Lesezeichen verzichtet wurde, was die Übersichtlichkeit etwas trübt. Aber es gibt immerhin einen vernünftigen Index und ein ordentliches Inhaltsverzeichnis. Die Illustrationen sind durchgängig in Schwarz/Weiß gehalten und sind in Ordnung, nicht besonders gut, aber auch nicht schlecht. Vor allem gefällt mir hier, dass man einen einheitlichen Stil gefunden hat. Ausnahmen sind das vollfarbige Cover und die Illustrationen, die von Ron Spencer beigetragen wurden.
Seit Deadlands mag ich den Stil des Zeichners, auch hier überzeugt er.
Bonus/Downloadcontent
Auf der Homepage des Verlages wird neben den obligatorischen Charakterbögen auch ein Verwaltungstool für NPCs zum Download angeboten.
Fazit
Valherjar: The Chosen Slain lässt mich mit zwiespältigen Gefühlen zurück. Auf der einen Seite gefällt mir der Ansatz, antike Mythologie und Moderne zu vermischen, eigentlich immer. Der Hintergrund ist wirklich liebevoll gestaltet und man merkt, wie eingehend der Autor sich mit dem Thema der nordischen Götter auseinander gesetzt hat. Aber genau diese liebevolle Arbeit hätte etwas ausgedehnt werden müssen, um mich völlig zu überzeugen. Ein paar andere Mythologien hätten dem Setting gut getan. Beim verwendeten Regelsystem bin ich ebenfalls skeptisch. Mein erster Charakter war schnell erstellt, aber beim ersten Lesen wirken die Regeln zu sperrig für den Anspruch, schnell und hart sein zu wollen. Ich halte mich aber mit einem abschließenden Urteil zurück, dafür müsste ein ausgiebiger Spieltest durchgeführt werden. Hier gilt: Im Zweifel für den Angeklagten, deshalb kein Daumenabzug.
Alles in allem ist Valherjar ein System, das ich gerne im Rahmen eines One-Shots ausprobieren würde. Für eine längere Kampagne würde ich aber auf andere Systeme zurückgreifen. Freunde der nordischen Mythologie können für knappe zehn Euro aber sicher nichts falsch machen.
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Retro ist Trend. Spectrum Games bringt uns dafür in eine Zeit zurück, die manchen noch als Kindheit in Erinnerung sein dürfte, anderen nur noch aus Legenden bekannt ist: die 70er und ihre SciFi-Serien. Hier entsteht der Brückenschlag zwischen dem Gefühl der guten alten Zeit und aktuellen, erzählerischen Rollenspielmethoden.
Auf faszinierende Weise pendelt Retrostar zwischen fixem Setting und Universallösung hin und her. Einerseits ist Immersion oberstes Gebot, andererseits schwebt beständig die Abrissbirne über der vierten Mauer. Während einzelne Handlungen in einem weiten Rahmen skizziert werden, ist die generelle Möglichkeit zu handeln streng limitiert. Beinahe alles ist von solchen Gegensätzen durchzogen. Nur in einer Sache sind sich die Regeln absolut sicher, und damit so retro wie man es sich nur vorstellen kann. Alles liegt in der Hand der Spielleitung.
Die Spielwelt
Das generelle Setting, in das Retrostar eingebettet ist, sind die 1970er und die Science-Fiction-Serien jener Zeit. Weite Teile des ersten Kapitels widmen sich auf sehr liebevolle Art und Weise dieser Ära. Dabei wird sowohl der Stil der 70er im Allgemeinen, als auch in Bezug auf das SciFi-Genre im Speziellen beleuchtet. Dabei geht es nicht nur um Kleidung, Frisuren und Musik. Die typischen Themen und Konventionen der Serien-Ära wurden gewissenhaft zusammengetragen und erläutert. Wer diese Zeit und ihre Serien noch selbst kennt, freut sich sicher über die Auffrischung und den sachlichen Blick darauf.
Sollte man erst später das Licht der Welt erblickt haben, hat man nach diesem Grundkurs zumindest eine klare Idee davon, wohin es gehen soll. Ob dabei auf gefühlt jeder zweiten Seite jedoch die knappen Budgets erwähnt werden müssen, mit denen die Serien seinerzeit auskommen mussten, sei dahingestellt. Die zweite Hälfte des Settings ist die Serie, die man spielen möchte. Oder besser, die Serie, welche die Spielleitung spielen möchte. Sagt einem keine der zehn bereits erstellten Serien als Hintergrund für die eigene Runde zu, gilt es eine eigene von Grund auf zu entwerfen. Zu diesem Zweck wird der Showrunner, wie der Posten der Spielleitung in Retrostar bezeichnet wird, mit einer Art Charakterbogen für die Serie ausgestattet. Diese sogenannte Series Bible ist zur Einsicht für die gesamte Gruppe gedacht, weshalb man um seine eigenen Notizen nicht herumkommt.
Aufgabe des Showrunners ist es also nun vom Pitch, einer schmissigen, spoilerfreien Synopsis, über das Gesamtkonzept bis hin zu den Dials, einer Regelmechanik, die wir uns noch ansehen werden, alles im Alleingang auszuarbeiten. Das Gesamtkonzept beinhaltet übrigens neben Überlegungen zum Werdegang des Settings und darin vorkommenden Antagonisten auch einen ersten Entwurf der Protagonisten. Somit liegt der erste Schritt der Charaktererstellung ebenfalls in der Hand der Spielleitung. Ein interessanter, und für manche Ideen sicherlich auch notwendiger, Ansatz, der aber doch gegen die Gewohnheiten einiger Spielrunden gehen dürfte. Die Dials schließlich drücken einen Teil der Serie in Zahlenwerten aus. Hierbei handelt es sich jedoch um Dinge außerhalb der Serienwelt. Thematic legt fest, wie häufig die Serie auf gesellschaftliche und soziale Themen eingeht. Natürlich streng im Geiste der 70er. Plot bestimmt die generelle Entwicklung der Serie. Gibt es einen Metaplot und Charakterentwicklung, oder wird jede Woche aufs Neue nur irgendeine außerirdische Bestie umgelegt? Recurring teilt uns mit, ob die Serie bestimmte Elemente häufig wiederholt.
Bekommen wir jede Folge eine Raumschlacht zu sehen, ist das definitiv ein wiederkehrendes Element. Um der Ära des Settings gerecht zu werden, gibt es den Wert Cheese. Alles, was so abgedreht, albern oder so tief dem Zeitgeist geschuldet ist, dass man schon eine Generation später wegen Fremdschämens im Boden versinken will, fällt in diesen Bereich. Die letzte Dial wird als SFX bezeichnet und stellt das Budget für Spezialeffekte dar. Dieser Wert dürfte einen während des Spielens am häufigsten begegnen. Denn in der Anwendung unterscheidet sich SFX von allen anderen Dials und hat den spürbarsten Regeleffekt.
Die Regeln
Im Kern möchte Retrostar ein erzählerisches System sein. Daher steht vor dem eigentlichen Würfelwurf zunächst der sogenannte Intent einer Handlung. Man erläutert nicht eine einzelne, kleinteilige Aktion seines Charakters, sondern erklärt gleich einen größeren, szenischen Handlungsablauf. Statt also eine Aktion für den Sprint durch den Raumschiffhangar zu nehmen, eine weitere, um auf die bösen Androiden zu schießen, und eventuell dann noch eine, um das eigene Schiff zu besteigen, beschreibt man den gesamten Ablauf durchgehend. Dabei kommt es weniger auf die konkreten Aktionen an, als vielmehr auf die Idee, welches Resultat man am Ende haben möchte. Dieser große Handlungsspielraum ist allerdings auch absolut notwendig. Denn das Spiel sieht vor, dass jede Episode, sprich, jedes Abenteuer, in fünf Akte aufgeteilt ist.
Und pro Akt stehen allen Beteiligten, also Spielern wie Showrunner, zusammen nur zwölf Würfelwürfe zu. Auf diese Art soll das Gefühl einer 60 Minuten langen Fernsehfolge entstehen, in der Zeit ein rares Gut ist und eben nur eine bestimmte Anzahl an Szenen unterzubringen ist. Ist die Absicht eines Charakters erklärt, wird zu den Würfeln gegriffen. Retrostar kommt hier ausschließlich mit Sechsseitern aus. Aus dem Intent ergibt sich, welches der drei Attribute, namentlich Adventure, Thought und Drama, als Grundlage dient. Die Werte reichen von -1 bis 2, wobei 0 den Durchschnittswert darstellt. Der Showrunner erklärt, welche Hindernisse, die ebenfalls mit einem bestimmten Zahlenwert versehen sind, sich in der Szenerie befinden und überwunden werden müssen. Die sich daraus ergebende Zahl wird vom verwendeten Attribut abgezogen. Danach hat man die Möglichkeit, auf verschiedene Arten den eigenen Wert wieder anzuheben, seien es Charaktereigenschaften, Special Effects oder ein Spotlight Token. Letztere sind die Entsprechung zu Schicksalspunkten, Stuntwürfeln und Gummipunkten in Retrostar. Ist alles miteinander verrechnet, hat man den finalen Wert, der festlegt, wie der Würfelwurf aussieht. Der Standardwert 0 gibt einem zwei Würfel, deren einzelne Ergebnisse nach dem Wurf addiert werden. Jede Verschiebung von 0 in den positiven Zahlenraum spendiert uns einen Würfel mehr, und es dürfen die beiden höchsten Werte zusammengezählt werden.
Für jeden Punkt unter 0 erhält man zwar auch einen weiteren Würfel, jedoch müssen die beiden niedrigsten Ergebnisse addiert werden. Resultiert die Summe in einem Wert von 10 oder höher, kann man einen Erfolg für sich verbuchen. Alles von 2 bis 6 ist ein Fehlschlag. Erreicht man einen Wert von 7 bis 9, hat man die Wahl. Entweder misslingt die geplante Handlung, es gibt aber keine weiteren negativen Auswirkungen für den Charakter, oder die Aktion ist erfolgreich, dafür erleidet der Charakter jedoch Konsequenzen wie bei einem Fehlschlag. Diese Entscheidung will wohlüberlegt sein. Denn ein Fehlschlag in Retrostar bedeutet Kontrollverlust. Der Showrunner übernimmt das Ruder komplett und erzeugt ein möglichst serientypisches Resultat. Der handelnde Charakter wird von den bösen Androiden überwältigt und gefangen genommen. Oder er stürzt von der Landeplattform hinab in die Wolken und verschwindet so aus der Sicht und aus der Szene. Die Spielleitung nimmt das Schicksal des Charakters gänzlich aus der Hand des Spielers und lässt alle am Tisch im Ungewissen. Das soll Spannung am Tisch und das Gefühl, eine spannende Folge der eigenen Lieblingsserie zu sehen, erzeugen.
In der Praxis stellt es wohl vor allem eine rollenspielerische Herausforderung für alle Beteiligten dar. Auf Seiten des Showrunners ist viel Improvisationstalent und Gespür für Drama gefragt. Die Spieler und Spielerinnen brauchen großes Vertrauen in den Spielleiter und darin, dass alles, was geschieht, schlussendlich dazu dient, die Charaktere die Helden der Geschichte sein zu lassen. Die restlichen Regeln drehen sich vornehmlich um die oben erwähnten Dials. Je nach Konzept der Serie kann einer solchen Dial vom Showrunner einen Wert zwischen 0 und 6 zugewiesen bekommen. Vor jeder neuen Episode wird mit dem Wurf eines W6 pro Dial ermittelt, ob diese im kommenden Abenteuer eine Rolle spielt. Dieses Zufallselement, in einem System, das eigentlich eine sehr strikte Planung des Showrunners erwartet, mutet ein wenig seltsam an und schraubt den Anspruch an die Erfahrung des Spielleiters noch einmal nach oben. Eine Ausnahme bildet die SFX-Dial. Diese stellt einen Pool dar, aus dem sich alle Beteiligten bedienen dürfen, um Würfe schwieriger oder leichter zu machen. Natürlich sollte diese Funktion als cooler Spezialeffekt innerhalb der Szene verpackt werden.
Charaktererschaffung
Der Charakterbau ist, abgesehen von der Schöpfung einer eigenen Serie, der kreativste Teil der Regeln. Zunächst besteht der Charakter aus seinem Background. Dies ist eine kurze, präzise Beschreibung der Rolle, die durch den Charakter in der Serie eingenommen wird. Diesen Teil übernimmt der Showrunner bereits bei der Erstellung seiner Serie. Als Nächstes folgt das Casting. Hier darf nun der Spieler erstmals tätig werden. Das Casting definiert den Schauspieler, der die im Background definierte Rolle spielt. Hierfür stehen allerdings nur 25 Worte zur Verfügung. Da keine ganzen Sätze ausformuliert werden müssen, sondern Stichpunkte wie Kinderstar, rauchige Stimme oder ehemaliger Footballspieler ausreichen, sollte man mit der begrenzten Anzahl an Worten eigentlich ganz gut hinkommen. All diese Eigenschaften dienen im Spiel dazu, unter bestimmten Umständen Bonuswürfel für einen Intent zu generieren.
Anschließend werden die Werte für die Attribute, hier Traits genannt, festgelegt. Man verteilt die Zahlen 1, 0 und -1 auf die drei Traits. Danach darf man einen der Werte noch um einen Punkt erhöhen. Um auch in die blanken Zahlen ein wenig Individualisierung einzubringen, darf man noch so genannte Descriptors definieren. Jeder Trait, dessen Wert nicht 0 ist, darf mit mindestens einem solchen Descriptor versehen werden. Dabei handelt es sich um eine besondere Eigenschaft, passend zum entsprechenden Trait. Legt man eine Probe ab, bei der ein solcher Descriptor zum Tragen kommen könnte, erhält man einen Bonus. Zuletzt verfügt auch noch jeder Charakter über Dials. Auch diese stellen eine mögliche Quelle für Bonuswürfel dar, sofern die Dial zu Beginn der Episode durch einen Würfelwurf aktiviert wurde. Bei der Charaktererschaffung muss man sich hierüber jedoch noch keine Gedanken machen. Die Regeln raten an, erst ab der dritten Episode, wenn man schon ein gutes Gefühl für den Charakter hat, die persönlichen Dials mit Werten zu versehen. Durch den erzählerischen Charakter des Spiels stellt sich die Frage nach der Mächtigkeit eines Charakters eigentlich gar nicht so sehr.
Da es in den Regeln jedoch ziemliche Auswirkungen hat, ob ein Trait nun einen Wert von 0 oder 2 hat, entsteht ein ziemliches Gefälle zwischen Charakteren, die eigentlich ein ähnliches Aufgabengebiet innerhalb einer Gruppe abdecken. Wie sehr sich dieser Unterschied im Spiel auswirkt, lässt sich allerdings erst in der Praxis bewerten. Der Charakterbogen ist sehr aufgeräumt gestaltet und bietet Platz für alle notwendigen Informationen. Tatsächlich ist er sogar so schlank, dass die zwei spielerrelevanten Tabellen, die es im Spiel gibt, auch noch auf den Bogen passen.
Erscheinungsbild
Aufmachung und Layout bleiben dem Stil der 1970er absolut treu. Gedeckte Pastellfarben, Textkästen, die an alte SciFi-Computer erinnern, und sogar ein paar Fotos aus jener Zeit machen unmissverständlich klar, in welche Richtung es hier gehen soll. Die Bilder, durchgehend von Brent Sprecher gemacht, sind solide. Ein paar wenige Illustrationen hängen dem restlichen Niveau etwas hinterher, man merkt aber deutlich, dass man es mit einem Profi und nicht mit Fanart zu tun hat.
Der Index ist kompakt und für die 133 Seiten dieses Regelwerks absolut ausreichend, da auch innerhalb des Buches immer wieder Querverweise mit Angabe der Seiten gemacht werden. Am Ende des Buches wird man ordentlich mit Vorlagen für die Series Bible, einem Charakterbogen und einem Referenzbogen versorgt. Das PDF bleibt leider hinter seinen digitalen Möglichkeiten zurück. Trotz, oder gerade wegen, der Kürze des Regelwerks wäre ein digitaler Index eine tolle Sache gewesen. Nun gut, so trägt es dafür auch zum Retrogefühl bei.
Fazit
Retrostar ist ein spannendes Experiment. Bestimmt vom Stil der 1970er Jahre erschafft und kreiert der Spielleiter seine Vision einer Science-Fiction-Serie. Das beginnt bei der grundsätzlichen Idee des Settings, geht über den gesamten Handlungsverlauf der einzelnen Episoden und endet erst nach der Definition der möglichen Protagonisten, also der Spielercharaktere. Auch im weiteren Verlauf bleibt der Spielleiter die zentrale Figur, denn jeder Misserfolg eines Charakters führt dazu, dass sein weiteres Schicksal zunächst durch die Spielleitung bestimmt wird. Somit sind sowohl langfristige Planung, als auch gehöriges Improvisationstalent gefragt. Die Protagonisten, und somit auch die Spielerinnen und Spieler dahinter, dienen einzig und allein der Geschichte.
Die grundsätzlichen Regelmechanismen sind übersichtlich, leuchten schnell ein und unterstützen an sich das erzählerische Grundkonzept von Retrostar. Gleichzeitig gibt es einige Regeln, die sich nicht auf das Geschehen innerhalb des Abenteuers beziehen, sondern abbilden wollen, dass es sich eben um eine Serie in den 70ern handelt. Und hier liegt der Schwachpunkt des Systems. Immer wieder wird an der vierten Mauer gekratzt, ohne diese jedoch wirklich zu durchbrechen. Die einzelnen Komponenten sind tolle Ideen, die auf den vorhanden 133 Seiten jedoch im Zusammenspiel nicht ihr volles Potential entfalten können. Vielleicht wäre ein erweiterter Director’s Cut eine gute Idee. Erfahrene Rollenspielgruppen, die einen erzählerischen Stil bevorzugen, für Experimente offen sind und SciFi mögen, können hier bedenkenlos zugreifen.
Auch wer generell einen Hang zu Serien wie Buck Rogers, Battlestar Galactica, die alte wohlgemerkt, oder Der Sechs-Millionen-Dollar-Mann hat, sollte einen Blick riskieren. Für andere Gruppen ist Retrostar eher nur bedingt zu empfehlen. Dieser Ersteindruck basiert auf der Lektüre des Regelwerks. Ein baldiger Spieltest ist eher unwahrscheinlich.
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Allgegenwärtig ist das Wirken der Götter, und so beginnt auch das Vorwort des Werkes Aventurisches Götterwirken mit diesen Worten. Wie allwissend ist aber jener, der dieses Werk gelesen hat, und wie allgültig sind die Regeln, die dieses Werk mit sich bringt? Teilzeitheld Torben sieht sich dazu auserkoren, dies zu ergründen.
[quote] Eine Welt ohne Götter wäre eine sinnlose, tote Welt. [/quote] – Michael D. Eschner
Ich will euch erzählen, was mir vor einigen Wochen passierte. Ich hatte just dieses Werk in meine Finger bekommen, welches da beschrieb die Zwölfe und ihren Widersacher. Ich befand mich in der schönen Stadt Belhanka und hatte in Erfahrung gebracht, dass ein Geweihter des Nandus unweit von hier in einer Villa lebte, der mir bei meiner Rezension behilflich sein könnte. So fuhr ich mit einer Kutsche zu dem Anwesen, wurde eingelassen und fand den Herrn auf der Terrasse.
„Preiset die Zwölfe, sage ich euch! Stellt euch gut mit den Göttern, sage ich euch! Denn sie sind wahrhaftig und einzig, allmächtig und unendlich. Für unsereins aber sind sie unbegreiflich und beispiellos, und unvergleichlich ist ihr Wirken. Und so schreibet nieder ihr Wirken, auf dass ihr es nachlesen könnet.“
„Den Zwölfen zum Gruße! Verzeiht, wenn ich euch unterbreche, guter Mann, aber seid ihr der Herr Sarastro?“
„Patara.“
„Wie bitte?“
„Der Name ist Sarastro Patara, der Vollständigkeit halber. Was kann ich für euch tun?“
„Wenn ihr mir einen Augenblick eurer kostbaren Zeit schenken könntet, wäre ich sehr erfreut. Es geht um, nun ja, dieses Buch hier.“
„Ich war sowieso vorerst fertig mit dem Üben meiner Rede. Lasst uns hineingehen und im Salon weitersprechen.“
„Gewiss.“
So betraten wir den angrenzenden Salon und ließen uns auf kostbaren Liegen nieder.
„Ihr kommt also zu mir wegen dieses Buches.“
„Nun, um genau zu sein, bin ich eine Art Kritiker und rezensiere solche Werke.“
„Bei allem was Nandus heilig ist, ihr zensiert Bücher?“
„Re-zen-sieren, aber das tut eigentlich nichts zur Sache. Ich möchte euch bitten, einen Blick in das Werk zu werfen und mir eure Meinung mitzuteilen. Es geht darin um die Zwölfe und allerlei göttliches Wirken. Da ihr mir als einer der intelligentesten und belesensten Männer Belhankas empfohlen wurdet …“
„Chorhop.“
„Wie bitte?“
„Ich komme aus Chorhop, in Belhanka bin ich nur bei meiner Cousine zu Besuch, aber das tut wohl auch nichts zur Sache. Legt mir das Buch nur dorthin und kommt in ein paar Tagen wieder, dann will ich euch berichten, was ich davon halte. Nun muss ich aber weiter üben. Gehabt euch wohl.“
So kam ich nun ein paar Tage später wieder. Der Herr Patara war nicht daheim, aber sein Diener überreichte mir einige Schriften, die Patara angefertigt hatte. Ich habe diese noch mit meinen eigenen Ansichten ergänzt und leserlich niedergeschrieben, auf dass Ihr euch ein eigenes Bild machen könnt.
Inhalt
Sarastro Patara, Schreibstube im Hause meiner Cousine, Belhanka, 25. Ingerimm 1035 BF
Das Werk trägt den Namen Aventurisches Götterwirken. Ich vermute eine Ähnlichkeit mit dem Brevier der Zwölfgöttlichen Unterweisung. Ein direkter Vergleich mit der Abschrift von 1016 BF kommt in Betracht.
Das Inhaltsverzeichnis bietet auf zwei Seiten einen hervorragenden Überblick über sechs Kapitel nebst Anhang. Vorgestellt werden die Traditionen der zwölfgöttlichen Kirchen sowie einiger halbgöttlicher Vertreter. Hervorragend, Nandus ist dabei.
Unter „Erweiterte Liturgieregeln“ und „Sonderfertigkeiten“ kann ich mir nicht viel vorstellen, aber das Rätsel werde ich ergründen. Liturgien und Professionen werden aufgelistet. Mich beunruhigt die häufige Nennung des Gottes-ohne-Namen. Ebenfalls meiner Kenntnis entzieht sich die Bedeutung der „Archetypen“, aber auch diese werde ich näher betrachten. Ein opulenter Anhang verspricht zudem weitere Erkenntnisse.
Ich habe mich entschlossen, schrittweise an das Werk heranzugehen, wenngleich meine Neugier zu einigen Kapiteln im Voraus geweckt ist.
Kapitel I – Traditionen
Wie vermutet beschreibt das Kapitel die Kirchen der Zwölfgötter. Auf jeweils zwei Seiten ist von ihren Aspekten und ihrem Moralkodex (so denn vorhanden) zu lesen. Vater Phex findet es zum Beispiel moralisch erstrebenswert, dass man an seinen Herausforderungen wächst und für eine zu erfüllende Aufgabe stets eine Gegenleistung bekommt. Mutter Rahjas Aspekte, derer zwei, wie bei allen Zwölfen, sind die „Ekstase“ und die „Harmonie“. (Persönliche Anmerkung: beide Aspekte noch vor Abreise in Belhanka ausleben!)
Auf einer jeweiligen dritten Seite sind die Zeremonialgegenstände der einzelnen Kirchen vorgestellt. Das Besondere an ihnen sind die Fähigkeiten, die sie ihrem Träger verleihen. Der Efferdbart beispielsweise kann deutlich weiter geworfen werden, wenn ein Geweihter ihn führt. Erstaunlich.
Anmerkungen des Autors: Die Fähigkeiten der Zeremonialgegenstände sind in der Tat eine ideenreiche Neuerung. Nicht nur, dass grundlegend Zeremonien der entsprechenden Kirchentradition für den Geweihten erleichtert werden, er erhält damit auch Zugriff auf diverse Sonderfertigkeiten (SF). Leider ist die Auswahl durch eine Art Skilltree auf drei von sechs SF beschränkt. Jedoch können Spieler ihren Geweihten damit individualisieren und sein Wesen als klerikalen Unterstützer besser betonen. Dies liegt vor allem daran, dass viele der Sonderfertigkeiten nicht auf den Geweihten selbst, sondern auf andere wirken.
Die Regelmechanismen, wie etwa „Trance“ (eine kleine Entrückung mit Nachteilen), sind zwar notwendig, um die Nutzung der Sonderfertigkeiten einzugrenzen, aber Kosten der SF und Abbau der Entrückung stehen in keinem Verhältnis zueinander. Da sich Trance zum Beispiel nur mit einem Punkt pro 24 Stunden abbaut, ist ein mehrfaches Einsetzen der Zeremonialgegenstände pro Tag wohl eher unwahrscheinlich.
Die Halbgottheiten Aves, Ifirn, Kor, Nandus und Swafnir sind gut gewählt. Warum der Namenloser-Geweihte an dieser Stelle genauso detailliert beschrieben wird, erschließt sich mir nicht. Für die Erstellung eines NSC und seine Darstellung am Spieltisch ist die Handhabung zu komplex.
Sarastro Patara, Schreibstube in der Innenstadt, Belhanka, 26. Ingerimm 1035 BF
Kapitel II – Erweiterte Liturgieregeln
Ich muss gestehen, dass ich neugierig war, was hinter dieser Kapitelbeschreibung steckt. Allerdings ist es eher ernüchternd. Die erste Seite des Kapitels gibt netterweise eine kurze Zusammenfassung über die nachfolgenden Inhalte. „Kirchenbräuche“ werden beschrieben. Initiation, Geburt, Tod, Eid und Schwur sind genannte Themengebiete. „Karmale Objekte“ werden erläutert. Auf „Makel“ wird eingegangen, also die Thematik des Freveltums und der Verdammnis. Ein Abschnitt beschäftigt sich mit „Predigten und Visionen“, ein anderer mit den „Zeloten“. Neben den Strömungen der einzelnen Kirchen, den sogenannten „Liturgiestilen“, muss ich hier erneut vom Namenlosen lesen. (Persönliche Notiz: nach dem Lesen alle Seiten über den Dreizehnten entfernen!)
Anmerkungen des Autors: Die „Kirchenbräuche“ sind zwar ein erster Teil an Hintergrundinformationen, der bis dahin kaum auffindbar war, dennoch wären die spärlichen Informationen zu Geburtsriten, Heirat oder Schwüren meiner Meinung nach im Aventurischen Almanach besser aufgehoben gewesen. Die Textansätze dort und die Textansätze hier hätten sich gut ergänzt, so ist es nichts Halbes und nichts Ganzes.
Die „Karmalen Objekte“ wurden eins zu eins aus dem Grundregelwerk übernommen, was aber nicht schlecht ist. Der größte „Makel“ des Buches ist der gleichnamige Abschnitt. Zwei schlecht organisierte Seiten, die schlecht ausgearbeitete Regeln vorstellen, welche für den Spielleiter lediglich einen Mehraufwand mit wenig Nutzen bedeuten.
Gelungen hingegen sind die „Predigten und Visionen“ sowie die „Zeloten“. Letztere sind eine Art Laienpriester, die ebenfalls (auch ohne Weihe) Predigten und Visionen von den Göttern erhalten können. Mit Predigten kann der Zelot oder Geweihte seine Zuhörerschaft positiv beeinflussen, Visionen hingegen beeinflussen den Betenden selbst. Neben den magischen Schicksalspunkten (SchiP) wird es nun wahrscheinlich auch bald karmale SchiP geben, denn die neuen Predigt- und Visions-SF kosten nicht nur SchiP, sondern können diese auch regenerieren.
Die detailierte Beschreibung der „Namenlosen Weihe“ ist zwar nett gedacht, aber meines Erachtens überflüssig. Kein Spielleiter, den ich kenne, würfelt erst dutzende Selbstbeherrschungsproben, um zu schauen, ob sein Namenloser-Geweihter NSC auch wirklich den 3. Grad der Verdammnis erreicht hat. Das legt man als Spielleiter einfach fest!
Sarastro Patara, Schreibstube in der Innenstadt, Belhanka, 26. Ingerimm 1035 BF zur Abendzeit
Kapitel III – Sonderfertigkeiten
Ich habe nicht viel Zeit für dieses Kapitel und überfliege es nur. Allem Anschein nach handelt es sich um eine Auflistung von verschiedenen Fähigkeiten, die den unterschiedlichen Strömungen der Kirchen entspringen. Ich halte eine Entwicklung differenzierter Fähigkeiten und Gaben durch das Einschlagen eines bestimmten innerkirchlichen Weges für durchaus möglich. Die These wird unterstützt durch die Tatsache, dass ich für Bibliotheksrecherchen häufig weniger Zeit benötige als andere. Ich bin wohl doch eher ein „Sucher der Erkenntnis“ denn ein „Lehrer der Einsicht“.
Anmerkungen des Autors: Das Auffälligste an diesem Kapitel sind die Doppelungen. Die verwendeten Texte zu den Kirchenströmungen aus dem vorangegangenen Kapitel werden an dieser Stelle wortwörtlich erneut verwendet. Insgesamt fällt auf, dass sich viele Texte des Werkes doppeln. Ich mutmaße, dass das Buch mit halb so vielen Seiten ausgekommen wäre.
Zudem sind viele der vorgestellten Liturgie-SF sehr generisch und hätten auch als „allgemeine karmale SF“ oder „allgemeine SF“ ihren Platz im Regelsystem finden können. Die „erweiterten Liturgie-SF“, welche man nur mit passendem Liturgiestil kaufen kann, wirken darüber eher willkürlich beschränkt. Es erschließt sich nicht, warum sie nur mit Liturgiestil zu kaufen sind, da sie kaum größere Auswirkungen auf das Spiel haben als die bereits bekannten „allgemeinen SF“.
Nützlich hingegen sind die Übersichtslisten am Ende des Kapitels, die noch einmal aufzeigen, welche Voraussetzungen benötigt werden oder welchen AP-Wert eine bestimmte SF hat.
Sarastro Patara, Hinterzimmer im Handelshaus di Zeforika, Belhanka, 27. Ingerimm 1035 BF
Kapitel IV – Liturgien
Ich befürchte mit der Durchsicht des Werkes nicht vor meinem Aufbruch fertig zu werden. (Persönliche Notiz: in meiner Villa eine Kopie meiner bis dato erstellten Analyse für den Autor hinterlegen – inklusive Notiz, dass ich das Werk ausborge.)
Das vierte Kapitel trägt den Namen „Liturgien“, beinhaltet aber ebenso auch Zeremonien. Soweit ich es richtig deute, hat sich jemand die Mühe gemacht und alle Wundertaten, die bislang im Namen der Götter erbeten wurden, niedergeschrieben.
Anmerkungen des Autors: Neben vielen altbekannten Liturgien findet man in diesem Kapitel auch einige Neuerungen und durchaus interessante Ideen für die Ausgestaltung am Spieltisch. Was indes vollkommen fehlt, ist eine Beschreibung der Durchführung – welche Gesten, welche Worte wählt der Geweihte? Bis zum Erscheinen eines Liber-Liturgium-Pendants müssen wir uns da wohl noch gedulden.
Auffällig sind aber auch das Ungleichgewicht, mit dem die Liturgien und Zeremonien verteilt sind, und die Übermacht, welche die Anhänger des Namenlosen erhalten. Zählt man die Liturgien und Zeremonien einzelner Götter zusammen, so erhält man bei Praios beispielsweise 14 und bei Efferd 16 Fertigkeiten, wohingegen dem Namenlosen 25 Fertigkeiten zur Verfügung stehen. Auch inhaltlich ist der Geweihte des Gottes-ohne-Namen besser aufgestellt. Für nur 8 KaP (Karmapunkte) kann er auf Distanz eine Person – für QS (Qualitätsstufen) mal 3 Minuten – hörig machen. Das zwölfgöttliche Pendant „Heiliger Befehl“ kostet das doppelte, hat die halbe Reichweite und hält nur QSx2 KR (Kampfrunden).
Die bereits erwähnten Doppelungen sind an dieser Stelle zwar nicht zu finden, dennoch sind einige der Liturgien und Zeremonien dermaßen ähnlich, dass man an Platz hätte sparen können. Zum Beispiel gibt es 13 Zeremonien der Tierherbeirufung, die sich zusammenfassen ließen. Einige der Liturgien weisen zudem Fehler auf, die entweder einen Spielleiterentscheid voraussetzen oder gründliche Errata.
Sarastro Patara, irgendeine Hafentaverne, Belhanka, 27. Ingerimm 1035 BF
Kapitel V – Professionen
Eine Zusammenfassung aller Geweihten-Professionen. Löblich. Mit Bildern. Ich entschuldige mich für die Flecken im Werk, die das Herabfallen eines Stückes Salzarele verursacht hat. Passenderweise auf das Bild der Efferdgeweihten. Ausrüstung und Tracht der jeweiligen Professionen sind beschrieben. (Persönliche Notiz: Ausrüstung noch auf Vollständigkeit überprüfen)
Das Bild der Nandusgeweihten auf Seite 202 kommt mir bekannt vor, vermutlich eine Kopie aus einem anderen Werk. Die Golgaritin hat an ihrer Rüstung sicher schwer zu schleppen. Die letzte Seite des Kapitels …
Ich bin zum Aufbruch bereit und werde in weniger als einer Stunde die Stadt mit der Goldmöwe verlassen. Werde diese Dokumente noch einem Boten übergeben und mir das letzte Kapitel und die Anhänge auf der Überfahrt nach Chorhop durchlesen.
Anmerkungen des Autors: Zu den Ausführungen über das fünfte Kapitel, die der Herr Patara macht, ist kaum etwas hinzuzufügen. Die bereits bekannten Professionen sind ebenfalls eins zu eins aus dem Grundregelwerk übernommen und um die neuen Geweihten und Ordensprofessionen ergänzt worden. Der Geweihte des Namenlosen hätte an dieser Stelle statt des Professionspaketes alle wichtigen Hintergrundinformationen zur Weihe etc. erhalten können, sodass seinem Erscheinen in diesem Band damit Genüge getan worden wäre.
Kapitel VI – Archetypen
Die Auswahl von Archetypen beschränkt sich auf Ordensmitglieder und halbgöttliche Geweihte, was aber die Auswahl aus dem Grundregelwerk gut ergänzt. Wieder einmal hervorragend gelungen ist die erzählerische Verbindung zwischen den vorgestellten Charakteren, die einen aveswürdigen Anreiz bietet, selbst ins Abenteuer einzusteigen.
Anhänge
Neben dem Index und einer Checkliste für Optionalregeln ergänzen die Anhänge das Gesamtwerk mit allem, was benötigt wird. Vor- und Nachteile und neue Kampfstilsonderfertigkeiten gehören ebenso dazu wie neue Tiersonderfertigkeiten oder neue Waffen und Rüstungen. Auf die Kampftechnik „Schleudern“ hätte man wohl verzichten können, nachdem sie in vorherigen Publikationen bereits mehrmals aufgetaucht ist. Und auch die „Schwarm-Regeln“ (Kampf gegen Schwärme, zum Beispiel von Ratten) sind gut gemeint, wirken aber im Gegensatz zu den Kampfregeln gegen Einzelwesen nicht ausgereift.
Erscheinungsbild
Schon das Cover lässt erahnen, dass sich die Geweihtenschaft in Zukunft häufiger mit dem Thema Namenloser auseinandersetzen wird. Ob ein Perainebruder nun aber am besten für den Kampf gegen einen Grakvaloth geeignet ist, sei dahingestellt. Die Illustrationen des Werkes sind durchaus gelungen und bieten auch für den Spieltisch eine Bereicherung. Die Texte sind durchweg gut lesbar, wenngleich die Doppelungen etwas stören. Die hervorgehobenen Wertekästen und Infoboxen sind hilfreich und unterstützend. Über die Schmächtigkeit eines Rondrageweihten oder die Breitschultrigkeit einer Golgaritin ließe sich diskutieren, aber nicht notwendigerweise.
Bonus/Downloadcontent
Es ist kein Bonuscontent enthalten.
Fazit
Das Aventurische Götterwirken ist ein solides Regelwerk, das leider einige Makel aufweist. Angefangen mit der Einführung neuer Sonderfertigkeiten, die nicht bis zum Ende durchdacht wurden, bis hin zur namenlosen Anzahl an Doppelungen, die das Werk unnötig dick machen. Das Verhältnis zwischen Regeln und Hintergrundinformationen, wie man sie noch aus Wege der Götter gewohnt war, ist zu Ungunsten der Informationen unausgeglichen. Zudem entwickelt sich schnell das Gefühl, dass der Schwerpunkt des Buches nicht auf den Zwölfgöttern liegt, sondern auf ihrem namenlosen Widersacher.
Wer seiner Heldensammlung einen Geweihten hinzufügen möchte, der kommt um dieses Werk nicht herum und findet hier alles, was er dazu benötigt und ein wenig darüber hinaus. Mit „Predigten und Visionen“ sind ebenso einfallsreiche Neuerungen enthalten, wie mit der Gestaltung der Zeremonialgegenstände. Mein Fazit: Nicht namenlos, aber auch nicht makellos!
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http://wp.me/p1Hoys-9SU
Kurzcheck: DSA 5 - Spielkartenset der Siebenwindküste – Karteikarten 2.0
Wer sich nicht merken kann, was noch einmal genau die Besonderheit seines Havener Messers ist, oder was ihm der Vorteil Koboldfreund bringt, der muss sich das nicht unbedingt notieren oder merken. Nein, denn er kann nun auch zu praktischen Karten greifen.
Irgendwann wurde es einem Spieler unserer Runde zu bunt. In den Kampfregeln gab es so viele Dinge zu beachten und sein Krieger hatte schon so viele Sonderfertigkeiten gelernt, dass er sich nicht mehr alles merken konnte und vor allem auch nicht mehr merken wollte. Also schrieb er sich alles relevante auf Karteikarten, schnürte diese zusammen und konnte seitdem schnell nachgucken, wenn es eine Regelfrage gab, ohne gleich ein dickes Buch zu wälzen.
Das war vor einigen Jahren, als Das Schwarze Auge 4.1 gerade draußen war. Zur fünften Regeledition bringt Ulisses Spiele nun fleißig selber solche Karten raus, die den Spielern helfen sollen, ihren persönlichen Regelkatalog zu managen.
Inhalt
Enthalten sind Karten für alle Gegenstände, Kreaturen, Sonderfertigkeiten, Wesenszüge, Zaubermelodien und -tricks, sowie Zeremonien aus der Regionalspielhilfe und dem Ausrüstungsband zur Siebenwindküste, die ergänzend zu den Grundregelwerken verwendet werden können. Das können ja nicht viele sein, mag man sich da denken, aber tatsächlich stecken in dem kleinen Paket stattliche 130 Karten!
Diese Spielerweiterung richtet sich also vor allem an jene Spieler, die gerne alle regionalen Sonderregeln ausreizen möchten, sich aber keine ellenlangen Notizen machen wollen. Ein Seesöldner aus Havena, kann sich also die Karten zum Albernischen Entermesser und dem Wesenszug der Bewohner des Großen Deltas schnappen, ohne sich die doch recht umfangreichen Sonderregeln erst irgendwo notieren zu müssen. Zudem gibt es natürlich einige Zaubermelodien für die neue Profession der Zauberbarden, deren albernische Ausprägung die feenverbundenen Ceoladir sind.
Sehr praktisch finde ich außerdem die Karten zu den regionalen Kreaturen, da auf einer Seite der Karte immer ein Bild der jeweiligen Kreatur zu finden ist. Dadurch kann man die Karten am Spieltisch wunderbar herumzeigen und muss die teilweise fantastischen Bestien nicht umständlich beschreiben.
Erscheinungsbild
Die Karten sind zweckmäßig aber auch hübsch gestaltet. Findet sich bereits in der Regionalspielhilfe oder in der Rüstkammer eine Illustration zum entsprechenden Wesen oder Objekt, ist diese auf einer der Kartenseiten zu finden. Etwas unschön finde ich die Entscheidung die Karten zu Sonderregeln auf beiden Seiten mit dem jeweils identischen Regeltext zu bedrucken. Hier wäre eine Verzierung als Platzhalter konsequenter und hübscher gewesen.
Fazit
Ich erinnere mich dunkel, dass die fünfte Regeledition von Das Schwarze Auge einmal als unkomplizierter und lockerer Nachfolger der als sperrig empfundenen Edition 4.1 angekündigt wurde. Keine Ahnung, wann dieser Ansatz gründlich verbrannt und mit Karacho über Bord geworfen wurde, aber kaum ein Produkt verdeutlicht diesen Wandel besser, als es die neuen Spielkartensets tun. Immerhin steht der Großteil der 130 Karten für irgendeine Sonderregel, die es zu beachten gibt. Der spielerische Nutzen dieser Sonderregeln erschließt sich mir bisher leider nicht in seinem ganzen Umfang, aber die Spielkartensets sind immerhin ein guter Ansatz, den Spielern die Orientierung in diesem Regelwald zu erleichtern. Wer also an der Siebenwindküste mit allen Regelzusätzen spielen möchte, der kommt an diesem Kartenset nicht vorbei. Außerdem sind hier ja nicht nur obskure Nischenregeln enthalten, sondern auch grundlegende Regeln für die neue Profession der Zauberbarden. Wer Geld sparen möchte, und Abstriche in Sachen Optik und Handhabung dafür in Kauf nimmt, kann natürlich auch via Smartphone oder Tablet auf www.ulisses-regelwiki.de zurückgreifen. Oder sich selber was basteln – wie früher.
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Bei der Veröffentlichung von 7te See gehen die Autoren einen sehr eigenwilligen Weg. Denn bereits der zweite Band des Spiels ist kein Quellenband, kein Regionalband und kein Abenteuer. Es ist eine Sammlung verwegener Schurken und mutiger Helden, die die Welt der 7ten See bevölkern.
John Wick, das kreative Gehirn hinter 7te See, bezeichnet den Band als Experiment. Dennoch erscheint er sehr früh in der Veröffentlichungslinie nach dem Neustart des Mantel-und-Degen-Systems. Helden und Schurken ist eine Sammlung von achtzig Helden und Schurken, die die Länder von Avalon bis Usura bevölkern. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung scheint seltsam, denn noch liegen Spielleitern und Spielern nur sehr wenige Informationen zu den Ländern Theahs vor. Warum also zu diesem Zeitpunkt schon eine Charaktersammlung? Und dazu noch eine so eigenwillige?
Inhalt
Der Band Helden und Schurken umfasst ein paar einführende Gedanken zu Helden, Schurken und Schlägertrupps, einige wenige neue Kniffe, die die Charaktererstellung würzen sollen, und vor allem eine gewaltige Sammlung von Charakteren, unterteilt in Helden und Schurken. Wer nun aber glaubt, hier einige der offenen Fragen aus dem Grundregelwerk beantwortet zu bekommen und endlich ein Who is Who der wichtigen und mächtigen Gestalten Theahs in der Hand zu halten, der wird enttäuscht. Denn die Figuren, die hier geboten werden, sind Randfiguren, die es wohl nie in die großen Geschichtsbücher schaffen dürften.
Helden wie Schurken werden in verschiedene Kategorien unterteilt. Bei den Helden sind das die „Unbeugsamen“, also trotzige Streiter für die gerechte Sache, die „Geschickten“, also wendige Burschen, die sich auf ihre flinken Füße und Hände verlassen können, die „Taktiker“, die „Unerschütterlichen“ und schließlich die raffinierten „Trickster“, die eher mit Witz und Tücke in die Welt ziehen als mit Stärke und gespitztem Degen.
Die Schurken werden unterschieden in die „Bestien“, also besonders blutgierige Gestalten, die „Chamäleons“, die sich in jede Situation und Umgebung einpassen können, die cleveren „Masterminds“, die getriebenen „Unaufhaltsamen“ und schließlich die „Wahnsinnigen“, die ihren Verstand aufgrund ihrer Geschichte eingebüßt haben, unterschieden.
In jeder Helden- und Schurkenkategorie finden sich acht beispielhafte Charaktere. Diese entstammen unterschiedlichen Ländern, sodass der Leser bei der Lektüre des Buches einen recht guten Einblick in die Atmosphäre der verschiedenen Regionen der Spielwelt erhalten kann. Dabei kommt jedoch kein wahres Mantel-und-Degen-Gefühl auf und dem Leser mag es scheinen, er habe einen Quellenband des falschen Spiels erworben. Die Seiten triefen vor Blut. Vergewaltigungen, Kannibalismus, Mord und Gräueltaten reihen sich sowohl in den Vorgeschichten der Helden, als auch in den Beschreibungen der Schurken aneinander. Manchmal mutet das Ganze wie ein Horrorszenario an, manchmal erinnert es an Game of Thrones. Der leichte, bisweilen politische Ton, der 7te See sonst so gerne durchzieht, blitzt hier nur gelegentlich durch. Es scheint fast, als hätte das Autorenteam einen Wettstreit darin begonnen, sich in der Tragik und Blutrünstigkeit ihrer Beschreibungen übertreffen zu wollen. Damit ist dieses Buch leider so gar nicht familienfreundlich.
Die Helden sind in ihren Beschreibungen recht gut gelungen und eignen sich sowohl als Nichtspielercharaktere, als auch als Charaktere für Spieler, die keine Zeit oder Lust haben, sich einen eigenen Charakter zu erstellen. Auch für Oneshots oder Runden auf einer Con kann man diese Rubrik schon einmal zur Hand nehmen. Da jeder der Charaktere jedoch mit sehr spezifischen Motivationen aufwartet, gilt es, solche Figuren mit den zu ihnen passenden Schurken zu konfrontieren, beziehungsweise deren Motivation auch spielerisch umzusetzen. Das beschneidet den Spieler natürlich in der Freiheit des Spiels, die sonst ein Kernkonzept von 7te See ist, weshalb es sich empfiehlt, die Helden tatsächlich eher als NSC zu verwenden. Vorgeschichte, Ziele und Darstellungshinweise sowie die passenden Werte werden dem Spieler oder Spielleiter verständlich und angenehm geschrieben auf einer Doppelseite präsentiert.
Von Schurken geht natürlich immer ein besonderer Reiz aus. Und so fliegen die Finger des Lesers recht schnell zu den Seiten mit dem roten Layout, das Gefahr anzudeuten scheint. Zunächst einmal stellt sich eine gewisse Enttäuschung ein. Kein Captain Reis (diese/r wird erst in den Piratennationen in einer überraschend neuen Form präsentiert), kein Giovanni Villanova, keine der Größen, die wir zu fürchten, zu hassen und zu lieben gelernt haben, lächeln einem von diesen Seiten verschmitzt und schurkisch entgegen. Stattdessen erhält man eine ganze Reihe eigentümlich kaputter Gestalten, die mit Vorgeschichte, kleinen Plotversatzstücken und Charakterbogen geboten werden. Eine interessante Idee ist dabei der Punkt „Rettung“, denn theoretisch sollte für jeden der gebotenen Charaktere ein Weg dargestellt werden, wie man ihn/sie vom Schurkendasein befreien und erlösen kann. Leider ist dieses wirklich schöne Element, das Hoffnung auf wahrhaft heldenhafte Aktionen und ein schönes Rollenspiel mit Tiefgang macht, nur sehr mangelhaft genutzt worden. Bei sehr vielen der Charaktere besteht die Rettung in Tod oder Einkerkerung, oder es ist gleich gar keine Rettung möglich. Das demotiviert und hebelt den schönen Ansatz, der sich hier geboten hätte, direkt wieder aus.
Dabei sind die Schurken durchaus gut gelungen. Da ist die Kapitänin, die aufgrund einer Seenot mit ihrer Mannschaft in der Not Menschenfleisch verzehren musste und Gefallen daran gefunden hat. Da ist der Dorffreak, der sich in ein schönes Mädchen verliebt hat und verschmäht wird. Aus gekränktem Stolz schleppt diese rattengesichtige Abscheulichkeit das Mädchen in die Sümpfe von Innismore und tyrannisiert ihre Familie und ihr Dorf. Da ist die wahnsinnige Herrin vom Hirschblutturm, die den Mord an ihrem Hund nicht verkraftet hat und ihn mit den Kadavern toter Tiere und Magie zu einem abscheulichen Monstrum namens „der Groll“ wiederbelebt, um mit ihm in perverser Liebe zu leben und einen ganzen Landstrich zu knechten. Diese Beispiele zeigen ganz gut, was auf den Leser zukommt. Helden und Schurken bietet eine Vielzahl von Ideen für interessante Kurzabenteuer, die sich auf mancher Con spielen ließen und mit wenig Aufwand vorzubereiten wären. Und es bietet einen Blick auf ein anderes Theah, abseits der großen Politik und der schwingenden Degen.
Erscheinungsbild
Die deutsche Ausgabe von Helden und Schurken, die Pegasus Press zusammengestellt hat, übertrifft die englische Ausgabe in vielen Punkten. Die Haptik des Einbandes ist stabil, das mattierte Material liegt besser in der Hand als das Glanzmaterial von John Wick Press. Auch bei der Papierqualität wurde trotz des günstigen Verkaufspreises nicht gespart.
Das Layout ist sehr gelungen, die Kapitel und die einzelnen Charakterbeschreibungen sind klar gegliedert und sinnvoll aufgebaut, sodass ein schnelles Nachschlagen und Durchlesen vereinfacht wird. Leider stehen die Illustrationen weit hinter dem zurück, was man bisher von der Neuauflage der 7ten See erwarten durfte. Der Zeichner, der die Charakterbilder gestaltet hat, ist nicht in der Lage, männliche Wesen zu zeichnen. Geht man nach den Illustrationen, sehen fast alle Männer irgendwie sehr weiblich aus. Nicht androgyn in einem angenehmen Sinne, sondern schlichtweg weiblich. Dabei stimmen auch oft Proportionen nicht.
Fazit
Helden und Schurken war für John Wick ein Experiment. Er hat sein Theah für diesen Band in fremde Hände gegeben, um zu schauen, was diese daraus machen würden. Das Experiment ist sicher spannend, aber nur sehr bedingt gelungen, denn Helden und Schurken ist in der Veröffentlichungslinie einfach zu früh platziert. Das Grundregelwerk von 7te See hat schlichtweg zu viel Fragen offen gelassen, als dass es jetzt sinnvoll erscheinen kann, an diese Stelle schon einen durchwachsenen Band mit gesammelten Charakteren für Kleinstabenteuer und als interessanten Gelegenheits-NSC an den Start zu bringen. Denn noch ist die Bühne der Welt nicht ausreichend bestückt. Davon abgesehen weicht die Atmosphäre, die der Band vermittelt, deutlich von dem ab, was der Leser von 7te See gewohnt ist. Zu viel Blut und kaputte Seelen drängen sich auf den Seiten. Da hilft leider auch das sehr schöne Erlösungskonzept für die Schurken nicht weiter, weil dieses nicht effektiv von den Autoren genutzt wurde. Am besten eignet sich das Buch wohl zur reinen Lektüre, denn einige der Texte sind durchaus atmosphärisch geschrieben und können sogar ein paar nette Inspirationen für eigene Abenteuer bieten.
Ansonsten ist Helden und Schurken eher etwas für Eilige, denen es gerade an der Zeit mangelt, eigene Ideen zu entwickeln. Der Band ist nicht schlecht, doch kann man sich ein solches Experiment eher erlauben, wenn der Rest der Welt schon recht gut entwickelt und dargestellt ist. Leider überzeugen auch die Illustrationen nicht und zerstören streckenweise die Atmosphäre. Trotzdem kann man das Buch bei dem Ausgabepreis als Sammler ganz gut in die Sammlung aufnehmen.
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http://www.teilzeithelden.de/2017/07/21/ersteindruck-conan-adventures-in-an-age-undreamed-of-modiphius/
Wer wollte nicht schon einmal das Schwert nehmen und die Welt von Conan dem Barbaren erkunden? Ein durch Kickstarter finanziertes Projekt ist jetzt erschienen und protzt mit viel Artwork. Doch kann das Regelwerk der Welt von Robert E. Howard gerecht werden und ist das System stimmig?
„Steh mir bei, Crom!“, möchte man rufen, sobald man die ersten Bilder des Regelwerkes sieht. Conan, dieser Urtyp eines Barbaren, ist zurück! Das 2W20-System von Modiphius wirkt interessant und flott, kann aber auch unübersichtlich werden. Wir haben uns einen Ersteindruck verschafft, und diesen bieten wir euch nun dar, wie ein Priester Mitras ein Opfer seiner Göttin.
Die Spielwelt
Auf der schön gestalteten Karte im Regelbuch kann man schnell erkennen: Hyboria ist vielfältig. In Filmen, Büchern, Comics und Spielen wurde die umfangreiche Welt von Conan bereits beschrieben, und es gibt Unzähliges zu entdecken. Von den französisch angehauchten Aquiloniern, über die von den Chinesen entlehnten Khitai bis hin zu den Stammesgenossen von Conan, den Cimmeriern, ist ein breites Spektrum der Völker und Kulturen vertreten. Robert E. Howard hat viele Bezüge zu den Zivilisationen unserer Vergangenheit hergestellt, während er das hyborische Zeitalter erdachte. Dadurch ist es Modiphius möglich, auf ein großes Portfolio an Daten zurückzugreifen.
Das Regelwerk liefert auf über 60 Seiten einen guten Überblick über die Spielwelt und genug Details zu nahezu allem, was man darüber wissen muss. Es wird sowohl die Geschichte Hyborias und deren einzelner Länder und Königreiche umrissen, als auch für jedes Gebiet einzeln eine übersichtliche Einführung gegeben. Man erfährt etwas über die Sprachen und Gebräuche der lokalen Volksgruppen, deren generelles Erscheinungsbild und die herrschenden Lebensumstände. Im Kapitel für Spielleiter werden außerdem mögliche Spielsettings und einige Arten von Gruppen, denen die Spielercharaktere angehören könnten, erklärt und zusätzlich das Leben zwischen den Abenteuern beleuchtet. Eine solide Ansammlung an Monstern und Gegnern aller Art, sowie einiger NSC und Berühmtheiten, ist auch enthalten. Insgesamt wirkt alles sehr rund, und auch Neueinsteiger in die Welt von Conan bekommen hier ein gutes Werkzeug an die Hand, um sich eine Vorstellung davon zu machen, was es heißt, in Hyboria zu leben.
Die Regeln
Gespielt wird mit dem 2W20-System aus eigenem Hause, bei dem der Würfelpool auf bis zu 5W20 ansteigen kann. Beim Würfeln mit dem W20 sind niedrige Ergebnisse wünschenswert. Die 1 stellt einen von Mitra gesegneten Erfolg dar, aus einer 20 hingegen ergeben sich Komplikationen für den Charakter. Mit den sechsseitigen Kampfwürfeln wird der Schaden ermittelt, wobei die Augen jeweils unterschiedliche Bedeutungen haben. So addieren 1 und 2 ihren Wert zum Schaden, 5 und 6 ergeben je einen Schadenspunkt und einen Zusatzeffekt, und 3 und 4 helfen dem Angreifer gar nicht.
Die Grundlagen
Jeder Charakter besitzt die gleichen sieben Attribute (Agility, Awareness, Brawn, Coordination, Intelligence, Personality und Willpower) mit Werten zwischen (normalerweise) 6 und 12. Hohe Attribute geben Boni zu Schadenswürfen und verbessern allgemein die Chance auf einen Erfolg. Des Weiteren gibt es fünfundzwanzig an die Attribute geknüpfte Fertigkeiten. Darunter fallen zum Beispiel Athletik, Sprache oder Segeln. Diese werden mit Werten für „Expertise“, also der generellen Kenntnis, und „Focus“, also dem tieferen Verständnis, beziffert und bewegen sich zwischen 1 und 5. Wann immer ein Würfelwurf fällig wird, geschieht dies über eine von zwei Probenarten: Erfolgsproben gegen einen Schwellenwert und sogenannte „Struggles“, welche Vergleichsproben sind, bei denen aber ebenfalls ein Schwellenwert gesetzt wird.
Drei Elemente sind im Spiel immer wieder wichtig: „Momentum“, „Doom“ und „Fortune“.
Momentum ist eine Gruppenressource, die durch überzählige Erfolge bei Proben generiert wird und für mehr Würfel bei Proben, zusätzliche Informationen und weitere interessante Dinge eingesetzt werden kann.
Doom ist eine Spielleiterressource, die er unter anderem durch verpatzte Proben der Spieler erhalten kann, und mit der er Komplikationen seiner NSCs verhindern, in Kämpfen vor den Spielern handeln oder andere fiese Dinge anstellen darf. Sollte ein Charakter ein Attribut über 12 (maximal geht es für Spieler hier bis 14) steigern, erhält er die „Ancient Bloodline“, welche dafür sorgt, dass der Doom-Pool des Spielleiters schneller ansteigt, nämlich immer dann, wenn der betreffende Spieler eine Personality-Probe nicht schafft.
Neben der Gruppenressource Momentum und dem Spannungselement Doom ist Fortune das dritte wichtige Spielelement. Zu jedem Spieleabend erhalten alle Spieler in der Regel je drei Punkte Fortune und können bis zu fünf davon anhäufen. Neben der schon fast langweiligen Möglichkeit, einen Würfel zu seinem Wurf hinzuzuaddieren, indem man einen Punkt Fortune ausgibt, erhalten Spieler damit noch weitere nützliche Optionen. Die bei weitem spannendste Anwendungsart ist die, dass man einen Fakt benennen bzw. ein Detail zur aktuellen Szene hinzufügen darf. Natürlich muss dieses Detail logisch passend sein und vom Spielleiter abgesegnet werden, aber allein das Kopfkino, das beim Gedanken an diese Option anspringt, lässt einen lächeln.
Der Gedanke hinter diesen drei Elementen ist durchaus gut: Belohnung für gute Proben, Spannung durch den Doom-Pool und eine coole Möglichkeit, die Geschichte zu gestalten oder sein Glück auszureizen. Der Nachteil ist aber, dass es viele zu verfolgende Häufchen mit Markern auf dem Spieltisch gibt. Bei einem durchschnittlich organisierten Rollenspieltisch kann da sicherlich mal das eine oder andere verloren gehen. Hier sind kreative Lösungen gefragt.
Proben
Erfolgsproben sind zum Beispiel Fertigkeitsproben. Der Schwellenwert ergibt sich aus der Expertise einer Fertigkeit plus dem dazu passenden Attributswert. Zusätzlich erhält man für jeden Würfelwurf gleich oder weniger seines Focus-Wertes einen Extraerfolg.
Ein Beispiel: Ein Barbar stürzt einen kleinen Abhang herunter und versucht seinen Fall abzufangen. Seine Werte bei der Fertigkeit Akrobatik sind Expertise 2 und Focus 2, seine Agility beträgt 10. Der Schwellenwert ist also 12 (Agility und Expertise). Mit 2W20 erhalten wir eine 11 und eine 2. Dies sind zwei Erfolge, da beide Würfelergebnisse den Schwellenwert unterschreiten, und ein Zusatzerfolg, weil die 2 unseren Wert in Focus erreicht.
Winged One, ein Beispiel für ein Gegnerprofil
Wie viele Erfolge man benötigt, um seine Aktion zu schaffen, legt der Spielleiter mit der Difficulty, also dem Schwierigkeitsgrad, fest, der sich zwischen D0 und D5 bewegt. D0 stellt hier Proben dar, die zu einfach sind, als dass es sich lohnt zu würfeln. D1 ist eine einfache Aufgabe, wie das Knacken eines simplen Schlosses. D5 ist eine epische Herausforderung und nur sehr schwer zu schaffen, da 5W20 die maximale Würfelzahl bei einem Wurf sind. Für jeden Erfolg über der benötigten Anzahl erhält die Gruppe eine Momentum-Marke.
In unserem Beispiel wäre die Schwierigkeit D1. Die drei Erfolge sind also ausreichend, um den Fallschaden zu verringern, und wir erhalten zwei Momentum-Marken für die zusätzlichen Erfolge über den Schwierigkeitsgrad hinaus.
Für jede gewürfelte 20 entsteht eine Komplikation. Das kann ein blockierter Fluchtweg sein, der Verlust von wichtiger Ausrüstung oder ein klassischer Fauxpas in der sozialen Interaktion. Der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt. Der Spielleiter kann stattdessen auch zwei Doom-Marken auslegen, auch auf Wunsch des Spielers.
Vergleichende Proben, Struggles genannt, werden immer dann fällig, wenn zwei Charaktere mit gegensätzlichem Interesse handeln. Dies kann ein direkter Kampf, ein Wettrennen oder eine andere Form der Auseinandersetzung sein. Auch hier wird gegen einen Schwierigkeitsgrad gewürfelt, der bei den Gegnern durchaus unterschiedlich hoch sein kann. Der Charakter mit den höheren Erfolgen über den Schwierigkeitsgrad hinaus gewinnt, und seine Gruppe erlangt die Differenz zu den Erfolgen seines Kontrahenten als Momentum. Bei Gleichstand gewinnen die Spieler, es sei denn, der Spielleiter verwendet eine Doom-Marke.
Kampf und Raum
In einer Kampfsituation beginnen die Spielercharaktere zuerst, es sei denn, der Spielleiter verwendet einen Doom-Marker, damit einer seiner NSC vorher agieren darf. Diesen Vorteil kann er einsetzen, wann immer er möchte, nicht nur vor dem ersten Spieler, sondern auch vor jedem weiteren. In welcher Reihenfolge die Spieler ihre Charaktere handeln lassen, dürfen diese untereinander ausmachen. Danach folgen alle NSC, die nicht per Doom vorher schon gehandelt haben. Die Runde endet, wenn alle agiert haben, ein Momentum wird vom Gruppenpool abgezogen, und die nächste Runde beginnt. Lästiges Initiativewürfeln ist somit nicht nötig.
In jeder Runde sind eine Standardhandlung, eine kleine Handlung und beliebig viele freie Handlungen möglich. Ist man selbst nicht am Zug, darf man lediglich reagieren.
Distanzen und Räume im Kampf werden relativ schwammig behandelt. Hier zeigt sich, dass das System klar erzählerisch ausgelegt ist: Distanzen sind als abstrakte Zonen zu verstehen, in denen die Entfernungen mit unterschiedlichen Handlungen überbrückt werden können. Einen Ort zu erreichen, der nah ist, schafft man z. B. mit in einer freien Handlung, einen weit entfernten Ort mit einer Standardhandlung. An dieser wichtigen Stelle im Regelwerk hat es mich das erste Mal enttäuscht. Durch die Abstraktheit der Zonen wird es sicherlich von Situation zu Situation starke Schwankungen geben, wie weit sich ein Charakter bewegen kann, ohne dass es den Spielern unbedingt plausibel erscheint. Hier ist ein guter Spielleiter wichtig, oder man nimmt sich den Hinweis zu Herzen, der fairerweise gegeben wird, dass Miniaturen, Kartenschablonen oder aufgemalte Karten zur Übersicht beitragen können. Dennoch fehlt mir hier Crunch.
Der Zauberei wird ein eigenes Kapitel gewidmet. Aus gutem Grund, wie man schnell feststellt. Viele Zauber haben alternative Effekte und können zusätzlich noch mit Momentum variiert werden. Beispielsweise kann der Zauber „Dismember“ einfach Schaden an einem Gegner verursachen, einem anderen Charakter einen Bonus auf die Fertigkeit Heilung geben oder ein unbelebtes Objekt beschädigen. Zusätzlich können Momentum-Marken den Schaden steigern oder verändern.
Zwischenfazit und weitere Regeln
Insgesamt werden die Grundregeln auf nur elf Seiten erklärt, was herausragend ist, wenn man bedenkt, dass sie dabei sogar noch verständlich sind. Im Gegensatz zu manch anderem Regelwerk kann man sich die Regeln hier zum einen ziemlich gut merken und zum anderen flott nachschlagen, da sie kompakt positioniert sind. Zudem halten sich narrative Elemente und pure Regelkunde die Waage, während die Beispiele in den Infokästchen dazu beitragen, letzte Fragen zu beseitigen. Das gefällt! Bei den Kampfregeln und im Bereich Zauberei benötigt man mehr Zeit, um sich einzufinden. Die vielen Möglichkeiten, Momentum einzusetzen, und die erzählerische Art, den Kampf zu gestalten, können zu Beginn leicht überfordern. Weitere Dinge, die zu berücksichtigen sind, wie Trefferzonen, verschiedene Formen von „Stress“, Schadensarten, und sogar der berittene Kampf, können einen zu Beginn überfordern. Nach ein paar Kämpfen hat man das aber auch in den Grundzügen verstanden, und die Feinheiten kommen dann sicherlich im Laufe der Zeit.
Charaktererschaffung und -entwicklung
Der Fokus liegt während der gesamten Erstellung auf der Geschichte, die der Charakter zu erzählen hat. Wo kommt er her? Was treibt ihn an? Welches Ereignis hat ihn für die Zukunft geprägt? Während man auswählt oder würfelt, nimmt die Geschichte Gestalt an. Immer wieder wird auf die Beschreibungen der Städte, Kulturen und Völker verwiesen, während man erlebt, wie aus bloßen Zahlen und Werten ein echter Charakter wird. Das ist großartig!
Die Charaktererschaffung wird eingehend beschrieben. Neben einer Einführung in die Idee davon, was es heißt einen Charakter zu verkörpern, der durchaus den eigenen Gewohnheiten entgegen handeln kann, findet man auch vorgefertigte Helden zum schnellen Einstieg. Für die Erschaffung eines eigenen Alter Ego wird man Schritt für Schritt angeleitet.
Das System erlaubt es, einen Charakter komplett, teilweise oder ohne Zufall, durch die direkte Auswahl der favorisierten Option, zu erstellen. Das gewährleistet eine gute Balance zwischen Schnellstart und komplexer Ausarbeitung. Die Beschreibungen jeder der zehn Schritte sind detailliert, aber nicht so lang, dass man das Interesse verliert. Die übersichtlichen Tabellen und prägnanten Erläuterungen zeigen, dass eine einfache Designlösung nicht auch eine schlechte sein muss.
Mit der normalen Charaktergenerierung werden Helden geschaffen, die sich mit Conan und Co. in eine Reihe stellen können. Ein Wert von 12 ist bei wenigstens einem Attribut nicht schwer zu erreichen, und die Ancient Bloodline, die damit einhergeht, wenn man darüber hinaus steigert, ist sicherlich in jeder normal erstellten Gruppe wenigstens einmal vertreten. Für Spieler oder Spielleiter mit anderem Fokus bieten sich Alternativen, durch die insgesamt schwächere, ärmere oder Spielergruppen mit anderen Einschränkungen zustande kommen.
Leider ist der Charakterbogen spektakulär unübersichtlich, was sowohl den Erstellungsprozess verzögert, als auch im Spielverlauf nervig sein kann.
Insgesamt dauert die Erstellung beim ersten Mal 30-40 Minuten, wenn man sich nicht zu lange mit Entscheidungen herumplagt, sich aber ein wenig in die Welt einlesen will. Jene, die gerne alle Optionen ausschöpfen möchten, sollten für den Anfang eine gute Stunde einplanen. Komplett gewürfelt ist man sicherlich in unter 15 Minuten fertig. Sobald man die Beschreibungen aber kennt, und weiß, worauf man achten muss, ist auch die Erstellung ohne Würfel sehr flott in rund 20 Minuten erledigt.
Die Charakterentwicklung wird über Erfahrungspunkte gesteuert, die aber sehr frei vergeben werden. Damit können dann Attribute und Expertise bzw. Focus von Fertigkeiten linear gesteigert und Talente erlernt werden, die die Fertigkeiten ergänzen. Außerdem gibt es Schätze und Ruhm zu erlangen.
Erscheinungsbild
Das Grundregelwerk ist komplett in Farbe und schön gestaltet. Neben den vielen Bildern der verschiedenen namhaften Künstler, die alle ihren eigenen Stil einbringen, gibt es auf den über 420 Seiten eine Menge zu sehen. Man kann sich nun streiten, ob ein einheitlicher Kunststil besser gewesen wäre, aber insgesamt wirken die unterschiedlichen Einflüsse passend und schlichtweg schön.
Infokästchen, Tabellen und Baumdiagramme illustrieren Fähigkeiten, informieren über Ausrüstung und erläutern die Bedeutung von Würfelergebnissen. Das Inhaltsverzeichnis ist übersichtlich, und wenn man gezielt etwas sucht, hilft der Index. Insgesamt ist das ganze Regelwerk nachvollziehbar gegliedert und mit vielen Zwischenüberschriften versehen, wodurch man sich gut zurechtfindet.
Leider gibt es auch Negatives. Die Übergänge der Bilder zum Hintergrund hätten oft schöner sein können, und gerade im Kapitel zur Ausrüstung sind Abbildungen spärlich gesät. Da hilft es auch nicht, dass über das ganze Buch Abbildungen verschiedener Waffen verstreut sind. Außerdem wird der von Kapitel zu Kapitel unterschiedliche Rahmen, der die Seiten oben und unten wirklich schön abschließt, durch große, halbseitige Bilder unterbrochen. Das stört das Auge, und man hätte das anders regeln sollen.
Am Ende findet man einen dreiseitigen, etwas zu überladenen Charakterbogen, der zwar nett anzusehen, in der Praxis aber leider unübersichtlich ist.
Insgesamt ist es ein schönes und gut lesbares Regelwerk, das mich gerade durch seine Verschiedenartigkeit und sorgfältige Gestaltung positiv überrascht hat.
Bonus/Downloadcontent
Es gibt gratis Schnellstartregeln zum Download (z.B. bei DriveThruRPG).
Fazit
Conan – Adventures in an Age Undreamed Of ist erzählfokussiert, abwechslungsreich und wirklich interessant. In den Actionszenen kommen die vielen Möglichkeiten und besonderen Spannungsfaktoren, die die Spieler mit Doom, Momentum und Fortune erwarten, gut zur Geltung. Für atemberaubende Kämpfe und legendäre Heldentaten ist mehr als genug Platz. Sowohl die bereits vielen bekannte Welt von Hyboria, als auch das gut ausgearbeitete 2W20-System können überzeugen. Die Grundlagen der Regeln sind einfach zu verstehen und gut erklärt, was einen Einstieg wirklich erleichtert. Auch die Charaktererstellung ist nicht unnötig kompliziert, sondern flott und meiner Meinung nach ausgezeichnet. Das Regelwerk ist wirklich etwas fürs Auge und zumindest in der von mir begutachteten PDF-Version preislich in Ordnung. Positiv zu bemerken ist auch das enthaltene Einstiegsabenteuer, mit dem man direkt loslegen kann.
Durch die erzählerischen Elemente kann man sich die Aufgabe des Spielleiters aber recht schwierig vorstellen, wenn dieser noch nicht viel Erfahrung hat. Auch die unspezifische Aufteilung der Räume und Distanzen in Zonen ist eher unpraktisch und verlangt bestimmt eine gute Zusammenarbeit der Spieler mit dem Spielleiter, damit kein Frust aufkommt. Die genauen Auswirkungen dieser potentiellen Schwächen müssen aber noch getestet werden.
Trotz der kleinen Abzüge sind wir sehr angetan von dem, was Modiphius präsentiert, und können jedem Sword-&-Sorcery-Fan nur raten, einen Blick zu riskieren.
Der Ersteindruck basiert auf der Lektüre des Regelwerks, der Erstellung einiger Charaktere und Würfelproben zum Verständnis. Ein Spieltest könnte im September erfolgen.
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Jahrzehnte lang war die Raumstation Coriolis ein Garant für den Frieden im Dritten Horizont. Doch nun brechen alte Konflikte wieder auf, und neue Gegenspieler erscheinen auf der Bildfläche. Für tatkräftige Abenteurer gibt es also genug zu tun, doch können sie das Dunkel zwischen den Sternen stoppen?
Kickstarter-Projekte in der Rollenspielszene gibt es inzwischen wie Kiesel am Baggersee. Manche werden erfolgreich finanziert und verschwinden dann doch im Nirwana oder enttäuschen die Spender. Coriolis gehört zum Glück nicht dazu. Das Projekt aus Schweden ist seit einigen Monaten in Buchform sowie als PDF erhältlich und macht auf dem ersten Blick einen sehr guten Eindruck. Ein schlankes Regelwerk und ein Setting, dass die Kult-Serie Firefly, die Alien-Filme und orientalisches Flair miteinander mischen soll, wirken vielversprechend. Doch hält das Projekt, was es verspricht, oder scheitert es an seinen Ambitionen? In den folgenden Zeilen erfahrt ihr es!
Die Geschichte des Dritten Horizonts
Wenn ich ein neues Regelsystem erschließe, werfe ich meistens erst einmal einen Blick in die Kapitel, die mehr über den Hintergrund verraten. Denn oft sind bereits die Kapitel, die sich den trockenen Regeln und der Charaktererschaffung widmen, mit Anspielungen auf die jeweilige Rollenspielwelt vollgepackt. Was die Neun Ikonen sind oder wer sich hinter der Zenithianischen Handelsallianz verbirgt, sollte gleich zu Beginn geklärt werden. Deswegen beginne ich diese Rezension auch mit der Vorstellung der Welt von Coriolis.
In den Tiefen des Alls, wahrscheinlich in einer weit entfernten Galaxis, befindet sich der Dritte Horizont – eine Ansammlung von 36 Sternensystemen, die miteinander durch Sternenportale verbunden sind. Sein Zentrum ist die gigantische Raumstation Coriolis, die dem Regelsystem seinen Namen gibt. Hier eine kurze Zusammenfassung, wie der Dritte Horizont zu der abenteuerlichen Spielwiese geworden ist, die im Grundregelwerk beschrieben wird:
Vor sehr vielen Jahrtausenden entdeckten die Bewohner von Al-Ardha – so wird die Erde inzwischen in alten Legenden genannt – eine neue Art der interstellaren Fortbewegung. Uralte Portalsysteme unbekannter Herkunft ermöglichten die schnelle Reise in ferne Sternensysteme, in denen bewohnbare Planeten auf die Besiedlung warteten. Die Herrscher von Al-Ardha kolonisierten diese Welten, wurden somit zu den Herren des Ersten Horizonts und wachten mit eiserner Hand über ihre Untertanen.
Wer diese Herrschaft nicht anerkannte, fand im Zweiten Horizont eine neue Heimat. Dort entstanden schon bald neue Reiche, deren Machtwillen dem Imperium von Al-Ardha in nichts nachstand. Da die Bevölkerung sehr schnell zunahm und Ressourcen knapp wurden, erforschte man weiterhin die Portale, um neuen Lebensraum in der Unendlichkeit des Weltalls zu finden. So wurde der Dritte Horizont entdeckt, und er wurde im Laufe der Jahrhunderte die Heimat von Glücksrittern, religiösen Dissidenten und Rebellen, die sich weder im Imperium des Ersten Horizonts, noch in den Reichen des Zweiten Horizonts wohlfühlten.
Nach einer langen des Zeit des Wohlstands kam es schließlich zu einem Konflikt, dessen Ursache ungeklärt ist. Je nach Überlieferung gerieten die Bewohner des Dritten Horizonts zwischen die Fronten der beiden älteren Horizonte oder wurden gar wegen Rohstoffknappheit gemeinsam von diesen angegriffen. Jedenfalls endeten die sogenannten Portalkriege erst nach einem langen und verlustreichen Konflikt, in dessen Folge die Sternenportale zum Ersten und Zweiten Horizont zerstört wurden. So entwickelte sich der Dritte Horizont zu einer unabhängigen Region, die mit jeder Generation neue Traditionen und ein eigenes Geschichtsbewusstsein entwickelte.
Doch eines Tages erschütterte ein unvorhersehbares Ereignis den Dritten Horizont. Die Zenith, ein gigantisches Raumschiff mit vielen hunderttausend Menschen, erreichte den Dritten Horizont. Dabei handelte es sich um ein uraltes Kolonieschiff, dass vor über einem Jahrtausend Al-Ardha verlassen hatte. Ursprünglich sollten die Passagiere die Zeit im Kälteschlaf verbringen, aber schließlich entschieden sie sich aus heute unbekannten Gründen dafür, im Wechsel der Generationen auf dem Schiff zu leben und zu sterben.
Die Zenithianer, wie man sie bald nannte, waren überrascht, ihren Zielort und auch alle anderen Sternensysteme in der Umgebung besiedelt vorzufinden. Doch anstatt sich resignierend zurückzuziehen oder gar einen Krieg zu beginnen, verhandelten sie mit den ersten Siedlern (engl. Firstcome). Die Zenith nahm eine Umlaufbahn über dem Planeten Kua ein und wurde zu einer riesigen Raumstation umgebaut – zur Coriolis.
Der Status Quo
Die Inbetriebnahme der Raumstation Coriolis liegt inzwischen 65 Jahre zurück, und die Zenithianer hatten ihren Anteil daran, dass ihre alte Heimat zum unumstrittenen Zentrum des Dritten Horizonts geworden ist. Botschafter der verschiedenen Fraktionen haben dort Quartier bezogen und sorgen für eine halbwegs stabile Balance zwischen den vielfältigen Machtgruppen, darunter Handelskonsortien, theokratische Orden, Forscherverbände und militärische Gruppierungen.
Religion, Forschung und Handel sind zentrale Motivationen der Bewohner des Dritten Horizonts. Mit dem Segen der Neun Ikonen, die jeweils eine eigene Konzeptfigur wie den Richter, den Spieler oder den Tänzer darstellen, suchen die Menschen ihr Glück inmitten der ungreifbaren Leere zwischen den Sternen und dem turbulenten Leben auf den Planeten. Handelsfürsten sichern als Patrone das Wohlergehen ihrer Untergebenen, Entdecker erforschen neue Welten, mitunter begleitet von Söldnern, von denen einige Gruppierungen so mächtig geworden sind, dass sie sich eigene Machtdomänen sichern konnten.
Diese verschiedenen Fraktionen würden schon genug Stoff für einige Abenteuer im Dritten Horizont bieten. Doch aktuell sorgen einige mysteriöse Vorkommnisse für noch mehr Drama zwischen den Sternen. Fünf undurchschaubare Wesen, die sich selbst als Botschafter (engl. Emissaries) bezeichnen, sind vor kurzem in der Nähe eines alten Gasriesen aufgetaucht. Ihr Erscheinen sorgt für Unruhe und wird vom Ausbruch einer unerklärlichen psychischen Krankheit begleitet. Doch was die einen in den Wahnsinn treibt, verleiht den anderen außergewöhnliche mentale Kräfte. Leider werde jene, welche die Symptome dieser Krankheit zeigen, gejagt und getötet, da die anderen Menschen sie nicht verstehen und fürchten, dass diese Krankheit sich ausbreiten könnte. Zudem erklärte sich jener Botschafter, der auf Coriolis ein festes Quartier bezogen hat, zu einem leibhaftigen Abbild des Richters, einer der Neun Ikonen. Für viele ist es Häresie, doch für einige das Zeichen, dass eine neue Zeit angebrochen ist, und das sie gegen die etablierten Priester aufstachelt.
Durch diese Ereignisse brechen längst überwunden geglaubte Konflikte zwischen den Traditionen der Alteingesessenen und den fortschrittlichen Ambitionen der Zenithianer wieder auf. Das Dunkel zwischen den Sternen, wie es in den Legenden der Alten heißt, wird wieder mächtiger ...
Die Regeln
Der Übergang vom Hintergrund zu den Regeln ist fließend, denn zu Beginn einer Kampagne müssen die Spieler sich gemeinsam für ein Gruppenkonzept entscheiden. Als Freihändler, Söldner, Entdecker, Agenten oder Pilger stehen ihnen jeweils drei weitere Unterkonzepte zur Auswahl, sodass für jede Gruppe und jeden Geschmack etwas dabei sein sollte. Ebenso verhält es sich auch mit den Spielercharakteren, für die wiederum der einzelne Spieler jeweils ein Konzept und bei Bedarf auch ein Unterkonzept auswählen kann.
So können die Spieler zum Beispiel entscheiden, dass sie gerne eine Gruppe Entdecker spielen möchten, die als Prospektoren für eine Fraktion unterwegs ist. Und wer diese Gruppe mit einem Konzept als Wissenschaftler bereichern möchte, kann sich aussuchen, ob er dies als Archäologe, Techniker oder Mediziner tun will. Zudem kann sich die Gruppe einen Patron, der sie finanziell unterstützt, aus den Vorlagen im Regelwerk aussuchen oder selber ausdenken. Allerdings werden sie sich im Laufe ihrer Abenteuer auch mit einer Nemesis auseinandersetzen müssen. Wer also von einem reichen Händler unterstützt wird, der eine dünn besiedelte aber rohstoffreiche Region auf einem anderen Planeten erschließen möchte, könnte zum Beispiel Probleme mit dem Anführer der dortigen Kolonisten bekommen.
Diese Entscheidungen zu Beginn haben aber in erster Linie erzählerische Auswirkungen. Die Regeln sind insgesamt so simpel, dass sie schnell zusammengefasst sind. Am Anfang werden ein paar Punkte auf Attribute verteilt, ein paar Fertigkeiten hochgestuft und ein spezielles Talent ausgewählt. Hier gibt es keine großen Überraschungen, und Rollenspielveteranen sollten sich ohne Weiteres zurechtfinden. Auch für Einsteiger ist Coriolis durch die übersichtlichen Regeln sicher reizvoll.
Selbst der Raumschiffkampf ist simpel gelöst, auch wenn Simulationsfetischisten wahrscheinlich grummelnd ein paar optionale Sonderregeln für mehr Tiefgang fordern werden. Übrigens, ein Raumschiff besitzt jede Gruppe in Coriolis zu Beginn. Die Möglichkeit, von Planet zu Planet reisen zu können, ist ein zentrales Element und für manche Gruppenkonzepte unabdingbar. Sicher, man kann auf das Raumschiff verzichten und braucht natürlich auch nicht zwingend ein Gruppenkonzept, aber ich persönlich möchte schon gerne mal einen Landeanflug auf die namensgebende Raumstation ausspielen. Mir sind allerdings keine regeltechnischen Konsequenzen aufgefallen, warum man bei Bedarf nicht einfach eine Survival-Kampagne im Dschungel von Kua mit einer Gruppe spielen kann, die nur aus gestrandeten Archäologen besteht.
Zum Spielen braucht man nur einfache sechsseitige Würfel. Für jeden Punkt, den man in einer Fertigkeit hat, nimmt man einen Würfel und wirft diese alle auf einmal. Sobald eine Sechs dabei ist, gilt die Probe als geschafft. Mehrere Sechser gelten als außerordentliche Erfolge.
Das Dunkel zwischen den Sternen
Weiter oben habe ich den Glauben an die Neun Ikonen und das Dunkel zwischen den Sternen erwähnt. Dieser spirituelle Konflikt spiegelt sich auch in den Regeln wieder. Jeder Spieler wählt für sich eine maßgebende Ikone aus und kann durch Gebete regeltechnische Vorteile erlangen. Allerdings ist das Universum auf Ausgleich bedacht, und der Spielleiter kann anhand von „Darkness Points“ nachverfolgen, wie oft die Kraft der Ikonen beansprucht wird. Ist ein gewisses Maß überschritten, regt sich in der Tiefe des Alls Widerstand, und es kann passieren, dass das Dunkel zwischen den Sternen dadurch mächtiger wird. Für die Spieler bedeutet dies, dass es später zu einem größeren oder kleineren Unglück kommen kann. Wer also zum Beispiel des Öfteren um einen sauberen Schuss mit seiner Pistole bittet, dem kann es passieren, dass bald seine Waffe eine Ladehemmung hat. Es kann aber auch sein, dass der Spielleiter die „Darkness Points“ ansammelt und erst viel später eine Reaktion erfolgen lässt, wenn zum Beispiel ein plötzlicher Sturm über der Gruppe niedergeht oder einer der Spielercharaktere temporär einem unerklärlichen Wahnsinn verfällt, der ihn ins Visier jener Mitbürger treibt, die sich um mentale Reinheit sorgen.
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Eine Sache habe ich bisher noch gar nicht erwähnt. Zwischen den Sternen tummelt sich allerlei exotisches Leben. Besonders bemerkenswert sind dabei die als Dschinne bekannten Geisterkreaturen, die aus dem Dunkel zwischen den Sternen stammen sollen und unerkannt unter den Menschen leben. Hierbei wird ausdrücklich erwähnt, dass es dem Spielleiter überlassen ist, wie fantastisch er seine Kampagne gestalten will. Entweder gibt es diese Kreaturen wirklich, oder es sind nur abergläubische Gerüchte unter verwirrten Raumfahrern. Sollten sie wirklich existieren, ist dies in jedem Fall reines Spielleiterwissen und ein Mysterium, das die Spieler erst nach und nach ergründen sollten.
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Erscheinungsbild
Die Illustrationen des Grundregelwerks sind solide bis hervorragend. Die Eigenheiten der verschiedenen Fraktionen und Planeten werden stets treffend und anschaulich dargestellt. Zwar verschwindet das gewünschte orientalische Flair hin und wieder zwischen kühler und stahlgrauer SciFi-Optik, sorgt aber für originelle Farbtupfer.
Auch die verschiedenen Raumschiffmodelle bekommen ausreichend Platz und einige übersichtliche Deckpläne spendiert. Dabei darf natürlich auch die Raumstation Coriolis nicht fehlen, deren Lageplan für meinen Geschmack allerdings gerne noch etwas detaillierter hätte sein können.
Insgesamt präsentiert sich der Band aufgeräumt und gut lesbar. Einige Informationen sind zwar unglücklich über den Band verteilt, aber erstens bleibt das bei umfangreichen Grundregelwerken wahrscheinlich nicht aus, und zweitens gibt es einen sehr hilfreichen Index, der die Suche erleichtert.
Fazit
Coriolis entführt die Spieler in eine durchaus interessante SciFi-Welt, die hier und da einige frische Akzente setzen kann. Größtenteils hat man allerdings die meisten erzählerischen Motive schon einmal irgendwo gesehen. Bei uralten Sternenportalen einer vergangenen Zivilisation und einer gigantischen Raumstation, die als gesellschaftliches und politisches Zentrum dient, muss man unweigerlich an Mass Effect denken. Ebenso ist Firefly ist als Vorbild allgegenwärtig, wird im Band aber auch als eine prägende Inspiration genannt.
Trotz allem kann das Setting voll und ganz überzeugen. Abgesehen von den Zwistigkeiten zwischen den verschiedenen Fraktionen bietet das mythologische Konzept um die undurchsichtigen Botschafter, die Neun Ikonen und das Dunkel zwischen den Sternen genug Stoff für Abenteuer, bei denen es um mehr als die nächste Warenlieferung mit dem gruppeneigenen Frachtschiff geht.
Die Regeln sind angenehm unkompliziert und vor allem sehr einsteigerfreundlich. Zwar ist Coriolis kein völlig narratives Tischrollenspiel, rückt aber die Story deutlich in den Vordergrund. Dies kann man auch schön an der Handvoll Beispielszenarien sehen, die im Band zu finden sind.
Alles in allem ist Coriolis ein äußerst gelungenes Regelsystem. Die schlanken Regeln und das spannende Setting, das sehr viel Stoff und Platz für viele Abenteuer und eigene Geschichten bietet, machen direkt Lust darauf, zum Dritten Horizont zu reisen.
Wer sich aber noch unsicher ist, kann hier einen Blick in die kostenfreien Schnellstart-Regeln werfen.
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Im Königreich Sommerlund bekämpfen Kriegermönche, Kai Lords genannt, die Schergen der dunklen Herrscher, die das Land ins Verderben stürzen wollen. Bewegt sich das Lone Wolf Adventure Game einfach nur in der breiten Masse der Pen&Paper-Rollenspiele, oder kann es hervorstechen? Einblicke in Welt und Spielsystem gibt es in diesem Ersteindruck.
Das Lone Wolf Adventure Game basiert auf der erfolgreichen Abenteuerspielbuchreihe Lone Wolf von Joe Dever. Bereits 2004 und 2010 gab es erste Versionen eines Rollenspielsystems in Joe Devers Welt (Lone Wolf: The Roleplaying Game und Lone Wolf Muliplayer Game Book), über Kickstarter wurde 2014 schließlich als Weiterentwicklung das Lone Wolf Adventure Game finanziert und 2015 realisiert.
Das Spiel besteht aus drei Büchern: Das Book of Kai Wisdom (Spielleiterbuch), Book of Kai Training (Spielerbuch), sowie das Book of Kai Legends (Abenteuerbuch). Hinzu kommt diverses Material wie Tokens, Karten und Tabellen. Es gibt ein einsteigerfreundliches Read-This-First-Dokument, um absoluten Rollenspielneulingen einen möglichst unkomplizierten Start in die Welt des Rollenspielens im Allgemeinen und das Lone Wolf Adventure Game im Speziellen zu ermöglichen.
Die Spielwelt
Kenner und Fans der Abenteuerbuchreihe werden sicherlich gut über die Spielewelt Bescheid wissen, wer neu ist, findet eine Weltbeschreibung im Book of Kai Wisdom.
Dereinst kämpften die Kräfte des Guten gegen die Mächte des Bösen in der formlosen Leere gegeneinander, erst ein unsicherer Frieden der beiden Seiten ermöglichte es, Welten in dem Universum entstehen zu lassen. Die Götter sahen die entstandene Schöpfung und in ihnen wuchs der Drang, eben jene zu kontrollieren. So zerbrach der Frieden, und Gut wie Böse eroberten die Welten Zug um Zug – alle, bis auf eine. Magnamund, die schönste unter den Welten, blieb unerobert und unbeansprucht. Waren die übrigen Welten gleichmäßig zwischen Gut und Böse verteilt, würde nun diese eine verbleibende Welt die Waage zum Kippen bringen: Magnamund wurde zum zentralen Element im Kampf zwischen den guten und bösen Göttern.
Im Königreich Sommerlund, dem Sonnengott Kai gewidmet, startete Shaen Ruanor, der Baron von Toran, seine Suche nach dem Lorestones of Nyxator. Seine Quest war erfolgreich und mit Hilfe der Lorestones bekam er Zugang zu Weisheit und Stärke. In den westlich gelegenen Hügeln von Sommerlund gründete er die Kai Monastery, in der fortan tapfere Kai Lords ausgebildet wurden, um dem Übel und Bösen in der Welt zu trotzen. Mit einem solchen Kriegermönch als Charakter ziehen die Spieler ins Abenteuer.
Der geschichtliche Hintergrund wird mit Liebe zum Detail dargelegt (es gibt eine eigene Zeitrechnung, verschiedene Sprachen, etc.), der bespielbare Teil Magnamunds (The Lastlands, bestehend aus den Königreichen Sommerlund und Durenor, den Wildlands sowie Darklands) wird einzeln aufgeführt und kurz und knapp vorgestellt. Eine entsprechende Landkarte ist ebenfalls vorhanden. Der Aufhänger „Gut gegen Böse“ als Basis der Schöpfung ist ein Klassiker, nicht unbedingt originell, aber solide mit eigenen Inhalten umgesetzt. Die aufgeführten Spielregionen bieten genügend Optionen für viele, unterschiedliche Abenteuer.
Insgesamt ist die Weltbeschreibung eine ziemliche Punktlandung. Es ist nicht zu ausführlich, um überfordert oder gelangweilt zu werden, aber sie bietet genügend Details (z. B. Städte mit Einwohnerzahlen, verfügbare Ressourcen, Währung, etc.), um einen guten Rahmen zu erhalten.
Die Regeln
Das Regelwerk findet sich im Book of Kai Wisdom und ist in Anfänger- und Erweiterungsregeln aufgeteilt. Zuerst werden immer die Einsteigerregeln genannt, die jeweiligen Fortgeschrittenenregeln werden an derselben Stelle aufgeführt, sind aber durch das Textlayout separiert, was sehr zur Übersichtlichkeit beiträgt. Zunächst die grundsätzliche Regelmechanik: Möchten die Spieler eine Handlung ausführen, die ein gewisses Risiko birgt oder eine besondere Leistung darstellt, erfolgt eine Probe auf einen Zielwert, den der Spielleiter entsprechend der Situation festlegt. Es ist vorgesehen, dass die Spieler eine Zufallszahl ermitteln, indem sie ihren Charaktertoken auf die DIN-A4-große Zufallstabelle schnipsen, oder aber mit einem zehnseitigen Würfel (W10) würfeln (wobei hier die 0 nicht 10 ist, sondern tatsächlich 0). Als Standartwert für Proben ist 6 üblich, bei sehr schweren Aufgaben 7, und extrem schwere Aktionen 8. Modifiziert werden kann der Würfelwurf durch erlernte Disziplinen und Wesenszüge (+1 bis zu +3).
Zu den Basiswerten eines Charakters gehört u. A. die Kampffähigkeit, die bei der Charaktergenerierung ermittelt und durch Ausrüstung modifiziert wird. Kommt es zu einem Kampf, wird die Differenz der Kampffähigkeitswerte von der Spielerfigur und dem Gegner errechnet. Der daraus sich ergebende Wert bewegt sich üblicherweise zwischen -11 und +11 und gibt die Spalte in der Kampfergebnistabelle vor. Solange nicht der Gegner wechselt, bleibt dieser Wert bestehen. Um das Ergebnis einer Kampfrunde festzulegen, wird mit dem Wurf des Spielertokens auf die Zufallstabelle oder einem W10 eine Zahl ermittelt, die eine Zeile auf der Kampfergebnistabelle definiert (0-9). In dem sich so ergebenden Feld steht, wie viel Ausdauerschaden sowohl der Spielercharakter, als auch der Gegner erhält. Hier wird also nicht jede Figur nacheinander gewürfelt, sondern der Spielleiter muss lediglich unter Berücksichtigung der jeweiligen Kampffähigkeit seiner Spieler und den erwürfelten Zahlen aus der Tabelle ablesen. Das beschleunigt nicht nur die Kämpfe, sondern ergibt auch eine interessante Kombination aus Zufall und Vorgabe. Im Bereich der Extremwerte auf der Tabelle (-11 / +11) kann es sein, dass beim Spielercharakter bzw. Gegner ein „K“ steht, was „automatically killed“ bedeutet. Mit purem Glück einen starken Gegner zu besiegen, ist demnach nicht möglich.
Prinzipiell funktioniert das Regelsystem und hat höchstens kleinere Unschärfen: Die Dauer einer Kampfrunde wird zwischen zehn Sekunden und eine Minute angegeben – die Spanne ist hier etwas weit gegriffen. Es können Gegnergruppen desselben Typs gebildet werden, die einen Gruppen-Kampffähigkeitswert haben. Dieser Wert verändert sich jedoch mit Dezimieren der Gruppe nicht, was etwas unglücklich ist: Wird beispielsweise eine Gruppe von fünf Giaks auf einen reduziert, kämpft der letzte Giak mit demselben Wert, wie vorher zu fünft. Um den Fluss des Kampfes nicht zu unterbrechen, soll hier nicht neu gerechnet werden.
Charaktererschaffung
Wie bereits erwähnt, ist das gesamte Material des Lone Wolf Adventure Games einsteigerfreundlich, daher gibt es auch einige vorgefertigte Charaktere, mit denen man sofort in das Spiel starten kann. Die Regeln für das Erstellen eigener Spielfiguren finden sich im Book of Kai Training. Dieses Buch ist generell als Buch für Spieler gedacht, denn in den ersten zwei Kapiteln wird die Funktionsweise eines Rollenspiels erklärt und Background zum Leben eines Kai Lords geliefert, ehe es im dritten Kapitel zur Charaktererstellung geht. Hier kann wieder zwischen der Anfänger- oder Fortgeschrittenenvariante gewählt werden. In einzelnen Schritten wird der Charakterbogen im Querformat ausgefüllt. Insgesamt geht die Charakterstellung auch mit allen Punkten der fortgeschrittenen Regeln zügig und gut von der Hand, selbst wer Rollenspielneuling ist, wird schätzungsweise in 30 Minuten fertig sein.
Die Regeln zum Stufenaufstieg finden sich im Book of Kai Wisdom, dem Spielleiterbuch. Abenteuer- oder Erfahrungspunkte sucht man übrigens vergebens: Alle Spielercharaktere starten mit Rang 5 (Aspirant) und steigen nach einem abgeschlossenen Abenteuer automatisch einen Rang auf. Beim Rangaufstieg kann man in der Anfängervariante eine neue Disziplin wählen, mit den Expertenregeln können zudem bestehende Disziplinen verbessert werden, es kommen neue Wesenszüge hinzu, und mit Rang 10 kann eine Disziplin sogar auf das Meisterniveau gehoben werden. Mit Rang 10 endet eigentlich auch die aktive Spielzeit für diesen Charakter. Wem das zu schnell geht, verwendet bei den Expertenregeln das Campaign Play Advancement Chart, bei dem es noch mehr Abstufungen auf dem Weg zur Meisterschaft (Rang 10) gibt. Somit wird es Vielspielern gerecht, ermöglicht es aber auch den Gelegenheitsspielern, mit ihren Figuren in absehbarer Zeit einen hohen bzw. den höchsten Rang zu erreichen.
Erscheinungsbild
Mir lag das gesamte Spielmaterial in PDF-Form vor, daher kann ich zur Qualität der Printversion bzw. der Spielbox, in der alles enthalten ist, nichts sagen. Das Layout ist tadellos, bietet gute Lesbarkeit des Textes, wartet aber auch mit Raum für Verzierungen und Bildern auf. Gut gefällt mir, dass das untere Drittel in allen Büchern aus einem verzierten Kasten besteht, der ein Regeldetail genauer erläutert, einen Sachverhalt erklärt oder Hintergrundinformationen passend zum Seiteninhalt liefert. Öfter gibt es auch Tipps zum Rollenspiel, positiv aufgefallen ist mir der beständige Aufruf zum gemeinsamen Spielen und Spaß haben, kein „gegeneinander“. Im Book of Kai Legends findet man zwei ausgearbeitete (und für den unerfahrenen Spielleiter gestaltete) Abenteuer zum Einstieg, und auch ein komplettes Kapitel, wie eigene Abenteuer gestaltet werden können.
Die Illustrationen sind nicht überragend, aber durchaus gut und passen zum Setting. Alle PDFs sind vollfarbig. Sowohl Inhaltsverzeichnis als auch Index sind überall vorhanden und funktionieren sehr gut. Rechtschreibfehler sind mir keine aufgefallen, das gesamte Material macht einen professionellen Eindruck.
Bonus/Downloadcontent
Auf rpgnow.com gibt es einen Lone Wolf Adventure Game – Sampler kostenlos zum Download. Einige von Joe Devers Spielbüchern, sowie offizielles Material, gibt es auf der Seite von Project Aon.
Fazit
Das Basisset des Lone Wolf Adventure Games bietet für einen fairen Preis umfangreiches und hochwertiges Material. Die Welt hat ihre eigene Geschichte und wirkt gut durchdacht. Die Wahl der Ortsnamen empfinde ich jedoch stellenweise als etwas unglücklich, wer kann zum Beispiel „Dajdokriitzka“ auf Anhieb aussprechen? Die Karten wirken auf mich etwas „überbeschriftet“, wirklich alles ist benannt und lässt keinen Raum mehr für Eigenkreationen. Für Einsteiger ist das sicherlich in Ordnung, erfahrene Rollenspieler mögen sich vielleicht etwas eingeengt fühlen. Wer zudem auf Rassen- bzw. Klassenvielfalt steht, und gerne aus den Vollen schöpft, wird nicht auf seine Kosten kommen: Jeder Spielercharakter ist ausnahmslos ein Kai Lord und kann nur durch unterschiedliche Disziplinen und Wesenszüge individualisiert werden. Zudem können nur Charaktere mit ausschließlich guter Gesinnung gespielt werden.
Beim Schnipsen eines Tokens auf das Blatt mit den Zufallsnummern habe ich bei intensiver Anwendung in einer Spielsitzung Bedenken, erfreulicherweise kann aber problemlos ein W10 verwendet werden. Für normale Fertigkeitsproben funktioniert das 1W10-System, die erlernten Disziplinen könnten etwas stärker die Probe beeinflussen, um gelernt/ungelernt deutlicher zu unterscheiden. Das Abhandeln eines Kampfrundenergebnisses über die Tabelle mit nur einem W10-Wurf beschleunigt zwar den Kampf, ist aber schon arg minimalistisch. Fans von Würfelpools bzw. Attacke/Parade-Würfelgefechten werden enttäuscht sein. Zudem würfelt man generell als Spielleiter nur selten, im Kampf eigentlich nie, was wohl auch Geschmackssache ist.
Dieser Ersteindruck basiert auf dem Lesen des Materials, dem Erschaffen einer Spielfigur, sowie dem Würfeln etlicher Kämpfe. Zudem habe ich das Abenteuer „The Lost Caravan“ in meiner Spielrunde als Oneshot gespielt (drei Spieler, ich als Spielleiter). Ein ausführlicher Spieltest ist nicht vorgesehen.
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http://wp.me/p1Hoys-9KS
Spätestens dann, wenn du dich im Farindelwald verirrt hast oder du merkst, dass du Orbatal und Otterntal verwechselt hast, dann wirst du dir wünschen, du hättest auf den Händler in Havena gehört und ihm das überteuerte Landkartenset abgekauft. Denn in manchen Momenten ist es sein Geld wert...
Vieles hat sich durch die fünfte Regeledition in der Welt des Schwarzen Auges verändert. Nicht nur die Regeln wurden überarbeitet, sondern auch der Produktplan, mit dem Ulisses Spiele die Spielerschaft mit neuem Stoff versorgt. Eine Neuerung sind die Landkartensets, die nun zu jeder Regionalspielhilfe erscheinen werden. Sind diese sinnvoll oder reicht es den Spielhilfenband zur Siebenwindküste herumzureichen, wenn man einen Blick auf die Landschaft erhaschen möchte?
Inhalt
Für einige Rollenspieler sind Landkarten fiktiver Welten und Landschaften unverzichtbar, andere strafen sie hingegen mit Desinteresse. Dabei sind Karten am Spieltisch meist mehr als nur Dekoration. Manche Spieler, dazu zähle auch ich, studieren sie in ruhigeren Momenten mit Freude, um mehr über die Region zu erfahren, in der sie sich gerade befinden. Allein die Ortsnamen der näheren Umgebung zu lesen, kann die Fantasie immens beflügeln. In diesem Fall sind es Namen wie Seshwick, Niamor, Lyngwyn, Glydwick und viele mehr, die spätestens beim lauten Aussprechen an englische oder walisische Orte erinnern. Sicher, manche Spielleiter halten solche Karten auch gerne mal unter Verschluss, aber gerade zur Förderung des Ambientes würde ich persönlich dies nur tun, wenn die Orientierungslosigkeit zentrales Element eines Reise- oder Wildnisabenteuers sein sollte.
Ihr merkt vielleicht bereits, dass ich hier ein bisschen ins Allgemeine abdrifte. Dies liegt daran, dass es zu einem Kartenset eigentlich nicht so viel zu sagen gibt. Dieses Kartenset enthält die Karten aus der Spielhilfe zur Siebenwindküste, die vor einigen Wochen erschienen ist. Es enthält also eine allgemeine physische Karte der Region sowie zwei Karten, welche die Grenzen der Landschaften und Baronien enthalten. Außerdem gibt es Karten zu den Städten Abilacht, Winhall, Havena, Harben, Kyndoch und Honingen, und obendrauf eine Ingame-Karte, die so wahrscheinlich auch im Fürstenpalast zu Havena hängt. Diese Karten sind allesamt praktisch am Spieltisch und gerade für jene Spielleiter unverzichtbar, die selber Abenteuer in der Region entwerfen wollen.
Erscheinungsbild
Gerade die Städtekarten sind sehr gelungen gestaltet und wirken vor allem sehr plastisch. Auch wenn sie sich im Wesentlichen an dem Material aus vorherigen Publikationen orientieren, wirken sie in Farbe deutlich lebendiger als frühere Karten, die in der Regel schwarzweiß gedruckt wurden. So fällt es einem leichter, sich das städtische Treiben an der Siebenwindküste vorzustellen. Etwas unschön ist, dass es diese Städtekarten nicht auch ohne Legende und Nummerierung gibt.
Nicht so gut gefällt mir außerdem das neue Design der allgemeinen Landkarten. In DSA 5 wirken diese etwas trist und wenig einladend. In anderen Rollenspielsystemen werden so in der Regel die öden Lande des fiesen Zauberfürsten präsentiert, dessen Bauern unter seiner Herrschaft ausmergeln. Allerdings wirken sie durch die zurückhaltende Farbgebung auch aufgeräumter und besser lesbar als vorherige DSA-Landkarten. Außerdem gibt es als optisches Schmankerl ja sowieso die oben erwähnte Ingame-Karte, die so aussieht, wie man sich mittelalterliche Fantasy-Karten vorstellt.
Zudem sind fast alle Karten stabil laminiert und sollten auch eine überraschende Erfrischungsgetränk-Sturmflut am Spieltisch überstehen.
Fazit
Dieses Landkartenset richtet sich vor allem an Spielrunden, in denen der Spielleiter gerne ein größeres Abenteuer an der Siebenwindküste entwerfen möchte. Wer am Spieltisch richtig tief in die Region eintauchen möchte, kommt um diese Veröffentlichung nicht herum. Ganz abgesehen davon, bieten diese Karten auch einfach einen immensen praktischen Nutzen für alle Spielleiter und Spieler, die sich in ihrer Fantasie in die Lande zwischen Havena, Honingen und Harben flüchten möchten.
Für das, was es sein will, ist das Landkartenset also sehr gut gelungen. Mehr ist aber auch nicht drin. Ein kleines Extra, wie zum Beispiel ein Handout mit Reisezeiten, Kurzübersichten zu den wichtigsten Städten, Artworks zu prägnanten Landmarken oder ähnliches, hätte dem Produkt gut getan. Stattdessen gibt es ein, zugegebenermaßen hübsches, doppelseitiges Poster mit den Covern der Spielhilfe und der Rüstkammer der Siebenwindküste.
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http://www.teilzeithelden.de/2017/06/30/ersteindruck-paranoia-red-clearance-edition/
Willkommen im Alpha Complex, Bürger! Für den Fall, dass Sie Interesse am Leben eines Troubleshooters haben, hat Freund Computer Ihnen diesen Ersteindruck zur Verfügung Nichtlesen ist Verrat!
Wer Paranoia – Red Clearance Edition liest, hat die bereits fünfte Edition eines Rollenspiels vor sich, das ursprünglich 1984 erschien, bezeichnenderweise. Die aktuelle Edition ist sowohl als PDF-Paket als auch als Box erhältlich. Beide Varianten bestehen aus fünf Teilen: dem Player's Handbook, dem Gamemaster's Handbook und dem Mission Book sowie den für das Spiel benötigten Karten und Charakterbögen. Die Box enthält außerdem drei sechsseitige Würfel, darunter der spezielle „Computer Dice“. Ich sprach von bezeichnenderweise 1984, weil Paranoia in einer Dystopie spielt beziehungsweise der Satire einer solchen. Man findet Elemente von Fahrenheit 451, Brave New World oder eben 1984, allerdings ist fast alles auf humorvolle Weise ins Absurde gedreht, ohne den Hintergrund komplett zu vergessen, und ergibt so vor allem ein humorvolles Spiel. Diese Rezension beruht ausschließlich auf der PDF-Version.
Die Spielwelt
...ist der Alpha Complex, ein in sich geschlossenes Bunkersystem, dessen Herrscher der scheinbar allmächtige Computer ist. Dieser regelt die hochtechnisierte Umwelt. Menschen leben dort, seit irgendeine Katastrophe sie von der Erdoberfläche getrieben hat. Wann das war, das weiß keiner, denn es ist stets das Jahr 214. Es weiß auch niemand, was mittlerweile draußen los ist, beziehungsweise die Wenigsten haben ein Bewusstsein dafür, dass es so etwas wie „draußen“ geben könnte.
Dummerweise funktioniert im Alpha Complex fast nichts mehr richtig: Bots, Software, Versorgung der Bevölkerung, am wenigsten der Computer selbst. Alles dort hat seine angedachte Existenzdauer schon lange überschritten. Der Complex verfällt, für nichts ist richtig gesorgt und die Abläufe ersticken in Bürokratie. Ein System kurz vor dem Kollaps! Die Schuld dafür sucht der Computer nicht bei sich selbst, sondern bei Verrätern, Terroristen und Mutanten. Das vorherrschende Gefühl ist der Titel des Spiels: Paranoia!
Was, wenn man es bierernst nehmen würde, düster und deprimierend wäre, ist in Paranoia „dämlich düster“ („stupidly grim“). Das Nichtfunktionieren des Alpha Complex kommt nicht unterschwellig daher, sondern durchzieht das Spiel in jeder Faser! Terminals funktionieren nicht, per Algorithmus ausgewählte Ausrüstung ist völlig unpassend, der Computer blendet eine Umfrage über den Geschmack des neusten Softdrinks auf das HUD auf der Retina ein ...
Das kann er, denn die Menschen werden vom Computer nicht nur im Sechserpack geklont, sondern auch mit dem Cerebral Coretech, einem ganzen Paket Hard- und Software-Verbesserungen, ausgestattet. Diese Klone sind die einzigen Lebewesen im Alpha Complex. Ausnahmen bestätigen die Regel ... Ein Klon wird als junger Erwachsener aus seinem Klonbottich entlassen, um dem Alpha Complex zu dienen. Alles, was er wissen muss, hat man ihm schon einprogrammiert. Seine restlichen Abbilder verbleiben in Reserve, falls er sterben sollte, und werden regelmäßig mit den Erfahrungen des aktiven Klons upgedatet. Der wichtigste Unterschied zwischen den Menschen ist ihre „Security Clearance“, Sicherheitsfreigabe, die anzeigt, wie hoch sie in der Gunst des Computers stehen, was mit tatsächlicher Vertrauenswürdigkeit und Kompetenz allerdings nichts zu tun hat. Die Sicherheitsfreigabe ist durch Farben gekennzeichnet, die an den Overalls aller Einwohner erkennbar sind. Die Freigabe umfasst neun Stufen, von Infrarot, der niedrigsten Klasse, bis Ultraviolett, den High Programmers.
Spielercharaktere beginnen ihre Karriere in der Regel mit der roten Sicherheitsfreigabe, der zweitniedrigsten, verantwortlich für den Untertitel dieses Spiels. Außerdem sind sie Teil eines Teams aus Troubleshootern, also Leuten, die losgeschickt werden, um Ärger zu beseitigen. Aber die ganze Sache hat einen besonderen Clou: So gut wie jeder SC ist auch Mitglied einer Secret Society, Geheimgesellschaft, oder ein unregistrierter Mutant (meistens sogar beides!), und damit genau das, was der Computer fürchtet!
Daher versucht jeder Charakter nicht nur seinen Auftrag auszuführen, sondern auch im Geheimen seine Agenda voranzutreiben. Da jeder Charakter etwas anderes möchte, ist Chaos vorprogrammiert, und jeder geht früher oder später über Leichen, inklusive denen seines Teams.
Insgesamt lässt sich sagen, dass die Beschreibung der Spielwelt nicht detailliert, aber trotzdem gelungen ist. Das heißt vor allem, dass sie auf das abgedrehte und chaotische Spiel zugeschnitten ist, das Paranoia sein will. Es gibt keine Beschreibungen von Alltagskultur oder Pläne von Sektoren, aber das, was man bekommt, reicht, um mit etwas Phantasie schnell eine passende Umgebung zu gestalten.
Wer einen konkreteren Eindruck braucht, sollte sich die Szenarios im Mission Book zu Gemüte führen, welche sehr empfehlenswert sind, will man in das Spiel einführen. (Achtung, kleinere Spoiler folgen!)
In „Mission One“ beginnen die SC als frische, infrarote Klone. Nach einer Reihe abstruser Geschehnisse, wie einem zufällig zu Tode kommenden Terroristen, wertvollen Mopps und Piraten, die auf Tischen durch Dessertsauce schwimmen, werden sie genug XP-Points gesammelt haben, um die rote Sicherheitsfreigabe zu bekommen und zu Troubleshootern befördert zu werden.
In „Mission Two“ geht es um Reinigungsdienst, einen depressiven wie neidischen Reinigungsbot und einen Drogendeal. Perfekt, um das Thema Geheimgesellschaften anzuschneiden.
Letztlich wird es in „Mission Three“ richtig spannend, als die Troubleshooter einen Sektor untersuchen, den es nicht gibt, um einen Vorfall aufzuklären, der nie stattgefunden hat. Hier kommt die ganze Dysfunktionalität des Alpha Complex zum Tragen.
Die Regeln
Die Grundmechanik des Systems ist ein Würfelpool, NODE (Number Of DicE) genannt, der errechnet wird, indem man je einen Stat und einen Skill zusammenrechnet. Stats, die den Attributen in anderen Systemen entsprechen, reichen wertetechnisch von 0 bis 4 und umfassen Violence (alles Physische), Brains (alles Geistige), Chutzpah (alles Soziale) und Mechanics (alles was mit Technik zu tun hat).
Wie in anderen Rollenspielsystemen auch, werden die Fähigkeiten durch Skills verfeinert. In Paranoia gibt es davon 16 Stück, die verschiedene Tätigkeiten und Wissensgebiete darstellen. Ihre Werte reichen von -5 bis 5.
Die Anzahl sechsseitiger Würfel, die dem NODE entspricht, wirft man, wobei jede 5 oder 6 ein Erfolg ist. Alle Erfolge zusammen geben den Erfolgsgrad an, den man mit dem Schwierigkeitsgrad vergleicht, den der Spielleiter festgelegt hat.
Hat man einen negativen NODE, weil der Skill einen negativen Wert hatte, dann würfelt man trotzdem eine Anzahl an Würfeln, die diesem Wert entspricht, ohne Vorzeichen natürlich (zum Beispiel drei Würfel bei einem NODE von -3). Dafür reitet ein Misserfolg den Troubleshooter aber auch ganz schön rein! Dazu trägt auch der Computer Dice bei. Dieser Würfel wird immer zusätzlich geworfen. Fällt das Computer-Symbol, dann passiert etwas Ungewöhnliches, was darstellt, dass der Computer versucht, den Troubleshooter zu unterstützen. Was genau das heißt, liegt beim SL, aber es macht den Charakter auf jeden Fall nervös und er verliert einen Punkt Moxie, ein Wert der anzeigt, wie nervös der Charakter ist. Man kann Moxie aber nicht nur verlieren, sondern auch ausgeben, um beispielsweise Bonuswürfel zu bekommen.
Während diese Mechanik fast schon konventionell daherkommt, wird es beim Kampfsystem recht schräg. Besonders die Initiative bricht hier mit einigen Konventionen. Das System zur Reihenfolgebestimmung nennt sich DYNAMO (Dynamic Yet Narrative Action Melee Order) und basiert auf Karten, die die Spieler zuvor vom SL bekommen haben. Davon gibt es einige Varianten, aber für die Initiative gilt das gleiche Grundprinzip. Jede dieser Karten hat einen Wert Action Order, meist eine Zahl zwischen 10 und 0 oder ein Symbol, das die Karte als Reaction Card kennzeichnet. Diese dienen dazu, auf die Aktionen anderer zu reagieren. Denn beginnt der Kampf, dann geschieht folgendes: Alle Spieler legen verdeckt eine Karte vor sich hin. Dann zählt der SL von Zehn runter auf Null. Wenn die Zahl kommt, die der Action Order auf der gelegten Karte entspricht, dann ist der Spieler am Zug ... oder man lügt und sagt einfach, man wäre dran! Das können andere Spieler allerdings anzweifeln, und man verliert nicht nur seine Karte, sondern auch die Initiative, wird man beim Bluffen erwischt. Dann hat man nur noch eine Basic Action am Ende der Runde, wie diejenigen, die keine Karte gespielt haben, weil sie zum Beispiel keine mehr auf der Hand hatten. Reaction Cards, wie der Name schon andeutet, kann man regelkonform immer dann ausspielen, wenn man auf die Aktion eines anderen Spielers oder NSC reagieren will, sie können aber natürlich auch zum Bluffen verwendet werden.
Man kann drei verschiedene Dinge tun, wenn man mit seiner Karte an der Reihe ist: die Karte aufdecken und tun, was darauf steht (Action Cards), sie verdeckt zurück auf die Hand nehmen und eine Basic Action ausführen, oder sie abwerfen um einen Bonuswürfel für eine darauffolgende Basic Action erhalten. Auch die Karten mit Mutantenkräften werden auf diese Weise eingesetzt (plus Ausgabe von Moxie), nur dass man sie nie abwirft und jemand anderem als dem SL zeigt. Auch Equipment Cards werden nicht durch Benutzung abgeworfen.
Basic Actions sind alle Dinge, die keine Karte zum Ausführen benötigen. Darunter fallen auch normale Angriffe. Schaden wird schlicht dadurch ermittelt, dass man alle Erfolge zählt, die über dem Schwierigkeitsgrad des Angriffs liegen. Gesundheit wird in fünf Zuständen dargestellt (bei NSC auch mehr oder weniger): ohne Verletzungen, Hurt, Injured, Maimed und Dead. Erhält man Schaden, dann kreuzt man die entsprechende Zahl an Kästchen an. Außerdem bringt jeder Zustand Abzüge auf den NODE. Bei Maimed wären es beispielsweise -3. Und bei Dead ist der Klon halt tot.
Ausgewichen bzw. versucht, dem Schaden zu entkommen, wird nur im Nahkampf (hand-to-hand combat). Dazu muss der Verteidiger eine seiner Karten abwerfen, beschreiben, wie er den Schaden vermeiden will, und errechnet einen NODE. Resultieren aus dessen Wurf mehr Erfolge als aus dem Angriff, dann kommt der Troubleshooter ohne Schaden davon.
Um noch einmal auf den Tod eines Spielercharakters zurückzukommen: Das passiert bei Paranoia potentiell sehr häufig! Dafür hat man ja aber insgesamt sechs Klone. Stirbt einer, wird ein neuer an den Platz des alten befördert, identisch mit seinem Vorgänger.
Zu den XP-Points, den Erfahrungspunkten, sei gesagt, dass sie nicht nur das sind, sondern auch als Währung des Alpha Complex fungieren. Mit diesen können die Troubleshooter nicht nur Stats und Skills steigern oder Moxie regenerieren, sondern auch Equipment und persönliche Annehmlichkeiten erwerben. Sogar eine höhere Sicherheitsfreigabe!
Diese Grundregeln stehen im Player's Handbook. Leider werden manche Dinge nicht sofort erklärt, zum Beispiel mit welcher Art Würfel man eigentlich würfelt. Das muss man sich aus dem Kontext erschließen. Viel schwerwiegender ist allerdings, dass auch der Computer Dice nicht beschrieben wird. In der Box ist einer enthalten, womit sich die Frage erübrigt, wer aber nur die PDF-Version hat, der findet erst versteckt im Mission Book die Antwort: Er hat auch sechs Seiten und statt der 6 ist dort das Computer-Symbol. Kann man sich auch vorher denken, selbstverständlich ist es aber auch nicht. Ähnliche Phänomene gibt es auch an anderen Stellen. Manche Dinge werden leider gar nicht erklärt. Nirgendwo steht beispielsweise, was die öfters erwähnten Specialist Skills sind, die nicht zu einer der Secret Societies gehören.
Regeln für den Spielleiter
In den meisten Systemen gibt es einen Satz an Regeln, den hauptsächlich der Spielleiter kennen und zur Anwendung bringen muss. Die würde man im Gamemaster's Handbook erwarten. Paranoia macht es allerdings anders: Tatsächlich würfelt der SL nach Willen der Macher nicht einmal! Er legt fest, was passiert, bis hin zu Angriffen auf die Spielcharaktere. Zwar kann er theoretisch würfeln, aber vorgesehen ist freies Auslegen der Lage. Deshalb stehen im Gamemaster's Handbook statt harten mechanischen Regeln, neben Hintergrundinfos, hauptsächlich Verhaltensregeln und Interpretationshilfen für die Spielerregeln, damit diese freien Auslegungen auch tatsächlich zu Spaß und nicht zu Frust bei den Spielern führen.
Was man davon halten soll, ist sicherlich Geschmackssache. Dessen sind sich auch die Autoren bewusst und haben Optionen eingebaut, wie man als SL eben doch würfelt, um das Geschehen zu beeinflussen. Und tatsächlich ist die Würfelfreiheit auch nicht ganz konsequent umgesetzt. So wird dennoch, zugegeben sehr knapp, beschrieben, wie man NSC Werte gibt. Auch beim Ausweichen müssten theoretisch Würfel zum Einsatz kommen, sonst hätte die Regel wenig Sinn.
Charaktererschaffung
Als ersten Schritt der Charaktererschaffung legt man die grundlegenden Dinge fest: Name, Security Clearance (i.d.R. Red zu Beginn), den Home Sector, Gender und drei frei wählbare Eigenschaften, die den Charakter und das Verhalten des Troubleshooters beschreiben. Lustig wird es bei der Vergabe der Skills, denn die Charaktererschaffung ist gruppenbasiert: Im Uhrzeigersinn, mit dem Spieler zur Linken des SL beginnend, wählt ein Spieler einen Skill, für den er dann den Wert 1 bekommt. Der Spieler zu dessen Linken bekommt diesen Skill auf -1, darf dafür aber selbst einen anderen wählen, den sein Charakter mit dem Wert 1 bekommt. So geht es reihum und beginnt mit den Werten auf 2 von vorne, bis zu 5. Da entstehen schon die ersten Fehden, aber ein gebrannter Spieler hat später die Gelegenheit, sich bei der Vergabe der Stats zu rächen.
Die Charaktererschaffung enthält noch andere lustige Elemente, und es ist offensichtlich, dass die Spieler schon vor Spielbeginn dazu Lust bekommen sollen, sich IT gegenseitig an den Karren zu fahren. Das trifft den Geist des Spiels sehr gut, und man sollte sich diese Möglichkeit der Gruppenerschaffung nicht entgehen lassen.
Erscheinungsbild
Das Design von Paranoia – Red Clearance Edition ist insgesamt recht einfach gehalten. Das Gamemaster's Handbook und das Mission Book haben Titelbilder, die sehr gut zum Setting passen, während das Cover des Player's Handbook eher grafisch ist. Die Innengestaltung der Bücher wird vom Sicherheits- und Computerthema beherrscht, durch die Fußleiste und Grafiken zu Kapitelbeginn. Außerdem stehen die Seitenzahlen in kleinen Überwachungskameras. Illustrationen gibt es einige, die alle in einem Cartoonstil gehalten sind und Troubleshooter in misslichen oder zumindest unangenehmen Lagen zeigen. Diese sind ganz nett, nicht überragend, und passen gut zum Gesamteindruck des Spiels. Die Auflösung der Bilder ist nicht sonderlich hoch, aber durchaus ausreichend, was den positiven Effekt hat, dass die Seiten problemlos laden. Nur wenn in Bildern ein Schriftzug vorkommt, lässt sich dieser oft nicht gut lesen.
Die Schrift insgesamt ist recht groß und problemlos zu lesen. Das Layout der Seiten ist immer klar: Der Text steht in einem Stück, nicht in Spalten, und wird durch Kästen aufgelockert. Wo Auflistungen nötig sind, da stehen auch welche.
Bonus/Downloadcontent
Bisher keiner.
Fazit
Nach dem Lesen der PDF-Version ergibt sich für mich folgendes Bild: Paranoia ist ein Klassiker, der sich durch sein andersartiges Spielprinzip und die Abstrusität seiner Spielwelt hervortut. Beides weiß die Red Clearance Edition auf alle Fällen zu bewahren. Der durchweg humorvolle halb-In-Time-Schreibstil spiegelt das Gefühl, wie es sein muss, als Troubleshooter im Alpha Complex unterwegs zu sein, super wider. Leider geht dadurch aber etwas an Klarheit verloren, weil Elemente fehlen, die eigentlich jedes Regelwerk besitzt (ich erinnere an die Würfel). Es wirkt ein bisschen, als ob sich die Autoren vor lauter Freude am interessanten (und durchaus passenden) Schreibstil verzettelt hätten, wobei ein paar Aspekte, die für Rollenspielprodukte wichtig sind, auf der Strecke blieben. Deshalb bleibt von Paranoia – Red Clearance Edition als Produkt leider ein durchwachsener Eindruck zurück, während es als Spiel mit Sicherheit absolut gute Stimmung macht. Dadurch passt auch das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht mehr ganz, weil man merkt, dass eigentlich ein physisches Produkt vorgesehen ist.
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