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Blackwind - Core Rulebook
von Roger L. [Häufiger Rezensent] Hinzugefügt am: 02/18/2019 05:44:46

https://www.teilzeithelden.de/2019/01/26/ersteindruck-blackwind-core-rulebook-krieg-der-punkte/

Mit FATE und Savage Worlds befinden sich bereits zwei Vertreter universeller Regelsysteme für Pen&Paper in vielen Regalen und auf vielen Spieltischen. Das Indie-System Blackwind versucht ebenfalls in diese Kerbe zu schlagen. Ob man damit tatsächlich Spaß haben kann, verrät euch unser Ersteindruck.

Indie-Systeme zu bewerten ist selten einfach. Einerseits versucht man als Rezensent möglichst objektiv zu bewerten. Auf der anderen Seite muss man sehen, dass man es nicht immer mit Profis zu tun hat. Gerade letzteres merkt man dem Indie-System Blackwind und speziell seinem Grundregelwerk an vielen Stellen an.

Blackwind soll sich in die Reihe von Universal-Regelwerken einreihen, welche lediglich ein regeltechnisches Grundgerüst liefern. Mit diesem Grundgerüst können sich dann die jeweiligen Spielgruppen ihre eigenen Welten und Settings bauen. Prominente und erfolgreiche Vertreter dieser Art von Rollenspiel-Regelwerken sind zum Beispiel FATE Core und Savage Worlds. Abseits dieser beiden findet man auch weitere Systeme, zum Beispiel das Cypher System von den Numenera-Erfindern. Blackwind hat sich also in diesem Genre mit großen Namen zu messen, und leider scheitert es dabei nahezu komplett. Aber der Reihe nach.

Die Regeln Das Grundregelwerk zu Blackwind beginnt nicht wie die meisten Rollenspielsysteme mit der Erstellung der Spielwelt oder mit einer Kurzübersicht der Regeln, sondern mit der Gruppenzusammensetzung. Dies ist ein wichtiges Thema im ersten Teil des Regelwerks, und das aus einem guten Grund: Entscheidungen zur Spielwelt oder zum Aufbau des anstehenden Abenteuers werden bei Blackwind gemeinsam getroffen! Auch wenn es einen Spielleiter gibt, hier „Director“ genannt, so ist dieser letztendlich lediglich die ausführende Hand des gemeinsamen Willens der Spielgruppe. Dies klingt auf dem Papier im ersten Moment absolut löblich und nachvollziehbar. Schließlich wollen alle Spieler Spaß in der Runde haben. Leider bringt Blackwind dann aber ein Punktesystem ins Spiel, welches am Ende das genaue Gegenteil erreicht.

Einblick ins Artwork des Regelwerkes Während der Erstellung der Spielwelt, und eigentlich auch während des gesamten anstehenden Abenteuers, hat jeder Spieler und auch der Director ein Punktekonto. Hier werden den jeweiligen Spielern Punkte gutgeschrieben. Diese Punkte können zum Beispiel für besonderes Engagement und besondere Ideenvielfalt bei der Erstellung der Spielwelt verteilt werden. Die Punkte werden später im Spiel immer wichtiger. Sie definieren die Reihenfolge, in der sich Spieler Charaktere erstellen, sie bestimmen, welche Würfel man als Spieler im Spiel einsetzt und vieles mehr. Sie sind ohne jeden Zweifel ein wichtiger Bestandteil des ganzen Spiels. Dies ist grundsätzlich als System gedacht, um die Spieler immer wieder zu motivieren, sich einzubringen.

Dieses Vorgehen ist durchaus üblich. In vielen Rollenspielgruppen wandern Bonus-Erfahrungspunkte oder andere Belohnungen für gutes Rollenspiel über den Tisch. In solch einem kleinen Rahmen ist dies auch meistens kein Problem. Wenn man aber dieses System zu einem Grundgerüst des Regelwerks erklärt, so wie Blackwind es macht, werden schnell die Probleme deutlich. Spieler, die vielleicht etwas zurückhaltender sind, oder die vielleicht auch einfach mal nur einen schlechten Tag hatten, werden bestraft. Nicht nur, dass sich diese Spieler erst später eine der vorher gemeinsam definierten Charakterklassen auswählen dürfen, es ist für sie zudem auch noch schwerer, Würfelwürfe zu bestehen, da die Fähigkeiten des eigenen Charakters direkt mit dem eigenen Punktekonto zusammenhängen. Wie soll so jemand motiviert werden?

Zugleich ist das Punktekonto auch während des Spiels aktiv und hat weiterhin Einfluss. Eigentlich steht man sogar in ständiger Konkurrenz zu seinen Mitspielern, denn wer in einer Situation die meisten Punkte hat, hat auch die besseren Würfel zur Verfügung und schafft damit seine Proben besser. Dies kann in einer gut eingespielten Gruppe sicherlich funktionieren, oft wird es aber eher für Missgunst und Neid sorgen. Zwei Emotionen, die man am Spieltisch einfach nicht gebrauchen kann.

Das Würfelsystem von Blackwind kann man relativ simpel als eine heruntergebrochene Variante von Savage Worlds bezeichnen. Jedem Spieler stehen insgesamt sechs Würfel mit einer unterschiedlichen Anzahl an Seiten zur Verfügung; von einem vierseitigen Würfel bis zu einem 20-seitigen Würfel mit vier weiteren Abstufungen. Bei einer Probe kommt jeweils nur einer dieser Würfel zum Einsatz.

Allerdings versucht man bei Blackwind nicht, einen bestimmten Wert zu übertreffen, sondern ausnahmsweise sind die niedrigeren Werte die besseren Werte. Allgemein empfiehlt das Regelwerk eine Sechs oder niedriger für eine einfache Aufgabe als Schwierigkeit. Welche Würfel geworfen werden, entscheidet sich je nach Charakter. Die einzelnen Charakterkonzepte haben jeweils sogenannte „Role“- und „Off-Role“-Fähigkeiten, für die entsprechend festgelegt ist, welche Würfel bei einer Probe geworfen werden. Dazu aber später mehr.

Was beim Studieren der Regeln relativ schnell auffällt, ist die Tatsache, dass die Autoren wirklich alles aufgeschrieben haben. Dies meine ich leider nicht im positiven Sinne. Jede Eventualität wird genaustens festgelegt, und selbst die Wahl eines Gruppensekretärs, welcher die Punktekonten festhält, ist bis ins kleinste Detail beschrieben. Gleichzeitig ist das gesamte Buch aber weniger wie ein klassisches Regelbuch geschrieben, sondern ist eher ein dramaturgischer Leitfaden für Abenteuer. Von den Grundlagen eines guten Plots über die Beschaffenheit von Charaktergeschichten und deren Länge bis hin zu Konzipierung und Überwindung von Hindernissen wird alles haarklein definiert und niedergeschrieben.

Dies ist zu großen Teilen auch wirklich nicht schlecht, aber den Zweck eines guten Grundregelwerks verfehlt das Buch damit leider komplett. Viele der Regeln gehen in dem Wust an Informationen einfach unter und sind auch auf die Schnelle nicht auffindbar. Um das Positive herauszustellen: Man findet als Spielleiter und Abenteuerautor viele Tipps und Hinweise zum Thema Struktur einer guten Geschichte und guter Charaktere. Doch dann kommt man wieder zum Ende eines Kapitels, bei dem nochmal auf jeweils mehreren Seiten festgelegt ist, wofür man den Spielern in dieser Phase des Abenteuers denn nun Punkte zuordnen sollte.

Charaktererschaffung Die Charaktererschaffung in Blackwind ist im Kern relativ simpel, erfordert aber dennoch viel Abstimmung mit den anderen Spielern. Nachdem die Gruppe sich für ein Setting entschieden hat, darf jeder Spieler Ideen für mögliche Charakterkonzepte in den Raum werfen. Sind diese Charakterkonzepte passend zum Setting, werden sie niedergeschrieben. Derjenige, der das Konzept auf den Tisch gebracht hat, bekommt entsprechend Punkte. Danach wählen sich die Spieler der Reihe nach ein Konzept aus, beginnend mit dem Spieler mit der höchsten Punktzahl. Das bedeutet, dass wenn ich mein Lieblingskonzept auf den Tisch bringe, ich noch lange nicht damit rechnen kann, den Charakter auch spielen zu dürfen.

Sind nun alle Spieler mit einem Konzept versorgt, werden die Karrieren bestimmt. Diese sind nicht etwa angelegt an bekannte Klassensysteme, sondern sortieren sich nach der Wichtigkeit der Charaktere für die Geschichte. So gibt es „Haupt-Protagonisten“, „Co-Protagonisten“ und „Andere-Protagonisten“ bzw. „Gäste“. Welcher Spieler welche Karriere erhält, hängt von der Punktzahl des Spielers ab.

Hat der Spieler mit den meisten Punkten mindestens zehn Punkte Vorsprung vor dem nächsten Spieler, bekommt er die Rolle des Haupt-Protagonisten, und alle weiteren werden Co-Protagonisten oder Gäste. Zugleich darf sich jeder Spieler eine von zwei Ausprägungen seiner Karriere auswählen: „Hearts“ oder „Spades“. Hearts-Charaktere sind von ihren Fähigkeiten eher breit aufgestellt. Sie bekommen drei Hauptfähigkeiten, die zu der Ausbildung des Charakters passen und fünf Nebenfähigkeiten, die frei auswählbar sind. Spades-Charaktere sind hingegen stärker spezialisiert. Sie bekommen fünf Hauptfähigkeiten und drei Nebenfähigkeiten.

Welchen Würfel man als Spieler bei einer Probe wirft, hängt ebenfalls von der Karriere und der Ausprägung ab. Als Haupt-Protagonist hat man die besten Würfel zur Verfügung. In der Spades-Ausprägung bekommt man für seine Hauptfähigkeiten einen sechsseitigen Würfel und für seine Nebenfähigkeiten einen 20-seitigen Würfel. Zusätzlich bekommt man einen vierseitigen Würfel für einen ausgewählten Spezialskill. In der Hearts-Ausprägung bekommt man hingegen einen achtseitigen und einen 10-seitigen Würfel. So führt sich das ganze nach unten fort. Als Gast hat man für alle Proben lediglich einen 12-seitigen Würfel.

Allgemein kann man sich mit der Charaktererschaffung anfreunden. Sie geht schnell von der Hand, man kann gute und unterschiedliche Charaktere entwickeln und muss sich nicht durch seitenlange Tabellen wühlen. Aber dann kommt dem Regelwerk das Punktesystem in die Quere. Warum wirkt sich die Teilnahme an der Erstellung der Spielwelt direkt auf die Stärke meines Charakters aus? Dies fördert Ungleichheit am Tisch und ist auch nicht fair für alle Spieler, die vielleicht etwas zurückhaltender sind.

Erscheinungsbild

Einblick ins Artwork des Regelwerkes Das Erscheinungsbild des Regelwerks ist grundsätzlich erstmal gut. Natürlich kann man von einem Indie-System keine hochwertigen und vollfarbigen Artworks in der Qualität von Degenesis erwarten. Deshalb sind die meisten Artworks eher simpel gehalten, was aber auch völlig ok ist. Die Texte sind ebenfalls ausreichend groß und gut lesbar. An manchen Stellen hätten dem Regelwerk zwar auch mehr Beispiele und Zusammenfassungen gutgetan, aber auch das ist ein eher kleines Problem.

Was viel mehr stört, ist die Struktur des gesamten Regelwerks. Es gibt zwar ein Inhaltsverzeichnis, welches auch sehr detailliert ist, aber trotzdem findet man kaum auf den ersten Blick das, was man sucht. Das hängt vor allem mit der Einteilung der Kapitel zusammen. Ein klassisches Regelwerk hat dedizierte Kapitel für Grundregeln, Charaktererstellung und die Welt. Blackwind teilt alles in Phasen einer Story oder eines Rollenspielabends ein. Beginnend mit „Basics, Projects, Plot“ wird definiert, wie man gemeinsam Welten baut.

Im Kapitel „Characterization and Score“ werden Charaktere erstellt. Je weiter man allerdings in diesen Kapiteln voranschreitet, desto unverständlicher werden sie. Was finde ich denn bloß in der „Fall-Section“? Was soll mir der Titel „Between Eclipse and Sunray“ im Kapitel „Resolution Section“ sagen, und wo finde ich jetzt Regeln für Kämpfe? Alle diese Fragen kann man nur beantworten, wenn man sich das Regelwerk komplett und bis ins kleinste Detail durchliest. Nach dem Lesen etwas wiederzufinden, ist wie die metaphorische Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Da hilft leider auch das anklickbare Navigationsmenü in der PDF nicht.

Zusätzlich liest sich das Regelwerk stellenweise wie die schlimmsten Paragraphen eines Gesetzbuches. Die Sätze sind verschachtelt, alles ist so sehr bis ins kleinste Detail ausdefiniert, dass man sich freut, wenn man endlich auf eine hilfreiche Information stößt. Mir ist es noch nie so schwergefallen, ein Regelwerk tatsächlich bis zum Ende zu lesen. Die insgesamt 164 Seiten lassen sich leider nicht gerade einfach durcharbeiten. Am Ende fühlt man sich eher an die Komplexität eines DSA-Regelwerks erinnert, als an ein simples FATE oder Savage Worlds. Und das, obwohl die Regeln selbst eigentlich sehr simpel sind.

Fazit Normalerweise bin ich jemand, der bei Indie-Systemen gerne mal ein Auge zudrückt. Blackwind macht mir das unfassbar schwer. Ja, es hat seine guten Seiten. Es ist als Regelsystem relativ simpel und bietet viele interessante Ansätze für die gemeinsame Erstellung von Spielwelten sowie den Aufbau von Geschichten. Man merkt wirklich, dass sich die Autoren hier auskennen. Betrachtet man das Regelwerk aber als Ganzes und überlegt, wie es in der Praxis funktionieren könnte, so kann man eigentlich nur zu einem Fazit kommen: Blackwind ist für sehr wenige Gruppen wirklich geeignet.

Durch das Punktesystem werden manche Spieler schnell derartig benachteiligt, dass die Motivation komplett auf der Strecke bleibt. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, wie man das ganze Regelsystem von einem Punktwert abhängig machen kann, den die Spieler bekommen. Wenn ich bei der Erstellung der Welt nicht anwesend bin (oder vielleicht einfach einen schlechten Tag habe), falle ich schnell in der Rangfolge nach hinten. Dann muss ich mich nicht nur bei der Charakterwahl hintenanstellen, mein Charakter wird auch zusätzlich schwächer sein als die der anderen Spieler. Dies ist keine faire Herangehensweise an ein kooperatives Spiel, bei dem eigentlich jeder seinen Spaß haben soll.

Dieser Ersteindruck basiert auf der mehrfachen Lektüre des Regelwerks und Charaktererstellung.



Wertung:
[3 von 5 Sternen!]
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