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Shadowrun: Anarchy
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Shadowrun: Anarchy
Publisher: Pegasus Press
by Björn L. [Verified Purchaser]
Date Added: 08/03/2018 10:42:14

Die folgende Rezension ist ursprünglich in Mephisto 65 (September/Oktober 2017) für die Hardcover-Printausgabe erschienen.

Shadowrun Anarchy

Shadowrun gehört zu den Rollenspielen, die schon Jahrzehnte auf dem Markt sind und deren Regeln immer wieder erweitert wurden. Mit dem dicken Grundregelwerk der 5. Edition und mehreren essenziellen Erweiterungsbänden erfordert Shadowrun ein intensives Regelstudium – und es schadet auch nicht, zumindest Teile des mehrere tausend Seiten umfassenden Hintergrunds zu kennen. Für Einsteiger ist damit der Start in das System nicht einfach und die schiere Menge Material erschlagend. Natürlich ist diese Komplexität für viele Shadowrun-Spieler genau das, was sie an dem Rollenspiel schätzen.

So ist es je nach Betrachtungswinkel nur natürlich oder völlig überraschend, dass nun das Regelwerk Shadowrun Anarchy erschienen ist, was nicht weniger versucht, als Shadowrun eine komplett neue Regelbasis zu geben. Die Idee ist hierbei, vom klassischen Shadowrun mit seinen komplexen Spielmechanismen zu einem System zu kommen, das einfacher und erzählerischer ist und entsprechend weniger Regelstudium erfordert. Kann dieser revolutionäre Ansatz gelingen? Shadowrun Anarchy erscheint als Hardcover-Regelband mit etwas über 200 Seiten – also deutlich leichter als das reguläre Regelwerk. Der Aufbau folgt dem Standard: Nach der Erklärung, was es mit Shadowrun Anarchy auf sich hat und einer Kurzgeschichte gibt es eine Einführung zu Magie, Konzerne, Cyberware, Zeitlinie, Geographie und Machtgruppen der Spielwelt – der Hintergrund als Überblick in kompakter Form.

Es folgen die Regeln, und hier sieht der Veteran sofort deutliche Unterschiede. Zwar gibt es noch Attribute (allerdings weniger), Karma und Fertigkeiten (auch weniger), doch die Schattenbooster sind etwas komplett Neues. Sie und die sogenannten Plotpunkte bilden essenzielle neue Regelmechanismen. Die Schattenbooster sind eine Charaktereigenschaft, hinter der sich Zauber, Cyberware, Ausrüstung, Adeptenkräfte, Programme usw. verbergen. Es gibt weder ein umfassendes Grimoire, noch lange Ausrüstungskataloge, sondern eine kompakte Auswahl, um Zauber, Ausrüstung oder Cyberware als Vorteile mit eigenen Regeln erfassen. Hier bleibt Shadowrun Anarchy kompakt: Die klassischen 20+ Varianten von Pistolen werden auf ein paar Grundtypen reduziert. Tatsächlich verzichtet das Spiel sogar auf Preise und bindet Schattenbooster allein an Karma. So bringen Runs nur noch Karma, keine Nuyen. Die übliche Ausrüstungskurve, die stark vom Bezahlungsniveau des Spielleiters abhängt, fällt weg und mit einem Limit von sechs Schattenbooster wird Powergaming eigentlich unmöglich.

Neu sind auch die Plotpunkte, denn Shadowrun Anarchy betont mehr die Erzählung, bei der Spieler einen größeren Einfluss auf die Handlung bekommen. Mit Plotpunkten können Spieler in dieser Erzählung Vorteile kaufen oder bestimmte Dinge leichter erreichen – andererseits kann auch der Spielleiter Plotpunkte einsetzen, um den Spielern einige Überraschungen zu bescheren. Der Fokus liegt auf einer gemeinsamen Erzählung, die die Rolle der Spieler stärkt. Natürlich hat Shadowrun Anarchy Regeln für Magie, Matrix oder Fahrzeuge, doch diese sind wie Kampf jeweils auf einer Handvoll Seiten untergebracht. Einen größeren Platz bekommen 30 Beispielcharaktere, die vor allem durch ihre Hintergrundgeschichten beschrieben sind und schicke neue Illustrationen haben. In diesem Stil wird auch die Metropole Seattle eingeführt und dem Spielleiter 30 Missionen gegeben, die kurz umrissen sind und eine große Bandbreite abdecken. Am Ende gibt es noch Konvertierungsregeln für Shadowrun 5.

Eines ist sicher: Shadowrun Anarchy wird die Spielergemeinde spalten. Für Fans der klassischen Regeln dürfte es zu leicht und frei sein: Die umfassenden Magieregeln, tonnenweise Cyberware und Waffen und komplexen Spezialregeln, auf die Veteranen ihre Charaktere aufgebaut haben, werden hier einfach gestrichen.

Für diejenigen, für die Shadowrun zu komplex geworden ist oder die einfach mal einen neuen Blick auf die Spielwelt haben wollen, eröffnet Shadowrun Anarchy eine faszinierende Perspektive. Der moderne, erzählerische Ansatz ist gut mit dem Setting verwoben. Man kann mit diesen Regeln auch ohne lange Vorbereitung direkt losspielen. Die Details der Charaktere oder auch in die in den Missionen angedeuteten Plots sind spannend.

Mir hat Shadowrun Anarchy persönlich sehr gut gefallen, denn der mutige Ansatz, ein Spielsystem komplett neu zu interpretieren, um es leichter zugänglich zu machen, hat mich überzeugt. Sicherlich wird es das klassische Shadowrun nie ersetzen, doch aus meiner Sicht ist es ein alternativer Einstieg für diejenigen, für die das Spiel bisher zu komplex war. (Björn Lippold)



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